Sozialrechtliche Abteilungen U 84/2001
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U 84/01 Ge III. Kammer Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Hochuli Urteil vom 22. November 2001 in Sachen Vaudoise Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft, Place de Milan, 1007 Lausanne, Beschwerdeführerin, gegen SWICA Gesundheitsorganisation, Rechtsdienst, Römer- strasse 38, 8401 Winterthur, Beschwerdegegnerin, und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur, betreffend L.________, 1952, A.- Die 1952 geborene L.________ war seit 1. November 1995 für die Firma X.________ als Geschäftsführerin tätig und bei den Vaudoise Versicherungen (nachfolgend: Vaudoise oder Beschwerdeführerin) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 17. Dezember 1998 brach beim Verlassen eines Restaurants der linke Schuhabsatz ab, wobei die Versicherte sich den Fuss übertrat und das linke Bein verdrehte. Wegen zunehmender Schmerzen in der Leistengegend und im Oberschenkel suchte sie am 21. Dezember 1998 ihren Hausarzt, Dr. med. W.________ auf, der eine "schwere Distorsion und Kompression des linken Beines und des Beckens mit traumatischer Hernie" diagnostizierte und ihr zu einer fachärztlichen Untersuchung an der Chirurgischen Klinik des Spitals Y.________ riet. Anlässlich der Untersuchung vom 22. Dezember 1998 in der Notfallstation des Spitals Y.________ stellte Dr. med. V.________ die Diagnose: "Zerrung Musculus glutaeus links / leicht dolente Leistenhernie links." Vom 28. bis zum 31. Dezember 1998 war die Versicherte im Spital Y.________ hospitalisiert, wo die Leistenhernie am 29. Dezember 1998 operativ mit einer Transversalisplastik links durch Dr. med. B.________, Oberarzt am Spital Y.________, versorgt wurde (Operationsbericht vom 29. Dezember 1998). Trotz durchgeführter Hernienoperation traten im weiteren Verlauf immer wieder Schmerzen auf, die Dr. med. W.________ gemäss Zwischenbericht vom 4. März 1999 auf die massive Adduktorenzerrung am linken Oberschenkel zurück führte. Auf Empfehlung des beratenden Arztes, Dr. med. P.________ verfügte die Vaudoise am 30. April 1999 rückwir- kend per 27. Dezember 1998 die Einstellung sämtlicher Leis- tungen, die sie in der Folge des Unfalles vom 17. Dezember 1998 erbracht hatte. Nach weiteren Abklärungen hielt die Vaudoise mit Einspracheentscheid vom 19. Juli 1999 an der verfügten Leistungseinstellung fest. B.- Die von der SWICA Gesundheitsorganisation (nach- folgend: SWICA) in ihrer Eigenschaft als Krankenversicherer der L.________ dagegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 8. Februar 2001 gut und stellte fest, dass die Vaudoise auch nach dem 27. Dezember 1998 im Sinne der Erwägungen leistungspflichtig sei. C.- Hiegegen führt die Vaudoise Verwaltungsgerichtsbe- schwerde und beantragt, der Entscheid des kantonalen Ge- richts sei aufzuheben. Während die SWICA mit Vernehmlassung auf den angefoch- tenen Entscheid verweist, verzichten die als Mitinteres- sierte zur Vernehmlassung eingeladene L.________ und das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Stellungnahme. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- a) Streitgegenstand im System der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege ist das Rechtsverhältnis, welches - im Rahmen des durch die Verfügung bestimmten Anfechtungs- gegenstandes - den auf Grund der Beschwerdebegehren effek- tiv angefochtenen Verfügungsgegenstand bildet. Nach dieser Begriffsumschreibung sind Anfechtungsgegenstand und Streit- gegenstand identisch, wenn die Verwaltungsverfügung insge- samt angefochten wird. Bezieht sich demgegenüber die Be- schwerde nur auf einzelne der durch die Verfügung bestimm- ten Rechtsverhältnisse, gehören die nicht beanstandeten - verfügungsweise festgelegten - Rechtsverhältnisse zwar wohl zum Anfechtungs-, nicht aber zum Streitgegenstand. In der Verwaltungsverfügung festgelegte - somit Teil des An- fechtungsgegenstandes bildende -, aber auf Grund der Be- schwerdebegehren nicht mehr streitige Fragen gehören, so- fern sie das gleiche - verfügungsweise geregelte - Rechts- verhältnis betreffen, zum Streitgegenstand (BGE 125 V 414 f. Erw. 1b). b) Mit Verfügung vom 30. April 1999 hat die Beschwer- deführerin sämtliche Leistungen, die sie für die Folgen des Unfalles vom 17. Dezember 1998 erbracht hatte, rückwirkend per 27. Dezember 1998 eingestellt. Dies wurde damit begrün- det, die medizinische Behandlung ab der Hospitalisation (vom 28. bis 31. Dezember 1998) stehe nicht mehr im Zusam- menhang mit dem erwähnten Ereignis. Aus dem Operationsbe- richt vom 29. Dezember 1998 von Dr. med. B.________ sei zu entnehmen, "dass der Eingriff weder eine Unfallverletzung, noch eine unfallähnliche Körperschädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV" gezeigt habe und "die Operation durch ein vorbestehendes, unfallfremdes Leiden bedingt" gewesen sei. In Übereinstimmung mit dieser Begründung der Verfügung sieht die Vaudoise den Streitgegenstand vorliegend sinnge- mäss auf die Frage begrenzt, "ob zwischen dem Ereignis vom 17. Dezember 1998 und der am 29. Dezember 1998 operierten Leistenhernie ein natürlicher Kausalzusammenhang" bestehe. c) Nachdem im Rahmen der unbestritten unfallbedingten fachärztlichen Untersuchung vom 22. Dezember 1998 durch Dr. med. V.________ nicht nur eine "leicht dolente Leistenhernie links", sondern auch eine "Zerrung [des] Musculus glutaeus links" diagnostiziert wurden und die Folgen dieser "schweren Adduktorenzerrung" gemäss Zwi- schenbericht des Dr. med. W.________ vom 4. März 1999 auch über die Leistungseinstellung der Vaudoise hinaus zu medizinischer Behandlungsbedürftigkeit geführt haben, steht fest, dass von der Leistungseinstellung nicht nur die Ope- ration der Leistenhernie, sondern auch weitere Behand- lungsmassnahmen betroffen sind. Die Fragen der Leistungs- pflicht hinsichtlich der Leistenhernie einerseits als auch hinsichtlich der Adduktorenzerrung anderseits gehören zu ein und demselben Rechtsverhältnis der verfügten vollstän- digen Leistungseinstellung. Streitig und nachfolgend zu prüfen ist demnach, ob die Vaudoise ihre Leistungen in Bezug auf alle Folgen des Un- falles vom 17. Dezember 1998 zu Recht mit Verfügung vom 30. April 1999 per 28. Dezember 1998 eingestellt hat. 2.- Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers voraus- gesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und adäquaten (BGE 123 V 103 Erw. 3d, 122 V 416 Erw. 2a je mit Hinweisen) Kausalzusam- menhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) und zur Leistungs- pflicht des Unfallversicherers bei einem krankhaften Vorzu- stand (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45, 1992 Nr. U 142 S. 75 f. Erw. 4b mit Hinweisen; siehe auch RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 f. Erw. 3b) zutreffend wiedergegeben, worauf verwie- sen wird. Ebenfalls beigepflichtet werden kann den Darle- gungen zu dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Beweis- grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 125 V 195 Erw. 2, 121 V 47 Erw. 2a, 208 Erw. 6b mit Hinweis) sowie zum Beweiswert ärztlicher Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c mit Hinweisen; siehe auch BGE 125 V 352 ff. Erw. 3). 3.- Hinsichtlich der Adduktorenzerrung im Bereich der Leiste und des linken Oberschenkels steht gestützt auf die vorliegenden Akten mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit fest, dass es sich dabei um eine natür- lich und adäquat kausale Folge des Unfalles vom 17. Dezem- ber 1998 handelt (vgl. die Berichte der Dres. med. W.________, V.________ und B.________ vom 6. Januar 1999, 22. Dezember 1998 und 23. Juni 1999), die über den Zeitpunkt der Leistungseinstellung per 27. Dezember 1998 hinaus zu fortgesetzter Heilbehandlung Anlass gab (Zwischenbericht des Dr. med. W.________ vom 4. März 1999). Dies wird zu Recht auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, zumal ihre Leistungspflicht für Folgen dieser Muskelzerrung auch nach Art. 9 Abs. 2 lit. e UVV zu bejahen wäre. Insoweit ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unbegründet und der vorinstanzliche Entscheid nicht zu beanstanden. 4.- a) In Bezug auf den Leistenbruch (Inguinalhernie) kann die Frage offen bleiben, ob es sich dabei um eine aus- schliessliche und direkte Folge des Unfalles handelt. Denn selbst wenn ein krankhafter Vorzustand zu bejahen wäre, steht auch nach Beurteilung des die Beschwerdeführerin beratenden Arztes Dr. med. P.________ (Bericht vom 3. Juni 1999) fest, dass die Hernie durch die Distorsion entdeckt, wenngleich auch nicht verursacht worden ist. War der - möglicherweise krankhafte - Vorzustand zuvor unbestritten stumm, so wurde er mit der Distorsion anlässlich des Unfal- les symptomatisch (schmerzhaft). Demnach gelangte die Vor- instanz nach umfassender Würdigung der vorhandenen Akten mit sorgfältiger Begründung zur zutreffenden Auffassung, die Inguinalhernie sei durch die unfallbedingte Distorsion manifest geworden, weshalb die Beschwerdeführerin sowohl für die Operation des Leistenbruchs vom 29. Dezember 1998 als auch für die in der Folge notwendige Nachbehandlung leistungspflichtig ist. b) Was die Vaudoise dagegen vorbringt, ist unerheb- lich. Insbesondere vermag sie nichts zu ihren Gunsten aus dem nur in Fragmenten auszugsweise beigelegten Gutachten (undatierte "aussergerichtliche FMH-Begutachtung" des Spitals Z.________) abzuleiten. Die für das vorliegende Verfahren allenfalls einschlägigen Fragen (z.B. nach einer richtunggebenden Verschlimmerung des eventuell vorbeste- henden Leistenbruches durch den Unfall und nach dem Errei- chen des status quo sine) werden im genannten Gutachten weder gestellt noch beantwortet. Vielmehr ergibt sich aus dem Auftrag, dass dieses Gutachten zur Abklärung eines allfälligen Diagnose- bzw. Behandlungsfehlers erstellt wurde und somit für das vorliegende Verfahren nicht ein- schlägig ist. Die Beschwerdeführerin selber hält unter Ve- rweis auf RKUV 1992 Nr. U 142 S. 75 Erw. 4b zutreffend fest, dass die Leistungspflicht des Unfallversicherers erst dann entfällt, "wenn der Unfall nicht mehr die natürliche (und adäquate) Ursache des Gesundheitsschadens darstellt". Damit bringt die Vaudoise - zu Recht - zum Ausdruck, dass sie ihre Leistungspflicht für den zuvor stummen, jedoch durch das Unfallereignis vom 17. Dezember 1998 schmerzhaft gewordenen Leistenbruch anfänglich anerkannt hatte. Sie bleibt für die einmal als Unfallfolge anerkannten Beschwer- den solange leistungspflichtig, bis sie das Dahinfallen des ursächlichen Charakters des Unfalles für den Gesundheits- schaden mit dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Be- weisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit dargelegt hat (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45 Erw. 2 mit Hinweis). Daran än- dert auch die von der Beschwerdeführerin nachträglich ein- geholte Stellungnahme des Dr. med. B.________ vom 23. Juni 1999 nichts. Vielmehr bestätigt diese, dass die Leisten- hernie anfänglich für die in der Folge des Unfalles aufge- tretenen Beschwerden verantwortlich gemacht worden sei. Daraus folgt, dass die Operation vom 29. Dezember 1998 zum Zwecke der Behandlung der unfallbedingten Beschwerden durchgeführt wurde, auch wenn sich anschliessend nicht der davon erhoffte Erfolg eingestellt hat, weshalb - wie von der Vorinstanz zutreffend erkannt - die Vaudoise sowohl für die Hernienoperation vom 29. Dezember 1998 als auch für die notwendige Nachbehandlung leistungspflichtig ist. 5.- Die Regel der Unentgeltlichkeit des Verfahrens bei Streitigkeiten um Versicherungsleistungen nach Art. 134 OG gilt nicht für den Fall, dass sich ein Unfall- und ein Krankenversicherer über Leistungen für einen gemeinsamen Versicherten streiten (BGE 127 V 106 ff. Erw. 6 mit Hinwei- sen, u.a. auf 126 V 192 Erw. 6). Dem Prozessausgang ent- sprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. II. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Be- schwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche- rungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherung und L.________ zugestellt. Luzern, 22. November 2001 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: