Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 39/2001
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U 39/01

Urteil vom 26. November 2002
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Flückiger

SWICA Versicherungen AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401 Winterthur,
Beschwerdeführerin,

gegen

Hotela Kranken- und Unfallkasse des Schweizer Hotelier-Vereins, Rue de la
Gare 18, 1820 Montreux, Beschwerdegegnerin,

betreffend F.________, 1969

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 22. November 2000)

Sachverhalt:

A.
Der 1969 geborene F.________ arbeitete seit 1. Dezember 1994 im Restaurant
Q.________ und war bei der Hotela  Kranken- und Unfallkasse des SHV
(nachfolgend: Hotela) obligatorisch gegen die Folgen von Unfall und
Berufskrankheit versichert. Laut Unfallmeldung UVG vom 13. November 1995
stürzte er am 10. August 1995 bei einer Notbremsung mit dem Motorrad auf die
linke Schulter. Der gleichentags konsultierte Dr. med. K.________, Allgemeine
Medizin FMH, diagnostizierte eine Schulterprellung links. Die Behandlung bei
Dr. med. K.________, für deren Kosten die Hotela aufkam, wurde nach einer
zweiten Konsultation am 11. August 1995 abgeschlossen (Arztzeugnis UVG vom
15. November 1995).

Am 15. April 1997 attestierte Dr. med. J.________, Innere Medizin FMH, dem
Versicherten eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % für die Dauer von
voraussichtlich zehn Tagen ab 12. April 1997. Die Hotela holte einen
Zwischenbericht dieses Arztes vom 1. Mai 1997, eine Stellungnahme des Dr.
med. K.________ vom 14. Mai 1997, weitere Auskünfte des Dr. med. J.________
vom 15. September 1997 (mit Bericht des Dr. med. M.________, Röntgenfacharzt
FMH, vom 1. April 1997) sowie eine Stellungnahme ihres Vertrauensarztes Dr.
med. V.________, Chirurgie FMH, vom 9. Oktober 1997 ein. Daraufhin lehnte sie
es mit Verfügung vom 27. Oktober 1997 ab, die ab 12. April 1997 behandelten
Beschwerden als Rückfall zum Unfallereignis vom 10. August 1995 anzuerkennen
und dafür Leistungen zu erbringen. Nachdem sowohl der Versicherte als auch
die SWICA Gesundheitsorganisation (nachfolgend: SWICA) Einsprache erhoben und
Letztere ein Gutachten des Prof. Dr. med. S.________, Orthopädische Chirurgie
FMH, vom 5. Februar 1998 eingereicht hatte, holte die Hotela weitere
Auskünfte und Stellungnahmen des Dr. med. J.________ vom 9. Mai 1998, des Dr.
med. K.________ vom 9. Mai 1998, des Dr. med. D.________, Innere Medizin FMH,
vom 30. September 1998 sowie des Dr. med. V.________ vom 20. Oktober 1998
ein. Anschliessend hielt sie mit Einspracheentscheid vom 15. Dezember 1998 an
ihrem Standpunkt fest.

B.
Die dagegen von der SWICA erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen ab (Entscheid vom 22. November 2000). Die
Gerichtskosten von Fr. 2500.- wurden der Beschwerdeführerin auferlegt. Im
Verlauf des Beschwerdeverfahrens hatte die SWICA eine ergänzende
Stellungnahme des Prof. Dr. med. S.________ vom 10. Januar 1999 beigebracht.
Das kantonale Gericht hatte seinerseits Auskünfte des Dr. med. D.________ vom
9. April 2000 und des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamtes vom 25. Mai
2000 (über den Hergang des Unfalls vom 10. August 1995) sowie eine
Stellungnahme des Dr. med. E.________, Oberarzt Klinik X.________, vom 26.
Juni 2000 eingeholt.

C.
Die SWICA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei
der kantonale Entscheid aufzuheben und die Hotela zur Erbringung von
Versicherungsleistungen für die Schulterbeschwerden des Versicherten sowie
zur Übernahme der Kosten des Gutachtens von Prof. Dr. med. S.________ vom 5.
Februar 1998 zu verpflichten.

F. ________ beantragt sinngemäss die Gutheissung, die Hotela die Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Entscheid des kantonalen Gerichts und im Einspracheentscheid vom 15.
Dezember 1998 werden die Bestimmungen und Grundsätze über die
Leistungspflicht des Unfallversicherers bei Rückfällen zu einem früher
übernommenen Unfall (Art. 11 UVV), das Erfordernis des natürlichen
Kausalzusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden (BGE 119 V
337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) sowie den Beweiswert und die
Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a)
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig und zu prüfen ist die Leistungspflicht der Hotela für die ab 12.
April 1997 behandelten Beschwerden und in diesem Rahmen zunächst der
natürliche Kausalzusammenhang zum Unfallereignis vom 10. August 1995.

2.1 Das kantonale Gericht erwog, die Ursache der Beschwerden liege gemäss den
medizinischen Unterlagen in einer Rotatorenmanschettenläsion. Zu prüfen sei,
ob diese in einem natürlichen Kausalzusammenhang zum Unfall vom 10. August
1995 stehe, bei dem sich der Versicherte eine Prellung zugezogen habe. In der
Folge nahm die Vorinstanz eine ausführliche Analyse der verfügbaren
medizinischen Berichte vor. Aus der Tatsache, dass die nach dem Ereignis vom
10. August 1995 durchgeführte ärztliche Behandlung bereits am nächsten Tag
abgeschlossen wurde, ohne dass dem Versicherten eine Arbeitsunfähigkeit
attestiert wurde, zog sie die Folgerung, es könne sich lediglich um eine
leichte Prellung gehandelt haben. Eine solche sei aber, wie sich aus den
ärztlichen Aussagen übereinstimmend ergebe, nicht geeignet, zu einer
Rotatorenmanschettenläsion zu führen. Gegen das Bestehen eines natürlichen
Kauslzusammenhangs spreche ausserdem und vor allem der Umstand, dass für den
Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren zwischen dem Behandlungsabschluss am
11. August 1995 und dem ersten im Zusammenhang mit den Beschwerden an der
linken Schulter erfolgten Arztbesuch vom 25. März 1997 (Konsultation von Dr.
med. W.________, Allgemeine Medizin FMH, erwähnt im Bericht des Dr. med.
V.________ vom 20. Oktober 1998) keine Beschwerden an der linken Schulter
dokumentiert seien. Zusammenfassend sei das Bestehen eines natürlichen
Kausalzusammenhangs nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erstellt.

2.2 Aus den medizinischen Akten geht nicht klar hervor, wie schwer die
Prellung war, welche sich der Versicherte anlässlich des Unfalls vom 10.
August 1995 zuzog. Die Annahme des kantonalen Gerichts, auf Grund der damals
gestellten Diagnosen und des raschen Abschlusses der Behandlung komme nur
eine leichte Prellung in Frage, was auch durch die bekannten Fakten über den
Unfallhergang nicht ausgeschlossen werde, ist nicht rechtlicher, sondern
medizinischer Natur und setzt daher eine zuverlässige Grundlage in den
ärztlichen Berichten voraus, welche jedoch nicht vorliegt. Gleiches gilt für
die vorinstanzliche Aussage, bloss eine schwere Prellung sei geeignet, eine
Rotatorenmanschettenläsion zu verursachen. Ebenso ist aktenmässig nicht
hinreichend erstellt, ob, wie das kantonale Gericht annimmt, zwischen dem 11.
August 1995 und dem 27. März 1997 ein beschwerdefreies Intervall gegeben war
(was anamnestisch abzuklären bleibt) und welche Tragweite einem solchen
gegebenenfalls beizumessen ist (vgl. dazu die einander widersprechenden
Beurteilungen des Dr. med. V.________ [Stellungnahmen vom 9. Oktober 1997 und
20. Oktober 1998] und des Prof. Dr. med. S.________ [Stellungnahme vom 10.
Januar 1999]). Angesichts der Aussagen des durch das kantonale Gericht
befragten Dr. med. E.________ stellt sich ausserdem die Frage, ob das Alter
des Versicherten medizinisch richtig gewichtet wurde. Da die vorhandenen
medizinischen Akten somit keine hinreichende Grundlage für die gerichtliche
Beurteilung liefern, erweist sich die Anordnung eines Gerichtsgutachtens zur
Klärung der offenen Fragen als unumgänglich. Erst auf dieser Basis wird es
möglich sein, mit hinreichender Zuverlässigkeit zu beurteilen, ob der
natürliche Kausalzusammenhang mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben
ist. Die Sache ist dementsprechend an die Vorinstanz zurückzuweisen.

3.
Falls der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und
dem Unfallereignis vom 10. August 1995 auf der Grundlage der zusätzlichen
medizinischen Unterlagen zu verneinen ist, stellt sich die Frage nach einer
Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin unter dem Titel der unfallähnlichen
Körperschädigung. Eine solche ist gegeben, wenn ein plötzliches Ereignis,
beispielsweise eine heftige Bewegung, einen der in Art. 9 Abs. 2 UVV
erwähnten Verletzungszustände hervorruft, ohne dass das einen Unfall
kennzeichnende Merkmal des ungewöhnlichen äusseren Faktors gegeben ist (BGE
116 V 148 oben Erw. 2c mit Hinweisen).

In verschiedenen ärztlichen Stellungnahmen wird auf einen Riss der
Supraspinatussehne oder eine Läsion der Rotatorenmanschette hingewiesen. Nach
Lage der Akten ist mit dem kantonalen Gericht davon auszugehen, dass die
Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit im Jahr 1997 auf die Läsion
der Rotatorenmanschette zurückzuführen ist. Ein Riss der Rotatorenmanschette
ist als Sehnenriss im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. f UVV grundsätzlich
geeignet, eine Leistungspflicht des Unfallversicherers unter dem Titel der
unfallähnlichen Körperschädigung zu begründen (BGE 123 V 43). Falls der
natürliche Kausalzusammenhang zwischen den behandelten Beschwerden und dem
Unfallereignis vom 10. August 1995 verneint wird, wird sich daher das
anzuordnende Gerichtsgutachten dazu zu äussern haben, welcher Art die
Verletzung der Rotatorenmanschette war, die zu den 1997 aufgetretenen
Beschwerden führte, insbesondere ob es sich dabei um den in den Akten
erwähnten Riss der Supraspinatussehne handelte, sowie ob die Verletzung durch
ein anderes äusseres Ereignis als jenes vom 10. August 1995 ausgelöst wurde.

4.
Zur vorinstanzlichen Kostenregelung bleibt anzumerken, dass es das
Eidgenössische Versicherungsgericht in der Zwischenzeit für unzulässig
erklärt hat, in einem kantonalen Verfahren zwischen zwei Versicherern einer
Partei, die sich nicht leichtsinnig oder mutwillig verhalten hat,
Gerichtskosten aufzuerlegen (BGE 127 V 196). Dagegen hat das kantonale
Gericht der SWICA zu Recht keinen Ersatz für die Kosten des Gutachtens des
Prof. Dr. med. S.________ vom 5. Februar 1998 zugesprochen, da dieses
Gutachten zur Beurteilung der Angelegenheit (auch im Sinne des
letztinstanzlichen Urteils) nicht erforderlich war. Damit kann offen bleiben,
ob und unter welchen Voraussetzungen Versicherer grundsätzlich Anspruch auf
Ersatz der Kosten durch sie eingeholter Gutachten haben.

5.
Das letztinstanzliche Verfahren ist kostenpflichtig (BGE 126 V 192 Erw. 6).
Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Der Beschwerdeführerin steht
keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG;
BGE 123 V 309 Erw. 10 mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. November
2000 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit
sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde
neu entscheide.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 6000.- wird der Beschwerdeführerin
zurückerstattet.

4.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, dem Bundesamt für Sozialversicherung und F.________ zugestellt.
Luzern, 26. November 2002

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: