Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.177/2002
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1A.177/2002 /dxc

Urteil vom 19. Februar 2003

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Aeschlimann
sowie Gerichtsschreiberin Schilling.

AX.________ und BX.________,
CY.________ und DY.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Bühler, Denkmal-
strasse 2, Postfach 6453, 6000 Luzern 6,

gegen

Centralschweizerische Kraftwerke (CKW),
Hirschengraben 33, 6002 Luzern, Beschwerdegegner,
Eidgenössisches Starkstrominspektorat (EStI), Luppmenstrasse 1, 8320
Fehraltorf,
Rekurskommission des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr,
Energie und Kommunikation, Schwarztorstrasse 59, Postfach 336, 3000 Bern 14.

Plangenehmigung Nr. L-168'260/168'261; L-171'732; 50/20 kV-Leitung
Sursee-Reiden (Langnau) Teilstrecke Winikon (Mast 45) bis Dagmersellen (Mast
80),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission des
Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
vom 10. Juli 2002.

Sachverhalt:

A.
Nach Rückzug eines ersten Projektes reichten die Centralschweizerischen
Kraftwerke (CKW) dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat am 12. Dezember
1997 Pläne für den Umbau der 50/20kV-Freileitung Unterwerk Sursee bis
Unterstation Reiden, Teilstück Winikon bis Dagmersellen, zur Genehmigung ein.
Gemäss der überarbeiteten Planvorlage soll die Linienführung der neuen
Betonmastenleitung im Bereich des Lutertals (Mast Nr. 55 bis Mast Nr. 66)
weitgehend jener der bestehenden Holzstangenleitung entsprechen. Während der
öffentlichen Planauflage vom 26. Januar bis 24. Februar 1998 erhoben etliche
Anwohner und mehrere Umweltschutzorganisationen Einsprache. Das
Eidgenössische Starkstrominspektorat wies diese mit Verfügung vom 30.
Dezember 1999 ab und erteilte dem Projekt der CKW die - mit verschiedenen
Auflagen verbundene - Genehmigung.
Gegen die Plangenehmigungsverfügung vom 30. Dezember 1999 reichten unter
anderem AX.________ und BX.________ sowie CY.________ und DY.________ beim
Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
(UVEK) gemeinsam Beschwerde ein. Die Beschwerdeführer verlangten, dass auf
den Leitungsumbau verzichtet oder eine andere Leitungsführung ausserhalb des
Lutertals gewählt werde; allenfalls sei die Leitung teilweise zu verkabeln.
Das UVEK überwies die Beschwerde der Rekurskommission des Eidgenössischen
Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
(Rekurskommission UVEK) zur Behandlung.

B.
Nach einem einlässlichen Instruktionsverfahren, in welchem neben den Parteien
auch die interessierten Bundes- und kantonalen Ämter mehrmals angehört sowie
Augenscheins- und Einigungsverhandlungen durchgeführt wurden, wies die
Rekurskommission UVEK die Beschwerde der genannten Einsprecher ab. Die
Rekurskommission hob allerdings die Verfügung des Eidgenössischen
Starkstrominspektorates auf und genehmigte das Leitungs-Projekt mit den im
Laufe des Instruktionsverfahrens vorgenommenen Änderungen. Diese Änderungen
betreffen den Verzicht auf einen zweiten 20 kV-Strang ab Mast Nr. 50 bis Mast
Nr. 78 und die entsprechende Anpassung der Tragwerke sowie die
Leitungsführung und die Maststandorte auf dem westlichen Leitungsabschnitt
zwischen den Masten Nr. 65 und Nr. 78.
Auf die Begründung des Entscheides wird, soweit erforderlich, in den
nachstehenden Erwägungen eingegangen.

C.
Gegen das Urteil der Rekurskommission UVEK vom 10. Juli 2002 haben
AX.________ und BX.________ sowie CY.________ und DY.________ gemeinsam
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie stellen die Anträge, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und auf das Vorhaben sei zu verzichten;
eventuell sei eine andere Variante im Sinne der Beschwerdebegründung zu
verwirklichen.
Die CKW und die Rekurskommission UVEK ersuchen um Abweisung der Beschwerde.
Das Eidgenössische Starkstrominspektorat hat seine Stellungnahme verspätet
eingereicht.

D.
Dem Gesuch der Beschwerdeführer um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist
mit Präsidialverfügung vom 9. Oktober 2002 entsprochen worden.

E.
Die Beschwerdeführer haben mit Eingabe vom 14. Januar 2003 unaufgefordert
weitere Bemerkungen angebracht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beschwerdeentscheide der Rekurskommission UVEK, die im
Plangenehmigungsverfahren für elektrische Anlagen gefällt werden, unterstehen
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 99 Abs. 2 lit. d OG in der Fassung
vom 18. Juni 1999; vgl. auch Art. 23 des Elektrizitätsgesetzes vom 24. Juni
1902 in der Fassung vom 18. Juni 1999 [EleG; SR 734.0]). Die Beschwerdeführer
sind, da die umstrittene elektrische Leitung über ihre oder entlang ihrer
Grundstücke gezogen werden soll, zur Beschwerde befugt. Auf die frist- und
formgerecht eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten.

2.
Das Eidgenössische Starkstrominspektorat hat seine Stellungnahme nicht innert
der bis zum 24. Oktober 2002 verlängerten Frist, sondern erst am 25. Oktober
2002 eingereicht. Die Beschwerdeführer haben ihrerseits dem Bundesgericht am
14. Januar 2003 unaufgefordert weitere Bemerkungen zukommen lassen. Beide
Eingaben haben unberücksichtigt zu bleiben.

3.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, beanstandet
werden (Art. 104 lit. a und b OG). Die von der Rekurskommission UVEK
vorgenommene Feststellung des Sachverhaltes bindet das Bundesgericht, soweit
die Vorinstanz diesen nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen umschrieben hat (Art.
105 Abs. 2 OG). Über die Angemessenheit des Beschwerdeentscheides ist nicht
zu befinden, da das einschlägige Bundesrecht die Rüge der Unangemessenheit
nicht vorsieht (vgl. Art. 104 lit. c Ziff. 3 OG).

4.
Die Beschwerdeführer bestreiten vor Bundesgericht erneut, dass ein Bedarf
nach Verbesserung der Stromversorgung bestehe und ein Leitungsumbau
erforderlich sei. Die Energieversorgung durch die bestehende Leitung sei
schon anfangs der neunziger Jahre als ungenügend bezeichnet worden und reiche
heute noch aus. Jedenfalls sei von der Eidgenössischen Kommission für
elektrische Anlagen ein Bericht über die Notwendigkeit des Leitungsumbaus
einzuholen.
Die Rekurskommission UVEK hat sich mit der Frage des Bedarfs im angefochtenen
Entscheid ausführlich auseinander gesetzt. Sie hat insbesondere darauf
hingewiesen, dass Starkstromanlagen nicht nur der Deckung des Energiebedarfs
in allernächster Zeit zu dienen hätten; sie müssten vielmehr so ausgelegt
sein, dass sie auch längerfristig wachsender Nachfrage nach Energie gerecht
werden könnten. Die umstrittene Leitung gewährleiste nicht nur die Versorgung
des Lutertals, sondern bilde Bestandteil des Ringnetzes
Sursee-Langnau-Ettiswil-Wauwil-Sursee. Dieses ermögliche eine zweiseitige
Anspeisung der Unterwerke und damit eine Erhöhung der Betriebssicherheit. Da
die bestehende Leitung teilweise veraltet sei und die Grenzen ihrer
Übertragungskapazität erreicht habe, sei die Notwendigkeit des Umbaus zu
bejahen.
Was die Beschwerdeführer gegen diese Erwägungen - auf die im Einzelnen
verwiesen werden kann - vorbringen, ist nicht geeignet, den angefochtenen
Entscheid als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Die Beschwerdeführer
beschränken sich im Wesentlichen darauf, wie im vorinstanzlichen Verfahren zu
bezweifeln, dass der Strombedarf weiter zunehmen werde. Auch nach
bundesgerichtlicher Rechtsprechung besteht jedoch ein erhebliches
öffentliches Interesse daran, dass die Energieversorgung auf längere Zeit
hinaus sichergestellt wird und die nötigen elektrischen Anlagen nicht erst
dann erstellt werden, wenn schon Engpässe entstanden oder Störungen
eingetreten sind (vgl. BGE 124 II 219 E. 4d S. 226 f.). Das Einholen eines
Gutachtens zu dieser Frage erübrigt sich.

5.
Die Beschwerdeführer werfen der Rekurskommission UVEK im Weiteren vor, dass
sie alternative Linienführungen nicht ernsthaft geprüft und keine genügenden
Abklärungen für eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen habe. Auch
dieser Vorwurf ist unbegründet.
Die Rekurskommission UVEK hat ein sehr einlässliches Instruktionsverfahren
durchgeführt und dabei auch untersucht, ob andere Lösungen derart grosse
Vorteile böten, dass das öffentliche Interesse am Vorhaben verneint werden
müsse. Aus dem angefochtenen Entscheid und den Akten ergibt sich, dass die
Leitungsführung bzw. die Variantenwahl bereits im Verfahren vor dem
Eidgenössischen Starkstrominspektorat mit den massgebenden kantonalen,
regionalen und kommunalen Instanzen besprochen worden ist. Die
Rekurskommission hat diese Wahl erneut überprüft und ihrerseits dargelegt,
dass und inwiefern die von den Beschwerdeführern bevorzugten Varianten -
Parallelführung der Leitung zur Nationalstrasse A 2, Anschluss an das
aargauische 110kV-Netz - mit Nachteilen oder Schwierigkeiten verbunden seien
oder zur Zeit sogar ausgeschlossen werden müssten (angefochtener Entscheid S.
31-39). Soweit die Rekurskommission dabei tatsächliche Feststellungen
getroffen hat, erscheinen diese weder als offensichtlich unrichtig noch als
unvollständig. Die rechtlichen Würdigungen und Folgerungen der Vorinstanz
werden durch die pauschalen Bestreitungen der Beschwerdeführer nicht in Frage
gestellt. Die Rekurskommission UVEK hat so wenig wie das Bundesgericht als
Oberplanungsbehörde zu amten und ist nicht verpflichtet, mögliche Varianten
in gleicher Weise auf ihre Machbarkeit und Bundesrechtmässigkeit hin zu
überprüfen wie das von der Plangenehmigungsbehörde bewilligte Projekt. Die
Beschwerde erweist sich daher auch insofern, als der Rekurskommission UVEK
mangelhafte Prüfung von Alternativlösungen vorgeworfen wird, als unbegründet.

6.
In der Beschwerde wird schliesslich vorgebracht, beim Lutertal handle es sich
um eine der letzten naturnahen Landschaften mit etlichen ornitologischen und
biologischen Raritäten. Es werde durch breite Bevölkerungskreise als
Erholungsraum genutzt. In der Ortsplanung der Gemeinde Dagmersellen sei das
Gebiet denn auch als Landschaftsschutzzone ausgeschieden. Falls eine
Umfahrung des Tals nicht möglich sei, müsse die neue Leitung daher in diesem
Bereich - mindestens aber von Mast Nr. 51 bis Mast Nr. 57 - verkabelt werden.
Die Rekurskommission UVEK hat im angefochtenen Entscheid eingeräumt, dass das
rund 3 km lange, sich im östlichen Teil stark verengende Lutertal ein
naturnahes, landschaftlich wertvolles und durchaus schutzwürdiges Tal sei. Es
sei deshalb in die kommunale, die Landwirtschaftszone überlagernde
Landschaftsschutzzone einbezogen worden und bilde offenbar auch ein beliebtes
Naherholungsgebiet. Anlässlich des Augenscheins sei festgestellt worden, dass
das harmonische Ensemble von Natur und Siedlung durch keine neueren Bauten
oder Anlagen gestört würde. Andererseits sei das Lutertal im Bundesinventar
von Objekten mit nationaler Bedeutung nicht verzeichnet und auch nicht mehr
als kantonales Schutzgebiet ausgewiesen. Ebenso wenig gehöre es zum
Randgebiet eines Schutzobjektes gemäss Art. 5 f. des Bundesgesetzes über den
Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451). Es könne daher (nur) grösstmögliche
Schonung im Sinne von Art. 3 NHG beanspruchen. Gesamthaft gesehen und
gestützt auf das regionale Zonengefüge könne dem Lutertal "mittlere"
Schutzwürdigkeit zugestanden werden, wie sie in der Schweiz von vielen
anderen Gebieten beansprucht werden könne. Es sei unbestritten, dass die
projektierte Leitung eine wesentliche Beeinträchtigung der Landschaft des
Lutertals mit sich bringen werde. Diese Beeinträchtigung würde bei einer
Verkabelung entfallen. Die Verkabelung wäre jedoch auch mit Nachteilen
verbunden, die in erster Linie - was ausgeführt wird -
technisch/betrieblicher Natur seien. Zudem würden die Leitungen in
Kabelrohrblöcken aus Beton in den Boden eingebracht, was zu bleibenden
Waldschneisen führen und die bestehenden Quellensysteme beeinträchtigen
könnte. Schliesslich sei eine Kabelleitung erheblich teurer als eine
Freileitung und ihre Lebensdauer kürzer. Im Übrigen seien die CKW bereit, bei
der Genehmigung der projektierten Freileitung die übrigen 20kV-Freileitungen
im Bereich des Talkessels des Lutertals durch unterirdische Kabelleitungen zu
ersetzen. Bei einer Abwägung aller auf dem Spiele stehenden Interessen ergebe
sich - was weiter dargelegt wird -, dass die Ablehnung der Verkabelung durch
die Vorinstanz mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts vereinbar sei und
vor dem Bundesrecht standhalte. - Diesem Ergebnis kann sich das Bundesgericht
anschliessen. Die Kritik der Beschwerdeführer besteht im Wesentlichen in der
Wiederholung der vor der Rekurskommission vorgetragenen und von dieser
behandelten Argumente. Die Behauptung, beim Lutertal handle es sich um ein
Gebiet von hoher und nicht nur von mittlerer Schutzwürdigkeit, vermag die
sorgfältige Interessenabwägung der Vorinstanz, die in Kenntnis der örtlichen
Verhältnisse entschieden hat, nicht umzustossen. Die Beschwerde ist daher
auch in dieser Hinsicht als unbegründet abzuweisen.

7.
Die bundesgerichtlichen Kosten sind, da das vorliegende Verfahren als
altrechtliches Plangenehmigungsverfahren keine enteignungsrechtliche
Tragweite aufweist, den unterliegenden Beschwerdeführern zu überbinden (Art.
156 Abs. 1 OG). Der CKW, die ohne Rechtsanwalt aufgetreten ist, ist keine
Parteientschädigung zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat
und der Rekurskommission des Eidgenössischen Departementes für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation, sowie dem Bundesamt für Umwelt, Wald und
Landschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Februar 2003

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: