Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.182/2002
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1A.182/2002 /mks

Urteil vom 6. November 2002

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Bopp.

X. _________,
Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion
Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.

(Nachtrags-)Auslieferung an Deutschland (B 84585),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Bundesamts für Justiz,
Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, vom 24. Juli
2002.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der griechische Staatsangehörige X.________ wurde am 7. Dezember 2000 im
Rahmen eines schweizerischen Strafverfahrens im Kanton Tessin verhaftet.
Gleichentags ersuchte Interpol Wiesbaden um dessen Verhaftung zwecks
Auslieferung an Deutschland. Dieses Ersuchen stützte sich auf den durch das
Amtsgericht Neustadt am 1. Dezember 2000 ausgestellten Haftbefehl wegen
Betrugs.

Das Bundesamt für Justiz (BJ) ordnete am 7. Dezember 2000 die provisorische
Auslieferungshaft an. Im Verlaufe seiner Einvernahme vom 12. Dezember 2000
erklärte X.________ sich mit einer vereinfachten Auslieferung gemäss Art. 54
des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in
Strafsachen (IRSG, SR 351.1) einverstanden, ohne aber dabei auf die
Einhaltung des Spezialitätsprinzips zu verzichten.

Mit Entscheid vom 15. Dezember 2000 bewilligte das Bundesamt die Auslieferung
des Verfolgten an Deutschland zur Ahndung der ihm im genannten Haftbefehl zur
Last gelegten Straftaten. Die Auslieferung wurde am 18. Dezember 2000
vollzogen.

Am 13. März 2002 stellte das Ministerium der Justiz des Bundeslandes
Rheinland-Pfalz beim BJ ein Nachtragsauslieferungsbegehren. Dieses stützt
sich auf den durch das Amtsgericht Frankenthal/Pfalz am 12. März 2002 wegen
Urkundenfälschung, mehrfachen Betrugs sowie mehrfachen Computerbetrugs
ausgestellten Haftbefehl. Gleichzeitig wird um Sachauslieferung von
Vermögenswerten und Beweismitteln ersucht, nachdem anlässlich der Festnahme
des Verfolgten verschiedene Gegenstände und Vermögenswerte beschlagnahmt
worden waren.

Laut den Angaben der deutschen Behörden befindet sich X.________ derzeit in
Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal. Das BJ gelangte deshalb
mit Schreiben vom 12. April 2002 an das Justizministerium des Bundeslandes
Rheinland-Pfalz mit dem Antrag, der Verfolgte sei zum Nachtrags- und
Sachauslieferungsbegehren vom 12. März 2002 zu befragen.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2002 stellte das Ministerium dem Bundesamt das
Protokoll der am 10. Mai 2002 durchgeführten Einvernahme des Verfolgten zu.
X.________ hatte davon abgesehen, sich anlässlich der Einvernahme zum
Nachtrags- und Sachauslieferungsbegehren zu äussern.

Mit Entscheid vom 24. Juli 2002 bewilligte das Bundesamt die
(Nachtrags-)Auslieferung für die dem deutschen Begehren vom 12. März 2002
zugrunde liegenden Straftaten. Gleichzeitig wurde angeordnet, die beim
Verfolgten sichergestellten Vermögenswerte (4'535 Euro, 350 CHF und 1 DM) an
Deutschland auszuhändigen. Der Entscheid wurde X.________ am 13. September
2002 durch die deutschen Vollzugsbehörden eröffnet.

Mit Eingabe vom 16. September 2002 führt
X.________Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem
Begehren, der Entscheid vom 24. Juli 2002 sei aufzuheben.

Das Bundesamt beantragt mit Vernehmlassung vom 15. Oktober 2002, die
Beschwerde sei abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat Gelegenheit erhalten, sich zur Vernehmlassung des
Bundesamts zu äussern.

2.
Der Beschwerdeführer beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu rügen, das
Nachtragsauslieferungsbegehren widerspreche dem Spezialitätsprinzip, auf
dessen Einhaltung er nicht verzichtet habe. Damit habe er sich mit der
Verfolgung weiterer Straftaten ausdrücklich nicht einverstanden erklärt.
Allenfalls wäre er an die Verfolgungsbehörden seines Heimatlandes zu
überstellen.

Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass er sich im Verlaufe
seiner Einvernahme vom 12. Dezember 2000 zwar gemäss Art. 54 IRSG mit einer
vereinfachten Auslieferung an Deutschland einverstanden erklärte, ohne aber
dabei auf die Einhaltung des Spezialitätsprinzips zu verzichten.
Dementsprechend bewilligte das Bundesamt am 15. Dezember 2000 die
Auslieferung lediglich zur Verfolgung der dem Beschwerdeführer gemäss dem
damaligen deutschen Verhaftsersuchen zugrunde liegenden Straftaten (Betrug).

Gemäss Art. 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember
1957 (EAUe, SR 0.353.1) darf der Ausgelieferte wegen einer anderen, vor der
Übergabe begangenen strafbaren Handlung als derjenigen, die der Auslieferung
zugrunde liegt, nur verfolgt werden, wenn der Staat, der ihn ausgeliefert
hat, zustimmt. Die Zustimmung wird erteilt, wenn auch diese strafbare
Handlung nach dem Übereinkommen der Verpflichtung der Auslieferung unterliegt
(Art. 14 Ziff. 1 lit. a EAUe) bzw. die Auslieferung gemäss IRSG bewilligt
werden kann. Das Spezialitätsprinzip führt demzufolge - wie das Bundesamt zu
Recht erwogen hat - nicht zu einem generellen Schutz des Betroffenen vor
strafrechtlicher Verfolgung für weitere, vor der Übergabe begangene strafbare
Handlungen. Vielmehr statuiert es die Pflicht, den Staat, an den das
ursprüngliche Auslieferungsbegehren gerichtet war, um Zustimmung auch zur
Ahndung der weiteren Straftaten zu ersuchen. Die deutschen Behörden haben
dieser Pflicht im vorliegenden Fall nachgelebt, indem sie am 13. März 2002
beim Bundesamt das in Frage stehende Nachtragsauslieferungsbegehren zur
Verfolgung weiterer Straftaten gestellt haben. Die diesem Nachtragsbegehren
zugrunde liegenden strafbaren Handlungen unterliegen ebenfalls der im EAUe
enthaltenen Auslieferungsverpflichtung, wie das Bundesamt zutreffend erwogen
hat und denn auch vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt worden ist.
Dementsprechend hat das Bundesamt mit Entscheid vom 24. Juli 2002 die
Zustimmung im Sinne von Art. 14 Ziff. 1 lit. a EAUe zu Recht erteilt.

Ob der Beschwerdeführer, wie er geltend macht, allenfalls von Deutschland an
die griechischen Strafverfolgungsbehörden zu überstellen wäre, bildet nicht
Gegenstand des Nachtragsauslieferungsbegehrens und braucht somit hier nicht
weiter erörtert zu werden.

Im Übrigen kann auf die dem angefochtenen Entscheid vom 24. Juli 2002
zugrunde liegenden zutreffenden Erwägungen verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3
OG).

3.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb
sie abzuweisen ist.

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Justiz,
Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 6. November 2002

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: