Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 78/2001
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U 78/01

Urteil vom 18. September 2002
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Hofer

B.________, 1946, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Martin
Jäggi, Neugasse 6, 8005 Zürich,

gegen

Allianz Suisse (vormals ELVIA) Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft
Zürich, Badenerstrasse 694, 8048 Zürich, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 4. Januar 2001)

Sachverhalt:

A.
Der 1946 geborene, als selbstständiger Bodenleger tätig gewesene B.________
ist bei der Allianz Suisse Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft Zürich
(vormals ELVIA; nachfolgend Allianz Suisse) freiwillig unfallversichert. Am
13. Oktober 1994 zog er sich beim Verschieben eines Kastens am rechten Arm
einen Bizepssehnenausriss zu, welcher am folgenden Tag im Spital T.________,
operiert wurde. Wegen zusätzlich auftretender Kniebeschwerden wurde am 18.
August 1995 im gleichen Spital eine Kniegelenkspiegelung links mit partieller
medialer Meniskektomie durchgeführt. Am 20. Dezember 1996 er-folgte zudem in
der Klinik S.________, eine Arthroskopie des linken Kniege-lenkes. Die
Allianz Suisse klärte die medizinischen und erwerblichen Verhält-nisse ab,
kam für die Heilbehandlung auf und richtete ein Taggeld aus. Gestützt auf das
von ihr in Auftrag gegebene Gutachten des Dr. med. N.________, vom 15.
September 1998 teilte die Allianz Suisse dem Versicherten am 24. Sep-tember
1998 mit, da von der Weiterführung der  ärztlichen Behandlung keine
Verbesserung des Gesundheitszustandes zu erwarten sei, würden keine
Heil-kosten mehr gewährt; die Taggelder würden noch bis Ende August 1998
ausbe-zahlt; Anspruch auf eine Rente bestehe nicht, jedoch werde für die
Beschwer-den am rechten Arm eine Integritätsentschädigung von 5 %
zugesprochen. Am 25. November 1998 erging eine entsprechende Verfügung der
Allianz Suisse, an welcher diese mit Einspracheentscheid vom 4. Mai 1999
festhielt.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich nach Beizug der Akten der Invalidenversicherung mit Entscheid
vom 4. Januar 2001 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ beantragen, es seien ihm
eine Drittelsinvalidenrente und eine Integritätsentschädigung von 10 %
zuzusprechen.

Die Allianz Suisse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Stellungnahme
verzichtet.

D.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat die Akten der
Invalidenversicherung beigezogen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Invalidenrente hat.

Gemäss Art. 18 Abs. 2 UVG ist für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das
Erwerbseinkommen, das der Versicherte nach Eintritt der unfallbedingten
Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch
eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen
könnte, in Beziehung zu setzen zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könnte,
wenn er nicht invalid geworden wäre. Nach der auch in der obligatorischen
Unfallversicherung (einschliesslich der freiwilligen Versicherung nach Art. 4
f. UVG) anwendbaren Rechtsprechung (BGE 114 V 313 Erw. 3a mit Hinweisen) hat
der Einkommensvergleich in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die
beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau
ermittelt und einander gegenübergestellt werden, worauf sich aus der
Einkommensdifferenz der Invaliditätsgrad bestimmen lässt. Insoweit die
fraglichen Erwerbseinkommen ziffernmässig nicht genau ermittelt werden
können, sind sie nach Massgabe der im Einzelfall bekannten Umstände zu
schätzen und die so gewonnenen Annäherungswerte miteinander zu vergleichen.

2.
Es steht nach den medizinischen Akten - namentlich des Gutachtens des Dr.
med. N.________ vom 15. September 1998 - fest und ist unbestritten, dass der
Beschwerdeführer aufgrund der Unfallfolgen am rechten Arm und linken Knie mit
Bezug auf die körperlich anstrengende Tätigkeit als Teppichleger erheblich
eingeschränkt ist; lediglich die mit dem Betrieb verbundenen administrativen
Arbeiten könnte er weiterhin voll ausüben. Bezüglich einer anderen,
körperlich nicht anstrengenden Tätigkeit besteht unfallbedingt keine
Arbeitsunfähigkeit.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat das Valideneinkommen aufgrund des durchschnittlichen
Betriebsgewinns des Teppichlegergeschäfts in den Jahren 1992 bis 1994 auf Fr.
28'600.- festgesetzt. Bei der Ermittlung des massgebenden
Invalidenein-kommens hat sie nicht auf die Geschäftsergebnisse der Jahre 1995
bis 1997 abgestellt mit der Begründung, angesichts der beruflichen Erfahrung
des Be-schwerdeführers, seines Alters und der Arbeitsunfähigkeit im
bisherigen Beruf sei ihm die Aufnahme einer unselbstständigen
Erwerbstätigkeit zumutbar, zumal er offenbar bereits mit der Liquidation
seines Geschäftes begonnen habe. Ge-stützt auf die vom Bundesamt für
Statistik herausgegebene Schweizerische Lohnstrukturerhebung (LSE) ging sie
davon aus, dass der Versicherte im Be-reich produktionsnahe Tätigkeiten ein
Jahreseinkommen von Fr.  55'836.- (LSE 1996, Anforderungsniveau 4: Fr. 4442.-
: 40 x 41.9 x 12) und im Bereich Ver-kehr/Nachrichtenübermittlung ein solches
von Fr. 73'811.- (LSE 1996, Anforderungsniveau 3: Fr. 5872.- : 40 x 41.9 x
12) zu erzielen vermöchte, sodass sich das Vergleichseinkommen - unter
Berücksichtigung eines Abzuges von 25 %, weil der Beschwerdeführer gewisse
schwerere Arbeiten nicht mehr ausüben könnte - auf mindestens Fr. 41'877.-
(Fr. 55'836.- x 0.75) belaufe. Da das Invalideneinkommen somit - selbst bei
zusätzlicher Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung von 1994 bis 1996
beim Valideneinkommen - deutlich höher ausfalle, sei keine Erwerbseinbusse
und somit auch keine Invalidität zu verzeichnen.

3.2 Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, in der freiwilligen Versicherung
sei das in den einzelnen Jahren tatsächlich erzielte Einkommen kein
zuverlässiger Massstab für die Beurteilung der Arbeits- und
Leistungsfähigkeit, da es von zahlreichen anderen Faktoren wie Marktlage,
Motivation und Energie des Firmeninhabers, dem betriebswirtschaftlichen
Geschick etc. abhänge. Die Verordnung zum Unfallversicherungsgesetz sehe
daher vor, dass die Leistungsfähigkeit Selbstständigerwerbender im Rahmen des
versicherten Verdienstes zwischen Versicherer und Versichertem vertraglich
festzulegen sei. Bei Abschluss des Unfallversicherungsvertrages seien sich
die Parteien einig gewesen, dass für Prämien und Leistungen von einem
Einkommen aus dem Teppichlegergeschäft von Fr. 80'000.- auszugehen sei.
Verglichen mit einem Invalideneinkommen von Fr. 53'303.- (Fr. 4442.- x 12)
resultiere daraus ein Invaliditätsgrad von 33.37 %.

3.3 Wie die Allianz Suisse in ihrer Vernehmlassung zutreffend ausführt, wird
der versicherte Verdienst, welcher die Berechnungsgrundlage für das Taggeld
(Art. 17 Abs. 1 UVG) und die Rente (Art. 20 Abs. 1 UVG) bildet, nicht nach
den gleichen Kriterien bemessen wie das Einkommen, das die versicherte Person
verdienen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (RKUV 1999 Nr. U 327
S. 112 Erw. 3c). Obwohl die beiden Werte in der Praxis oft nahe beieinander
liegen dürften, kann aus Art. 138 und Art. 22 Abs. 2 UVV für die Bestimmung
des Invaliditätsgrades nichts abgeleitet werden. Gestützt auf den in Art. 5
Abs. 1 UVG enthaltenen Grundsatz, wonach die Bestimmungen über die
obligatorische Versicherung sinngemäss auch für die freiwillige Versicherung
gelten, hat die bei Vertragsabschluss zu treffende Vereinbarung über den
versicherten Verdienst  sich nach den effektiven Einkommensverhältnissen des
Versicherungsnehmers zu richten (RKUV 2001 Nr. U 433 S. 327 Erw. 2b). Bei
Selbstständigerwerbenden kommen indessen häufig Einkommensschwankungen vor,
die im Zeitpunkt des Abschlusses einer freiwilligen Versicherung oftmals
nicht zuverlässig vorhersehbar und zum Voraus kaum erfassbar sind. Dennoch
gilt im Rahmen der freiwilligen Versicherung in erster Linie der in Art. 138
UVV verankerte Grundsatz, dass Prämien und Geldleistungen - vorbehältlich der
Korrekturmöglichkeit nach Eintritt eines Versicherungsfalles in
Ausnahmefällen  - nach dem vereinbarten versicherten Verdienst bemessen
werden (RKUV 2001 Nr. U 433 S. 328 Erw. 2c). Bei der Ermittlung des
hypothetischen Einkommens ohne Invalidität ist dagegen von dem auszugehen,
was der Versicherte aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten und persönlichen
Umstände zu erwarten gehabt hätte (ZAK 1985 S. 635 Erw. 3a). Bei
Selbstständigerwerbenden ist dabei auf den während einer längeren Zeitspanne
erzielten Durchschnittsverdienst und nicht auf das unmit-telbar vor Eintritt
der Invalidität erzielte Erwerbseinkommen abzustellen, wenn das
Valideneinkommen starke und verhältnismässig kurzfristig in Erscheinung
tretende Schwankungen aufweist (ZAK 1985 S. 466 Erw. 2c). Das kantonale
Gericht ist vom Reingewinn aus dem Betrieb des Teppichlegergeschäfts im Jahre
1992 (Fr. 34'700.-), im Jahre 1993 (Fr. 22'200.-) und im Jahre 1994 (Fr.
29'000.-) ausgegangen, was einem durchschnittlichen Betriebsgewinn von rund
Fr. 28'600.- entspricht. Zudem hat es festgestellt, dass sich dieser Betrag
im Rahmen der in den Jahren 1987 bis 1989 (Fr. 35'400.-, Fr. 35'200.- und Fr.
33'200.-) erzielten Gewinne hält.

3.4 Nach der Rechtsprechung gilt im Gebiet des Sozialversicherungsrechts
allgemein der Grundsatz der Schadenminderungspflicht (BGE 123 V 233 Erw. 3c,
117 V 278 Erw. 2b, je mit Hinweisen), der folglich auch im Bereich des
Unfallversicherungsrechts zum Tragen kommt (vgl. BGE 117 V 400). Die
Selbsteingliederung als Ausdruck dieser Pflicht geht nicht nur dem Renten-,
sondern auch dem gesetzlichen Eingliederungsanspruch vor; es handelt sich
dabei nicht um eine Rechtspflicht im dogmatischen Sinn, sondern um eine Last,
die der Versicherte auf sich zu nehmen hat, um seinen Leistungsanspruch zu
wahren (BGE 113 V 28 Erw. 4a). Freilich dürfen von einem Versicherten in
diesem Zusammenhang keine realitätsfremden und in diesem Sinne unmöglichen
oder unzumutbaren Vorkehren verlangt werden (ZAK 1989 S. 321 Erw. 4a). Kann
die versicherte Person ihre erwerbliche Beeinträchtigung in zumutbarer Weise
selber beheben, so besteht gar keine Invalidität, womit es an der
unabdingbaren Anspruchsvoraussetzung für jegliche Leistungen fehlt.

Es steht fest, dass dem Beschwerdeführer die zumindest teilweise körperlich
schwere Tätigkeit als Teppichleger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr
zumutbar ist. Hinzu kommt, dass bei einem gewerblichen Einmannbetrieb unter
diesen Umständen jede erwerbliche Bedeutung der an sich noch möglichen
Geschäftsführung entfällt. Anderseits verfügt der Versicherte als gelernter
Elektromonteur über eine Berufsausbildung, welche ihm die Ausübung einer
leichteren Tätigkeit erlauben würde. Er hat auch Erfahrung im Taxi-Geschäft.
Nachdem er vor Eintritt der Invalidität die übernommenen Arbeiten fast
ausschliesslich selber verrichtet hat, erscheint es zumutbar, dass er für die
ihm verbleibende Aktivi-tätsdauer noch eine unselbstständige Tätigkeit
aufnimmt. Dies wird von ihm denn auch grundsätzlich nicht in Frage gestellt.
Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, vermöchte er mit einer
solchen Tätigkeit ein rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen. Selbst
wenn vom niedrigeren Wert von durchschnittlich Fr. 4442.- für Arbeitnehmer in
produktionsnahen Tätigkeiten ausgegangen wird, ergibt sich bei Umrechnung des
standardisierten Monatslohnes auf die betriebsübliche Arbeitszeit von 41.9
Stunden (vgl. dazu BGE 126 V 77 Erw. 3b/bb) ein Lohn von Fr. 55'836.- im
Jahr. Unter Berücksichtigung eines Abzuges von 25 % wegen unfallbedingter
Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit resultiert ein Invalideneinkommen von
Fr. 41'877.-, welches - selbst wenn das Valideneinkommen von Fr. 28'600.-
noch der Nominallohn-entwicklung (1995 und 1996 je 1.3 %; Die
Volkswirtschaft, 1/1998, Tabelle B10.2, S. 28) angepasst würde - wesentlich
höher ausfällt als das massgebende Vergleichs-einkommen. Der Beschwerdeführer
ist somit trotz der zur Diskussion stehenden Behinderung in seinem
wirtschaftlichen Fortkommen nicht eingeschränkt; da keine Erwerbseinbusse
resultiert, haben Vorinstanz und Allianz Suisse einen Anspruch auf
Invalidenrente zu Recht verneint.

4.
Die Vorinstanz hat sodann zutreffend dargelegt, dass gestützt auf die Angaben
des Dr. med. N.________ im Gutachten vom 15. September 1998 bezogen auf die
hier zu beurteilenden Unfallfolgen am rechten Arm eine Schädigung der
körperlichen Integrität in Höhe von insgesamt 5 % vorliegt. Der
Beschwerdeführer bringt hiegegen keine stichhaltigen Einwendungen vor, welche
das Ergebnis der Expertise in Frage zu stellen vermöchten. Es kann auf
Erwägung Ziffer 6 im angefochtenen Entscheid verwiesen werden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden  keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 18. September 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: