Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.143/2002
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2A.143/2002/sch

Urteil vom 3. April 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Merkli,
Gerichtsschreiber Merz.

X. ________, zzt. Flughafengefängnis, 8058 Zürich,
Beschwerdeführer,

gegen

Kantonales Amt für Ausländerfragen Zug, Aabachstrasse 1, Postfach 857, 6301
Zug,
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Haftrichter, An der Aa 6, Postfach 760,
6301 Zug.

Verlängerung der Ausschaffungshaft

(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Haftrichter, vom
4. März 2002)
Sachverhalt:

A.
Der aus Russland stammende X.________ (geb. 1982), reiste am 24. September
2001 illegal in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch. Am
26. Oktober 2001 wurde er wegen Verdachts des Diebstahls, des
Hausfriedensbruchs, der Sachbeschädigung, des Verstosses gegen das
Waffengesetz und der Vorbereitung zum Raub in Untersuchungshaft genommen. Im
unmittelbaren Anschluss an die Untersuchungshaft ordnete das Kantonale Amt
für Ausländerfragen Zug (im Folgenden: Fremdenpolizei) am 7. November 2001
die Vorbereitungshaft an, welche vom Haftrichter des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zug (im Folgenden: Haftrichter) bestätigt wurde. Als Haftgrund wurde
angeführt, dass gegen X.________ eine richterliche Strafuntersuchung wegen
Vorbereitung zum Raub angehoben worden sei; die Vorbereitungshandlungen zu
einem Raub indizierten, dass X.________ in Kauf nehme, Personen zu bedrohen
oder an Leib und Leben zu gefährden.

Mit Entscheid vom 7. Dezember 2001 trat das Bundesamt für Flüchtlinge
gestützt auf Art. 32 Abs. 2 lit. a des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG,
SR 142.31) auf das Asylgesuch von X.________ nicht ein und verfügte seine
sofortige Wegweisung aus der Schweiz; einer allfälligen Beschwerde entzog es
die aufschiebende Wirkung. Am Tag der Eröffnung des Asylentscheids ordnete
die Fremdenpolizei die Umwandlung der Vorbereitungshaft in Ausschaffungshaft
an, welche der Haftrichter am 13. Dezember 2001 bestätigte.

B.
Am 28. Februar 2002 beantragte die Fremdenpolizei, X.________ "für maximal 6
Monate weiterhin in Haft zu belassen". Der Haftrichter verlängerte mit
Verfügung vom 4. März 2002 die Ausschaffungshaft "um maximal 4 Monate, d.h.
bis zum 8. Juli 2002".

C.
Mit handschriftlicher und in deutscher Sprache verfasster Eingabe beim
Bundesamt für Flüchtlinge vom 18. März 2002 wendet sich X.________ gegen die
Haftverlängerung vom 4. März 2002. Dieses Schreiben wurde
zuständigkeitshalber an das Bundesgericht - mit Eingang 22. März 2002 -
weitergeleitet und ist als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegenzunehmen.

D.
Das Kantonale Amt für Ausländerfragen Zug sowie der Haftrichter beim
Verwaltungsgericht des Kantons Zug beantragen Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Ausländefragen hat keine
Stellungnahme eingereicht. X.________ hat sich innert der ihm eingeräumten
Frist nicht mehr geäussert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Bei Laienbeschwerden gegen die Genehmigung oder Verlängerung der
Ausschaffungshaft stellt das Bundesgericht keine hohen Anforderungen an die
Beschwerdebegründung (vgl. Art. 108 Abs. 2 OG und BGE 122 I 275 E. 3b S.
277). Ist daraus - wie hier - ersichtlich, dass sich der Betroffene gegen
seine Haft wendet, überprüft es die Rechtmässigkeit der angefochtenen
Massnahme, vorliegend demnach der haftrichterlichen Verfügung vom 4. März
2002, mit welcher die Haft verlängert wurde. Verfahrensgegenstand ist indes
nicht die Asyl- bzw. Wegweisungsfrage, zu deren Beurteilung das Bundesgericht
nicht zuständig ist (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 und 4 OG; BGE 125 II
217 E. 2 S. 220; 121 II 59 E. 2b S. 61).

Nach Art. 105 Abs. 2 OG ist das Bundesgericht an die Feststellung des
Sachverhalts gebunden, wenn - wie hier - eine richterliche Behörde als
Vorinstanz den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erhoben hat.
Dementsprechend stellt das Bundesgericht auch auf die Sachlage im Zeitpunkt
des angefochtenen Entscheids ab.

2.
Der Beschwerdeführer beschwert sich darüber, dass seine "Bitte nach einem
Anwalt" im kantonalen Verfahren ignoriert wurde (vgl. zum richtigen
Rechtsmittel BGE 123 I 275 E. 2 S. 276 ff.; 122 II 274 E. 1b S. 277 ff.; 122
I 275 E. 3 S. 276). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung besteht nur
ausnahmsweise ein Anspruch des Betroffenen auf unentgeltliche oder gar
amtliche - im Sinne von notwendiger - Verbeiständung im ausländerrechtlichen
Haftrichterverfahren über die erstmalige Anordnung der Haft. Allerdings darf
einem bedürftigen Häftling im Haftverlängerungsverfahren nach drei Monaten
der unentgeltliche Rechtsbeistand grundsätzlich nicht verweigert werden (vgl.
BGE 122 I 49 E. 2c/ cc S. 53, 275 E. 3a/b S. 276 ff.). Es ergibt sich jedoch
nicht aus den Akten, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf den hier
allein streitgegenständlichen Haftverlängerungstermin vom 4. März 2002 eine
Verbeiständung beantragt hatte. Ebenso wenig liegt eine Ausnahme vor, die
eine amtliche Verbeiständung von Verfassungs wegen gebieten würde; auch
brauchte der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Haftverlängerung nicht von
Amtes wegen auf die Möglichkeit der unentgeltlichen Verbeiständung aufmerksam
gemacht zu werden (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2A.148/1997 vom 6. Mai
1997, E. 4b, und 2A.385/1999 vom 5. August 1999, E. 2b, mit weiteren
Hinweisen. In einem am 20. Februar 2002 der Post übergebenen (an das
Bundesgericht adressierten und von diesem an den Haftrichter
weitergeleiteten) undatierten Schreiben hatte der Beschwerdeführer zwar
beanstandet, dass ihm auf sein Verlangen nach einem Anwalt gesagt worden sei,
dass er ohne Geld keinen Rechtsanwalt  beiziehen  könne. Diese nicht näher
belegte Behauptung betraf indes allenfalls die erstmalige Anordnung der
Ausschaffungshaft im Dezember 2001. Zudem hatte der Beschwerdeführer
gegenüber dem Haftrichter selber offenbar keinen entsprechenden Antrag
gestellt. Im Übrigen ist aber aus dem Gesagten zu folgern, dass dem
Beschwerdeführer, bei dem es sich nicht um einen völlig unbeholfenen und
unerfahrenen Ausländer handelt, das Institut der unentgeltlichen Rechtspflege
im Prinzip bekannt war. Ausserdem war er in der Ladung zum
Haftverlängerungstermin auf die Möglichkeit des Beizugs eines Anwalts
hingewiesen worden. Auch die Vorschriften des kantonalen Rechts gewähren
keinen Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im Verfahren der
Haftverlängerung. Gemäss dem Zuger Einführungsgesetz zum ANAG vom 28.
November 1996 (vgl. § 12) ist der inhaftierten Person nur vor der Verhandlung
über ein Haftentlassungsgesuch gemäss Art. 13c Abs. 4 ANAG von Amtes wegen
ein Rechtsbeistand zu bestellen. Ein solches Haftentlassungsgesuch wird der
Beschwerdeführer demnächst stellen können (vgl. auch Hinweis in Erwägung 5
des angefochtenen Urteils).

3.
Der Beschwerdeführer wurde mit dem Asylentscheid aus der Schweiz weggewiesen
(vgl. Art. 13b Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt
und Niederlassung der Ausländer, ANAG, SR 142.20; BGE 125 II 465 E. 2a S.
467). Der Vollzug dieser Massnahme ist wegen fehlender Reisepapiere noch
nicht möglich, jedoch absehbar (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; BGE 125 II
465 E. 2a S. 467). Den Sachverhaltsfeststellungen zufolge (vgl. Art. 105 Abs.
2 OG) sind die vom Haftrichter angenommenen Haftgründe der ernsthaften
Bedrohung von Personen bzw. der erheblichen Gefährdung an Leib und Leben
(Art. 13b Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 13a lit. e ANAG) und der
Untertauchensgefahr (Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG) erfüllt; der
Beschwerdeführer wird unter anderem wegen Vorbereitung zum Raub (unter
Einsatz einer Schusswaffe) strafrechtlich verfolgt und - wie der Haftrichter
zutreffend festgestellt hat - lässt sein bisheriges Verhalten darauf
schliessen, dass er sich bei einer Haftentlassung der Ausschaffung entziehen
wird (vgl. auch BGE 125 II 369 E. 3b/aa und bb S. 375, und Urteile des
Bundesgerichts 2A.35/2000 vom 10. Februar 2000, E. 2b, je mit Hinweisen, und
2A.167/1996 vom 1. April 1996, E. 2a/bb).

4.
Dem Beschleunigungsgebot wurde bei Gesamtbetrachtung bislang noch entsprochen
(vgl. Art. 13b Abs. 3 ANAG; BGE 124 II 49 E. 3a S. 50 ff.; 124 I 139 E. 2c S.
142). Zwar beantragten die Behörden erst am 28. Januar 2002
Ersatzreisepapiere bei der russischen Botschaft, obwohl sich der
Beschwerdeführer bereits seit dem 7. November 2001 in Vorbereitungshaft
befand. Solange keine Entscheidung über das Asylgesuch vorlag, war es aber
seitens der Behörden nicht angängig, sich schon im Stadium der
Vorbereitungshaft an die Botschaft zu wenden. Zudem haben die Behörden nach
der erstmaligen Anordnung der Ausschaffungshaft vom 10. Dezember 2001 unter
anderem am 18. und 28. desselben Monats Massnahmen mit Blick auf die
Ausschaffung getroffen. Eine am 25. Februar 2002 bei der russischen Behörde
vorgesehene Vorsprache scheiterte aus von den schweizerischen Behörden nicht
zu verantwortenden Gründen, worauf im Übrigen sogleich ein neuer Termin auf
den 6. März 2002 vereinbart wurde.

Gemäss Art. 13b Abs. 2 ANAG darf die Ausschaffungshaft höchstens drei Monate
dauern und um höchstens sechs Monate verlängert werden. Entgegen der Meinung
des Beschwerdeführers sind weder die Zeiten in der Untersuchungshaft noch
diejenigen in der Vorbereitungshaft darauf anzurechnen. Die Verlängerung der
Haft um vier Monate erscheint im Hinblick auf die mangelhafte Kooperation des
Beschwerdeführers und den Bedenken über seine wahre Identität nicht
unverhältnismässig (vgl. BGE 126 II 439 E. 4 S. 440 ff.).

5.
Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Dem Verfahrensausgang
entsprechend würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).
Es rechtfertigt sich jedoch mit Blick auf seine Mittellosigkeit, von der
Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (vgl. Art. 153 a bs. 1 OG).
Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 Abs. 2 OG).

Es ist durch das Kantonale Amt für Ausländerfragen Zug sicherzustellen, dass
dem Beschwerdeführer das Urteil eröffnet und verständlich gemacht wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Amt für
Ausländerfragen Zug und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Haftrichter,
sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. April 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: