Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.240/2002
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1A.240/2002 /mks

Urteil vom 13. Mai 2003

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Féraud,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

B. und M. X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Evangelische Kirchgemeinde Thal-Lutzenberg,
vertreten durch Frau Lina Wagner, Präsidentin, Dorfstrasse 3, 9425 Thal,
Katholische Kirchgemeinde Thal,
vertreten durch Herrn Pirmin Meier, Präsident, Feldstrasse 3, 9425 Thal,
Beschwerdegegnerinnen,
Politische Gemeinde Thal, 9425 Thal, vertreten durch den Gemeinderat Thal,
9425 Thal,
Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St.
Gallen,
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.

Lärmimmission (Kirchengeläut),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 24. Oktober 2002.

Sachverhalt:

A.
Am 5. August 2001 gelangten B. und M. X.________ an den Gemeinderat von Thal
und beantragten, das Frühgeläut der Paritätischen Kirche um 06.00 Uhr sei
einzustellen, zu verschieben oder in der Lautstärke mittels geeigneter
Massnahmen auf ein erträgliches Mass zu senken. Weiter forderten sie eine
Entschädigung von Fr. 3'000.--, welche sie für den Einbau von
Schallschutzvorrichtungen aufgewendet hätten. Nachdem der Gemeinderat das
Begehren abgelehnt hatte, gelangten B. und M. X.________ ans Baudepartement
des Kantons St. Gallen, mit dem Antrag, das Morgengeläut sei auf 07.00 Uhr zu
verschieben. Nach Lärmmessungen vor Ort wies das Baudepartement den Rekurs am
7. Juni 2002 ab.

Auf die dagegen eingereichte Beschwerde von B. und M. X.________ hin,
bestätigte das Verwaltungsgericht den vorinstanzlichen Entscheid mit Urteil
vom 24. Oktober 2002.

B.
Mit Eingabe vom 23. November 2002 erheben B. und M. X.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen die
Verschiebung des Frühgeläuts von 06.00 auf 07.00 Uhr. Auf ihre Forderung von
Fr. 3'000.-- als Ersatz für den Einbau von Lärmschutzvorrichtungen verzichten
sie ausdrücklich.

C.
Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Baudepartement und die Katholische
Kirchgemeinde schliessen sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Die
Evangelische Kirchgemeinde und die Politische Gemeinde Thal haben auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) liess sich vernehmen,
ohne einen Antrag zum Verfahrensausgang zu stellen. Eine Verschiebung des
Geläuts um wenigstens eine halbe Stunde erscheint ihm aus Gründen der
Vorsorge als angezeigt.

Die Parteien erhielten Gelegenheit, sich zum Bericht des BUWAL zu äussern.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid stützt sich auf eidgenössisches
Umweltschutzrecht und ist kantonal letztinstanzlich (Art. 98 lit. g OG). Da
kein Ausschlussgrund im Sinne der Art. 99 ff. OG vorliegt, ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 97 f. OG i.V.m. Art. 5 VwVG).

Nach Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer
durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse
an deren Aufhebung oder Änderung hat. Dabei wird verlangt, dass der
Beschwerdeführer durch den Entscheid stärker als jedermann betroffen ist und
in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht.
Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche
Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst
werden kann. Die Beschwerdeführer, die im kantonalen Verfahren unterlegen
sind, wohnen zirka 360 m vom Kirchturm der Paritätischen Kirche in Thal
entfernt, also nicht in unmittelbarer Nähe der Glocken. Ihre
Schlafzimmerfenster gewähren indessen freie Sicht auf die Kirche. Stehen
grossflächige Immissionen in Frage, hat das Bundesgericht erkannt, dass ein
sehr weiter Kreis Betroffener zur Beschwerdeführung legitimiert sein kann, so
zum Beispiel die Anwohner eines Flughafens einschliesslich jener, die in der
Verlängerung der Flugplatzpisten, d.h. im Bereich der An- und
Abflugschneisen, wohnen (BGE 120 Ib 379 E. 4b und c S. 386 f. mit Hinweis auf
BGE 104 Ib 318; vgl. auch BGE 124 II 293 E. 3a S. 303 f.; 121 II 176 E. 2a
und b S. 177 f.). In dicht besiedelten Gebieten kann somit grundsätzlich sehr
vielen Personen die Beschwerdelegitimation zukommen, ohne dass bereits von
einer Popularbeschwerde gesprochen werden müsste (BGE 110 Ib 99 E. 1c S.
102). Im Lichte dieser Rechtsprechung sind B. und M. X.________ zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert. Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

1.2 Das Bundesgericht prüft, ob das Verwaltungsgericht Bundesrecht verletzt
hat (Art. 104 lit. a OG). Dabei ist es an die Feststellungen des Sachverhalts
durch die Vorinstanz gebunden, sofern die Feststellungen nicht offensichtlich
unrichtig oder unvollständig sind oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen getroffen worden sind (Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
2.1 Das Bundesgericht hatte sich bereits in einem früheren Entscheid mit als
störend empfundenem kirchlichem Glockengeläut auseinander zu setzen (BGE 126
II 366, Bubikon). Danach ist unbestritten, dass kirchliches Glockengeläut,
auch soweit es Teil der Religionsausübung darstellt und unter dem Schutz der
Glaubens- und Gewissensfreiheit steht (Art. 15 Abs. 2 BV), zum Schutz der
öffentlichen Ruhe gewissen Einschränkungen unterworfen werden darf (Art. 36
BV; BGE 126 II 366 E. 2a S. 367, mit Hinweis auf BGE 36 I 374 E. 3 S. 378;
Ulrich Häfelin, Kommentar BV 1874, Art. 50 Rz. 24 f. und dortige Hinweise;
Peter Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, Zürich
1988, S. 230, 308 und 318). Auch steht ausser Frage, dass die
Umweltschutzgesetzgebung grundsätzlich auf Kirchengeläut anwendbar ist.

2.2 Das Glockenspiel der Paritätischen Kirche Thal ist eine mit einer Baute
dauerhaft verbundene ortsfeste Einrichtung und damit eine Anlage im Sinne von
Art. 7 Abs. 7 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz
(USG; SR 814.01) und Art. 2 Abs. 1 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember
1986 (LSV; SR 814.41). Da die Kirche samt ihrem Läutwerk gemäss den
Feststellungen im angefochtenen Urteil bereits vor dem Inkrafttreten des
Umweltschutzgesetzes am 1. Januar 1985 bestanden hat und keine Erweiterung
der Anlage beabsichtigt ist, untersteht sie nicht den Vorschriften für
Neuanlagen (Art. 25 USG, Art. 7 LSV). Indessen ist die Sanierung der
ortsfesten Anlage anzuordnen, wenn sie den Vorschriften des
Umweltschutzgesetzes nicht genügt (Art. 16 Abs. 1 USG). Zu diesen
Vorschriften zählen auch die in Art. 11 Abs. 2 und 3 USG enthaltenen
Bestimmungen. Danach sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge unabhängig von
der bestehenden Umweltbelastung so weit zu begrenzen, als dies technisch und
betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Abs. 2). Wenn feststeht
oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der
bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden, sind die
Emissionsbegrenzungen zu verschärfen (Abs. 3). Solche Begrenzungen werden
gemäss Art. 12 Abs. 2 USG durch Verordnungen oder, soweit diese nichts
vorsehen, durch unmittelbar auf das Umweltschutzgesetz abgestützte
Verfügungen vorgeschrieben. Daran ändert nichts, ob bekannt ist, dass die
Immissionsgrenzwerte überschritten werden, oder dass Art. 13 der LSV die
Sanierungspflicht nur für jene bestehenden ortsfesten Anlagen vorsieht,
welche wesentlich zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte beitragen.
Schutzmassnahmen nach Art. 12 Abs. 2 USG sind nicht erst zu ergreifen, wenn
die Umweltbelastung schädlich oder lästig wird, sondern es müssen gestützt
auf das Vorsorgeprinzip schon sämtliche unnötigen Emissionen vermieden werden
(BGE 126 II 366 E. 2b S. 368; 113 Ib 393 E. 3 S. 400; 115 Ib 446 E. 3d S. 453
f.; 119 Ib 179 E. 2e S.190). Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, dass
jeder im strengen Sinne nicht nötige Lärm völlig untersagt werden müsste. Es
gibt keinen absoluten Anspruch auf Ruhe; vielmehr sind geringfügige, nicht
erhebliche Störungen hinzunehmen (Art. 15 USG; BGE 126 II 366 E. 2b S. 368;
123 II 325 E. 4d/bb S. 334 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 18. März 1998
in: URP 1998 S. 529 E. 5b/c; Christoph Zäch/Robert Wolf, Kommentar USG,
Zürich 2000, N. 23 zu Art. 15).

2.3 Die Lärmimmissionen ortsfester Anlagen sind grundsätzlich anhand der vom
Bundesrat festgelegten Belastungsgrenzwerte (Anhänge 3-8 LSV) zu beurteilen
(Art. 40 Abs. 1 LSV). Für die Lärmbelastung durch Glockenspiele hat der
Bundesrat keine Grenzwerte festgelegt. Fehlen solche Werte, so müssen die
Lärmimmissionen im Einzelfall nach den Kriterien der Art. 15, 19 und 23 USG
bewertet werden (Art. 40 Abs. 3 LSV; BGE 126 II 300 E. 4c/aa S. 307, 366 E.
2c S. 368; 123 II 74 E. 4a und b S. 82 f.; 118 Ib 590 E. 3b S. 596). Im
Rahmen dieser Einzelfallbeurteilung sind der Charakter des Lärms, Zeitpunkt
und Häufigkeit seines Auftretens sowie die Lärmempfindlichkeit bzw.
Lärmvorbelastung zu berücksichtigen (BGE 123 II 74 E. 5a S. 86, 325 E. 4d/bb
S. 335; 118 Ib 590 E. 4a S. 598). Dabei ist nicht auf das subjektive
Lärmempfinden einzelner Personen abzustellen, sondern - wie das
Verwaltungsgericht entgegen der Meinung der Beschwerdeführer richtig erwogen
hat - eine objektivierte Betrachtung unter Berücksichtigung von Personen mit
erhöhter Empfindlichkeit (Art. 13 Abs. 2 USG) vorzunehmen (BGE 126 II 300 E.
4c/aa S. 307, 366 E. 2c S. 368 f.; 123 II 74 E. 5a S. 86, 325 E. 4d/bb S.
334; Urteil des Bundesgerichts vom 1. Dezember 1994 in URP 1995 S. 31, E. 4c;
Zäch/Wolf, a.a.O., N. 25 zu Art. 15).

2.4 Die Lärmschutzvorschriften des Umweltschutzgesetzes sind in erster Linie
zugeschnitten auf Geräusche, die als unerwünschte Nebenwirkungen einer
bestimmten Tätigkeit auftreten. Diese können grundsätzlich mit geeigneten
Massnahmen an der Quelle reduziert werden, ohne dass dadurch die
entsprechenden Tätigkeiten als solche in Frage gestellt werden. Daneben gibt
es jedoch auch Geräusche, welche den eigentlichen Zweck einer bestimmten
Aktivität ausmachen. Dazu gehören beispielsweise das Läuten von Kirchen- oder
Kuhglocken, das Musizieren sowie das Halten von Reden mit Lautverstärkern an
Anlässen in der Öffentlichkeit. Solche Lärmemissionen können nicht völlig
vermieden und in der Regel auch nicht in der Lautstärke wesentlich reduziert
werden, ohne dass zugleich der Zweck der sie verursachenden Tätigkeit
vereitelt würde. Derartige Lärmemissionen als unnötig und unzulässig zu
qualifizieren, würde implizieren, die betreffende Tätigkeit generell als
unnötig zu betrachten. Die Rechtsprechung hat im Allgemeinen solche
Emissionen zwar aufgrund des Umweltschutzgesetzes beurteilt, aber zugleich
unter Berücksichtigung des Interesses an der Lärm verursachenden Tätigkeit
diese nicht völlig verboten, sondern bloss einschränkenden Massnahmen
unterworfen (BGE 126 II 366 E. 2d S. 269 mit zahlreichen Hinweisen). Da eine
Reduktion der Schallintensität meist den mit der betreffenden Tätigkeit
verfolgten Zweck vereiteln würde, bestehen die emissionsbeschränkenden
Massnahmen in der Regel nicht in einer Reduktion des Schallpegels, sondern in
einer Einschränkung der Betriebszeiten (BGE 126 II 366 E. 2d S. 369; 119 Ib
463 E. 4-6 S. 466 ff.; 118 Ib 234 E. 2b S. 239 f.; André Schrade/Theo
Loretan, Kommentar USG, Zürich 1998, N. 29 zu Art. 12). Dabei ist eine
Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung und
dem Interesse an der lärmverursachenden Tätigkeit. Zu beachten sind
insbesondere der Charakter des Lärms, Zeitpunkt, Dauer und Häufigkeit seines
Auftretens sowie die Lärmempfindlichkeit bzw. die Lärmvorbelastung der
betroffenen Zone (BGE 126 II 300 E. 4c/cc S. 307 f., 366 E. 2d S. 369 f; 123
II 325 E. 4d/bb S. 334 f., 123 II 74 E. 5a S. 86; Pra 87/1998 Nr. 170 S.
908). Den örtlichen Behörden ist ein gewisser Beurteilungsspielraum
zuzugestehen, soweit es sich um Anlässe mit lokaler Ausprägung oder Tradition
handelt (BGE 126 II 300 E. 4c/dd S. 309, 366 E. 2d S. 369 f.).

3.
3.1 Die im Rekursverfahren vor dem Baudepartement erhobenen Lärmmessungen
ergaben folgende Ergebnisse:
bei geöffnetem Fenster Mittelungspegel (Leg): 42.2 dB
Maximalpegel (Lmax) 51.3 dB
bei gekipptem Fenster  Mittelungspegel (Leg) 39.3 dB
Maximalpegel (Lmax) 51.8 dB
bei geschlossenem Fenster Mittelungspegel (Leg); 21.0 dB
Maximalpegel (Lmax) nicht messbar (Werte
        zu tief)
Nach den Ausführungen des BUWAL sind die Maximalpegel zu gering, um eine
Aufwachreaktion auszulösen.

Die tatsächlichen Feststellungen des Baudepartementes und des BUWAL werden
nicht bestritten. Die Beschwerdeführer verlangen denn heute auch keine
Schallschutzmassnahmen mehr, sondern beantragen eine Einschränkung der
Betriebszeit beim morgendlichen Frühgeläut, was eine mögliche Massnahme zur
Emissionsbegrenzung sein kann (Art. 12 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 USG). Das
BUWAL unterstützt diesen Antrag, indem es eine Verschiebung des Geläuts um
wenigstens eine halbe Stunde aus Gründen der Vorsorge als angezeigt erachtet.
Umstritten ist somit, ob Kirchengeläut von einem wesentlichen Teil der
Bevölkerung als Störung empfunden wird und ob bei einem Frühgeläut um 06.00
Uhr morgens von einer Nachtruhestörung die Rede sein kann. Weiter ist zu
prüfen, ob eine Verschiebung des Glockengeläutes aufgrund des
umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips geboten ist.

3.2 Bereits im Entscheid Bubikon hat das Bundesgericht ausgeführt,
Glockengeläut werde - jedenfalls tags und ab einer gewissen Distanz zu den
Glocken - von den meisten Menschen nicht als störend empfunden (BGE 126 II
366 E. 3c S. 371). Es kann - wie die Musik - nicht mit Verkehrs- oder
Industrielärm gleichgesetzt werden. Kirchenglocken haben für viele Leute
einen Wohlklang, und ihr regelmässiges Ertönen - auch frühmorgens -
entspricht weit verbreiteter alter Tradition. Kirchengeläut hat sich weit
über den Kreis der Gläubigen hinaus im Bewusstsein der Menschen eingeprägt,
vermag auch religiös gleichgültige Leute zu bewegen und gehört für weite
Teile der Bevölkerung zum festen Tagesablauf.

Das Gefühl der Störung hängt ähnlich wie bei Musik stark davon ab, zu welcher
Tages- oder Nachtzeit die Glocken ertönen und wie nahe bei der Lärmquelle
sich die Betroffenen befinden. Mehrheitsmeinungen in einer Gemeinde können
nicht ohne weiteres als Massstab für die Befindlichkeit der "Bevölkerung" im
Sinne von Art. 15 USG dienen, da in der Regel nicht eine Mehrheit nahe bei
der Lärmquelle wohnt. "Bevölkerung" ist vielmehr im Sinn einer objektiven,
durchschnittlichen Lärmempfindlichkeit zu verstehen. Da aber auch auf
Personengruppen mit erhöhter Lärmempfindlichkeit (Kranke, Betagte usw.)
Rücksicht zu nehmen ist (Art. 13 Abs. 2 USG), muss tendenziell von einer eher
über dem Durchschnitt liegenden Lärmempfindlichkeit ausgegangen werden
(Zäch/Wolf, Kommentar USG, N. 25 zu Art. 15). Indessen ist auch die
Ortsüblichkeit (Vorbelastung des Gebiets, Zonenlage, Tradition) in die
Beurteilung miteinzubeziehen (BGE 126 II 366 E. 3c S. 371, mit Hinweisen).

3.3 Die Beschwerdeführer wohnen in einem ruhigen Wohnquartier, das der
Lärmempfindlichkeitsstufe II zugewiesen ist und wo keine störenden Betriebe
zugelassen sind (Art. 43 Abs. 1 lit. b LSV). Gemäss den unbestrittenen
Feststellungen der kantonalen Instanzen, waren anlässlich des Ortstermins
neben Vogelgezwitscher einzig die Motorengeräusche einiger weniger auf der
Rheinecker Strasse vorbeifahrender Motorfahrzeuge zu hören. Das
Schlafzimmerfenster der Beschwerdeführer ist zwar gegen die Paritätische
Kirche gerichtet, liegt aber doch in 360 m Entfernung von dieser. Die
Vorinstanz hält dafür, dass, obschon eine Vielzahl von Personen vom
Glockengeläute viel stärker betroffen sei als die Beschwerdeführer, weil sie
im Dorfkern, in unmittelbarer Nähe der Kirche wohne, keine weiteren Klagen
eingegangen seien. Bei den Akten befinde sich lediglich ein Leserbrief vom
13. Dezember 2001, in welchem die Verschiebung des Gebetsrufes auf 7.00 Uhr
aus Gründen des Minderheitenschutzes befürwortet werde.

Unbestritten ist, dass Thal ländlich geprägt ist. Gemäss der Vernehmlassung
der Katholischen Kirchgemeinde bestehen innerhalb der politischen Gemeinde
drei katholische und eine evangelische Kirchgemeinde. In sämtlichen
Ortsteilen finde das Frühgeläut um 6.00 Uhr statt. Den ebenfalls
unbestrittenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes lässt sich entnehmen,
dass Gleiches auch für die Nachbargemeinden Rheineck, Wolfhalden, Lutzenberg
und Grub (St. Gallen) gilt. Hinzu kommt, dass an der katholischen
Kirchbürgerversammlung vom Frühling 2000 der Antrag auf Verschiebung des
Frühgeläutes auf 7.00 Uhr mit 42 Nein-Stimmen gegen sieben Ja-Stimmen
abgelehnt wurde. Früher fand das Angelus-Läuten gar um 5.00 Uhr statt
(angefochtenes Urteil E. 2 b/ff S. 3). Es ist mithin davon auszugehen, dass
das Frühgeläut in der Gemeinde Thal auf eine langjährige Tradition zurück
geht, die von der Bevölkerung getragen wird.

3.4 Bei der Beurteilung, ob eine erhebliche Störung vorliegt, ist nach der
Tages- und Nachtzeit zu differenzieren (Art. 2 Abs. 5 LSV). In den Anhängen
der LSV wird die Nacht je nach Lärmart von 19.00 bzw. 22.00 Uhr bis 06.00
resp. 07.00 definiert. Allerdings enthält die LSV keine Bestimmungen über
Glockengeläut. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht nicht als zwingend
erachtet, auf die Regeln über den Industrie- und Gewerbelärm (Nachtruhe von
19.00 Uhr bis 07.00 Uhr) abzustellen, zumal Industrie- und Gewerbelärm als
typische Emissionen aus Berufsarbeit von den üblichen Arbeitszeiten abhängen
(BGE 126 II 366 E. 5a S. 373 f.). Die Gemeinde Thal verfügt über keine
kommunale Regelung der Tages- und Nachtzeit. Zur Beurteilung, ob das
frühmorgendliche Einläuten allenfalls als Störung der Nachtruhe empfunden
wird, ist infolgedessen ein wesentlicher Gesichtspunkt, ob die Glocken zu
Aufwachreaktionen führen. Wie das Verwaltungsgericht festgehalten hat,
beginnt das Läuten nach dem 06.00 Uhr-Schlag und dauert vier Minuten. Die
Abfolge der Glockenklänge ist gleichmässig, d.h. sie variieren in der
Lautstärke nur wenig. Der Anschlag der einzelnen Glocken ist eher hart,
einzelne Schläge dominieren jedoch nicht. Aufgrund der beim Ortstermin bei
den Beschwerdeführern erhobenen Werte ist mit dem BUWAL davon auszugehen,
dass die Maximalpegel zu gering sind, um eine Aufwachreaktion auszulösen. Das
Glockengeläut ist demzufolge für die Beschwerdeführer auch nicht als
Nachtruhestörung zu qualifizieren.
In Ermangelung einer kommunalen Regelung über die Dauer der Nachtruhe hat das
Verwaltungsgericht überdies berücksichtigt, dass das Frühgeläut den Zweck
habe, den Tag einzuläuten und dass es diesen Zweck nicht erfüllen könne, wenn
viele Leute bereits unterwegs zur Arbeit seien. Daran vermöge auch die
Tatsache nichts zu ändern, dass es heute in jedem Haushalt Wecker gebe und
dass es technisch möglich sei, sich durch Glockenklänge individuell wecken zu
lassen. Dem ist zuzustimmen. Betriebseinschränkungen dürfen grundsätzlich
nicht so weit gehen, dass sie den Zweck des Betriebs geradezu vereiteln, es
sei denn, die Alarmwerte würden überschritten, was jedoch hier nachgerade
nicht der Fall ist (siehe auch BGE 126 II 366 E. 5a S. 373 f.).
3.5 Zu klären bleibt, ob im Sinne des Vorsorgeprinzips dennoch eine
Verschiebung des Frühgeläutes geboten ist. Art. 11 USG sieht ein zweistufiges
Konzept der Emissionsbegrenzung vor (Art. 11 Abs. 2 und 3 USG; siehe auch E.
2.2 hiervor), welches auch im Bereich des Lärmschutzes gilt (vgl. Art. 7 Abs.
1 lit. a, Art. 8 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 2 lit. a LSV: vorsorgliche
Emissionsbegrenzung; Art. 7 Abs. 1 lit. b, Art. 8 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 2
lit. b LSV: Einhaltung der massgeblichen Belastungsgrenzwerte). Neue Anlagen
haben indessen grundsätzlich die Planungswerte einzuhalten (vgl. Art. 25 Abs.
1 USG; Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV), mit der Möglichkeit, bei Bestehen eines
überwiegenden öffentlichen Interesses Erleichterungen bis zur Obergrenze der
Immissionsgrenzwerte zu erteilen (Art. 25 Abs. 2 USG, Art. 7 Abs. 2 LSV).

Die Einhaltung der massgeblichen Belastungsgrenzwerte belegt nicht ohne
weiteres, dass alle erforderlichen vorsorglichen Emissionsbegrenzungen gemäss
Art. 11 Abs. 2 USG getroffen worden sind (BGE 124 II 517 E. 4b S. 522).
Allerdings ist im Bereich des Lärmschutzes zu berücksichtigen, dass die
Planungswerte unter den Immissionsgrenzwerten liegen (Art. 23 USG), welche
die Schwelle zur schädlichen oder lästigen Einwirkung definieren (Art. 13
USG); sie bilden daher bereits ein Element des vorsorglichen
Immissionsschutzes, d.h. der ersten Stufe der Emissionsbegrenzung. Sind die
Planungswerte eingehalten, rechtfertigen sich zusätzliche
emissionsbegrenzende Massnahmen deshalb nur, wenn mit relativ geringem
Aufwand eine wesentliche zusätzliche Reduktion der Emissionen erreicht werden
kann (Urteil 1A.69/2002 des Bundesgerichtes vom 19. März 2003, E. 3.1; BGE
127 II 306 E. 8 S. 318; 124 II 517 E. 5a S. 523; Alain Griffel, Die
Grundprinzipien des schweizerischen Umweltrechts, Zürich 2001, S. 90;
Schrade/Loretan, Kommentar USG, Zürich 1998, N 34b zu Art. 11; Robert Wolf,
Kommentar USG, Zürich 2000, N 14 zu Art. 25). Dabei ist beispielsweise an
technische Massnahmen zu denken, welche die Entstehung oder Ausbreitung des
Lärms begrenzen, ohne aber den Betrieb der fraglichen Anlage wesentlich
einzuschränken oder ein geändertes Projekt zu bedingen (vgl. BGE 124 II 517
E. 5c und d S. 523 ff.). Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf,
dass die Lärmimmissionen von einer Kirche ausgehen und nicht von einem
Unternehmen, das nach marktwirtschaftlichen Prinzipien, d.h.
gewinnorientiert, betrieben wird. Insofern kann das in Art. 11 Abs. 2 USG für
die Zulässigkeit von vorsorglichen Massnahmen genannte Kriterium der
wirtschaftlichen Tragbarkeit nicht angewendet werden, sondern wird durch eine
Verhältnismässigkeitsprüfung ersetzt (Urteil 1A.69/2002 des Bundesgerichtes
vom 19. März 2003, E. 3.2; BGE 127 II 306 E. 8 S. 318; 124 II 517 E. 5a S.
522; Schrade/Loretan, Kommentar zum USG, N. 35a zu Art. 11).

3.6 Im Lichte dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht sein Ermessen
nicht überschritten, wenn es von einer Verschiebung des Frühgeläutes
abgesehen hat. Daran ändert nichts, dass der Bischof und der Pfarrer
augenscheinlich keine Einwände gegen eine Verlegung des Angelus-Läutens
hätten. Wenn die örtlichen Behörden und mit ihnen die kantonalen
Rechtsmittelinstanzen davon ausgehen, dass in der Gemeinde Thal das
Frühgeläut der Paritätischen Kirche um 06.00 Uhr allgemein akzeptiert wird
und dass an der Aufrechterhaltung dieser Tradition ein öffentliches Interesse
bestehe, so hat das Bundesgericht keinen Anlass, von dieser Beurteilung durch
die mit den örtlichen Verhältnissen besser vertrauten Behörden abzuweichen
(BGE 126 II 366 E. 5b S. 374, mit Hinweisen). Es widerspricht nicht dem
Verhältnismässigkeitsprinzip, wenn die kantonalen Instanzen das öffentliche
Interesse am Beibehalten einer gewachsenen Tradition höher werten als das
Ruhebedürfnis der Beschwerdeführer, zumal aufgrund der erhobenen Messwerte
für die Beschwerdeführer nicht mit Aufwachreaktionen zu rechnen ist. Der
Umstand, dass sich offensichtlich nur die beiden Beschwerdeführer durch das
Glockengeläut belästigt fühlen, vermag lärmbegrenzende Massnahmen noch nicht
zu rechtfertigen (vgl. BGE 127 II 306 E. 8 S. 318 f.).

Belässt das Bundesumweltrecht den Gemeinden Spielraum, die Ruhezeiten
verschieden zu regeln, und tragen die kantonalen Rechtsmittelinstanzen bei
der Beurteilung von Frühgeläut diesen unterschiedlichen kommunalen Regelungen
Rechnung, so verletzen sie die Rechtsgleichheit nicht (BGE 126 II 300 E.
4d/ee S. 311, 366 E. 5c S. 319; 125 I 173 E. 6d S. 179). Die von den
Beschwerdeführern angeführte Praxis in Urnäsch und Montlingen ist somit nicht
massgeblich.

4.
Daraus ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid nicht gegen Bundesrecht
verstösst und die Beschwerde infolgedessen abzuweisen ist. Bei diesem
Verfahrensausgang haben die Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Thal, dem
Baudepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen sowie dem
Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2003

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: