Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.182/2002
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2A.182/2002 /dxc

Sitzung vom 25. April 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller, Bundesrichterin Yersin, Bundesrichter
Merkli,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Kantonales Steueramt Nidwalden, 6371 Stans,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. iur. Louis Bochud, Hirschmattstrasse 13, 6003 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Rathausplatz 1, 6370 Stans.

Nachsteuer/Steuerhinterziehung (Direkte Bundessteuer 1997/1998),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Nidwalden vom 6. August 2001.

Sachverhalt:

A.
B. ________ war mit acht Aktien an der X.________ AG beteiligt, deren übrige
Aktien von seinem Bruder und seiner Schwester gehalten wurden. Mit
Gesellschaftsbeschluss vom 17. Mai 1996 wurde die X.________ AG aufgelöst und
B.________ als Liquidator eingesetzt. Die Löschung erfolgte mit Bestätigung
des Revisors auf den 3. April 1997. B.________ erhielt einen
Liquidationsüberschuss im Betrag von Fr. 458'956.--, der zu einem grossen
Teil in Wertschriften ausgerichtet wurde. Für die Ausrichtung des
Liquidationsüberschusses bewilligte die Eidgenössische Steuerverwaltung am
25. März 1997 das Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer. Nach Art. 20 des
Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG; SR
642.21) kann dem Steuerpflichtigen gestattet werden, seine Steuerpflicht
durch Meldung der steuerbaren Leistung zu erfüllen, wo bei Kapitalerträgen
die Steuerentrichtung zu unnötigen Umtrieben oder zu einer offenbaren Härte
führen würde. Mit der Genehmigung des Meldeverfahrens verzichtete die
Eidgenössische Steuerverwaltung somit auf die Erhebung der
Verrechnungssteuer. Eine entsprechende Mitteilung ging am 20. Oktober 1997
beim kantonalen Steueramt Nidwalden ein und wurde usanzgemäss dem
Gemeindesteueramt Stansstad weitergeleitet.

In der von ihm persönlich und anscheinend ohne Beizug einer Fachberatung
abgefassten Steuererklärung 1997/98 vom 10. März 1997 unterliess es
B.________, den Liquidationsüberschuss als Einkommen zu deklarieren. Im
Wertschriftenverzeichnis führte er hingegen die erhaltenen Wertschriften auf
und wies auf die Liquidation der X.________ AG hin. Mit Veranlagungsverfügung
vom 26. Februar 1998 wurde B.________ für die Steuerperiode 1997/98 auf der
Grundlage eines Einkommens von Fr. 227'600.-- definitiv veranlagt. Diese
Verfügung erwuchs in Rechtskraft.

B.
Im Zusammenhang mit einem anderen Veranlagungsverfahren wurde das kantonale
Steueramt in der Folge auf die Ausschüttung des Liquidationsüberschusses
aufmerksam und unterzog das Dossier einer Kontrolle. Dabei stellte es fest,
dass die aus der Liquidation der X.________ AG stammenden Wertschriften weder
als Einkommen deklariert noch vom Steueramt als solches aufgerechnet worden
waren. Am 3. März 1999 teilte das kantonale Steueramt B.________ die
Einleitung eines Nach- und Strafsteuerverfahrens mit. Am 5. Juli 1999 wurde
B.________ mit je einer Nachsteuer und Steuerbusse für die Kantons- und
Gemeindesteuern sowie für die direkte Bundessteuer belegt. Für letztere ergab
sich eine Nachsteuer und eine Steuerbusse von je Fr. 29'822.-- pro Jahr, d.h.
ein jährliches Total von Fr. 59'644.-- oder ein Gesamtergebnis für die beiden
Jahre von Fr. 119'288.-- zuzüglich Verzugszinsen. Mit parallelen Entscheiden
vom 5. Juni 2000 (mitgeteilt am 29. August 2000) wiesen die Steuerkommission
für übrige natürliche Personen sowie die Kantonale
Steuerverwaltungskommission Nidwalden zwei Einsprachen von B.________ gegen
die Auferlegung einer Nachsteuer bzw. Steuerbusse bei der direkten
Bundessteuer ab.

C.
Dagegen führte B.________ am 28. September 2000 Beschwerde bei der
Steuerrekursabteilung des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden. Diese
hiess die Beschwerde mit Urteil vom 6. August 2001 (versandt am 5. März 2002)
gut und hob die Einspracheentscheide der Steuerkommission für übrige
natürliche Personen und der Kantonalen Steuerverwaltungskommission betreffend
die direkte Bundessteuer sowie die entsprechenden Nachsteuer- und
Bussenverfügungen des kantonalen Steueramtes auf. Im Wesentlichen wird das
Urteil damit begründet, der Steuerpflichtige habe den Liquidationserlös zwar
nicht in den dafür vorgesehenen Feldern der Steuererklärung deklariert; in
der Steuererklärung hätten sich aber eindeutige Hinweise auf den
Liquidationsüberschuss befunden, weshalb die Steuerbehörde bei gehöriger
Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass die Deklaration mangelhaft sei. Damit
fehle es an einer gesetzlichen Voraussetzung, um auf die rechtskräftige
Veranlagung zurückzukommen. Überdies ergäben sich aus den dem Gericht
vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Steuerpflichtige mit
dem Vorsatz gehandelt habe, der Steuerbehörde Einkommen zu verheimlichen.
Angesichts der komplexen Materie könne auch nicht davon ausgegangen werden,
er habe gegen eine Sorgfaltspflicht verstossen. Damit entfielen sowohl eine
Nachsteuer als auch eine Steuerbusse.

D.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 22. April 2002 an das Bundesgericht
beantragt das kantonale Steueramt Nidwalden, das Urteil des
Verwaltungsgerichts Nidwalden vom 6. August 2001 sei vollumfänglich
aufzuheben und es seien der Einspracheentscheid der Steuerkommission für
übrige natürliche Personen vom 5. Juni 2000 sowie der Einspracheentscheid der
Kantonalen Steuerverwaltungskommission Nidwalden vom 5. Juni 2000 bzw. die
Nachsteuerverfügung der Kantonalen Steuerverwaltungskommission Nidwalden vom
5. Juli 1999 sowie die Bussenverfügung der Kantonalen
Steuerverwaltungskommission Nidwalden vom 5. Juli 1999 zu bestätigen;
eventuell sei das Urteil des Verwaltungsgerichts vollumfänglich aufzuheben
und die Sache zur Neuentscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat unter Verweis auf das angefochtene Urteil auf eine
Vernehmlassung verzichtet. B.________ stellt den Antrag, die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen und das verwaltungsgerichtliche
Urteil zu bestätigen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung
Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben, schliesst sich der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Steueramtes des Kantons Nidwalden an und
stellt dieselben Anträge wie dieses.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden handelte im vorliegenden
Fall als kantonale Steuerrekurskommission im Sinne von Art. 140 ff. DBG.
Gegen deren Entscheid ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art.
146 DBG). Das kantonale Steueramt ist als kantonale Verwaltung für die
direkte Bundessteuer zur Beschwerde legitimiert (Art. 146 zweiter Satz DBG in
Verbindung mit Art. 103 lit. c OG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat jedoch - wie hier
- eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an
die Sachverhaltsfeststellung gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG).

1.3 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
das Bundesrecht von Amtes wegen an; es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG an die
von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und kann die
Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder
abweisen (BGE 117 Ib 114 E. 4a S. 117, mit Hinweis).

2.
Streitig ist im vorliegenden Fall, ob das Urteil des Verwaltungsgerichts, den
Beschwerdeführer bei der direkten Bundessteuer nicht mit einer Nachsteuer zu
belegen und nicht wegen Steuerhinterziehung zu büssen, vor Bundesrecht
standhält. Die beiden Tatbestände sind nach dem neuen Recht der direkten
Bundessteuer nicht mehr zwingend aneinander gekoppelt (dazu etwa Klaus A.
Vallender, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen
Steuerrecht, Bd. I/2b, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Art.
83-222, Basel/Genf/München 2000, N 5 f. zu Art. 151). Im Folgenden ist
dennoch zunächst die Frage der Nachsteuer und danach diejenige der
Steuerbusse zu prüfen.

3.
3.1 Ergibt sich aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln, die der
Steuerbehörde nicht bekannt waren, dass eine Veranlagung zu Unrecht
unterblieben oder eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist, oder ist
eine unterbliebene oder unvollständige Veranlagung auf ein Verbrechen oder
ein Vergehen gegen die Steuerbehörde zurückzuführen, so wird die nicht
erhobene Steuer samt Zins als Nachsteuer eingefordert (Art. 151 Abs. 1 DBG).

Hat der Steuerpflichtige Einkommen, Vermögen und Reingewinn in seiner
Steuererklärung vollständig und genau angegeben und das Eigenkapital
zutreffend ausgewiesen und haben die Steuerbehörden die Bewertung anerkannt,
so kann keine Nachsteuer erhoben werden, selbst wenn die Bewertung ungenügend
war (Art. 151 Abs. 2 DBG).

3.2 Im vorliegenden Fall ist die Veranlagung unbestrittenermassen
rechtskräftig geworden. Umstritten ist aber zunächst, ob sie überhaupt
unvollständig erfolgt ist. Der Beschwerdegegner macht nämlich geltend, der
Liquidationserlös sei erst im Bemessungsjahr 1997 angefallen. Vor April 1997
seien keine Vermögenswerte an die Aktionäre verteilt worden noch habe ein
bestimmter und konkreter Rechtsanspruch auf die Wertschriften bestanden.

3.2.1 Ein Einkommen gilt grundsätzlich steuerrechtlich als in jenem Zeitpunkt
erzielt, in welchem der Steuerpflichtige eine Leistung vereinnahmt oder einen
festen Anspruch darauf erwirbt. Der steuerrechtlich massgebliche
Einkommensanfall erfolgt dabei auf den Zeitpunkt des Übergangs der
wirtschaftlichen Verfügungsmacht. Die Fälligkeit einer Leistung oder deren
tatsächliche Erfüllung ist somit nicht zwingend Voraussetzung des
Einkommenszuflusses. Auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Eingangs ist nur
dort abzustellen, wo ein solcher vorher unsicher erscheint (vgl. BGE 113 Ib
23 E. 2e S. 26; 105 Ib 238 E. 4a S. 242; Urteile des Bundesgerichts
2A.67/1997 vom 14. Oktober 1998 in StR 54/1999 S. 196 E. 5b und 2P.14/1998
vom 3. Juli 1998 in RDAF 1998 2 374 E. 3a; Peter Locher, Kommentar zum DBG,
I. Teil, Therwil/Basel 2001, N 18 ff. zu Art. 16; Markus Reich, in:
Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a,
Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Art. 1-82,
Basel/Genf/München 2000, N 34 ff. zu Art. 16).

3.2.2 Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine Verteilung eines
Liquidationsüberschusses im Verfahren nach Art. 745 Abs. 3 OR, weshalb der
Beschwerdegegner den Anspruch auf seinen Liquidationsanteil grundsätzlich im
Zeitpunkt der Bestätigung durch den Revisor erwarb. Am 17. Mai 1996 erging
der Beschluss über die Auflösung der X.________ AG. Am 12. September 1996
genehmigte der Revisor die Liquidation und die Verteilung des entsprechenden
Überschusses an die Aktionäre, womit die dreimonatige Frist von Art. 745 Abs.
3 OR eingehalten war. In den Akten liegt ein Verzeichnis der aus der
Liquidation der X.________ AG angefallenen Wertschriften mit dem
(grammatikalisch fehlerhaft formulierten) Titel "Verteilung der
Wertschriftenverzeichnis per 30. September 1996". Gemäss späterer Meldung an
die Eidgenössische Steuerverwaltung im Meldeverfahren bei der
Verrechnungssteuer wurde der Anspruch als am 16. Oktober 1996 fällig geworden
bezeichnet. Ob dieser am 12. September oder erst am 16. Oktober 1996
entstand, ist nicht von Belang. Spätestens am zweiten Termin stand der Anteil
des Beschwerdegegners am Liquidationsüberschuss betragsmässig fest, und er
war damals als solcher auch einforderbar. Damit war der Liquidationsanteil im
Bemessungsjahr 1996 als Einkommen steuerbar.

3.2.3 Da der Beschwerdegegner den Überschuss aus der Liquidation der
X.________ AG nicht als Wertschriftenertrag bzw. als Einkommen im
Bemessungsjahr 1996 ausgewiesen und die Steuerbehörde in der Folge einen
solchen nicht als Einkommen veranlagt hat, steht somit fest, dass die
Veranlagung unvollständig geblieben ist. Zu prüfen bleibt freilich, ob der
fragliche Liquidationsüberschuss der Steuerbehörde im Sinne von Art. 151 Abs.
1 DBG bekannt war bzw. ihr allenfalls erkennbar gewesen wäre.

3.3 Bei der Beantwortung der Frage, ob neue Tatsachen oder Beweismittel schon
zur Zeit der Veranlagung vorlagen, ist der Aktenstand in diesem Zeitpunkt
massgeblich (Urteil des Bundesgerichts 2A.187/2000 vom 3. November 2000). Ein
Verschulden des Steuerpflichtigen ist nicht erforderlich (vgl. etwa Agner/
Jung/Steinmann, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer,
Zürich 1995, S. 439; Blumenstein/Locher, System des schweizerischen
Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 345). Im Übrigen kommt es
entscheidend auf die Würdigung der jeweiligen Pflichten des Steuerpflichtigen
und der Steuerbehörde bei der Veranlagung an. Dabei stehen die Prinzipien der
objektiven Gesetzmässigkeit und der Rechtsgleichheit in einem Spannungsfeld
zum Grundsatz der Rechtssicherheit und zum Vertrauensprinzip. Dieses
Spannungsfeld soll nach der Regel von Art. 151 DBG aufgelöst werden, wobei
das Gesetz allerdings auslegungsbedürftig ist.

3.3.1 Nach Art. 123 Abs. 1 DBG stellen die Veranlagungsbehörden zusammen mit
dem Steuerpflichtigen die für eine vollständige und richtige Besteuerung
massgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse fest. Daraus geht
zunächst hervor, dass Behörden und Steuerpflichtiger grundsätzlich gemeinsam
auf eine richtige und vollständige Veranlagung hin arbeiten. Der
Steuerpflichtige muss alles tun, um eine vollständige und richtige
Veranlagung zu ermöglichen (Art. 126 Abs. 1 DBG). Insbesondere muss er das
Formular für die Steuererklärung wahrheitsgemäss und vollständig ausfüllen
(Art. 124 Abs. 2 DBG); dazu hat er bestimmte Beilagen einzureichen, unter
anderem Verzeichnisse über sämtliche Wertschriften, Forderungen und Schulden
(Art. 125 Abs. 1 lit. c DBG). Der Steuerpflichtige trägt dabei die
Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Steuererklärung.
Ist er sich über die steuerrechtliche Bedeutung einer Tatsache im Unklaren,
darf er diese nicht einfach verschweigen, sondern hat er auf die Unsicherheit
hinzuweisen. Jedenfalls muss er die Tatsache als solche vollständig und
zutreffend darlegen.

3.3.2 Demgegenüber prüft die Veranlagungsbehörde die Steuererklärung und
nimmt die erforderlichen Untersuchungen vor (Art. 130 Abs. 1 DBG). Die
Steuerbehörde darf sich jedoch grundsätzlich darauf verlassen, dass die
Steuererklärung richtig und vollständig ist. Sie ist nicht verpflichtet, ohne
besonderen Anlass Quervergleiche mit Akten anderer Steuerpflichtiger
vorzunehmen (Urteil des Bundesgerichts 2A.187/2000 vom 3. November 2000) oder
im Steuerdossier nach ergänzenden Unterlagen zu suchen. Die Steuerbehörde
darf freilich auch nicht unbesehen in der Art auf die Steuererklärung
abstellen, wie wenn es sich um eine Selbstveranlagung handeln würde. Die
Steuerbehörde muss insbesondere berücksichtigen, dass in die
Steuerdeklarationsformulare nicht nur Tatsachen einzutragen sind, sondern
sich dabei auch eigentliche Rechtsfragen stellen (vgl. dazu
Blumenstein/Locher, a.a.O., S. 345; Klaus A. Vallender, a.a.O., N 7 ff. zu
Art. 151; Ders., in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen
Steuerrecht, Bd. I/1, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten
Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG], 2. Aufl., Basel/Genf/München 2002,
N 8 zu Art. 53).

3.3.3 Nicht gefestigt ist, was gilt, wenn die Veranlagungsbehörde einen nicht
eindeutigen oder unvollständigen Sachverhalt ungeklärt liess und die auf
derart unsicherer Grundlage getroffenen Annahmen sich nachträglich als
unzutreffend herausstellen (vgl. Vallender, a.a.O., N 9 zu Art. 151). Eine
Pflicht zu ergänzender Untersuchung besteht für die Steuerbehörden aber auch
diesfalls nur dann, wenn die Steuererklärung Fehler enthält, die klar
ersichtlich bzw. offensichtlich sind. Bloss erkennbare Mängel genügen nicht,
dass davon ausgegangen werden muss, bestimmte Tatsachen oder Beweismittel
seien den Behörden schon zur Zeit der Veranlagung bekannt gewesen bzw. es
müsse diesen ein entsprechendes Wissen angerechnet werden.

3.4 Im der Steuererklärung beigelegten Wertschriftenverzeichnis (auf S. 4)
hatte der Beschwerdegegner acht Aktien der X.________ AG mit einem Steuerwert
per 1. Januar 1997 von Fr. 502'400.-- und einem Bruttoertrag von je Fr.
10'000.-- für die Jahre 1995 und 1996 deklariert. Weiter aufgeführt waren
sechs verschiedene Kategorien von Wertpapieren mit ihren jeweiligen
Steuerwerten per 1. Januar 1997, welche mit dem Zusatz "aus Liq. X.________
AG (sh. Beiblatt)" versehen waren. Beigelegt waren einerseits Belege für die
deklarierten Bruttoerträge von jährlich Fr. 10'000.-- sowie ein separates
detailliertes Verzeichnis mit dem (grammatikalisch fehlerhaften) Titel
"X.________ AG in Liquidation; Verteilung der Wertschriftenverzeichnis per
30. September 1996" und dem handschriftlichen Vermerk "zu S. 4 WV".

3.4.1 Der Beschwerdegegner hat weder die Beteiligung an der X.________ AG
noch die Liquidation als solche noch die aus der Liquidation hervorgegangenen
bzw. ihm übertragenen Wertschriften verheimlicht. Er hat diese Tatsachen im
Gegenteil ausdrücklich im Wertschriftenverzeichnis aufgeführt und diesem
entsprechende Belege beigelegt. Er hat es freilich unterlassen, den
Liquidationserlös in der Steuererklärung als Einkommen zu deklarieren. In der
Wegleitung zur Steuererklärung 1997/98 wird in Ziff. 4.1 unter anderem
ausgeführt:

"Als Zinsen und Gewinnanteile gelten auch die in Form von Gratisaktien,
Gratisobligationen, Gratisliberierungen, Liquidationsüberschüssen oder in
irgend einer anderen Form enthaltenen geldwerten Leistungen aus Guthaben und
Beteiligungen, die rechtlich keine Rückzahlung eines Kapitalguthabens oder
Kapitalanteils darstellen."

In einem von der Steuerbehörde angerufenen Schreiben der U.________ Treuhand
AG an den Beschwerdegegner vom 7. Februar 1997 findet sich folgende Passage:

"Wir bitten Sie zu beachten, dass jegliche Erträge ab 1.10.96 in Ihrer
privaten Steuererklärung zu deklarieren sind und entsprechend durch Sie die
Verrechnungssteuer rückforderbar ist. Gleichzeitig sind die Ihnen zugeteilten
Aktien per 1.1.97 im Vermögen anzugeben."

Zwar ist dem Beschwerdegegner teilweise zugute zu halten, dass es nicht
offensichtlich ist, von welchem massgeblichen Zeitpunkt bei einem
Liquidationsanteil, wie er im vorliegenden Fall zur Diskussion steht,
steuerrechtlich auszugehen ist. Aufgrund der allfälligen Unsicherheit hätte
er aber an die Steuerbehörden gelangen können und müssen und nicht einfach
auf eine Deklaration des Liquidationsüberschusses als Einkommen verzichten
dürfen. Der Beschwerdegegner hat somit seine gesetzlichen Pflichten bei der
Steuererklärung nicht erfüllt.

3.4.2 Die Steuerbehörde hat bei der Bearbeitung der Steuererklärung bei der
Verbuchung der Aktien der X.________ AG den Vermerk "in Liq." beigefügt und
den Steuerwert gestrichen und vom Gesamtergebnis abgezogen. Bei den aus der
Liquidation hervorgegangenen Aktien hat sie ergänzt: "per 30.9.96". Zudem
finden sich Kontrollvermerke auf dem separaten Verzeichnis der aus der
Liquidation der X.________ AG hervorgegangenen Wertschriften. Dem zuständigen
Steueramt waren somit sowohl die Beteiligung des Beschwerdegegners an der
X.________ AG als auch der Umstand, dass sich diese in Liquidation befand,
bekannt. Die Veranlagungsbehörde hatte sogar Kenntnis von der vorgesehenen
Verteilung. Sie konnte jedoch nicht wissen, dass die Liquidation vollendet
und der daraus hervorgegangene Erlös dem Beschwerdegegner zugeflossen war.
Der Beschwerdegegner hatte sie auch in keiner Art darauf aufmerksam gemacht.
Im Gegenteil hatte er den Liquidationsanteil beim Vermögen und gerade nicht
beim Einkommen deklariert, womit der Schein erweckt wurde, der Überschuss sei
noch nicht verteilt worden bzw. es sei noch kein Anspruch darauf entstanden.
Damit erweist sich der Tatbestand von Art. 151 Abs. 2 DBG, wonach eine
Nachbesteuerung ausgeschlossen ist, wenn der Steuerpflichtige richtig
deklariert und die Steuerbehörde die Bewertung anerkannt hat, als nicht
erfüllt.

3.4.3 Darüber hinaus war die Veranlagungsbehörde auch nicht verpflichtet, im
Dossier ergänzend nachzuprüfen, ob ein Meldeformular oder sonstige
aufschlussreiche Unterlagen vorhanden waren. Hätte die Steuerbehörde
allerdings das Dossier des Beschwerdegegners konsultiert, wäre sie auf die
Meldung der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 25. März 1997 gestossen.
Diese ist gemäss entsprechendem Vermerk am 21. Oktober 1997 und damit vor
Abschluss des Veranlagungsverfahrens am 26. Februar 1998 eingegangen. Der
Beschwerdegegner bzw. die damals für ihn handelnde Treuhandgesellschaft hat
im vorliegenden Fall ein solches Gesuch für einen Liquidationsüberschuss im
Betrag von Fr. 458'956.-- gestellt, und diesem Gesuch ist von der
Eidgenössischen Steuerverwaltung stattgegeben worden. Darüber erhielt das für
die Veranlagung der Einkommenssteuer zuständige Steueramt an sich rechtzeitig
Meldung. Da es jedoch aufgrund des Fehlens der Deklaration des
Liquidationserlöses als Einkommen in der Steuererklärung zu keinen
entsprechenden Nachforschungen verpflichtet war, darf dem Steueramt das
mögliche Wissen um das Meldeformular nicht entgegengehalten werden.

3.5 Demnach handelt es sich beim fraglichen Liquidationserlös des
Beschwerdegegners nicht um eine der Steuerbehörde bekannte Tatsache bzw. um
eine solche, deren Kenntnis sich das Steueramt anrechnen lassen muss. Der
Beschwerdegegner durfte aus der unvollständigen Veranlagung folglich auch
nicht ableiten, dass die Steuerbehörde den Liquidationsüberschuss als nicht
steuerbar erachtete. Damit ist eine Nachsteuer zu erheben, und das
angefochtene Urteil verletzt insoweit Bundesrecht.

4.
4.1 Nach Art. 175 Abs. 1 DBG wird unter anderem mit Busse bestraft, wer als
Steuerpflichtiger vorsätzlich oder fahrlässig bewirkt, dass eine Veranlagung
zu Unrecht unterbleibt oder dass eine rechtskräftige Veranlagung
unvollständig ist.

4.2 Der objektive Tatbestand der vollendeten Steuerhinterziehung setzt
voraus, dass aufgrund des Verhaltens des Steuerpflichtigen eine Veranlagung
überhaupt unterbleibt oder eine rechtskräftige Veranlagung sich als
unvollständig erweist (vgl. dazu Agner/Jung/Steinmann, Kommentar zum Gesetz
über die direkte Bundessteuer, Zürich 1995, Art. 175, N 1 ff., S. 474 ff.;
Agner/Digeronimo/ Neuhaus/Steinmann, Kommentar zum Gesetz über die direkte
Bundessteuer, Ergänzungsband, Zürich 2000, Art. 175, N 2 ff., S. 333 ff.;
Blumenstein/Locher, a.a.O., S. 363 f.; Höhn/Waldburger, Steuerrecht, Bd. I,
9. Aufl., Bern/Stuttgart/ Wien 2001, S. 1009 ff., § 38, N 9 ff.; Roman
Sieber, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen
Steuerrecht, Bd. I/1, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten
Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG], 2. Aufl., Basel/Genf/München 2002,
N 6 ff. zu Art. 56).

4.3 Der subjektive Tatbestand der vollendeten Steuerhinterziehung setzt
Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus (Agner/Jung/Steinmann, a.a.O., Art. 175, N
2 f., S. 475; Agner/Digeronimo/Neuhaus/Steinmann, a.a.O., Art. 175, N 2.3, S.
336; Höhn/Waldburger, a.a.O., S. 1014, § 38, N 19; Sieber, a.a.O., N 18 zu
Art. 56). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt der Nachweis des
Vorsatzes als erbracht, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass
sich der Beschuldigte der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der gemachten
Angaben bewusst war. Ist dieses Wissen erwiesen, so muss angenommen werden,
dass er auch mit Willen handelte, d.h. eine Täuschung der Steuerbehörden
beabsichtigt und eine zu niedrige Veranlagung bezweckt (direkter Vorsatz)
oder zumindest in Kauf genommen hat (Eventualvorsatz). Diese Vermutung lässt
sich nicht leicht entkräften, weil in der Regel ein anderer Beweggrund für
die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der gemachten Angaben nur schwer
vorstellbar ist (BGE 114 Ib 27 E. 3a S. 29 f., mit Hinweisen; Urteil
2A.187/2000 vom 3. November 2000, E. 3c/bb). Fahrlässig handelt der
Steuerpflichtige demgegenüber, wenn er die Folgen seines Verhaltens aus
pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht
genommen hat. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der
Steuerpflichtige die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen
und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (vgl. Art. 18
Abs. 3 StGB).

4.4 In objektiver Hinsicht erging aufgrund der unvollständigen
Steuererklärung des Beschwerdegegners eine ungenügende Veranlagung, welche
rechtskräftig geworden ist.

4.5 In subjektiver Hinsicht ergibt sich, dass der Beschwerdegegner als
Kaufmann tätig und im fraglichen Zeitpunkt rund 62 Jahre alt war. Die
Steuererklärung hat er allein und ohne Beizug einer Fachperson ausgefüllt.
Das mit der Steuererklärung eingereichte Wertschriftenverzeichnis enthält
eine recht grosse Anzahl von Wertschriften, woraus geschlossen werden kann,
dass der Beschwerdegegner eine gewisse Übung beim Kauf und Verkauf
entsprechender Wertpapiere aufweist. Nur schon deswegen hätte er Grund zur
Annahme haben müssen, dass der Erlös aus der Liquidation einer Gesellschaft
bei der direkten Bundessteuer als Einkommen zu deklarieren ist. Überdies
fällt auf, dass der Beschwerdegegner keine Schwierigkeiten hatte, das
Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer einzuleiten bzw. einleiten zu
lassen, obwohl sich für die entsprechende steuerliche Behandlung eines
Liquidationsüberschusses zumindest vergleichbar komplexe Fragen stellen wie
bei der Veranlagung für die direkte Bundessteuer; gleichzeitig nahm er damit
freilich auch ein gewisses Risiko auf sich, dass nicht nur die Eidgenössische
Steuerverwaltung, sondern vermutlich auch die kantonale und kommunale
Steuerbehörde davon Kenntnis erhalten würden. Mit der Genehmigung des
Meldeverfahrens wurden indessen auch allfällige Unklarheiten über den
Liquidationserlös beseitigt. Trotzdem hat der Beschwerdegegner diesen
Überschuss, der mit Fr. 458'956.-- immerhin einen sehr ansehnlichen Betrag
umfasste, in der Steuererklärung nicht als Einkommen deklariert. Er hat sich
damit zumindest eine Sorgfaltspflichtverletzung zuschulden kommen lassen,
womit sein Verschulden erstellt ist.

4.6 Der Beschwerdegegner hat sich demnach der vollendeten Steuerhinterziehung
schuldig gemacht, weshalb der angefochtene Entscheid auch insoweit
Bundesrecht verletzt.

5.
5.1 Damit ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutzuheissen, und der
angefochtene Entscheid muss aufgehoben werden. Gleichzeitig sind die im
Ergebnis zutreffenden Einspracheentscheide der Steuerkommission für übrige
natürliche Personen und der Kantonalen Steuerverwaltungskommission Nidwalden
vom 5. Juni 2000 zu bestätigen. Dabei ist namentlich nicht ersichtlich, dass
die im Einspracheentscheid ausgefällte Busse hinsichtlich ihrer Höhe dem
Bundesrecht widersprechen würde.

5.2 Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
unterliegenden Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1, Art. 153 und
153a OG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 159 Abs. 1
und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des
Verwaltungsgerichts, Steuerabteilung, des Kantons Nidwalden vom 6. August
2001 wird aufgehoben.

2.
Die Einspracheentscheide der Steuerkommission für übrige natürliche Personen
bzw. der Kantonalen Steuerverwaltungskommission Nidwalden vom 5. Juni 2000
(ausgefertigt und mitgeteilt am 29. August 2000) werden bestätigt.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Beschwerdegegner auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Nidwalden sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. April 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: