Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.181/2002
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2A.181/2002 /bmt

Urteil vom 27. Januar 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, Bundesrichterin Yersin,
Bundesrichter Merkli,
Gerichtsschreiber Küng.

G.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch OEK Oehler Kurt,
Steuer-, Rechts-, Wirtschaftsberatung, Stadelhoferplatz, Postfach 270, 8024
Zürich,

gegen

Kantonales Steueramt Zürich, Abteilung Spezialdienste, Stampfenbachstrasse
24, 8090 Zürich,
Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich, Talacker 41, 8090 Zürich.

Direkte Bundessteuer 1997/98

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der
Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 14. März 2002.

Sachverhalt:

A.
G. ________ übergab in den Jahren 1996 und 1997 (in 13 Teilbeträgen)
insgesamt Fr. 183'245.75 der Einzelfirma "X.________ Portfolio Management"
(im Folgenden: X.________PM) zur Vermögensverwaltung. Diese bestätigte ihm
per Ende 1996 ein Kapital von Fr. 145'311.75, bei Einzahlungen von Fr.
124'245.75, und per Ende 1997 ein solches von Fr. 248'371.65, bei
zusätzlichen Einzahlungen von Fr. 59'000.--. In den Wertschriften- und
Guthabenverzeichnissen zu den Steuererklärungen 1997 und 1998 deklarierte
G.________ weder die Guthaben gegenüber der X.________PM noch deren Erträge.

Gestützt auf eine Meldung der Eidgenössischen Steuerverwaltung eröffnete das
Kantonale Steueramt Zürich am 8. Oktober 1999 gegen G.________ ein
Nachsteuer- und Steuerstrafverfahren für die rechtskräftig veranlagten
Steuerperioden 1993/94, 1995/96 und 1997/98. Mit Verfügung vom 19. Juni 2000
erfasste es den nicht deklarierten Vermögensertrag pro 1996 von Fr. 21'066.--
(zur Hälfte, für das Steuerjahr 1997) als Einkommen und erhob darauf für die
direkte Bundessteuer 1997/98 eine Nachsteuer von Fr. 1'335.75. Das
Nachsteuerverfahren betreffend die Steuerperioden 1993/94 und 1995/96 wurde
eingestellt.

B.
Die von G.________ dagegen gerichtete Beschwerde wies die
Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich am 14. März 2002 ab. Sie
stützte sich dabei im Wesentlichen auf das Urteil 2A.114/2001 des
Bundesgerichts vom 10. Juli 2001 (StE 2001 B 21.1 Nr. 10).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 19. April 2002 beantragt G.________ dem
Bundesgericht, den Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission aufzuheben.

Die kantonalen Behörden wurden zur Akteinreichung ohne Vernehmlassung
aufgefordert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Steuerbarkeit von Gutschriften der X.________PM als Vermögensertrag
im Sinne von Art. 16 und 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkte
Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 (DBG; SR 642.11) hat das Bundesgericht
bereits im Urteil 2A.114/2001 vom 10. Juli 2001 in Sachen S. (publiziert in:
StE 2001 B 21.1 Nr. 10) bejaht. Es erwog, Einkommen gelte grundsätzlich dann
als realisiert, wenn dem Steuerpflichtigen Leistungen zufliessen würden oder
er einen festen Rechtsanspruch erwerbe, über den er tatsächlich verfügen
könne. Im Falle der Vermögensanlagen bei der X.________PM seien bereits deren
Bestätigungen über den angeblichen Vermögenszuwachs als einkommensbildend zu
betrachten. Denn damit hätten die Anleger über ihren Anspruch auf den
Vermögenszuwachs verfügen können, entweder indem sie sich die Gutschrift
auszahlen liessen oder indem sie diese für weitere Anlagen im Sinne des
Verwaltungsauftrages mit der X.________PM stehen liessen. Ihre Forderungen
seien im fraglichen Zeitpunkt zudem nicht als unsicher erschienen, denn
Gutschriften seien ausbezahlt worden, sofern die Anleger dies verlangt
hätten. Auch im Überlassen des Guthabens zur weiteren Vermögensverwaltung
durch die X.________PM liege ein erkennbarer Verfügungswillen der Anleger.
Auf den Rechtsgrund komme es dabei nicht an. Dass X.________ die anvertrauten
Gelder nicht im Sinne des Verwaltungsauftrages gewinnbringend an der Börse
angelegt habe, sondern nach dem sogenannten Schneeballsystem vorgegangen sei,
das heisst mit den Kundengeldern die versprochenen bzw. angezeigten Gewinne
finanziert habe, ändere an der Steuerbarkeit der Gewinngutschriften nichts.
Namentlich unterliege auch Einkommen aus unerlaubter Handlung der Steuer.

1.2 Dieses Urteil ist dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführer bekannt. Er
macht jedoch geltend, es wecke "unter zahlreichen Aspekten grosse Bedenken"
und werde überdies von weiten Kreisen nicht verstanden. Was er vorbringt,
vermag indessen keine Abkehr von dieser Rechtsprechung zu rechtfertigen.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Gutschriften des X.________ seien
nur fiktiv (erlogen), weil ihnen keine realen Erträge gegenüber stünden.
Unter diesem Gesichtswinkel sei es fragwürdig, wenn das Bundesgericht im
Urteil vom 10. Juli 2001 Erträge, die "im Grund bloss fiktiv" und "nicht
wirklich erwirtschaftet gewesen" seien, als steuerbaren Vermögensertrag
bezeichne.

2.2 Mit diesem Einwand setzte sich das Bundesgericht bereits im Urteil vom
10. Juli 2001 auseinander und verwies (in Erw. 5) auf den Unterschied
zwischen den behaupteten Börsengewinnen einerseits und den Gutschriften von
X.________ andererseits. Erstere waren in der Tat bloss fiktiv und
vorgegeben, weil X.________ praktisch keine gewinnbringenden Börsengeschäfte
tätigte. Den Gutschriften von X.________ kam indessen sehr wohl ein realer
Hintergrund zu, nämlich das Schneeballsystem, das X.________ zur Finanzierung
seiner Geschäfte benutzte und aus dem er Rückzahlungen tätigte, sofern die
Anleger es verlangten. Als einkommensbildend wurden denn auch nicht die
fiktiven Börsengewinne betrachtet, sondern die Gutschriften, wenn und soweit
sie liquid und durchsetzbar erschienen. Die Frage, die sich stellt, lautet
somit nicht, ob fiktive Börsengewinne besteuert werden, wie der
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers unterstellt, sondern ob die
Gutschriften als liquid erschienen und die Anleger (als Steuerpflichtige)
darüber verfügen konnten. Dies hat das Bundesgericht im erwähnten Urteil
bejaht. Als entscheidend erachtete es, dass X.________ Auszahlungen tätigte,
sofern dies verlangt wurde. Die ihm anvertrauten Gelder in Millionenhöhe
ermöglichten ihm denn auch, die Ansprüche etlicher (auch vieler) Anleger ohne
weiteres zu befriedigen. Dass X.________ diese Auszahlungen durch ein
widerrechtliches "Schneeballsystem" finanzierte, spielt für die Steuerbarkeit
der Gutschriften keine Rolle (E. 4 jenes Urteils). Im Falle der X.________PM
anders zu entscheiden würde bedeuten, dass Einkommen aus Schneeballsystemen
der Steuer nicht oder nur dann unterstünde, wenn es ausbezahlt und nicht im
System belassen (reinvestiert) würde. Gleiches müsste dann auch für legale
spekulative Geschäfte gelten. Eine derartige Besteuerung hätte Ungleichheiten
zur Folge und würde den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit verletzen.
 2.3 Dem Bundesgericht lagen bei jenem Urteil auch bereits die meisten der
Entscheide vor, aus denen der Beschwerdeführer einen Widerspruch zur
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu konstruieren sucht. Bei diesen ging es
entweder um die unentgeltliche Prozessführung in einem Kollokationsprozess,
den ein geprellter Anleger gegenüber der ausseramtlichen Konkursverwaltung
angestrengt hatte, damit sein Guthaben im Konkurs von X.________ kolloziert
werde (Verfügung des Präsidenten des Bezirksgerichts Lenzburg vom 29.
November 1999 und in derselben Sache ergangenes Urteil des Obergerichts des
Kantons Aargau vom 10. Mai 2000 sowie Urteil 5P.234/2000 der II.
Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 24. Juli 2000), oder es handelte sich
um einen Anfechtungsprozess im Sinne von Art. 286 SchKG, in dem Anleger
verpflichtet wurden, die innerhalb eines Jahres vor Konkurseröffnung
bezogenen Gewinngutschriften zurückzuerstatten (Urteil des Bezirksgericht
Zürich vom 26. April 2001; über X.________ wurde erst am 17. Juni 1998 der
Konkurs eröffnet). Einzig das Urteil des Bezirksgerichts Höfe vom 25. Juni
2001 lag damals noch nicht vor; es ging darin indessen ebenfalls um eine
Schenkungsanfechtung im Sinne von Art. 286 SchKG).

In diesen Urteilen sind Forderungen von Anlegern der X.________PM, soweit sie
das ursprünglich hingegebene Kapital überstiegen (d.h. die
Gewinngutschriften), entweder als zivilrechtlich ohne Rechtsgrundlage
bezeichnet oder entsprechende Auszahlungen - im Anfechtungsprozess nach Art.
286 SchKG - als unentgeltliche Zuwendungen betrachtet worden. Dies im
Wesentlichen mit der Begründung, X.________ habe entgegen den mit den
Anlegern abgeschlossenen Verwaltungsverträgen keine gewinnbringende
Börsengeschäfte getätigt und die Gewinngutschriften seien fiktiv, weshalb
kein vertraglicher Anspruch auf Gewinnauszahlung bestehe.
Sie stimmen insoweit mit dem bundesgerichtlichen Urteil vom 10. Juli 2001
überein, in welchem zwar die vorgegebenen Gewinne ebenfalls als fiktiv
bezeichnet worden sind, nicht aber die Gutschriften, die einen realen
Hintergrund hatten, nämlich das Schneeballsystem, das X.________ dazu diente,
seine rechtswidrige Geschäftstätigkeit zu finanzieren und weiterzuführen.

Ein Widerspruch könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn Leistungen als
Einkommen besteuert würden, welche der Rückforderung durch die Konkursmasse
unterliegen. Dies wird (zu Recht) nicht geltend gemacht. Denn die
Steuerbehörden haben beim Beschwerdeführer nur die Gutschriften des Jahres
1996 erfasst. Der paulianischen Anfechtung unterliegen indessen von
vornherein nur Leistungen, die innerhalb eines Jahres vor der
Konkurseröffnung - im Falle der X.________PM vom 17. Juni 1997 bis 17. Juni
1998 - ausgerichtet wurden. Im Übrigen macht der Beschwerdeführer selber
nicht geltend, im Konkurs des X.________ sei von der Pauliana Gebrauch
gemacht worden.

2.4 Der Einwand, "wenn mehrere Anleger gleichzeitig auf ihrem Recht auf
Auszahlung beharrt hätten, wären ihnen mit Sicherheit ihre Ansprüche nicht
befriedigt worden, da der Anlagebetrüger gar nicht über die nötige Liquidität
verfügt hat" (so Markus Reich, Entwicklungen im Steuerrecht, im Vorabdruck,
auf den sich der Beschwerdeführer beruft, vgl. jetzt SJZ 98/2002 S. 260 f.;
ähnlich Robert Waldburger, Rechtsprechung im Jahre 2001, IFF Forum für
Steuerrecht, 2002 S. 140 f.), vermag daran nichts zu ändern. Denn die
strafrechtlichen Ermittlungen ergaben, dass die X.________ anvertrauten
Gelder Millionenhöhe erreichten. Dies ermöglichte es ihm, allfällige
Ansprüche etlicher (auch vieler) Anleger zu befriedigen. Jedenfalls legt der
Beschwerdeführer nicht dar, dass bereits im Jahre 1996 - nur dieses Jahr
steht hier in Frage - X.________ bei "mehreren" Auszahlungsbegehren seinen
Verpflichtungen nicht mehr nachgekommen wäre. Mit dem Einwand wird zudem
unterstellt, die Bezahlung oder die Gutschrift durch einen überschuldeten
Schuldner könne in keinem Fall Einkommensrealisation bilden. Ob die
Gewinngutschriften des Jahres 1996 als realisiert anzusehen sind, entscheidet
sich vielmehr danach, ob im Zeitpunkt der Gewinngutschrift (noch) mit
Zahlungen zu rechnen war. Selbst solvente Schuldner (z.B. Banken) können im
Übrigen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, wenn sehr viele Gläubiger
gleichzeitig Zahlung verlangen. Insofern greift für die Frage, ob der
Beschwerdeführer Einkommen realisiert hat, eine auf seine Person und sein
Guthaben konzentrierte Betrachtungsweise Platz.

3.
Betragsmässig ist die Besteuerung nicht bestritten und nicht offensichtlich
unrichtig.

Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen, ohne dass auf die verschiedenen nach
Ablauf der Beschwerdefrist vorgebrachten, unzulässigen Noven näher einzugehen
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Steueramt Zürich, der
Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Januar 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: