Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.159/2002
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2A.159/2002 /bie

Urteil vom 16. April 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller,
Gerichtsschreiberin Müller.

A. ________ (alias B.________),
z.Zt. Untersuchungsgefängnis, Wassergraben 23, 4500 Solothurn,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für öffentliche Sicherheit des Kantons Solothurn, Abteilung
Ausländerfragen, 4500 Solothurn,
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn,
Amthaus 1, 4502 Solothurn.

Verlängerung der Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b ANAG

(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Solothurn vom 7. März 2002)
Sachverhalt:

A.
Der libanesische Staatsangehörige A.________ reiste 1994 in die Schweiz ein
und stellte am 31. Juli 1995 unter dem Namen B.________ als aus Israel
stammender Palästinenser ein Asylgesuch. Das Bundesamt für Flüchtlinge lehnte
das Gesuch am 19. März 1996 ab und ordnete die Wegweisung an. Die
Schweizerische Asylrekurskommission trat  am 1. Juni 1996 auf eine gegen
diese Verfügung erhobene Beschwerde nicht ein. Die Wegweisung konnte in der
Folge nicht vollzogen werden.

Nachdem A.________ im Kanton Solothurn in der Drogenszene angehalten worden
war, verfügte das Amt für öffentliche Sicherheit, Abteilung Ausländerfragen,
des Kantons Solothurn (kantonale Fremdenpolizei) am 28. November 1997 gegen
ihn eine Ausgrenzung im Sinne von Art. 13e des Bundesgesetzes über Aufenthalt
und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20); es untersagte ihm das
Betreten des ganzen Kantonsgebiets.

Am 30. März 1999 wurde A.________ wegen Verdachts auf Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft genommen. Am 2. März 2000 wurde
er (im Rahmen des vorzeitigen Strafvollzugs) in die Strafanstalt Lenzburg
versetzt. Das Amtsgericht Olten-Gösgen verurteilte ihn am 11. Juli 2000 unter
anderem wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz
und wegen Hehlerei zu vier Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Landesverweisung

Während des Strafverfahrens und auch während des vorzeitigen Strafvollzugs
trat A.________ vorerst nach wie vor unter dem im Asylverfahren angegebenen
Namen B.________ auf. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt gab er der
Anstaltsleitung in Lenzburg bekannt, dass er A.________ heisse; er wies am 2.
Mai 2001 auch einen auf diesen Namen lautenden, 1996 abgelaufenen
libanesischen Pass vor.

Mit Verfügung des Departements des Innern des Kantons Solothurn vom 19.
November 2001 wurde A.________ auf den 8. Dezember 2001 bedingt aus der
Strafanstalt Lenzburg entlassen (Verbüssung von zwei Dritteln der
Freiheitsstrafe); der Vollzug der Landesverweisung wurde nicht aufgeschoben.
Da die notwendigen Reiseformulare bis zum 8. Dezember 2001 voraussichtlich
nicht beschafft werden konnten, verfügte das Amt für öffentliche Sicherheit,
Abteilung Ausländerfragen, des Kantons Solothurn am 5. Dezember 2001 auf den
Zeitpunkt der bedingten Entlassung die Ausschaffungshaft bis längstens 7.
März 2002. Am 11. Dezember 2001 genehmigte der Vizepräsident des
Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn die Haftanordnung. Eine dagegen
erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom
8. Januar 2002 ab.
Mit Verfügung vom 6. März 2002 ordnete das Amt für öffentliche Sicherheit,
Abteilung Ausländerfragen, eine Haftverlängerung bis zum 7. Juni 2002 an. Mit
Entscheid vom 7. März 2002 genehmigte der Vizepräsident des
Verwaltungsgerichts die Haftverlängerung.

B.
Mit Schreiben vom 2. April (Postaufgabe: 3. April) 2002 hat A.________
dagegen beim Bundesgericht Beschwerde erhoben. Er ersucht sinngemäss um
Entlassung aus der Ausschaffungshaft.

Das Amt für öffentliche Sicherheit, Abteilung Ausländerfragen, des Kantons
Solothurn schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Das Bundesamt für Ausländerfragen hat sich nicht vernehmen
lassen. Der Beschwerdeführer hat sich mit Schreiben vom 11. April
(Postaufgabe: 12. April) 2002 nochmals zur Sache geäussert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen,
sofern die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG erfüllt sind. Danach ist
erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch
rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59
E. 2 S. 61; 125 II 369 E. 3a S. 374; 122 II 148 E. 1 S. 150), dessen Vollzug
(z.B. wegen fehlender Reisepapiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist
(BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Sodann muss einer der in
Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen (BGE 125 II 369 E. 3a S.
374, 377 E. 3a S. 381; 124 II 1 E. 1 S. 3) und die Ausschaffung rechtlich und
tatsächlich möglich sein (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; dazu BGE 125 II
217 E. 2 S. 220, 377 E. 5 S. 384). Auf Seiten der Behörden sind die für den
Vollzug der Wegweisung notwendigen Vorkehrungen (wie Identitäts- und
Herkunftsabklärungen, Papierbeschaffung) umgehend zu treffen (Art. 13b Abs. 3
ANAG, Beschleunigungsgebot; vgl. BGE 124 II 49 ff.). Die Haft darf höchstens
drei Monate dauern; stehen dem Vollzug der Wegweisung besondere Hindernisse
entgegen, so kann die Haft mit Zustimmung der kantonalen richterlichen
Behörde um höchstens sechs Monate verlängert werden (Art. 13b Abs. 2 ANAG).

2.
2.1Der Beschwerdeführer ist im Asylverfahren weggewiesen worden; im Übrigen
ist er rechtskräftig des Landes verwiesen. Dem Wegweisungsvollzug stehen
besondere Hindernisse entgegen, steht doch die Identität des
Beschwerdeführers nach wie vor nicht mit letzter Gewissheit fest;
entsprechend liegen die für eine Rückreise nach dem Libanon notwendigen
Dokumente noch nicht vor. Es bestehen jedoch keine Anzeichen dafür, dass die
Heimreise nicht in absehbarer Zeit möglich sein sollte; dem
Wegweisungsvollzug stehen im Übrigen auch keine rechtlichen Hindernisse
entgegen. Der von den kantonalen Behörden angerufene Haftgrund der
Untertauchensgefahr (Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG) ist nach wie vor gegeben.

2.2 Bis zum Zeitpunkt des Bundesgerichtsurteils vom 8. Januar 2002 liess sich
den schweizerischen Behörden nicht vorwerfen, sie hätten es unterlassen, die
für den Vollzug der Wegweisung notwendigen Vorkehrungen zu treffen: sie
hatten bereits mehrere Monate vor dem absehbaren Ende des Strafvollzugs in
Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Flüchtlinge die Behörden des
Heimatstaates des Beschwerdeführers kontaktiert und mit den nötigen
Informationen versehen. Im Übrigen hatte die Strafanstalt Lenzburg bereits im
Mai 2001 einen auf den Namen A.________ lautenden Pass an die libanesische
Botschaft in Muri/BE zugestellt. Am 14. September 2001 teilte die
libanesische Botschaft in Bern der Abteilung Vollzugsunterstützung des
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements mit, sie selber sei nicht
mehr ermächtigt, in eigener Kompetenz Ersatzreisepapiere auszustellen; alle
Anträge um Erstellung eines Ersatzreisepapieres müssten nunmehr an die
zuständigen Behörden in Beirut weitergeleitet werden. Bis zum Tag der
vorzeitigen Haftentlassung (8. Dezember 2001) war noch keine Antwort aus
Beirut eingegangen.

Auch in der Zeitspanne vom 8. Januar 2002 bis zum angefochtenen
Haftverlängerungsentscheid haben sich die Behörden um den Erhalt von
Reisepapieren bemüht: Wie der Haftverlängerungsverfügung der Fremdenpolizei
vom 6. März 2002 zu entnehmen ist, rief ein Mitarbeiter der Abteilung
Vollzugsunterstützung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements der
libanesischen Botschaft in Bern regelmässig telefonisch die Situation des
Beschwerdeführers in Erinnerung; der Konsul vertröstete ihn jeweils auf die
Antwort aus Beirut. Auch der Beschwerdeführer selbst meldete sich regelmässig
bei der Botschaft. Seine Schwägerin intervenierte mehrmals telefonisch in
Beirut und überwies offenbar sogar einen Betrag von Fr. 500.-- an das
Innenministerium, um die Abklärungen zu beschleunigen. Mit Schreiben vom 6.
März 2002 forderte die Abteilung Vollzugsunterstützung die Fremdenpolizei
auf, den Beschwerdeführer ein Gesuch um einen Laissez-Passer ausfüllen sowie
einen Passverlustschein unterzeichnen zu lassen.

Damit haben die Behörden, unter Mithilfe des Beschwerdeführers und seiner
Schwägerin, das ihnen Mögliche im Hinblick auf den Erhalt von Reisepapieren
unternommen; dass bis jetzt noch keine Papiere vorliegen, ist einzig auf das
Verhalten der libanesischen Behörden zurückzuführen. Das Beschleunigungsgebot
ist daher nicht verletzt.

2.3 Der Beschwerdeführer kritisiert die Haftbedingungen; er macht geltend,
seine Bettwäsche werde nicht oft genug gewechselt und er werde gegen seinen
Willen fleischlos ernährt; zudem gebe man ihm keine Arbeit.

Diese Rügen hat der Beschwerdeführer erstmals im Verfahren vor dem
Bundesgericht vorgebracht. Dieses prüft den Haftentscheid grundsätzlich
lediglich aufgrund der Sachlage, wie sie sich dem Haftrichter präsentierte.
Was der Beschwerdeführer dort nicht ausdrücklich vortrug oder was sich nicht
offensichtlich aus den damals bekannten Akten ergab, darf es bei seinem
Entscheid grundsätzlich nicht berücksichtigen (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG; BGE
125 II 217 E. 3a S. 221).

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer die Rügen bezüglich der
Haftbedingungen verspätet vorgebracht hat, sind sie ohnehin unberechtigt: Wie
das Amt für öffentliche Sicherheit, Abteilung Ausländerfragen, in seiner
Vernehmlassung ausführt, hat jeder Ausschaffungshäftling im
Untersuchungsgefängnis Solothurn die Möglichkeit, einer bezahlten Arbeit
nachzugehen und damit sein Konto aufzubessern; das Angebot an Arbeit sei
immer ausreichend. Das Amt führt weiter aus, der Beschwerdeführer habe einmal
mitgeteilt, er wünsche kein Fleisch mehr; seither erhalte er jeweils das
vegetarische Menu. Er brauche indessen nur bei der Gefängnisverwaltung einen
entsprechenden Wunsch zu äussern, wenn er wieder Fleisch erhalten wolle. Das
Amt teilt mit, dass die Wäsche des Beschwerdeführers, nachdem sich dieser
einer Operation am Gesäss unterzogen hatte, mindestens alle drei Tage, wenn
nicht öfter, gewechselt wurde.

3.
Die Verlängerung der Ausschaffungshaft ist nach dem Gesagten
bundesrechtskonform, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher
abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang würde der Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 156 OG). Im Hinblick auf seine beschränkte finanzielle
Leistungsfähigkeit rechtfertigt es sich jedoch, von der Erhebung einer
Gerichtsgebühr abzusehen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für öffentliche Sicherheit
des Kantons Solothurn, Abteilung Ausländerfragen und dem Verwaltungsgericht
des Kantons Solothurn sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 16. April 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: