Sozialrechtliche Abteilungen U 4/2001
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2001
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2001
U 4/01 Vr II. Kammer Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und nebenamt- licher Richter Maeschi; Gerichtsschreiberin Weber Peter Urteil vom 9. April 2001 in Sachen S.________, 1945, Gesuchsteller, vertreten durch Rechts- anwalt Markus Braun, Löwenstrasse 22, Zürich, gegen Vaudoise Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft, Place de Milan, Lausanne, Gesuchsgegnerin S.________, geboren 1945, leidet an verschiedenen Be- schwerden (insbesondere Rückenschmerzen, Schmerzen in den Extremitäten mit Parästhesien, Gedächtnis- und Konzentra- tionsstörungen), die seiner Auffassung nach in Zusammenhang mit einem Zeckenbiss im August 1994 sowie einer Lumbalpunk- tion vom 12. Dezember 1994 stehen. Mit Verfügung vom 19. Februar 1998 und Einspracheentscheid vom 22. Mai 1998 lehnte die Vaudoise Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden Vaudoise), bei welcher S.________ nach UVG versichert war, ihre Leistungspflicht nach Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. C.________, Spital X.________, vom 24. März 1997 ab, weil die geltend gemachten Beschwerden nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die genann- ten Ereignisse zurückzuführen seien. Die hiegegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwal- tungsgericht des Kantons Schwyz abgewiesen (Entscheid vom 13. Januar 1999). Mit Urteil vom 28. September 1999 wies das Eidgenössische Versicherungsgericht die gegen den kantonalen Entscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbe- schwerde ab. Mit Eingabe vom 8. Januar 2001 ersucht S.________ ge- stützt auf einen Bericht von Dr. med. A.________, Facharzt für Innere Medizin FMH, vom 5. Oktober 2000 um Revision des Urteils vom 28. September 1999 und beantragt, in Aufhebung des Urteils sei die Vaudoise zu verpflichten, ihm ein Tag- geld aufgrund einer vollen Arbeitsunfähigkeit ab 4. Novem- ber 1994 und eine volle Invalidenrente sowie eine Integri- tätsentschädigung von 100 % auszurichten; sämtliche Geld- leistungen seien mit Wirkung ab 4. November 1994 mit 5 % zu verzinsen und innert 10 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszubezahlen; ferner seien ihm sämtliche bis zur Einleitung des Revisionsverfahrens angefallenen An- waltskosten zu ersetzen; das Ganze unter Kosten- und Ent- schädigungsfolge zu Lasten der Gesuchsgegnerin. Die Vaudoise schliesst auf Abweisung des Revisions- gesuchs. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- a) Die Revision eines bundesgerichtlichen Ent- scheides ist nur im Rahmen der in Art. 136 und 137 OG (sowie Art. 139a OG) abschliessend aufgezählten Revisions- gründe zulässig, wobei das Revisionsgesuch in den Fällen von Art. 136 OG binnen 30 Tagen vom Eingang der schriftli- chen Ausfertigung des Entscheides und in den Fällen des Art. 137 OG binnen 90 Tagen von der Entdeckung des Revi- sionsgrundes, frühestens jedoch vom Eingang der schrift- lichen Ausfertigung des bundesgerichtlichen Entscheides oder vom Abschluss des Strafverfahrens an beim Bundesge- richt anhängig gemacht werden muss (Art. 141 Abs. 1 lit. a und b OG). b) Der Gesuchsteller beruft sich auf den Revisions- grund von Art. 137 lit. b OG, wobei er sich auf einen Arzt- bericht vom 5. Oktober 2000 stützt. Er hat diesen Bericht frühestens am 6. Oktober 2000 erhalten, weshalb die Revi- sionsfrist von 90 Tagen am 7. Oktober 2000 zu laufen begon- nen hat und unter Berücksichtigung des Fristenstillstandes vom 18. Dezember 2000 bis 1. Januar 2001 (Art. 34 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 135 OG) am 19. Januar 2001 abgelaufen ist. Auf das Revisionsgesuch vom 8. Januar 2001, welches den Anforderungen von Art. 140 OG entspricht, ist daher einzutreten. 2.- Nach Art. 137 lit. b in Verbindung mit Art. 135 OG ist die Revision eines Urteils des Eidgenössischen Versi- cherungsgerichts u.a. zulässig, wenn der Gesuchsteller nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt oder ent- scheidende Beweismittel auffindet, die er im früheren Ver- fahren nicht beibringen konnte. Als "neu" gelten Tatsachen, welche sich bis zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren, verwirk- licht haben, jedoch dem Revisionsgesuchsteller trotz hin- reichender Sorgfalt nicht bekannt waren. Die neuen Tatsa- chen müssen ferner erheblich sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Ur- teils zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdi- gung zu einer andern Entscheidung zu führen. Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil des Gesuchstellers unbewiesen geblieben sind. Sollen bereits vorgebrachte Tatsachen mit den neuen Mitteln bewiesen werden, so hat der Gesuchsteller auch dar- zutun, dass er die Beweismittel im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Entscheidend ist ein Beweismittel, wenn angenommen werden muss, es hätte zu einem andern Urteil geführt, falls der Richter im Hauptverfahren davon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachver- haltsermittlung dient. Es genügt beispielsweise nicht, dass ein neues Gutachten den Sachverhalt anders bewertet; viel- mehr bedarf es neuer Elemente tatsächlicher Natur, welche die Entscheidungsgrundlage als objektiv mangelhaft erschei- nen lassen. Für die Revision eines Entscheides genügt es nicht, dass der Gutachter aus den im Zeitpunkt des Haupt- urteils bekannten Tatsachen andere Schlussfolgerungen zieht als das Gericht. Auch ist ein Revisionsgrund nicht schon gegeben, wenn das Gericht bereits im Hauptverfahren be- kannte Tatsachen möglicherweise unrichtig gewürdigt hat. Notwendig ist vielmehr, dass die unrichtige Würdigung er- folgte, weil für den Entscheid wesentliche Tatsachen nicht bekannt waren oder unbewiesen geblieben sind (BGE 110 V 141 Erw. 2 und 293 Erw. 2a, 108 V 171 Erw. 1; vgl. auch BGE 118 II 205). 3.- a) Das Revisionsgesuch stützt sich auf einen Be- richt vom 5. Oktober 2000, mit welchem Dr. med. A.________ zu einem vom Rechtsvertreter des Gesuchstellers aufgestell- ten Fragenkatalog Stellung genommen hat. Neben Angaben zu den subjektiven und objektiven Befunden sowie den Diagnosen enthält der Bericht nähere Ausführungen zur Kausalität der bestehenden Beschwerden, welche sich dahin zusammenfassen lassen, dass die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit alleinige Folge der Lyme- Borreliose (bzw. des Zeckenbisses) bilden und keine unfall- fremden Faktoren bestehen, welche für die heutigen Be- schwerden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ursächlich sind. Nach Auffassung von Dr. med. A.________ beruht das Gutachten von Prof. Dr. C.________ insofern auf falschen Annahmen, als auch ein korrekt behandeltes Erythema migrans zur Dissemination und damit zu einem Krankheitsstadium II oder III führen kann, Sehstörungen bereits früh im Krank- heitsverlauf auftreten können, Konzentrations- und Gedächt- nisstörungen sehr wohl zur Lyme-Borreliose gehören, auch wenn Liquoruntersuchungen, MRI und neuropsychologische Beurteilungen normal ausfallen, und das fehlende Ansprechen auf die Therapie (mit Rocephin) kein Beweis für eine andere Diagnose ist. Des Weiteren wird gerügt, das Gutachten von Prof. Dr. C.________ erwähne nur Fakten und Argumente, die gegen einen Kausalzusammenhang sprächen und enthalte keine umfassende Würdigung des Sachverhalts. Insbesondere sei es unterlassen worden, die serologischen Befunde der Lyme- Borreliose zu interpretieren und das Krankheitsgeschehen im gesamten Verlauf und unter Berücksichtigung der medizini- schen Literatur zu würdigen. Im Übrigen wird festgestellt, dass der gleiche, für einen Kausalzusammenhang zwischen dem Zeckenbiss bzw. der Lyme-Borreliose und den festgestellten Gesundheitsschädigungen sprechende Sachverhalt bereits bei der Begutachtung im Jahre 1997 bestanden habe und schon aufgrund der damals vorhanden gewesenen medizinischen Er- kenntnisse hätte bejaht werden müssen. b) Im Revisionsgesuch vom 8. Januar 2001 wird das Vor- liegen revisionsbegründender neuer Tatsachen und Beweis- mittel damit begründet, dass - die von Prof. Dr. C.________ gestellten Diagnosen einer Adipositas, chronischen Bursitis olecrani rechts sowie einer chronischen Hepatitis C von Dr. med. A.________ nicht hätten bestätigt werden können; - die bestehenden gesundheitlichen Störungen nach Auf- fassung von Dr. med. A.________ dem typischen Verlaufs- profil der Lyme-Borreliose entsprächen; - gemäss neuer medizinischer Erkenntnisse selbst bei einer adäquaten antibiotischen Behandlung eine Erregerdissemi- nation vor Beginn der Behandlung möglich, ja sogar ty- pisch sei; - entgegen der Auffassung von Prof. Dr. C.________ neue medizinische Erkenntnisse klar darauf hindeuteten, dass ein Therapieversagen nicht damit erklärt werden könne, dass die Beschwerden auf andere Ursachen zurückzuführen seien; - die Aussage von Prof. Dr. C.________, wonach Sehstörungen im Frühstadium einer Borreliose ungewöhnlich seien, nach neuer medizinischer Erkenntnis falsch sei; - der fehlende Nachweis von Konzentrations- und Gedächt- nisstörungen mittels Liquoruntersuchungen, MRI und neuro- psychologischen Untersuchungen nach heutiger Erkenntnis die Regel bilde und nicht darauf schliessen lasse, dass keine Borrelien-Infektion vorliege; - Dr. med. A.________ festgestellt habe, dass die serologi- schen Befunde von Prof. Dr. K.________ in der bisherigen Beurteilung unberücksichtigt geblieben seien. Nach Auffassung des Gesuchstellers muss aufgrund die- ser neuen medizinischen Erkenntnisse zwingend gefolgert werden, dass im Zeitpunkt der Urteilsfindung Tatsachen und Zusammenhänge objektiv falsch gewürdigt worden seien, dies aufgrund von Erkenntnissen, die - wären sie damals richtig berücksichtigt worden - zu einem andern Entscheid geführt hätten. Es handle sich somit um neue Tatsachen und Beweis- mittel, die der Gesuchsteller im Hauptverfahren nicht ge- kannt habe und auch nicht habe kennen bzw. beibringen kön- nen. 4.- a) Weder im Revisionsgesuch vom 8. Januar 2001 noch im Bericht von Dr. med. A.________ vom 5. Oktober 2000 werden neue Tatsachen genannt, welche die Entscheidungs- grundlagen des Hauptverfahrens als objektiv mangelhaft er- scheinen liessen. Dass Dr. med. A.________ Ende 2000 ein- zelne der von Prof. Dr. C.________ im Jahre 1997 erhobenen Diagnosen nicht bestätigen konnte, lässt nicht schon darauf schliessen, dass die Sachverhaltsfeststellung, wie sie dem Urteil vom 28. September 1999 zugrunde lag, mangelhaft war. Dies umso weniger als Dr. med. A.________ ausdrücklich festhält, dass sich der medizinische Sachverhalt seit 1997 nicht wesentlich geändert hat. Mit der Feststellung, dass der Kausalzusammenhang schon aufgrund des damals bekannten Sachverhalts und der damaligen medizinischen Erkenntnisse hätte bejaht werden müssen, verneint Dr. med. A.________ sinngemäss, dass neue Sachverhaltselemente, die unbekannt waren oder zum Nachteil des Gesuchstellers unbewiesen ge- blieben sind, oder auch nur neue wissenschaftliche Erkennt- nisse vorliegen, die zu einer andern Beurteilung zu führen vermöchten. Die Ausführungen im Bericht von Dr. med. A.________ erschöpfen sich in einer andern Würdigung des an sich feststehenden und im Wesentlichen gleichgebliebenen Sachverhalts. Sie betreffen nicht die Sachverhaltsermitt- lung, sondern allein die Sachverhaltswürdigung, was nach dem Gesagten selbst dann nicht Gegenstand einer Revision bilden kann, wenn die Schlussfolgerungen im Gutachten von Prof. Dr. C.________ und die richterliche Beurteilung un- richtig sein sollten. Es liegen nicht nur keine neuen er- heblichen Tatsachen, sondern auch keine neuen Beweismittel für Tatsachen vor, die im früheren Verfahren bekannt ge- wesen, zum Nachteil des Gesuchstellers aber unbewiesen geblieben sind. Das Revisionsgesuch ist damit unbegründet. Im Übrigen hatte der Gesuchsteller die vom Unfallversiche- rer im Abklärungsverfahren vorgesehene Einholung eines Gut- achtens von Dr. med. A.________ ausdrücklich abgelehnt und sich in der Folge mit der Begutachtung durch Prof. Dr. C.________ einverstanden erklärt. Er hat es sich daher selber zuzuschreiben, dass die abweichende Meinung von Dr. med. A.________ nicht in die richterliche Beurteilung Ein- gang gefunden hat. b) Da es an einem Revisionsgrund fehlt, hat sich das Eidgenössische Versicherungsgericht zur Kritik von Dr. med. A.________ am Gutachten von Prof. Dr. C.________ nicht näher zu äussern. Immerhin rechtfertigen sich zuhanden des Gesuchstellers folgende Feststellungen. Dass sich Prof. Dr. C.________ nicht näher mit der Bedeutung der im Gutachten erwähnten serologischen Befunde auseinander gesetzt hat, lässt sich schon deshalb nicht beanstanden, weil diesen Befunden erfahrungsgemäss nur begrenzte Bedeutung beizu- messen ist, wie auch Dr. med. A.________ annimmt. Wenn dieser Arzt den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. C.________ entgegen hält, auch ein korrekt behandeltes Erythema migrans könne zu einer Dissemination der Krank- heitserreger führen und das fehlende Ansprechen auf die Therapie sei kein Beweis gegen eine Borreliose, so ist zu bemerken, dass es sich bei den entsprechenden gutachter- lichen Ausführungen lediglich um zusätzliche Argumente han- delte und das Versagen der Therapie zwar nicht notwendiger- weise gegen einen Kausalzusammenhang spricht, sicher aber auch nicht für einen solchen. Schliesslich ist festzustel- len, dass sich das Urteil vom 28. September 1999 nicht allein auf das - auf einer eingehenden stationären und mehreren konsiliarischen Untersuchungen beruhende - Gutach- ten von Prof. Dr. C.________ stützte, sondern in Würdigung der gesamten medizinischen Akten erfolgte. Mit den in den Akten enthaltenen weiteren Arztberichten setzt sich der Bericht von Dr. med. A.________ in keiner Weise auseinan- der. Hiezu hätte aber umso mehr Anlass bestanden, als Dr. med. A.________ entgegen mehreren anderen Ärzten das Vor- handensein unfallfremder Faktoren verneint. 5.- Das Revisionsverfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten zu Lasten des Gesuchstellers (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Das Revisionsgesuch wird abgewiesen. II. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Gesuch- steller auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvor- schuss verrechnet. III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungs- gericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. Luzern, 9. April 2001 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: