Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.190/2002
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2A.190/2002 /bie

Urteil vom 13. Mai 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

S. ________, z.Zt. Ausschaffungsgefängnis Witzwil,
Postfach 10, 3236 Gampelen, Beschwerdeführer,

gegen

Fremdenpolizei der Stadt Bern,
Predigergasse 5, Postfach, 3000 Bern 7,
Migrationsdienst des Kantons Bern,
Eigerstrasse 73, 3011 Bern,
Haftgericht III Bern-Mittelland,
Amthaus, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.

Vorbereitungshaft gemäss Art. 13a ANAG

(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid
des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 27. März 2002)
Sachverhalt:

A.
S. ________, geboren 1968, sprach am 22. März 2002 am Schalter
"Schriftenwesen" der Einwohnerkontrolle der Stadt Bern vor. Im Besitz von
Identitätspapieren war er nicht. Auf Befragung machte er geltend, er sei in
die Schweiz eingereist, weil er hier ein Asylgesuch zu stellen beabsichtige.
Gleichentags nahm die Fremdenpolizei der Stadt Bern S.________ wegen
Untertauchensgefahr gemäss Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG in Ausschaffungshaft,
wobei mit der Haftverfügung zugleich eine formlose Wegweisung verbunden war.

B.
Am 25. März 2002 - vor der gleichentags durchgeführten Verhandlung vor dem
Haftrichter 8 des Haftgerichts III Bern-Mittelland - stellte S.________ ein
Asylgesuch. An der Haftrichterverhandlung sagte er aus, er habe dieses
Asylgesuch "heute (...) dem Wärter bei der Verpflegungsabgabe mitgegeben".
Der Haftrichter nahm dies zum Anlass, den Haftantrag der Fremdenpolizei vom
25. März 2002 nicht unter dem Titel der Ausschaffungshaft, sondern unter dem
Titel der Vorbereitungshaft gemäss Art. 13a lit. a ANAG zu prüfen und zu
bewilligen.

C.
Hiergegen wandte sich S.________ am 26. April 2002 mit einer
handschriftlichen, in russischer Sprache verfassten Eingabe an das
Bundesgericht. Die Eingabe wurde von Amtes wegen übersetzt. S.________
verlangt, er sei aus der Haft zu entlassen und in eine Asylantenunterkunft
einzuweisen.

Der Haftrichter 8 am Haftgericht III Bern-Mittelland schliesst auf Abweisung
der Beschwerde. Die Fremdenpolizei der Stadt Bern teilte dem Bundesgericht
mit, weil das zuständige Haftgericht die Haftanordnung im Sinne der
Vorbereitungshaft bestätigt bzw. der Beschwerdeführer ein Asylgesuch
eingereicht habe, liege die Zuständigkeit nicht mehr bei der Fremdenpolizei,
sondern beim Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern. Dieses
beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Ausländerfragen hat
sich innert Frist nicht geäussert. S.________ hat von der Möglichkeit, sich
ergänzend vernehmen zu lassen, nicht Gebrauch gemacht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Bei Laieneingaben, welche sich gegen die Genehmigung der Ausschaffungshaft
richten, stellt das Bundesgericht keine hohen Anforderungen an die
Beschwerdebegründung (vgl. BGE 122 I 275 E. 3b S. 277). Ist daraus - wie hier
- ersichtlich, dass sich der Betroffene (zumindest auch) gegen seine Haft
wendet, nimmt es entsprechende Eingaben als Verwaltungsgerichtsbeschwerden
entgegen.

2.
Der Haftrichter hat die Haft entgegen der Haftanordnung der Fremdenpolizei
nicht als Ausschaffungshaft, sondern als Vorbereitungshaft genehmigt. Es
stellt sich zunächst die Frage, ob sie nicht, wie beantragt, als
Ausschaffungshaft hätte genehmigt werden müssen.

2.1 Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft unterscheiden sich sowohl in Sinn
und Zweck als auch in ihrer Dauer sowie den zu ihrer Anordnung erforderlichen
Voraussetzungen. Die eine dient zur Sicherstellung des Wegweisungsverfahrens,
wobei der Entscheid über die Aufenthaltsberechtigung in Vorbereitung ist, die
andere bezweckt die Sicherstellung des Vollzugs eines bereits ergangenen
(wenigstens erstinstanzlichen) Weg- oder Ausweisungsentscheids. Liegt - wie
hier - ein solcher vor, ist die Vorbereitungshaft in der Regel nicht mehr
zulässig, und es kann nur noch Ausschaffungshaft angeordnet werden. Wird erst
nachträglich, d.h. nach Anordnung der Ausschaffungshaft, ein Asylgesuch
gestellt, fällt der bereits vorliegende Wegweisungsentscheid nicht dahin und
die Ausschaffungshaft kann fortdauern, so lange mit dem Abschluss des
Asylverfahrens und dem Vollzug der Wegweisung in absehbarer Zeit zu rechnen
ist (Urteile 2A.313/2001 vom 20. Juli 2001, E. 2a, und 2A.146/2000 vom 27.
April 2000, E. 2c [mit weiteren Hinweisen]). Diese Voraussetzung erscheint
hier als erfüllt. Der Haftrichter stellte an der Haftrichterverhandlung
selber fest, dass der Beschwerdeführer auf Grund der gegebenen Umstände wenig
Chancen auf Erhalt von Asyl in der Schweiz besitzt, was einen entsprechend
raschen Abschluss des Asylverfahrens erwarten lässt, und es muss auch nicht
von Vornherein mit zeitraubenden Vollzugsproblemen bei der Ausschaffung
gerechnet werden. Der Haftrichter ging gestützt auf die Angaben des
Beschwerdeführers davon aus, dass ein in Deutschland deponierter Pass
beigezogen werden könne, was den Vollzug erleichtern würde. Es bestand für
den Haftrichter alsdann kein Grund, die beantragte Haft nicht als
Ausschaffungshaft, sondern als Vorbereitungshaft zu genehmigen, zumal das
Verhalten des Beschwerdeführers, das vom Haftrichter zur Begründung der
Vorbereitungshaft herangezogen wurde, auch den Haftgrund der
Untertauchensgefahr erfüllt (vgl. sogleich).

2.2 Nach Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG ist Ausschaffungshaft dann zulässig,
wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass der Ausländer sich der
Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil sein bisheriges Verhalten
darauf schliessen lässt, dass er sich behördlichen Anordnungen widersetzt
(Untertauchensgefahr). Dies ist vorliegend der Fall: Der Beschwerdeführer war
nach Ablauf seines Visums für Deutschland (wo sich sein Pass befinden soll)
nach Polen und in die Ukraine gereist, später nach Belgien und Spanien, wo er
Asylgesuche eingereicht und dabei zum Teil verschiedene Identitäten benutzt
hatte (in Belgien nannte er sich "M.________", vgl. Protokoll der
Haftrichterverhandlung vom 25. März 2002, S. 2). Seinen Lebensunterhalt
verdiente er nach eigenen Angaben mit Schwarzarbeit. Belgien verliess er,
nachdem er zwei Mal einen negativen Asylentscheid erhalten hatte, in Spanien
wartete er den entsprechenden Entscheid erst gar nicht ab (vgl.
Abhörungsprotokoll für Asylbewerber, S. 2). Angesichts seines gesamten
bisherigen Verhaltens - seit seiner Ausreise aus der Heimat (angeblich am 16.
September 1999) - bietet der Beschwerdeführer daher keine Gewähr dafür, dass
er sich ohne Haft zu gegebener Zeit, d.h. bei Vorliegen der Reisepapiere, für
den Ausschaffungsvollzug zur Verfügung halten wird (vgl. BGE 122 II 49 E. 2a
S. 50 f.). Die Untertauchensgefahr wurde von der Fremdenpolizei deshalb zu
Recht bejaht.

3.
Die erstinstanzliche Anordnung der Ausschaffungshaft durch die Fremdenpolizei
erweist sich daher als mit dem Bundesrecht vereinbar. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist - im Sinne der Erwägungen - abzuweisen,
wobei der angefochtene Entscheid insofern zu korrigieren ist, als die vom
Haftrichter am 25. März 2002 genehmigte Haft nicht als Vorbereitungshaft,
sondern als Ausschaffungshaft bewilligt werden kann.

Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Es rechtfertigt
sich angesichts seiner Mittellosigkeit jedoch, von der Erhebung einer
Gerichtsgebühr abzusehen.

Die Fremdenpolizei wird ersucht, sicherzustellen, dass das vorliegende Urteil
dem Beschwerdeführer korrekt eröffnet und verständlich gemacht wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
Die vom Haftrichter 8 des Haftgerichts III Bern-Mittelland am 25. März 2002
als Vorbereitungshaft genehmigte Haft wird als Ausschaffungshaft bewilligt.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Fremdenpolizei der Stadt Bern,
dem Migrationsdienst des Kantons Bern und dem Haftgericht III Bern-Mittelland
sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: