Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.249/2002
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2A.249/2002 /leb

Urteil vom 7. November 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Häberli.

A. ________ AG,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Ueli Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich,

gegen

Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik, Zürcherstrasse 19, 8400
Winterthur, Beschwerdegegnerin,
Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus,
8090 Zürich,
Bildungsdirektion des Kantons Zürich, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, Militärstrasse 36, 8021
Zürich.

Kostenübernahme für Lehrlings-Einführungskurse,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 10. April 2002.

Sachverhalt:

A.
Die in X.________ domizilierte A.________ AG bezweckt die Forschung auf dem
Gebiet der elektronischen Informationsverarbeitung, die Entwicklung und
Herstellung von elektronischen Geräten sowie den Handel mit Computer-Hardware
und -Software. Im Jahr 1998 besuchten zwei ihrer Lehrlinge je zwei
Einführungskurse im Sinne von Art. 16 des Bundesgesetzes vom 19. April 1978
über die Berufsbildung (BBG; SR 412.10) bei der (als Verein nach Art. 60 ff.
ZGB ausgestalteten) Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik (ZLI), wofür
diese der A.________ AG insgesamt Fr. 5'500.-- in Rechnung stellte. Letztere
weigerte sich in der Folge, die Rechnung zu bezahlen, und erhob gegen den
entsprechenden Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag. Der Versuch der Zürcher
Lehrmeistervereinigung Informatik, die Betreibung fortzusetzen, scheiterte,
weil der Einzelrichter des Bezirksgerichts X.________ auf ihre
Forderungsklage nicht eintrat, da diese öffentlichrechtlicher Natur sei
(Urteil vom 7. Juli 1999).

B.
Mit Verfügung vom 5. Dezember 2000 verpflichtete das Mittelschul- und
Berufsbildungsamt des Kantons Zürich die A.________ AG, der Zürcher
Lehrmeistervereinigung Informatik Fr. 5'500.-- zu bezahlen, was die
Bildungsdirektion des Kantons Zürich auf Rekurs hin bestätigte (Verfügung vom
26. Juni 2001). Die A.________ AG gelangte in der Folge an das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches die angefochtene Verfügung mit
Entscheid vom 10. April 2002 schützte.

C.
Am 21. Mai 2002 hat die A.________ AG beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen
Entscheid "sowie die angefochtene Verfügung ersatzlos aufzuheben". Sie macht
geltend, die streitige Forderung sei zivilrechtlicher Natur und könne deshalb
nicht auf dem Verwaltungsweg geltend gemacht werden.

Das Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Zürich hat auf
Stellungnahme verzichtet, gleich wie das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich und das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement. Die Zürcher
Lehrmeistervereinigung Informatik hat sich nicht vernehmen lassen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet der Beschwerdeentscheid,
welchen das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich als letzte kantonale
Instanz gestützt auf das eidgenössische Berufsbildungsrecht gefällt hat; er
ist beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar (vgl.
Art. 68 lit. e BBG in Verbindung mit Art. 97 ff. OG sowie Art. 5 VwVG). Auf
die frist- und formgerecht eingereichte Eingabe der nach Art. 103 lit. a OG
legitimierten Beschwerdeführerin ist demnach grundsätzlich einzutreten.
Unzulässig ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit sie sich auch gegen
unterinstanzliche Entscheide richtet, kann doch mit diesem Rechtsmittel nur
der letztinstanzliche kantonale Entscheid angefochten werden (vgl. Art. 98
lit. g OG).

2.
Streitig ist vorab, ob die Kursgeldforderung der Zürcher
Lehrmeistervereinigung Informatik öffentlichrechtlicher oder
privatrechtlicher Natur ist.

2.1 Für die Abgrenzung von Privatrecht und öffentlichem Recht hat die Lehre
mehrere Methoden entwickelt. Es wird insbesondere unterschieden, ob die
anwendbaren Rechtssätze ausschliesslich oder vorwiegend private oder
öffentliche Interessen wahrnehmen (Interessentheorie), die Erfüllung
öffentlicher Aufgaben oder die Ausübung einer öffentlichen Tätigkeit regeln
(Funktionstheorie) oder den Staat gegenüber dem Privaten als übergeordneten
Träger von Hoheitsrechten erscheinen lassen (Subordinationstheorie; vgl. BGE
101 II 366 E. 2b S. 369, mit Hinweisen). Das Bundesgericht nimmt die
Abgrenzung gestützt auf verschiedene Methoden vor, wobei keiner a priori ein
Vorrang zukommt. Vielmehr prüft es in jedem Einzelfall, welches
Abgrenzungskriterium den konkreten Gegebenheiten am besten gerecht wird.
Damit trägt es dem Umstand Rechnung, dass der Unterscheidung zwischen
privatem und öffentlichem Recht ganz verschiedene Funktionen zukommen, die
sich nicht mit einem einzigen theoretischen Unterscheidungsmerkmal erfassen
lassen (BGE 120 II 412 E. 1b S. 414, mit Hinweisen).

2.2 Das eidgenössische Berufsbildungsgesetz regelt unter anderem die
Grundausbildung in den Berufen der Industrie, des Handwerks, des Handels, des
Bank-, Versicherungs-, Transport-, Gastgewerbes und anderer
Dienstleistungsgewerbe sowie der Hauswirtschaft (Art. 1 Abs. 1 lit. b BBG).
Es bestimmt, dass Lehrlinge, welche eine Berufslehre in einem Betrieb
absolvieren, gleichzeitig die Berufsschule besuchen, wobei die praktische
Ausbildung durch Einführungskurse gefördert wird (Art. 7 lit. a BBG). Diese
Kurse, in welchen sich die Lehrlinge die grundlegenden Fertigkeiten aneignen,
werden von den Berufsverbänden in Zusammenarbeit mit den Kantonen
durchgeführt (Art. 16 Abs. 1 und Abs. 4 BBG), wobei sich der Bund - je nach
der Finanzkraft der Kantone - mit einem Beitrag von 22 - 37 Prozent an den
Aufwendungen beteiligt (Art. 64 Abs. 2 lit. b BBG). Der Besuch der
Einführungskurse ist für alle Lehrlinge des betreffenden Berufs
obligatorisch, wenn ihnen nicht die grundlegenden Fertigkeiten in einer
betriebsinternen Lehrwerkstätte oder in gleichwertiger Form vermittelt werden
(Art. 16 Abs. 3 BBG; vgl. auch Art. 71 Abs. 1 lit. b BBG). Für die
Einführungskurse ist ein Reglement zu erlassen, welches die Organisation, die
Dauer, den Lehrstoff, die Koordination mit dem beruflichen Unterricht und die
Kostendeckung regelt. Das Reglement bedarf die Genehmigung des zuständigen
Bundesamtes (Art. 16 Abs. 5 BBG). Gemäss Art. 14 Abs. 1 des Reglements vom
22. Dezember 1997 über die Einführungskurse für die Lehrlinge der Berufe
Anlagenbauer, Automatiker, Elektroniker, Informatiker, Konstrukteur,
Polymechaniker (vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit genehmigt am
22. November 1997) werden die Kurskosten den Lehrbetrieben in Rechnung
gestellt, wobei der Rechnungsbetrag in keinem Fall die Aufwendungen pro
Teilnehmer nach Abzug der Leistungen der öffentlichen Hand übersteigen darf.
Das (alte) Reglement vom 31. März 1994 über die Einführungskurse für
Informatiker-Lehrlinge (vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit
genehmigt am 13. April 1994) enthielt in Art. 13 Abs. 1 eine identische
Regelung. Art. 15 Abs. 4 der Verordnung vom 7. November über die
Berufsbildung (BBV; SR 412.101) bestimmt sodann, dass der Lehrbetrieb den
Lehrlingen den vertraglich vereinbarten Lohn während des Kurses weiterzahlen
muss und auch die durch den Kursbesuch entstehenden zusätzlichen Kosten zu
übernehmen hat; eine allfällige Beteiligung Dritter an diesen Kosten ist vom
Reglement vorzusehen. Die Verordnung stellt damit klar, dass die
Einführungskurse zum Berufsunterricht gehören, für dessen Besuch der
Lehrmeister dem Lehrling gestützt auf Art. 345a Abs. 2 OR die erforderliche
Zeit ohne Lohnabzug freizugeben hat.

2.3 Das Berufsbildungsgesetz, welches unstreitig auf Informatiker-Lehrlinge
Anwendung findet, ist Teil des öffentlichen Rechts, wobei für den vorliegend
interessierenden Art. 16 BBG nichts anderes gilt: Diese Bestimmung ist
hoheitlicher Natur, verpflichtet sie doch einerseits die Berufsverbände,
zusammen mit den Kantonen Einführungskurse für Absolventen von Berufslehren
anzubieten, und erklärt andererseits den Besuch dieser Kurse grundsätzlich
für alle Lehrlinge obligatorisch. Sie wurde in Wahrnehmung öffentlicher
Aufgaben erlassen (vgl. Art. 63 Abs. 1 BV bzw. Art. 34ter Abs. 1 lit. g aBV)
und verfolgt öffentliche Interessen, weshalb Bund und Kantone einen Teil der
Kosten der Einführungskurse übernehmen (Art. 64 Abs. 2 lit. b BBG; für den
Kanton Zürich vgl. § 4 lit. h und § 8 lit. c der Verordnung vom 2. Dezember
1987 über Staatsbeiträge an die Berufsbildung). Mit der Einbindung der
Berufsverbände in die berufliche Grundausbildung (sog. triales System) suchte
der Gesetzgeber diese zu verbessern (vgl. die Botschaft des Bundesrats vom
26. Januar 1977 zu einem neuen Bundesgesetz über die Berufsbildung, BBl 1977
I 690, 695 u. 699; und die Nähe der Verbände zur vermittelten Materie zu
nutzen (vgl. AB 1977 N 1599, Votum Bundesrat Brugger). Im gleichen Zug hat er
die Kompetenz, die Modalitäten für die Durchführung der Einführungskurse zu
regeln, teilweise (vgl. den Genehmigungsvorbehalt) an die Berufsverbände
delegiert. Die von diesen verfassten Reglemente treten damit an die Stelle
von Verordnungsrecht des Bundes, wobei die Bestimmungen zu Organisation und
Inhalt der Kurse grundsätzlich ohne weiteres dem öffentlichen Recht
zuzuordnen sind. Ist die Rechtsnatur einzelner Aspekte solcher Reglemente zu
beurteilen, so können die betreffenden Normen nicht aus dem Zusammenhang
gerissen und isoliert betrachtet werden. Dies verkennt die
Beschwerdeführerin, wenn sie argumentiert, die Kostenregelung gemäss Art. 14
Abs. 1 des einschlägigen Reglements wahre allein die privaten Interessen des
Trägers der Einführungskurse. Die streitige Frage der Kostentragung bildet
nach dem Gesagten Teil der speziellen öffentlichrechtlichen Normen des
Berufsbildungsrechts; sie beschlägt das grundsätzlich öffentlichrechtlich
geprägte Verhältnis zwischen dem Lehrbetrieb und den mit der Durchführung der
Kurse betrauten Berufsverbänden, für welches sich Rechte und Pflichten nicht
aus einem (zivilrechtlichen) Vertrag, sondern eben vorab aus dem vom
Bundesamt genehmigten (öffentlichrechtlichen) Kursreglement ergeben. Es ist
abwegig, einzig die Forderung des Berufsverbands auf Bezahlung der Kurskosten
(soweit sie nicht von der öffentlichen Hand getragen werden) zu betrachten
und als privatrechtlich einzustufen. Es handelt sich bei Art. 14 Abs. 1 des
Reglements vielmehr um eine normative Verpflichtung des Lehrmeisters, den
Trägern der Einführungskurse die Kurskosten zu ersetzen; selbst isoliert
betrachtet weist diese Bestimmung klar hoheitlichen Charakter auf. Es ist
nicht ersichtlich, inwiefern sie privatrechtlicher Natur sein könnte, fällt
doch die Streitfrage auch nicht in den Regelungsbereich des
Obligationenrechts. Dieses erfasst nur das Lehrverhältnis zwischen
Lehrmeister und Lehrling, soweit es nicht durch öffentliches Recht bestimmt
wird (vgl. Manfred Rehbinder, Berner Kommentar, N 3 zu Art. 344 OR).

2.4 Mithin ist die Zahlungspflicht der Beschwerdeführerin
öffentlichrechtlicher Natur und die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt
(vgl. Art. 104 lit. a OG), wenn sie nicht Privatrecht angewendet hat.
Inwieweit die Vorinstanzen als Verwaltungs- und Verwaltungsjustizbehörden für
die Durchsetzung der Forderung bzw. die Beurteilung der Anspruchsberechtigung
zuständig waren, ist eine Frage des kantonalen Verfahrensrechts, welches vom
Bundesgericht nur auf Willkür hin überprüft wird. Nachdem die
Beschwerdeführerin eine entsprechende Verfassungsverletzung nicht sachbezogen
und genügend begründet dartut, ist darauf nicht weiter einzugehen.

3.
Öffentlicherechtliche Geldleistungspflichten bedürfen grundsätzlich einer
formellgesetzlichen Grundlage. Art. 16 BBG sieht die Durchführung von
obligatorischen Einführungskursen für Lehrlinge vor, ohne sich selbst über
die Kostentragung auszusprechen; die Regelung der "Kostendeckung" soll durch
das Kursreglement erfolgen (Abs. 5). Erst aus Art. 15 Abs. 4 BBV ergibt sich,
dass dem Lehrling für den Kursbesuch keine Kosten auferlegt werden dürfen und
dass der Lehrmeister die anfallenden Kosten zu tragen hat. Dieser Gedanke
liegt aber, wie angenommen werden darf, schon der Regelung von Art. 16 BBG
zugrunde.

Die Beschwerdeführerin verkennt, dass vorliegend nicht entscheidend sein
kann, inwiefern der Umfang der Leistungspflicht des Lehrmeisters in den
einschlägigen Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes näher umschrieben ist:
Gemäss Art. 191 BV ist der Wille des Bundesgesetzgebers, wonach das zu
genehmigende Kursreglement die Kostentragung zu ordnen hat, für das
Bundesgericht verbindlich. Im Übrigen sind die Kursgelder, welche gestützt
auf die streitige Reglementsbestimmung vom Lehrbetrieb zu tragen sind,
genügend bestimmbar: Der Träger der Einführungskurse darf maximal seine
Selbstkosten verrechnen, abzüglich der Subventionen der öffentlichen Hand.
Dass der vorliegend von der Beschwerdeführerin zu bezahlende Betrag
bundesrechtswidrig berechnet worden wäre, wird nicht geltend gemacht.

4.

Demnach erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet und
ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. Entsprechend dem Ausgang des
Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu
tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG).
Parteientschädigung ist keine auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Bildungsdirektion des Kantons Zürich und
dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, sowie dem
Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. November 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: