Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.256/2002
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2A.256/2002 /zga

Urteil vom 30. August 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiber Moser.

1. X.________,

2. Y.________,

3. Z.________, Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Rechtsanwältin Antigone Schobinger,
Gartenhofstrasse 15, Postfach 9819, 8036 Zürich,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zürich, vertreten durch die Staatskanzlei, Kaspar
Escher-Haus, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Kammer, Militärstrasse 36,
Postfach, 8021 Zürich.

Aufenthaltsbewilligung

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 4. Kammer, vom 19. April 2002

Sachverhalt:

A.
Der aus Bosnien-Herzegowina stammende X.________, geboren 1968, stellte,
nachdem er 1994 in der Schweiz vorübergehend aufgenommen worden war, im
November 1997 ein Asylgesuch, welches am 18. September 2001
(zweitinstanzlich) rechtskräftig abgewiesen wurde, unter Fristansetzung zum
Verlassen des Landes bis zum 14. Dezember 2001.

Die jugoslawische Staatsangehörige Y.________, geboren 1970, reiste 1992,
ihrem damaligen Ehemann folgend, in die Schweiz ein. Nach erfolgter Scheidung
wurde ihre Aufenthaltsbewilligung zwecks Erwerbstätigkeit (ermessensweise)
weiterhin verlängert. Im Januar 1999 brachte sie das (ebenfalls
aufenthaltsberechtigte) Mädchen Z.________ zur Welt, welches X.________ im
Dezember 1999 als seine Tochter anerkannte. Im September 2000 heirateten
X.________ und Y.________ und leben seither zusammen mit dem gemeinsamen Kind
im Kanton Zürich.

B.
Mit Verfügung vom 6. Oktober 2000 trat die Direktion für Soziales und
Sicherheit (Fremdenpolizei; heute: Migrationsamt) des Kantons Zürich auf ein
Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung für X.________ zum Verbleib
bei seiner Gattin nicht ein. Die Fremdenpolizeibehörde erwog, es bestehe kein
Anspruch auf die anbegehrte Anwesenheitsbewilligung, weshalb infolge des von
X.________ anhängig gemachten Asylgesuchs kein fremdenpolizeiliches
Bewilligungsverfahren durchgeführt werden könne (Art. 14 Abs. 1 des
Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]). Ein hiegegen beim
Regierungsrat des Kantons Zürich eingereichter Rekurs blieb erfolglos
(Beschluss vom 6. März 2002).

C.
Auf eine von X.________ und Y.________ sowie ihrer Tochter Z.________ gegen
diesen regierungsrätlichen Rekursentscheid erhobene Beschwerde trat das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (4. Kammer) mit Beschluss vom 19. April
2002 nicht ein mit der Begründung, mangels eines gefestigten
Anwesenheitsrechts der Ehefrau und des Kindes fehle es an einem (gemäss
kantonalem Verfahrensrecht für die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels
erforderlichen) Rechtsanspruch auf die für den Ehemann anbegehrte
Aufenthaltsbewilligung.

D.
Mit Eingabe vom 24. Mai 2002 haben X.________, seine Ehefrau und die Tochter
beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht, mit der sie
beantragen, der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. April 2002 sei
aufzuheben und die Sache zur weiteren Behandlung an die Vorinstanzen
zurückzuweisen, welche anzuweisen seien, das Gesuch um Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung an den Beschwerdeführer zur materiellen Behandlung an
das Migrationsamt des Kantons Zürich zurückzuweisen.
Die Staatskanzlei des Kantons Zürich (im Auftrag des Regierungsrates) sowie
das Bundesamt für Ausländerfragen beantragen, auf die Beschwerde nicht
einzutreten. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (4. Abteilung)
schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

E.
Dem von den Beschwerdeführern gestellten Gesuch um aufschiebende Wirkung
wurde mit Verfügung des Präsidenten der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 19. Juni 2002 entsprochen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den
Entscheid einer nach Art. 98a OG zuständigen kantonalen Gerichtsinstanz,
welche aufgrund einer zu Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG analogen
kantonalen Zugangsregelung auf das bei ihr eingereichte Rechtsmittel nicht
eingetreten ist, da sie einen Rechtsanspruch auf die streitige
fremdenpolizeiliche Bewilligung verneint hat. Hiegegen kann der Rechtsuchende
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gelangen, wenn er -
wie hier - die Verneinung des Rechtsanspruches als bundesrechtswidrig
anfechten will (BGE 127 II 161 E. 3a S. 167).

1.2 Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei aus gegen
die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht
keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheiden
die zuständigen Behörden, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der
Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von
Aufenthalt und Niederlassung. Es besteht damit grundsätzlich kein Anspruch
auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, es sei denn, der Ausländer oder
seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich auf eine Sondernorm
des Bundesrechts (einschliesslich Bundesverfassungsrecht) oder eines
Staatsvertrages berufen (BGE 127 II 161 E. 1a S. 164, 60 E. 1a S. 62 f., je
mit Hinweisen).

1.3 Nach Art. 14 Abs. 1 AsylG kann vom Zeitpunkt der Einreichung eines
Asylgesuchs bis zur Ausreise nach seiner rechtskräftigen Ablehnung oder bis
zur Anordnung einer Ersatzmassnahme bei nicht durchführbarem Vollzug kein
Verfahren um Erteilung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung eingeleitet
werden, es sei denn, es bestehe ein Anspruch auf eine solche. Der in dieser
Bestimmung statuierte Vorrang des Asylverfahrens erfährt somit dann eine
Ausnahme, wenn - was die Fremdenpolizeibehörden (wie hier) zumindest
vorfrageweise zu prüfen haben - gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu
Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ein Anspruch auf die anbegehrte Bewilligung
besteht (Urteil des Bundesgerichts 2A.280/2001 vom 21. September 2001, E. 2).
Fehlt es dagegen an einem solchen, so ist es nicht zu beanstanden bzw. mit
Blick auf Art. 14 Abs. 1 AsylG sogar geboten, wenn die materielle Prüfung des
Gesuchs um Aufenthaltsbewilligung von der vorgängigen Wiederausreise des
Gesuchstellers abhängig gemacht wird (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2A.20/2002 vom 13. Mai 2002, E. 2.2 und 2.3). Dies muss auch dann gelten,
wenn die Voraussetzungen des Familiennachzugs im Sinne von Art. 38 und 39 der
Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer
(BVO; SR 823.21) vor der Wiederausreise erfüllt wären, stellen doch diese
Bestimmungen die Bewilligungserteilung ins Ermessen der zuständigen Behörden,
ohne zusätzliche Rechtsansprüche zu schaffen (vgl. BGE 119 Ib 91 E. 2b S.
96).

2.
Die Beschwerdeführer machen geltend, es liege ein Rechtsanspruch auf die
anbegehrte Aufenthaltsbewilligung vor. Da die Zulässigkeit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom grundsätzlichen Vorhandensein eines solchen
abhängt (E. 1.2), ist diese Frage im Rahmen der Eintretenserwägungen zu
prüfen (vgl. BGE 127 II 161 E. 1b S. 165).

2.1 Dass aufgrund von Vorschriften des innerstaatlichen Gesetzesrechts
(namentlich Art. 17 Abs. 2 ANAG) oder eines bilateralen Staatsvertrages ein
Anspruch auf Erteilung der für den Beschwerdeführer 1 anbegehrten
Aufenthaltsbewilligung bestehe, wird mit Grund nicht behauptet. Hingegen wird
vorgebracht, ein Rechtsanspruch ergebe sich aus Art. 8 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK; SR 0.101) und Art. 13 BV.

2.2 Art. 8 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 13 Abs. 1 BV garantieren den Schutz des
Familienlebens. Es kann dieses Grundrecht verletzen, wenn einem Ausländer,
dessen Familienangehörigen hier weilen, die Anwesenheit in der Schweiz
untersagt wird. Vorausgesetzt wird nach ständiger bundesgerichtlicher
Rechtsprechung, dass der hier weilende Familienangehörige selber ein
gefestigtes Anwesenheitsrecht hat. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn er
über das Schweizer Bürgerrecht oder eine Niederlassungsbewilligung verfügt,
sondern auch dann, wenn er eine Aufenthaltsbewilligung hat, die ihrerseits
auf einem Rechtsanspruch beruht (BGE 126 II 335 E. 2a S. 339 f.; 125 II 633
E. 2e S. 639, je mit Hinweisen; eingehend: BGE 126 II 377 E. 2b S. 382 ff.).
2.3 Die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers 1 besitzen - was in der
Beschwerde nicht bestritten wird - lediglich eine
Jahresaufenthaltsbewilligung, auf deren Erteilung oder Verlängerung sie
keinen Rechtsanspruch haben. Dass die Beschwerdeführerin 2 aufgrund ihrer
langjährigen Anwesenheit in der Schweiz bereits über die
Niederlassungsbewilligung verfügen könnte, ist unerheblich, zumal auch die
Erteilung einer solchen Bewilligung - gleich wie die Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung - im Ermessen der kantonalen Fremdenpolizeibehörden
steht. Verfügt somit keines der hier weilenden Familienmitglieder des
Beschwerdeführers 1 über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht, so lässt sich aus
Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV auch kein Anspruch auf
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für ihn selbst ableiten.

2.4 Die Beschwerdeführer weisen auf Stimmen in der Literatur hin, welche die
Beschränkung der Anrufbarkeit von Art. 8 EMRK auf Fälle gefestigter
Anwesenheit in der Schweiz in Frage stellen. Die Kritik in der Lehre geht
namentlich dahin, für die Begründung eines Anspruches müsse es genügen, dass
das Familienleben berührt sei, und die Art der Bewilligung sei gegebenenfalls
erst bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen,
was dem Prüfungsschema des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
entspreche. Das Bundesgericht hat in BGE 126 II 377 E. 2b/cc S. 383 f. erneut
bekräftigt, am Erfordernis des gefestigten Anwesenheitsrechts - welches auf
der Überlegung basiert, dass ein Ausländer, der selber keinen Anspruch auf
längere Anwesenheit hat, einen solchen auch nicht einer Drittperson zu
verschaffen vermag (BGE 126 II 335 E. 2a S. 340, mit Hinweisen) -
festzuhalten, und hat dies bis in jüngster Zeit getan (vgl. etwa die Urteile
2A.318/2002 vom 15. Juli 2002, E. 2.1.2, sowie 2A.533/2001 vom 25. April
2002, E. 2.2). Es besteht kein Anlass, diese Rechtsprechung aufzugeben.

3.
Besteht nach dem Gesagten kein Rechtsanspruch auf Erteilung der für den
Beschwerdeführer 1 anbegehrten Aufenthaltsbewilligung, so bleibt die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen. Die Eingabe kann aber auch
nicht als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen werden, da die
Beschwerdeführer zu diesem (gemäss Art. 84 Abs. 2 OG subsidiären)
Rechtsmittel in der Sache selbst (materielle Bewilligungsfrage) mangels eines
Eingriffs in rechtlich geschützte Positionen nicht legitimiert wären (Art. 88
OG; BGE 126 I 81 E. 3-7 S. 85 ff., mit Hinweisen).

Eigentliche Verfahrensrügen, welche unabhängig von der Legitimation in der
Sache selbst zulässig sind ("Star-Praxis", BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f.;
vgl. auch BGE 127 II 161 E. 3b S. 167; 126 I 81 E. 3b S. 86 sowie E. 7b S.
94), erheben die Beschwerdeführer nicht.

4.
Damit ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.

Bei diesem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den
Beschwerdeführern aufzuerlegen, unter solidarischer Haftung (Art. 156 Abs. 1
und 7 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Auf die Zusprechung einer
Parteientschädigung besteht kein Anspruch (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt,
unter solidarischer Haftung.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat des Kantons
Zürich (Staatskanzlei) und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (4.
Kammer) sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. August 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: