Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.169/2002
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1A.169/2002 /mks

Urteil vom 29. November 2002

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Nay, Féraud,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

X. ________ Immobilien- und Verwaltungs AG,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Christoph Suter,
Bahnhofstrasse 6, Postfach 1124,
5610 Wohlen AG,

gegen

Gemeinderat Wohlen, 5610 Wohlen AG,
Baudepartement des Kantons Aargau, Koordinationsstelle Baugesuche,
Entfelderstrasse 22, 5001 Aarau,
Regierungsrat des Kantons Aargau, Staatskanzlei, 5000 Aarau,
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer,
Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau.

Baubewilligung und Beseitigung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau, 3. Kammer, vom 29. Mai 2002.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ Immobilien- und Verwaltungs AG ist Eigentümerin der Parzelle
Nr. 1... ("A.________") in der Landwirtschaftszone von Wohlen. Vom 29. Mai
bis 19. Juni 2000 legte der Gemeinderat Wohlen deren nachträgliches Baugesuch
für die Umnutzung eines Wagenunterstandes in Gebäude Nr. 2... zu gewerblichen
Zwecken und für die Erstellung eines Anbaus an das Gebäude Nr. 3... zur
Düngerlagerung öffentlich auf.

B.
Das kantonale Baudepartement wies das Baugesuch am 12. Mai 2000 ab. Auf die
Beseitigung der Einwandung beim Gebäude Nr. 2... wurde aus
Verhältnismässigkeitsgründen verzichtet. Das bereits erstellte Düngerlager
sei zu beseitigen und der rechtmässige Zustand sei wieder herzustellen.

Der Gemeinderat Wohlen eröffnete der X.________ Immobilien- und Verwaltungs
AG den kantonalen Entscheid mit Protokollauszug vom 26. Juni 2000 und
gewährte ihr eine Frist zur Beseitigung des Düngerlagers von drei Monaten ab
Rechtskraft der Verfügung.

C.
Eine hiegegen erhobene Beschwerde der Baugesuchsstellerin wies der
Regierungsrat des Kantons Aargau mit Entscheid vom 28. Februar 2001 ab.

Das hierauf angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Aargau wies die
Beschwerde der X.________ Immobilien- und Verwaltungs AG mit Urteil vom 29.
Mai 2002 ebenfalls ab.

D.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 27. August 2002 beantragt die
X.________ Immobilien- und Verwaltungs AG dem Bundesgericht, das
Verwaltungsgerichtsurteil sei aufzuheben und es sei ihr, unter gleichzeitiger
Aufhebung des kommunalen Entscheides, die Bewilligung zu erteilen, die
südlich des Gebäudes Nr. 3... über einer Bodenplatte bereits erstellte
Überdachung stehen zu lassen und den darunter liegenden Raum als Düngerlager
zu benutzen. Gleichzeitig beantragt sie, der Beschwerde sei die aufschiebende
Wirkung zu erteilen.

E.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau verzichtet auf eine Vernehmlassung
und verweist auf das angefochtene Urteil. Die Gemeinde Wohlen und der
Regierungsrat des Kantons Aargau schliessen auf Abweisung der Beschwerde,
genauso wie das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE).

F.
Der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung hat der Beschwerde am
27. September 2002 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid über die Zonenkonformität
von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen sowie über Bewilligungen im
Sinne der Art. 24-24d des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni
1979 (RPG; SR 700) ist nach Art. 34 Abs. 1 RPG die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zulässig. Dieses Rechtsmittel
kann ebenfalls gegen Anordnungen ergriffen werden, die in einem hinreichend
engen Sachzusammenhang zu einer im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zu beurteilenden Frage stehen (BGE 124 II 398 E. 1c S. 401; 123 II 359 E.
1a/aa S. 361). Vorliegend kann die Beschwerdeführerin daher nicht nur rügen,
das Verwaltungsgericht habe die Zonenkonformität des Düngerlagers zu Unrecht
verneint, sondern sie kann auch die damit in engem Sachzusammenhang stehende
Weigerung, die Abbruchverfügung vom 26. Juni 2000 aufzuheben, beanstanden.
Die Beschwerdeführerin ist als Eigentümerin des umstrittenen Düngerlagers zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (Art. 103 lit. a OG). Auf ihr
frist- und formgerecht eingelegtes Rechtsmittel ist einzutreten.

2.
Nicht mehr bestritten ist im anhängigen Verfahren, dass das Düngerlager
zonen- und damit rechtswidrig ist, weil es an der Betriebsnotwendigkeit
mangelt. Die Beschwerdeführerin erachtet aber die Abbruchverfügung als
unverhältnismässig. Verglichen mit dem bestehenden Rauminhalt auf Parzelle
Nr. 1... von 14'095 m3 sei die Erweiterung um 70 m3 - also um 0.49% -
vernachlässigbar. Nicht nur rein rechnerisch, sondern auch optisch sei die
Vergrösserung kaum wahrnehmbar. Die Dachkonstruktion sei in gefälliger Art
und Weise eingefügt worden. Die Grundfläche sei zudem nicht vergrössert
worden, da die 40 m² grosse Bodenplatte schon bestanden habe.

Weiter macht die Beschwerdeführerin den finanziellen Aspekt geltend: Die
Vorinstanz habe einzig auf die Beseitigungskosten abgestellt, dabei aber die
Erstellungskosten ausser Acht gelassen. Der aus dem Abbruch entstehende
Schaden würde sich auf Fr. 16'000.-- belaufen (Erstellungskosten: Fr.
11'000.--, Beseitigungskosten: Fr. 5'000.--).

2.1 Bei der Beurteilung materiell rechtswidriger Bauten und Anlagen sind
unter anderem die allgemeinen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen
Prinzipien des Bundesrechts zu berücksichtigen. Zu ihnen gehören die
Grundsätze der Verhältnismässigkeit und des Schutzes des guten Glaubens. So
kann der Abbruch unterbleiben, wenn die Abweichung vom Erlaubten nur
unbedeutend ist oder der Abbruch nicht im öffentlichen Interesse liegt,
ebenso wenn der Bauherr in gutem Glauben angenommen hat, er sei zur
Bauausführung ermächtigt, und der Beibehaltung des ungesetzlichen Zustands
nicht schwerwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (BGE 123 II 248 E.
4 S. 254 ff.; 111 Ib 213 E. 6 S. 221 ff.; 108 Ia 216 E. 4, S. 217; je mit
Hinweisen). Diese Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns werden neu in Art. 5
BV ausdrücklich festgehalten.

Die Fragen des genügenden öffentlichen Interesses sowie der Erforderlichkeit
der Wiederherstellungsmassnahmen prüft das Bundesgericht frei. Es auferlegt
sich indessen Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von der Würdigung
örtlicher Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen
und überblicken (BGE 126 I 219 E. 2c S. 222 mit Hinweisen).

2.2 Unbestritten ist ebenfalls, dass die Beschwerdeführerin den umstrittenen
Anbau ohne Baubewilligung erstellt hat. Wohl hat sie am 19. Januar 2000 ein
Baugesuch eingereicht, sie hat aber den Ausgang des Verfahrens nicht
abgewartet, sondern das Düngerlager im April 2000 gebaut. Sie beruft sich
denn auch nicht auf ihren guten Glauben.

Auch ein Bauherr, der sich nicht in gutem Glauben befindet, kann sich
gegenüber einem Abbruchbefehl auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz berufen.
Er muss aber in Kauf nehmen, dass die Behörden aus grundsätzlichen
Erwägungen, nämlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen
Ordnung, dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands
erhöhtes Gewicht beilegen und die dem Bauherrn allenfalls erwachsenden
Nachteile nicht oder nur in verringertem Masse berücksichtigen (BGE 123 II
248 E. 4a S. 255 mit Hinweisen).

2.3 Die fragliche Baute widerspricht den materiellen Bauvorschriften. Von
einer bloss geringfügigen Missachtung der Vorschriften kann nicht gesprochen
werden. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hat zu Recht im
angefochtenen Urteil festgehalten, die Beschwerdeführerin habe mit dem Anbau
eine zusätzliche Baute auf ihrem Grundstück erstellt und den nutzbaren Raum
eigenmächtig erweitert; insofern liege - auch wenn es sich um eine kleine
Baute handle - nicht eine bloss geringfügige Abweichung vom Erlaubten vor.
Die Beschwerdeführerin kann aus dem Umstand, dass der Hof bereits über eine
grosse Gesamtkubatur verfügt, nicht zu ihren Gunsten ableiten, eine im
Vergleich mit dem Bestehenden eher geringe Erweiterung könne belassen werden.
In Rechnung zu stellen ist insbesondere das öffentliche Interesse an einer
konsequenten Durchsetzung der raumplanerischen und baupolizeilichen
Vorschriften (i.d.S. BGE 123 II 248 E. 4c S. 256). Die Beschwerdeführerin hat
in Verletzung des eidgenössischen Raumplanungsrechtes eine neue Baute
ausserhalb der Bauzone erstellt. Dabei ist nicht relevant, ob das Düngerlager
ästhetischen Ansprüchen zu genügen vermag, sonst wäre vom Abbruch
widerrechtlicher Bauten ausserhalb der Bauzone zukünftig abzusehen, sofern
sie sich nur optisch gut ins Gesamtbild eingliedern. Dem kantonalen
Verwaltungsgericht ist zuzustimmen, wenn es der präjudiziellen Wirkung des
Falles besondere Bedeutung zumisst. Die Beschwerdeführerin bringt auch nichts
vor, was das Interesse an der Rechtsgleichheit und der Durchsetzung der
gesetzlichen Ordnung überwiegen würde. In Anbetracht der doch erheblichen
Gesetzesmissachtung ist das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung
des rechtmässigen Zustandes entsprechend gross.

Dem stehen an privaten Interessen der Beschwerdeführerin im Wesentlichen
Vermögensinteressen, nämlich der Verlust der Erstellungskosten in der
behaupteten Höhe von Fr. 11'000.-- sowie die Kosten für den Abbruch und die
Wiederherstellung, entgegen. Diese Interessen wiegen zwar nicht leicht, doch
werden sie von den öffentlichen, für die Wiederherstellung sprechenden
Interessen bei Weitem übertroffen (BGE 111 Ib 213 E. 6b S. 225), zumal die
Beschwerdeführerin bösgläubig war, also auf eigenes Risiko gebaut hat. Im
Lichte der erwähnten Rechtsprechung ist der Wiederherstellungsbefehl nicht zu
beanstanden.

3.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang
des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art.
156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art. 159 Abs.
2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Gemeinderat Wohlen sowie dem
Baudepartement, Koordinationsstelle Baugesuche, dem Regierungsrat und dem
Verwaltungsgericht, 3. Kammer, des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. November 2002

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: