Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 35/2001
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U 35/01 Gi

                        III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger;
Gerichtsschreiberin Amstutz

                Urteil vom 16. Januar 2002

                         in Sachen

V.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Luzius Hafen, c/o Kupferschmid + Partner, Beethovenstras-
se 24, 8002 Zürich,

                           gegen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Generaldirektion
Schweiz, Rechtsdienst, Alfred-Escher-Strasse 50, 8022
Zürich, Beschwerdegegnerin,

                            und

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

     A.- Mit Verfügungen vom 17. Februar 1999 verneinte die
Zürich Versicherungsgesellschaft (nachfolgend: Zürich) den
Anspruch des 1950 geborenen V.________ auf Rentenleistungen
für die Folgen zweier am 1. August 1994 und am 7. Mai 1996
erlittenen Unfälle, sprach ihm jedoch mit Bezug auf den

ersten Unfall eine Integritätsentschädigung aufgrund einer
Integritätseinbusse von 20 % zu. Daran hielt sie mit Ein-
spracheentscheiden vom 23. April 1999 fest.

     B. Die hiegegen erhobenen Beschwerden, mit welchen
V.________ hatte beantragen lassen, die beiden Einsprache-
entscheide vom 23. April 1999 seien aufzuheben und es seien
ihm gestützt auf weitere medizinische Abklärungen, nament-
lich nach Einholung eines interdisziplinären Gutachtens,
die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen, wies das Versi-
cherungsgericht des Kantons St. Gallen - unter Vereinigung
beider Verfahren - mit Entscheid vom 22. November 2000 ab.

     C.- V.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanz-
lichen Entscheids sei ihm eine Invalidenrente aufgrund ei-
nes Invaliditätsgrades von 75 % zuzusprechen; eventualiter
sei die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit
diese nach Einholung eines umfassenden medizinischen Gut-
achtens über das Leistungsbegehren neu befinde. Ferner er-
sucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
     Die Zürich schliesst auf Abweisung der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Soweit sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen die vorinstanzlich verneinte Leistungspflicht der
Zürich für die Folgen des am 1. August 1994 erlittenen
Unfalls richtet, ist darauf nicht einzutreten, da die
Rechtsschrift diesbezüglich einer sachbezogenen Begründung
entbehrt und ihr auch sinngemäss nicht entnommen werden
kann, welche tatbeständlichen Annahmen der Vorinstanz nach
Auffassung des Beschwerdeführers unrichtig sind und auf

welche Unterlagen er sich beruft (Art. 108 Abs. 2 OG; BGE
123 V 336 Erw. 1a mit Hinweisen). Aus dem selben Grund
nicht einzutreten ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwer-
de, soweit damit sinngemäss die Zusprechung einer Integri-
tätsentschädigung aufgrund der durch den Unfall vom 7. Mai
1996 bedingten Integritätseinbusse beantragt wird.

     2.- Zu prüfen bleibt einzig, ob der Beschwerdeführer
aufgrund der Folgen des Unfalls vom 7. Mai 1996 Anspruch
auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung hat.

     a) Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu dem für
die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten
natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b) und
adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 117 V 359) zwischen einem
Unfall mit Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS) oder
äquivalentem Verletzungsmechanismus ohne organisch nach-
weisbare Funktionsausfälle und eingetretenem Gesundheits-
schaden zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

     b) Fest steht, dass der Beschwerdeführer am 7. Mai
1996 bei einer Auffahrkollision eine Distorsion der Hals-
wirbelsäule (HWS) erlitten hat. Ob die seither anhaltenden
Beschwerden - in erster Linie Kopf- und Nackenschmerzen,
ferner reduzierte Belastbarkeit, Konzentrationsschwierig-
keiten, Gedächtnisprobleme, Schlaflosigkeit und bisweilen
Obstipation - (zumindest teilweise) in einem natürlichen
Kausalzusammenhang zum Unfall vom 7. Mai 1996 stehen, kann
offen bleiben. Denn wie die Vorinstanz in einlässlicher
Würdigung der medizinischen Akten zutreffend erwogen hat,
fehlt es jedenfalls an der Adäquanz des Kausalzusammen-
hangs, welche mangels einer deutlich vorherrschenden psy-
chischen Fehlentwicklung nach dem Unfall gemäss der in BGE
117 V 359 dargelegten Rechtsprechung zu beurteilen ist
(vgl. RKUV 2000 Nr. U 395 S. 317 Erw. 3).

     c) Selbst wenn die Auffahrkollision vom 7. Mai 1996
nicht als leichtes, sondern als mittelschweres Ereignis
eingestuft wird, vermag dies kein abweichendes Ergebnis zu
begründen. Da aufgrund der Aktenlage nichts dafür spricht,
den Unfall den schwereren Fällen im mittleren Bereich oder
gar dem Grenzbereich zu den schweren Unfällen zuzuordnen,
könnte die Adäquanz des Kausalzusammenhangs praxisgemäss
nur dann bejaht werden, wenn einem der hierfür massgebenden
Kriterien besonderes bzw. ausschlaggebendes Gewicht zukommt
oder aber diese in gehäufter oder auffallender Weise er-
füllt sind. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass
vorliegend beides nicht zutrifft, woran die nicht näher
substantiierten Einwände des Beschwerdeführers nichts än-
dern. Nicht stichhaltig ist das Argument des Beschwerdefüh-
rers, das nach dem Unfall verordnete Tragen eines Halskra-
gens sei als ärztliche Fehlbehandlung zu qualifizieren;
eine solche könnte nach der Rechtsprechung nur dann bejaht
werden, wenn diese Behandlungsform zu einer erheblichen
Verschlimmerung der Unfallfolgen beigetragen hätte, worauf
indessen konkret nichts hindeutet. Ebenfalls fehl geht der
Einwand, angesichts der fortdauernden Kopfschmerzen sei das
Kriterium des schwierigen Heilungsverlaufs als erfüllt zu
betrachten. Wäre bei Vorliegen von Dauerbeschwerden notwen-
digerweise von einem schwierigen Heilungsverlauf auszuge-
hen, verlöre dieses Kriterium offenkundig seine eigenstän-
dige Bedeutung, was einer nicht zu rechtfertigenden Milde-
rung der Adäquanzvoraussetzungen gleichkäme. Hinsichtlich
der Dauer der ärztlichen Behandlung ist festzuhalten, dass
nach der ambulanten Spitalversorgung am Unfalltag lediglich
eine Computertomopraphie der HWS durchgeführt wurde (3. Ju-
ni 1996), welche laut Bericht des Dr. med. S.________,
Facharzt FMH für Neurologie, vom 29. Januar 1997 einen un-
auffälligen Befund ergab; die Behandlung beim Chiroprakti-
ker Dr. E.________ begann gemäss dessen Angaben erst im
November 1996 und dauerte - ohne grösseren Erfolg - bis

März 1997 an (Bericht vom 5. August 1997). Den Hausarzt Dr.
med. K.________, Facharzt FMH für Innere Medizin konsul-
tierte der Versicherte zwischen Januar und September 1997
fünf Mal (Bericht des Dr. med. K.________ vom 10. September
1997), wobei ein Zusammenhang mit dem Unfall vom 7. Mai
1996 nicht erstellt ist. Dr. med. H.________, Facharzt FMH
für Neurologie, riet sodann im Bericht vom 29. September
1997 zu einer physikalischen Therapie sowie in medikamentö-
ser Hinsicht zu einer Hydergin-Kur. Am 13. Januar 1998 gab
der Beschwerdeführer gegenüber der Zürich an, er werde vom
Hausarzt weiterhin vor allem medikamentös behandelt, die
chiropraktische Behandlung sei abgeschlossen und aktuell
werde keine Physiotherapie durchgeführt. Ferner ist für die
Zeit vom 4. bis 29. Januar 1999 eine Massage-Therapie ak-
tenmässig erstellt. Da medikamentöse Behandlung bei Dauer-
beschwerden eine übliche Begleitmassnahme darstellt und die
sonstige ärztliche Behandlung längere Unterbrüche erfuhr,
ist das Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztli-
chen Behandlung insgesamt zu verneinen. Schliesslich ist
der Unfall vom 7. Mai 1996 weder durch besonders dramati-
sche Begleitumstände noch durch besondere Eindrücklichkeit
gekennzeichnet; ebensowenig führte er zu einer schweren
oder besonders gearteten Verletzung.
     Gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer nur insoweit,
als das Kriterium der Dauerbeschwerden - wenn auch nicht in
ausgeprägter Weise - als erfüllt zu gelten hat. Entsprech-
endes kann für die durch die gesundheitlichen Folgen des
Unfalls vom 7. Mai 1996 bedingte Arbeitsunfähigkeit ange-
nommen werden. Zwar ist sie hinsichtlich Ausmass und Grad
nicht unbeachtlich; indessen kommt auch diesem Einzelkrite-
rium kein ausschlaggebendes Gewicht zu, was umso mehr gilt,
als die hausärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit
auf 75 % von keinem der beigezogenen Gutachter bestätigt
wird. Sprechen aber lediglich Dauerbeschwerden sowie Grad
und Dauer der Arbeitsunfähigkeit für die Adäquanz des Kau-
salzusammenhangs, kann dem Unfall vom 7. Mai 1996 insgesamt

keine rechtlich massgebende Bedeutung für die Entstehung
der teilweisen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit zugesprochen
werden. Demzufolge ist der Anspruch auf eine Invalidenrente
zu verneinen.

     d) Die im Wesentlichen bereits vorinstanzlich darge-
legten Vorbehalte des Beschwerdeführers gegenüber dem neu-
rologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. med.
X.________, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und
ärztlicher Direktor am neurologischen Rehabilitationszent-
rum J.________ e.V., vom 17. Oktober 1998 vermögen dieses
Ergebnis nicht umzustossen. Zum einen berühren die im Ein-
zelnen geltend gemachten Unzulänglichkeiten den rechtser-
heblichen Sachverhalt - wenn überhaupt - nur am Rande, wes-
halb das Gutachten hinsichtlich der hier zu beurteilenden
Streitfrage seine Beweiskraft behält; die Untersuchungsbe-
funde des Dr. med. X.________ stehen zudem in Einklang mit
den Ergebnissen des neuropsychologischen Zusatzgutachtens
des Dr. D.________, Dipl. Psych., Neurologisches Rehabili-
tationszentrum J.________ e.V., vom 22. Juli 1998. Zum an-
dern würde selbst dann, wenn das Gutachten des Dr. med.
X.________ ausser Acht bleiben müsste, die Adäquanzbeurtei-
lung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Denn
es bliebe auch diesfalls dabei, dass aufgrund der medizini-
schen Aktenlage, namentlich auch gestützt auf das Gutachten
des Dr. med. N.________, Facharzt für orthopädische Chirur-
gie, vom 13. Januar 1999, höchstens zwei der massgebenden
Adäquanzkriterien als erfüllt gelten könnten. Weitere Ab-
klärungen erübrigen sich, da mit Blick auf die Verhältnisse
im massgebenden Zeitpunkt der Einspracheentscheide hievon
keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.

     3.- Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungs-
leistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichts-
kosten zu erheben, weshalb das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten
gegenstandslos ist. Die unentgeltliche Verbeiständung kann
hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art.
135 OG), da die entsprechenden Voraussetzungen (BGE 125 V
202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen) grundsätz-
lich erfüllt sind. Indessen ist die Verwaltungsgerichts-
beschwerde teilweise offensichtlich unzulässig (Erw. 1
hievor) und beschränkt sich im Übrigen weitgehend auf ein
blosses Wiederholen der im vorinstanzlichen Verfahren gel-
tend gemachten Beschwerdegründe, weshalb eine Entschädigung
in reduziertem Umfang zuzusprechen ist. Es wird zudem aus-
drücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach
die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen,
     soweit darauf einzutreten ist.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
     wird Rechtsanwalt Luzius Hafen, Zürich, für das Ver-
     fahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
     aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von
     Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerich-
     tet.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge-
     richt des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für
     Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 16. Januar 2002

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der III. Kammer:

                             Die Gerichtsschreiberin: