Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 404/2001
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U 404/01

Urteil vom 8. Oktober 2002
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Scartazzini

P.________, 1939, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt André
Largier, Sonneggstrasse 55, 8023 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 26. Oktober 2001)

Sachverhalt:

A.
Der 1939 geborene P.________ arbeitete als Hilfsschlosser bei der Firma
O.________ AG und war damit bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen und
Berufskrankheiten versichert. Am 6. November 1998 zog er sich ein
Verhebetrauma zu, als er mit zwei Arbeitskollegen eine Eisenplatte von
ungefähr 100 bis 150 kg vom Boden hob. Einer der Kollegen liess die Platte
los, worauf der Versicherte diese instinktiv anhob. Dabei spürte er einen
Schlag im Rücken, und es traten sofort Schmerzen auf.
Mit Verfügung vom 9. Februar 2000 bzw. mit Einspracheentscheid vom 21. August
2000 (Einsprachen von P.________ und der Versicherung Q.________) stellte die
SUVA die Taggeld- und Heilungskostenleistungen per 20. Juni 1999 ein.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher P.________ hauptsächlich auf
Grund eines Berichtes seines Hausarztes Dr. med. S.________ vom 21. November
2000 geltend machte, angesichts seines Gesundheitsschadens seien ihm in
Aufhebung des Einspracheentscheides und der Verfügung die gesetzlichen
Leistungen ab 20. Juni 1999 weiterhin auszurichten und es sei sein Anwalt zum
unentgeltlichen Rechtsbeistand zu ernennen, wurde vom
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach Bestellung von
Rechtsanwalt André Largier, Zürich (Verfügung vom 22. Februar 2001), mit
Entscheid vom 26. Oktober 2001 abgewiesen. Der unentgeltliche Rechtsvertreter
des Beschwerdeführers wurde mit Fr. 691.20 aus der Gerichtskasse entschädigt
(Dispositiv-Ziffer 3).

C.
P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihm über den 20. Juni
1999 hinaus die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen. Ferner lässt er die
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung beantragen.
Zur Begründung seines Leistungsbegehrens legt der Beschwerdeführer eine am 4.
Mai 2001 von der IV-Stelle des Kantons Zürich erlassene Verfügung ins Recht,
wonach ihm mit Wirkung ab 1. November 1999 auf Grund eines 69 %igen
Invaliditätsgrades eine ganze Invalidenrente ausgerichtet werde. Mit der
gleichen Beschwerdeschrift beantragt der Rechtsvertreter des Versicherten,
für den Fall, dass die Beschwerde seines Mandanten abgewiesen werde, sei er
in Aufhebung des Dispositivs Ziffer 3 des angefochtenen Entscheides für das
vorinstanzliche Verfahren mit mindestens Fr. 774.60 zu entschädigen.
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichten das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherung auf
eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer auch nach dem 20. Juni
1999 Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung hat.

2.
Im kantonalen Entscheid werden die gesetzlichen Voraussetzungen über die
Gewährung von Versicherungsleistungen bei Unfällen, namentlich den Anspruch
auf Taggeld- (Art. 16 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 UVG) und
Heilungskostenleistungen (Art. 10 UVG) unter Hinweis auf den
Einspracheentscheid vom 21. August 2000 zutreffend dargelegt. Wie die
Vorinstanz ferner richtig ausgeführt hat, muss das Dahinfallen jeder kausalen
Bedeutung von unfallbedingten Ursachen eines Gesundheitsschadens mit dem im
Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2; BGE
119 V 9 Erw. 3c/aa und 337 Erw. 1), wobei die entsprechende Beweislast beim
Unfallversicherer liegt (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 329 Erw. 3b, 1992 Nr. U 142
S. 76 Erw. 4b). Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat auf die massgebenden Arztberichte von Dr. med.
B.________ und Dr. med. S.________ sowie auf die kreisärztlichen
Untersuchungen von Dr. med. L.________ und Dr. med. T.________ abgestellt und
daraus gefolgert, dass die Rückenbeschwerden ab 20. Juni 1999 mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mehr auf den Unfall vom 6. November
1998 zurückzuführen waren, da der status quo sine erreicht worden war. Das
kantonale Gericht stellte dabei fest, der Versicherte leide seit rund 20
Jahren an Rückenproblemen und eine unfallkausale Veränderung habe somit
höchstens zu einer vorübergehenden Schmerzexazerbation geführt. Schliesslich
sei es unerheblich, dass der Beschwerdeführer trotz des vorbestehenden
Rückenleidens vor dem Unfall während 10 Monaten voll gearbeitet habe und Dr.
med. L.________ (fälschlicherweise) davon ausgegangen sei, er habe bereits
früher auf Grund eines Invaliditätsgrades von 40 % eine Rente der
Invalidenversicherung bezogen, da dieser Arzt daraus einzig abgeleitet habe,
bezüglich des Rückens bestehe ein erheblicher Vorzustand.

3.2 Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, die Beurteilung von Dr.
med. L.________, welcher davon ausging, der am 16. April 1999 in der
kreisärztlichen Untersuchung festgestellte Gesundheitszustand entspreche
demjenigen vor dem Unfall, sei nicht stichhaltig. Dies gehe einmal aus dem
Bericht von Dr. med. S.________ hervor, der am 21. November 2000 bestätigt
habe, der Gesundheitszustand habe sich seit dem Unfall verschlechtert. Zudem
habe sich der Kreisarzt der SUVA gar nicht im Einzelnen ernsthaft mit dem
Vorzustand und dessen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit
auseinandergesetzt und sei nicht in der Lage, eine überzeugende Begründung
dafür abzugeben, weshalb sich der Gesundheitszustand auch ohne Unfall so
entwickelt hätte. Nur schon der Umstand, dass die IV-Stelle ihm mit Wirkung
ab 1. November 1999 eine ganze Rente zugesprochen hatte, währenddem er vor
dem Unfall zu 100 % gearbeitet und keine Rente der Invalidenversicherung
bezogen habe, beweise, dass - entgegen Dr. med. L.________ - seit dem Unfall
eine sehr deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten
sei.

3.3 Die Vorinstanz hat festgehalten, die SUVA habe nicht zu beweisen, warum
sich der Gesundheitszustand des Versicherten verschlechtert hat, sondern nur,
dass diese Verschlechterung nicht bzw. nicht mehr auf den Unfall
zurückzuführen ist. Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, der Nachweis für
das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen könne
nicht erbracht werden, ohne dass gleichzeitig belegt sei, weshalb die
versicherte Person auch ohne Unfall auf Grund des Verlaufes des Vorzustandes
im massgebenden Zeitpunkt an derselben Gesundheitsbeeinträchtigung leiden
würde und im gleichen Ausmass arbeitsunfähig wäre. Es ist zwar richtig, dass
sich der Unfallversicherer auf die Abklärung der Unfallkausalität der
geklagten Beschwerden beschränken kann. Macht er indessen geltend, eine nach
dem Unfall eingetretene Verschlimmerung der Beschwerden sei auf einen
Vorzustand zurückzuführen, wird er kaum darum herumkommen nachzuweisen, dass
die Ursache der Verschlimmerung wahrscheinlicher beim Vorzustand als beim
Unfall liegt.

Dazu kommt, dass die IV-Stelle P.________ mit Verfügung vom 4. Mai 2001 ab 1.
November 1999 eine ganze Rente zugesprochen hat. Wie aus diesem, mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ins Recht gelegten Verwaltungsakt abzuleiten
ist, ging die Invalidenversicherung von einer ab November 1998, somit von
einer seit dem Unfallereignis gegebenen 69 %igen Arbeitsunfähigkeit (und von
dem darauffolgenden Ablauf der Wartezeit gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG)
aus.

Zusammenfassend geht in beweisrechtlicher Hinsicht aus den Akten nicht mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit hervor, dass der Unfall für die damals
beginnende Verschlechterung des Gesundheitszustandes jegliche kausale
Bedeutung verloren hat.

3.4 Nach dem Gesagten ist die Sache somit an die SUVA zurückzuweisen, damit
sie die Unfallkausalität des geklagten Gesundheitsschadens gutachterlich
abklären lasse und über allfällige Leistungsansprüche des Beschwerdeführers
über den 20. Juni 1999 hinaus erneut befinde.

4.
4.1 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat der Rechtsvertreter des
Versicherten den Eventualantrag gestellt, nachdem dem kantonalen Gericht bei
der Zusprechung der Kostenentschädigung ein Rechenfehler unterlaufen war, sei
er für den Fall, dass die Beschwerde abgewiesen werde, in Aufhebung des
Dispositivs Ziffer 3 des angefochtenen Entscheides für das vorinstanzliche
Verfahren mit mindestens Fr. 774.60 zu entschädigen.

Angesichts des Ausganges des vorinstanzlichen Verfahrens hat das kantonale
Gericht dem Beschwerdeführer keine Parteientschädigung zugesprochen. Infolge
Obsiegens im letztinstanzlichen Prozess sind die Akten jedoch zum Entscheid
über eine Parteientschädigung der Vorinstanz zuzustellen. Damit erweist sich
der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellte Eventualantrag als
gegenstandslos.

4.2 Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bewilligung oder Verweigerung
von Versicherungsleistungen, weshalb von der Auferlegung von Gerichtskosten
abzusehen ist (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend ist dem
Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 135 in
Verbindung mit Art. 159 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege,
einschliesslich der unentgeltlichen Verbeiständung, erweist sich damit als
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Oktober
2001 und der Einspracheentscheid vom 21. August 2000 aufgehoben werden und
die Sache an die SUVA zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter
Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch des Versicherten auf
Leistungen nach dem 20. Juni 1999 neu verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die SUVA hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherung und der Versicherung Q.________
zugestellt.

Luzern, 8. Oktober 2002

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: