Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.165/2002
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1A.165/2002 /mks

Urteil vom 28. August 2002

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Féraud,
Gerichtsschreiber Pfäffli.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion
Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.

Auslieferung an die Tschechische Republik

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Auslieferungsentscheid des Bundesamts
für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, vom
28. Juni 2002
Sachverhalt:

A.
Interpol Prag ersuchte die Schweiz am 6. März 2002 um Verhaftung X.________s
zwecks Auslieferung an die Tschechische Republik. Das Ersuchen stützt sich
auf einen Haftbefehl des Bezirksgerichts Ostrau vom 19. Oktober 2001 zum
Zweck der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen Betrugs
gemäss dem rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichts Ostrau vom 31. Mai 1999
in Verbindung mit dem Beschluss des Obergerichts Olmütz vom 24. Februar 2000.
Am 22. März 2002 wurde X.________ verhaftet und vom Bundesamt für Justiz in
provisorische Auslieferungshaft versetzt. Im Rahmen seiner Einvernahme vom
22. März 2002 widersetzte er sich der Auslieferung an die Tschechische
Republik. Ausserdem stellte er ein Asylgesuch, da er in Tschechien um sein
Leben fürchten müsse.

Am 25. März 2002 erliess das Bundesamt für Justiz gestützt auf das
Verhaftsersuchen von Interpol Prag vom 6. März 2002 einen
Auslieferungshaftbefehl. Die Anklagekammer des Bundesgerichts wies am 18.
April 2002 eine dagegen erhobene Beschwerde ab.

Mit Schreiben vom 15. April 2002 ersuchte das Justizministerium der
Tschechischen Republik um Auslieferung des Verfolgten. Das Bundesamt für
Justiz ernannte am 17. April 2002 X.________ einen amtlichen Rechtsbeistand.
Anlässlich der Einvernahme vom 26. April 2002 widersetzte sich X.________
erneut der Auslieferung an die Tschechische Republik. In seiner schriftlichen
Stellungnahme machte er im Wesentlichen geltend, dass kein rechtsstaatlich
gefälltes Urteil vorliege. Die ihm zur Last gelegte Tat habe politischen
Charakter. Die Polizei habe den Fall gegen ihn nur aufgenommen, weil er als
Kronzeuge in der Olmützer-Causa, in welcher es um Korruption bzw.
organisierte Kriminalität sowie Erzwingung von Geständnissen in polizeilichen
Untersuchungen durch diverse Staatsbeamte gehe, als unglaubwürdig dargestellt
werden solle. Sein Leben sei in der Tschechischen Republik durch die
Olmützer-Causa massiv gefährdet.

Mit Entscheid vom 28. Juni 2002 bewilligte das Bundesamt für Justiz die
Auslieferung des Verfolgten an die Tschechische Republik unter dem Vorbehalt
eines rechtskräftigen, ablehnenden Asylentscheids.

B.
Gegen den Auslieferungsentscheid erhob X.________ mit Eingaben vom 4., 8. und
22. Juli 2002 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen.

C.
Das Bundesamt für Flüchtlinge wies mit Entscheid vom 2. Juli 2002 das
Asylgesuch von X.________ ab. Dagegen erhob X.________ Beschwerde bei der
Asylrekurskommission.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1
Die Auslieferung von Personen aus der Schweiz an die Tschechische Republik
beurteilt sich in erster Linie nach dem Europäischen
Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1), dem
beide Staaten beigetreten sind. Das schweizerische Recht - namentlich das
Rechtshilfegesetz (IRSG; SR 351.1) und die dazugehörige Verordnung (IRSV; SR
351.11) - wird nur subsidiär angewendet, wenn eine staatsvertragliche
Regelung fehlt oder nicht abschliessend ist (BGE 122 II 485 E. 1).

1.2
Gegen den angefochtenen Auslieferungsentscheid ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig (Art. 55 Abs. 3
in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 IRSG). Der Beschwerdeführer ist durch den
Entscheid persönlich und direkt berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse
an dessen Aufhebung oder Änderung, so dass er zur Beschwerde legitimiert ist
(Art. 21 Abs. 3 IRSG, Art. 103 lit. a OG).

1.3
Das Bundesgericht prüft die bei ihm erhobenen Rügen grundsätzlich mit freier
Kognition; es ist jedoch nicht verpflichtet, nach weiteren, der Auslieferung
allenfalls entgegenstehenden Gründen zu forschen, die aus der Beschwerde
nicht hervorgehen (BGE 122 II 367 E. 2d S. 372).

2.
Soweit der Beschwerdeführer die Rechtsstaatlichkeit seiner Verurteilung in
Zweifel zieht, kann auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen
werden (Art. 36a Abs. 3 OG). Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers
ergeben sich keine konkreten Hinweise, welche an der Rechtmässigkeit des
gegen ihn geführten Strafverfahrens zweifeln liessen.

3.
Der Beschwerdeführer behauptet ausserdem, als Kronzeuge in der Olmützer-Causa
sei sein Leben in der Tschechischen Republik gefährdet.

Damit beruft sich der Beschwerdeführer sinngemäss auf Art. 3 Abs. 2 EAUe,
wonach die Auslieferung nicht bewilligt wird, wenn der ersuchte Staat
ernstliche Gründe hat, anzunehmen, dass das Auslieferungsersuchen wegen einer
nach gemeinem Recht strafbaren Handlung gestellt worden ist, um jemanden aus
Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität oder der politischen
Anschauungen zu verfolgen oder zu bestrafen, oder dass die verfolgte Person
der Gefahr einer Erschwerung ihrer Lage aus einem dieser Gründe ausgesetzt
ist. Um den Schutz dieser Bestimmung zu beanspruchen, genügt es nicht, dass
die Person, deren Auslieferung verlangt wird, behauptet, aufgrund einer
besonderen rechtspolitischen Lage bedroht zu sein. Es ist ihre Sache, das
Bestehen einer ernstlichen und objektiven Gefahr als wahrscheinlich
darzulegen (BGE 122 II 373 E. 2a). Solches unterlässt der Beschwerdeführer.
In Anbetracht des hängigen Asylverfahrens kann indessen die Auslieferung -
wie es das Bundesamt für Justiz getan hat - nur unter der Bedingung erteilt
werden, dass das Asylgesuch rechtskräftig abgewiesen oder darauf nicht
eingetreten wird (BGE 122 II 373 E. 2d S. 380 f.).

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Verfahrensausgang hat grundsätzlich der Beschwerdeführer die
Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Ausnahmsweise kann jedoch von der
Erhebung von Verfahrenskosten abgesehen werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Justiz,
Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 28. August 2002

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: