Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 363/2001
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U 363/01 Gb

                        II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
Ursprung; Gerichtsschreiberin Hofer

                 Urteil vom 22. April 2002

                         in Sachen

Y.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Ueli Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich,

                           gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmatt-
strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,

                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- Y.________ (geboren 1964) arbeitete zuerst als
Rampenarbeiter und danach als Hilfsbäcker bei der Firma
X.________ AG, ein der Schweizerischen Unfallversicherungs-
anstalt (SUVA) unterstellter Betrieb. Am 7. April 1994
meldete ihn die Arbeitgeberin bei der SUVA wegen einer

Mehlstauballergie zum Leistungsbezug an. Diese erliess am
15. September 1994 eine Nichteignungsverfügung für alle
Arbeiten mit Exposition zu Mehlen von Weizen, Roggen, Buch-
weizen sowie zu Mohn, Sesam und Haselnüssen. Da betriebsin-
tern keine Ersatzstelle angeboten werden konnte, wurde das
Arbeitsverhältnis auf Ende November 1994 aufgelöst. Die
SUVA richtete vom 1. Dezember 1994 bis 31. März 1995 ein
Übergangstaggeld aus.
     Nach Abklärung der gesundheitlichen und erwerblichen
Verhältnisse teilte die SUVA dem Versicherten mit Verfügung
vom 4. Mai 1995 mit, sie werde ab 1. April 1995 keine Leis-
tungen mehr erbringen, da zwischenzeitlich eine nicht mit
der Berufskrankheit in Zusammenhang stehende psychische
Krankheit aufgetreten sei, welche als Ursache der vollstän-
digen Arbeitsunfähigkeit zu sehen sei. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 14. Februar 1996 fest. Die dagegen
erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 21. Januar 1999 ab. Das
Eidgenössische Versicherungsgericht bestätigte die Leis-
tungseinstellung (Urteil vom 10. November 1999).
     Mit Schreiben vom 20. März 1997 erneuerte Y.________
das in der Einsprache vom 1. Juni 1995 gestellte Gesuch um
Ausrichtung einer Übergangsentschädigung. Die SUVA wies
dieses mit Verfügung vom 6. Mai 1997 ab, da die Arbeitsun-
fähigkeit nicht auf die Nichteignungsverfügung vom 15. Sep-
tember 1994 zurückzuführen sei. An diesem Standpunkt hielt
sie mit Einspracheentscheid vom 3. Juli 2000 fest.

     B.- Y.________ liess Beschwerde führen mit dem Antrag,
es sei die Sache an die SUVA zurückzuweisen zur Festsetzung
einer Übergangsentschädigung für die Zeit vom 1. April 1995
bis 31. März 1997. Das Sozialversicherungsgericht des Kan-
tons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid vom 24. Sep-
tember 2001 ab.

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Versi-
cherte das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneu-
ern.
     Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversiche-
rung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Gemäss Art. 84 Abs. 1 UVG können die Durchfüh-
rungsorgane nach Anhören des Arbeitgebers und der unmit-
telbar betroffenen Versicherten bestimmte Massnahmen zur
Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten anordnen
(Satz 1). In diesem Rahmen können die Durchführungsorgane
Versicherte, die hinsichtlich Berufsunfällen oder Berufs-
krankheiten durch bestimmte Arbeiten besonders gefährdet
sind, von diesen Arbeiten ausschliessen (Art. 84 Abs. 2
Satz 1 UVG). Gemäss Satz 2 dieser Bestimmung ordnet der
Bundesrat die Entschädigung für Versicherte, die durch den
Ausschluss von ihrer bisherigen Arbeit im Fortkommen erheb-
lich beeinträchtigt sind und keinen Anspruch auf andere
Versicherungsleistungen haben.
     Gestützt auf diese Bestimmungen hat der Bundesrat in
den Art. 82 ff. der Verordnung über die Verhütung von
Unfällen und Berufskrankheiten (VUV) vom 19. Dezember 1983
die Ansprüche des Arbeitnehmers geordnet, welcher von einer
befristeten oder dauernden (definitiven) Nichteignungsver-
fügung betroffen ist. Zu dessen Ansprüchen gehören die per-
sönliche Beratung (Art. 82 VUV), das Übergangstaggeld
(Art. 83-85 VUV), welches, betraglich dem vollen gewöhnli-
chen Taggeld des Art. 17 Abs. 1 UVG entsprechend, während
höchstens vier Monaten entrichtet wird (Art. 84 VUV) und
schliesslich die Übergangsentschädigung gemäss den
Art. 86-88 VUV. Diese kann, unter den in Art. 86 VUV nor-
mierten Voraussetzungen während höchstens vier Jahren aus-

gerichtet werden (Art. 87 Abs. 3 VUV). Dabei beträgt die
Übergangsentschädigung 80 % der Lohneinbusse, die der
Arbeitnehmer wegen des befristeten oder dauernden Aus-
schlusses von der ihn gefährdenden Arbeit oder infolge der
Verfügung auf bedingte Eignung auf dem Arbeitsmarkt erlei-
det; als Lohn gilt der versicherte Verdienst nach Art. 15
UVG (Art. 87 Abs. 1 VUV). Erhält ein Arbeitnehmer, dem eine
Übergangsentschädigung zugesprochen wurde, später Taggelder
oder eine Rente für die Folgen eines Berufsunfalls oder
einer Berufskrankheit, die mit der in der Verfügung be-
zeichneten Arbeit zusammenhängt, so kann die Übergangsent-
schädigung laut Art. 87 Abs. 2 VUV an diese Leistungen ganz
oder teilweise angerechnet werden.
     Trifft das Übergangstaggeld oder die Übergangsentschä-
digung mit anderen (d.h. nicht vom zuständigen Unfallversi-
cherer erbrachten) Sozialversicherungsleistungen zusammen,
so kommt die Kürzungsregelung gemäss Art. 40 UVG zum Zuge
(Art. 89 Abs. 1 VUV), ferner, bei Erfüllung der in Art. 89
Abs. 2 lit. a-c VUV normierten Voraussetzungen die Kür-
zungsregelung gemäss Art. 37 Abs. 1 und 2 UVG.

     2.- Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid
erwogen, obwohl die Grundlage für die Entschädigung von
Versicherten, die durch den Ausschluss von ihrer bisherigen
gesundheitsgefährdenden Arbeit eine Lohneinbusse erleiden,
systematisch im sechsten Titel des Gesetzes, welcher die
Unfallverhütung zum Gegenstand hat, eingeordnet sei, handle
es sich dabei unzweifelhaft um eine Versicherungsleistung
im Sinne der im dritten Titel ("Versicherungsleistungen";
Art. 10 bis Art. 52 UVG) normierten Leistungen, was sich
ohne weiteres aus Art. 84 Abs. 2 Satz 2 UVG ergebe. Da der
Unfallversicherer nur für Schäden einstehen müsse, die in
einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang mit dem
schädigenden Ereignis stehen, setze die Ausrichtung der
Übergangsentschädigung im Sinne von Art. 86 Abs. 1 VUV eine
Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens voraus,

welche sich auf Umstände beziehe, die sowohl eine natürli-
che wie auch eine adäquate kausale Folge des Ausschlusses
von der bisherigen Arbeit darstelle. Sei demnach nicht die
Berufskrankheit, sondern eine dazu in keinem kausalen Zu-
sammenhang stehende psychische Störung für die Nichtaufnah-
me einer alternativen Tätigkeit verantwortlich, bestehe
kein Anspruch auf Übergangsentschädigung.

     3.- a) Wenn das kantonale Gericht ausführt, die Fest-
stellung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts im
Urteil vom 10. November 1999, wonach die Berufskrankheit
und die durchgemachten anaphylaktischen Reaktionen nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Le-
benserfahrung nicht geeignet sind, eine psychische Störung
zu verursachen, wie sie sich bei der vom Beschwerdeführer
an den Tag gelegten Vermeidungshaltung manifestierte, sei
auch mit Bezug auf die Überentschädigung verbindlich, kann
ihm nicht gefolgt werden. Diese Adäquanzbeurteilung bezog
sich einzig auf den Leistungsanspruch im Zusammenhang mit
der Berufskrankheit.
     Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht bereits
früher festgehalten hat, ergibt sich aus der Systematik des
Unfallversicherungsgesetzes, dass es sich bei den Über-
gangsentschädigungen nicht um Versicherungsleistungen im
engeren Sinne handelt, sondern um Leistungen, welche im
Zusammenhang mit der Verhütung von Berufsunfällen und Be-
rufskrankheiten erbracht werden. Der unfallversicherungs-
rechtlichen Übergangsentschädigung und der Unfallinvaliden-
rente liegen unterschiedliche leistungsbegründende Tatbe-
stände, d.h. verschiedenartige Risiken zugrunde. Beide In-
stitute unterscheiden sich sowohl von den Voraussetzungen
wie auch vom Inhalt her (BGE 126 V 204 Erw. 2c, 120 V 139
Erw. 4c/bb; RKUV 1995 Nr. U 225 S. 164 Erw. 2b).

     b) Die SUVA kann einen Arbeitnehmer als nichtgeeignet
oder nur bedingt geeignet erklären und ihn von Arbeiten
ausschliessen, die seine Gesundheit erheblich gefährden.
Die befristete oder dauernde Nichteignungsverfügung stellt
eine Einschränkung der Freiheit dar, sich in einer gewissen
Hinsicht erwerblich zu betätigen. Es haften ihr versiche-
rungsrechtliche, aber auch polizeirechtliche Züge im Sinne
des Gesundheitsschutzes an (Maurer, Schweizerisches Unfall-
versicherungsrecht, Bern 1985, S. 591 FN 1512a). Sie ergeht
von der Verwaltung gestützt auf die gesicherten medizini-
schen Erkenntnisse einer besonderen Gefährdung des Arbeit-
nehmers auf Berufsunfälle oder Berufskrankheiten durch be-
stimmte Arbeiten (Art. 84 Abs. 2 Satz 1 UVG). Mit der Über-
gangsentschädigung soll dem Versicherten sodann der Wechsel
von der ihn gefährdenden Arbeit auf eine neue geeignete
Erwerbstätigkeit und die Erlangung der erforderlichen Fer-
tigkeiten erleichtert werden (BGE 126 V 367 Erw. 4b; EVGE
1967 S. 206 Erw. 4). Die dafür notwendigen Voraussetzungen,
welche kumulativ erfüllt sein müssen (RKUV 1995 Nr. U 225
S. 165 Erw. 2b), sind in Art. 86 Abs. 1 lit. a-c VUV gere-
gelt.

     c) Die Übergangsentschädigung setzt weder Arbeitsunfä-
higkeit noch Invalidität voraus. Wenn der Versicherte wegen
einer bereits bestehenden Invalidität als nicht geeignet
erklärt wird und eine Invalidenrente erhält, ist die Über-
entschädigung zwar ausgeschlossen; der Grund liegt indessen
darin, dass in diesem Fall die Invalidenrente die Funktion
der Übergangsentschädigung übernimmt (Art. 48 Abs. 2 Satz 2
UVG; Maurer, a.a.O., S. 594 FN 1517a). Verfügt der Versi-
cherte dagegen über eine ganze oder teilweise Erwerbsfähig-
keit, steht ihm keine Invalidenrente zu Lasten des Unfall-
versicherers zu, und er bezieht in diesem Umfange keine
anderen Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 84 Abs. 2
Satz 2 UVG (BGE 120 V 139 Erw. 4c/bb). Ebenso entfällt eine
Leistung des Unfallversicherers, wenn der adäquate Kausal-

zusammenhang zwischen Berufskrankheit oder Unfall und Ge-
sundheitsschaden verneint wurde. Vorbehalten bleibt in die-
sem Fall eine allfällige Kürzung der Übergangsentschädigung
gemäss Art. 40 UVG in Verbindung mit Art. 89 Abs. 1 VUV,
wenn eine andere Sozialversicherung Leistungen erbringt.

     4.- a) Der Anspruch auf Übergangsentschädigung ent-
steht indessen nur dann, wenn der Versicherte trotz persön-
licher Beratung, trotz Bezugs von Übergangstaggeld und
trotz des ihm zumutbaren Einsatzes, den ökonomischen Nach-
teil auf dem Arbeitsmarkt wettzumachen, in seinem wirt-
schaftlichen Fortkommen erheblich beeinträchtigt bleibt
(Art. 86 Abs. 1 lit. a VUV). Das Vorliegen ernsthafter
Arbeitsbemühungen durch den Versicherten bildet eine der
Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Übergangsent-
schädigung (RKUV 1995 Nr. U 225 S. 165 Erw. 2b).
     Ferner muss er in einem Zeitraum von zwei Jahren un-
mittelbar vor Erlass der Verfügung oder vor einem medizi-
nisch notwendigen und tatsächlich vollzogenen Wechsel der
Beschäftigung bei einem der Versicherung unterstellten
Arbeitgeber mindestens 300 Tage lang die gefährdende Arbeit
ausgeübt haben (Art. 86 Abs. 1 lit. b VUV). Damit kann an-
genommen werden, dass sich die Berufskrankheit bei diesem
Arbeitgeber entwickelt hat (zur Gesetzmässigkeit dieser
Verordnungsbestimmung vgl. BGE 126 V 363).
     Schliesslich hat er innert zweier Jahre, nachdem die
Verfügung in Rechtskraft erwachsen oder ein Anspruch auf
Übergangstaggeld erloschen ist, beim Versicherer jenes
Arbeitgebers, bei dem er zur Zeit des Erlasses der Verfü-
gung gearbeitet hat, ein entsprechendes Gesuch zu stellen
(Art. 86 Abs. 1 lit. c VUV).

     b) Nach dem Dafürhalten des Beschwerdeführers war er
trotz zumutbaren Einsatzes und persönlicher Beratung auch
nach dem Bezug der Übergangstaggelder in seinem wirtschaft-
lichen Fortkommen erheblich beeinträchtigt. Die Akten zei-

gen indessen ein anderes Bild. Wie dem Bericht des Berufs-
beraters der IV-Stelle über die Abklärung der beruflichen
Eingliederungsmöglichkeiten vom 29. April 1996 zu entnehmen
ist, hatte sich der Versicherte bis dahin nicht um Stellen
bemüht, da er sich grundsätzlich zum Arbeiten nicht fähig
fühlte. Gegenüber dem Inspektor der SUVA hatte er am
18. April 1995 erklärt, er könne keine Erwerbstätigkeit
aufnehmen, selbst wenn er dabei nicht mit Mehlstaub in Kon-
takt komme. Wenn der Beschwerdeführer somit - weit über die
verfügte Beschränkung hinausgehend - meint, nirgendwo mehr
arbeiten zu können, ist dies auf sein subjektives Empfinden
und nicht auf die Nichteignungsverfügung vom 15. September
1994 zurückzuführen. Da die Voraussetzung von Art. 86
Abs. 1 lit. a VUV nicht erfüllt ist, besteht kein Anspruch
auf Übergangsentschädigung.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
     Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 22. April 2002

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der II. Kammer:

                             Die Gerichtsschreiberin: