Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 385/2001
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U 385/01

Urteil vom 10. Januar 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Scartazzini

F.________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch
Herrn Rolf Hofmann, Beethovenstrasse 24, 8002 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmatt-
strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 24. Oktober 2001)

Sachverhalt:

A.
Der 1963 geborene F.________ ist bei der M.________ AG als
Berechnungsingenieur angestellt und dadurch bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Berufs-, Nichtberufsunfälle und
Berufskrankheiten versichert. Am 21. Februar 2000 erlitt er beim
Jiu-Jitsu-Training eine Halswirbelsäulendistorsion, welche zu einer
zweimonatigen ganzen und danach teilweisen Arbeitsunfähigkeit führte sowie
ambulante und stationäre medizinische Behandlung erforderte.

Mit Verfügung vom 16. Juni 2000 lehnte die SUVA Versicherungsleistungen ab,
da weder ein Unfall noch eine unfallähnliche Körperschädigung vorlagen. Dies
bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 30. August 2000.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 24. Oktober 2001 ab.

C.
F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sowie der beanstandeten Verfügung
und des Einspracheentscheides seien die gesetzlichen Leistungen zu erbringen,
eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung des Sachverhaltes an die
SUVA zurückzuweisen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im angefochtenen Entscheid werden die massgebenden Bestimmungen über den
Unfallbegriff (Art. 9 Abs. 1 UVV) und die unfallähnlichen Körperschädigungen
(Art. 9 Abs. 2 UVV) sowie die Rechtsprechung zum ungewöhnlichen äusseren
Faktor (BGE 121 V 37 Erw. 1a, 118 V 283 Erw. 2a; s. auch BGE 122 V 232 Erw.
1) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Ebenso verhält es sich
mit den Ausführungen, wonach das für den Unfallbegriff wesentliche Merkmal
des ungewöhnlichen äusseren Faktors nach Lehre und Praxis auch in einer
unkoordinierten Bewegung (RKUV 1996 Nr. U 253 S. 204 Erw. 4c; vgl. auch RKUV
1999 Nr. U 333 S. 199 Erw. 3c/aa und Nr. U 345 S. 422 Erw. 2b; Maurer,
Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 176 f.) oder in einem (im
Hinblick auf die Konstitution und berufliche oder ausserberufliche Gewöhnung
der betreffenden Person) ausserordentlichen Kraftaufwand (vgl. BGE 116 V 139
Erw. 3b; RKUV 1994 Nr. U 180 S. 38 Erw. 2) bestehen kann.

Festzustellen ist im Weitern, dass die Rechtsprechung, gemäss welcher der
Leistungsansprecher die einzelnen Umstände des Unfallgeschehens glaubhaft zu
machen hat und, falls er dieser Forderung nicht nachkommt, für den
Unfallversicherer keine Leistungspflicht besteht (BGE 114 V 305 Erw. 5b; RKUV
1990 Nr. U 86 S. 50; SVR 1997 UV Nr. 74 S. 256 Erw. 2c), auf den Nachweis
unfallähnlicher Körperschädigungen sinngemäss Anwendung findet (BGE 116 V 140
Erw. 4b). Der Untersuchungsmaxime entsprechend hat der Richter demnach von
Amtes wegen die notwendigen Beweise zu erheben und kann zu diesem Zwecke auch
die Parteien heranziehen. Wird auf Grund dieser Massnahmen das Vorliegen
einer unfallähnlichen Körperschädigung nicht wenigstens mit
Wahrscheinlichkeit erstellt - die blosse Möglichkeit genügt nicht -, so hat
diese als unbewiesen zu gelten, was sich zu Lasten des Leistungsansprechers
auswirkt.

Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden
Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids eingetretene
Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht
berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

2.
In seiner schriftlichen Darstellung des Geschehensablaufes an die SUVA vom 6.
März 2000 zur Ergänzung der Unfallmeldung gab der Beschwerdeführer an, er sei
beim Bodenkampf unter seinen Trainingspartner geraten. Er habe ihn nach oben
zu drücken versucht, um sich von ihm zu lösen. Durch diese Bewegung habe er
einen grossen Druck auf das Genick bekommen, sodass sein Kopf stark nach
vorne eingeknickt sei, was zur Stauchung und Quetschung der Halswirbelsäule
geführt habe.

Die Vorinstanz hat auf diese vom Versicherten gemachten Angaben im Sinne der
Beweismaxime der Aussagen der ersten Stunde (BGE 121 V 47 Erw. 2a)
abgestellt. Hingegen ist sie zum Schluss gelangt, das vom Beschwerdeführer
ausgeübte Drücken nach oben stelle keine unkoordinierte Bewegung oder
Eigenbewegung dar, weil der äussere Bewegungsablauf nicht durch etwas
Programmwidriges oder Sinnfälliges gestört wurde, sodass daraus eine
unphysiologische Beanspruchung einzelner Körperteile hätte resultieren
können. Diese Betrachtungsweise steht im Einklang mit der Rechtsprechung,
welche in ähnlich gelagerten Fällen im selben Sinne entschieden hat (RKUV
1999 Nr. U 333 S. 199 Erw. 3c/aa und Nr. U 345 S. 422 Erw. 2b, 1996 Nr. U 253
S. 204 Erw. 4c). Etwas Ungewöhnliches lässt sich auch im ausserordentlichen
Kraftaufwand unter dem Gesichtspunkt einer Überanstrengung nicht erkennen.
Insbesondere dürfte, wie das kantonale Gericht zutreffend erwogen hat, der
Trainingspartner des Versicherten ein Gewicht von 100 kg nicht überschritten
haben, wobei nach der Praxis das Heben, Tragen oder Verschieben von Lasten
von weniger als 100 kg an sich nichts Ungewöhnliches darstellt (BGE 116 V 139
Erw. 3b; vgl. auch RKUV 1994 Nr. U 180 S. 38 Erw. 2; Maurer, a.a.O., S. 178
Anm. 359). Demnach hat die Vorinstanz zu Recht festgehalten, der vom
Versicherten geschilderte Sachverhalt genüge nicht, um das Merkmal der
Ungewöhnlichkeit als gegeben zu betrachten (vgl. BGE 99 V 139 Erw. 1). Anders
wäre zu entscheiden, wenn auf die Schilderung des Vorganges in der erst- und
zweitinstanzlichen Beschwerde abgestellt würde. Diesfalls wäre der
Unfalltatbestand - klarerweise- erfüllt. Massgeblich in tatsächlicher
Hinsicht bleiben aber die erwähnten ursprünglichen Aussagen des
Beschwerdeführers, die keineswegs, wie geltend gemacht wird, mit den
Gegebenheiten und Abläufen der Kampfsportart unvereinbar sind und welche
durchaus wegen der beschriebenen grossen, aber nicht ungewöhnlichen
Kraftaufwendung des Beschwerdeführers die eingetretenen Verletzungen
schlüssig erklären.

3.
Im Falle des Beschwerdeführers muss schliesslich auch das Vorliegen einer der
in Art. 9 Abs. 2 UVV abschliessend (BGE 116 V 140 Erw. 4a, 147 Erw. 2b, je
mit Hinweisen; Maurer, a.a.O., S. 202) aufgezählten unfallähnlichen Körperschädigungen verneint werden. Nach zutreffender Auffassung des
kantonalen Gerichts konnte beim Versicherten diesbezüglich insbesondere keine
Halswirbelsäulenverrenkung festgestellt werden, wobei für eine Verrenkung von
Gelenken im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b UVV eine blosse Torsion
(Verdrehung) oder Distorsion (Verstauchung) nicht ausreicht. Aus den
medizinischen Akten geht schliesslich hervor, dass von einer Bandläsion im
Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. g UVV nie die Rede gewesen war.

4.
Unter diesen Umständen kann weder das Bestehen eines Unfalls noch einer
unfallähnlichen Körperschädigung bejaht werden und ist auch von der
beantragten Rückweisung der Sache zu weiteren Abklärungen des Sachverhaltes
abzusehen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 10. Januar 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: