Sozialrechtliche Abteilungen U 346/2001
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U 346/01 Ge I. Kammer Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichts- schreiber Fessler Urteil vom 28. Mai 2002 in Sachen S.________, Beschwerdeführer, gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmatt- strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin, und Eidgenössische Rekurskommission für die Unfallversicherung, Lausanne A.- S.________ ist Inhaber der Einzelfirma S.________ Unternehmer, einem der Schweizerischen Unfallversicherungs- anstalt (SUVA) unterstellten Betrieb. Zweck der 1959 im Handelsregister eingetragenen Firma ist u.a. das Führen einer Tankstelle, einer mechanischen Werkstatt, einer Sägerei sowie eines Baugeschäftes, ferner die Ausführung von Bedachungen und Transporten sowie der Handel mit Brennstoffen, Baumaterialien und Kies. Mit Einsprache- entscheid vom 23. Februar 2000 bestätigte die SUVA die am 17. August 1999 verfügte Neueinreihung des Betriebes ab 1. Januar 2000 in die Stufe 14 der Klasse 41A des Prämientarifs. Damit verbunden war eine Erhöhung des Netto-Prämiensatzes für die Berufsunfallversicherung von 4,72 % auf 5,64 %. B.- Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission für die Unfallver- sicherung nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 6. September 2001 ab, soweit sie darauf eintrat. C.- S.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den hauptsächlichen Rechtsbegehren, es seien die Prä- mieneinstufung wieder auf den Stand von 1998 zu reduzieren und die Taggeldleistungen an den früheren Arbeitnehmer M.________ aus der Berechnung zu streichen. Während die SUVA die Abweisung der Verwaltungs- gerichtsbeschwerde beantragt, soweit darauf einzutreten ist, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- Streitgegenstand bildet die Einreihung des Be- triebes des Beschwerdeführers ab 1. Januar 2000 in die Stufe 14 der Klasse 41A des Prämientarifs für die Berufs- unfallversicherung. 2.- Im angefochtenen Entscheid werden die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen über die Bemessung der Prämien in der Berufsunfallversicherung (Art. 92 Abs. 2 und 5 UVG, Art. 113 Abs. 1 UVV sowie Art. 62 Abs. 1 UVG) und deren Konkretisierung durch die SUVA einlässlich dargelegt, des- gleichen Umfang und Inhalt der gerichtlichen Überprüfung im Bestreitungsfalle. In diesem Zusammenhang hält die Rekurs- kommission richtig fest, dass den UVG-Versicherern beim Er- lass von Tarifen ein weiter Ermessensspielraum zusteht, in welchen das Gericht nur mit Zurückhaltung eingreift (RKUV 1998 Nr. U 294 S. 230 Erw. 1c; vgl. auch BGE 112 V 288 oben). Darauf wird verwiesen. 3.- Die Einreihung in die Klasse 41A des Prämientarifs ist nicht bestritten. Ebenfalls ausser Frage steht die Prä- mienberechnung aufgrund des auf den 1. Januar 1995 einge- führten Bonus-Malus-Systems (Risikoerfahrungstarifierung), dessen Gesetzmässigkeit das Eidgenössische Versicherungs- gericht im Übrigen im nicht veröffentlichten Urteil A. vom 24. August 1998 (U 94/98) - sowie im Urteil X. vom 15. Ok- tober 2001 (U 184/01) implizit - bejaht hat. Im Weitern ist von den Berechnungsfaktoren einzig der Taggeldrisikosatz streitig. Die übrigen Faktoren, u.a. (Versicherungs-)Fallhäufigkeit und Gesamtkostenrisikosatz in der massgebenden Beobachtungsperiode 1997/98, werden ebenso wie die Berechnung als solche nicht beanstandet. 4.- a) Gegen den Einbezug des Taggeldrisikos an sich in die Prämienbemessung wird vorgebracht, die hohen Leis- tungen an Taggelder wirkten sich auf die Prämieneinstufung negativ aus. Damit vermag der Beschwerdeführer aber nicht darzutun, inwiefern die Berücksichtigung dieses Gesichts- punktes bei der Prämienberechnung auf der Grundlage des Bo- nus-Malus-Systems den Tarifierungsgrundsätzen widerspricht. In diesem Zusammenhang führt die Rekurskommission im Übri- gen richtig aus, dass eine Tarifposition nicht losgelöst von den übrigen Tarifbestimmungen gewürdigt werden darf, sondern im Gesamtzusammenhang zu beurteilen ist (vgl. BGE 112 V 288 Erw. 3 in fine). b) In masslicher Hinsicht wird vorgebracht, die 1998 an resp. für den ehemaligen Arbeitnehmer M.________ aus- gerichteten Taggelder seien für den hohen Taggeldrisikosatz (161 %) verantwortlich. Dieser habe im Mai 1998 einen Un- fall erlitten und dabei den kleinen Finger der linken Hand verloren. Trotz mehrmaligem Versuch, M.________ in den Ar- beitsprozess einzugliedern, habe er die Wiederaufnahme der Arbeit verweigert. Schliesslich sei ihm am 20. Januar 1999 gekündigt worden. Tatsache sei, dass M.________ hätte ar- beiten müssen und können, wie auch im Bericht der Rehabili- tationsklinik Bellikon vom 19. November 1998 festgehalten werde. Die Taggeldleistungen an M.________ seien daher, sinngemäss da zu Unrecht ausgerichtet, aus der Berechnung des Taggeldrisikosatzes zu streichen. Gemäss Berechnungsunterlagen wurden 1998 insgesamt Fr. 20'904.- an Taggeldern an resp. für M.________ aus- gerichtet. Dies entspricht mehr als 60 % der insgesamt in der Beobachtungsperiode 1997/98 an Betriebsangehörige be- zahlten Taggeldleistungen von Fr. 34'103.- und wirkt sich dementsprechend (erhöhend) auf den Taggeldrisikosatz aus. Diese Kennzahl gibt das prozentuale Verhältnis zwischen Taggeld- und Lohnsumme insgesamt im Vergleich Betrieb/Bran- che wieder (hier: 161 % = [1,76 %/1,09 %] x 100 %; vgl. Ziff. 2.2 des Grundlagenblattes für die Einreihung 2000). Die Taggelder finden sodann zusammen mit weiteren Versiche- rungsleistungen (u.a. Heilkosten, Renten und Kapitalabfin- dungen) auch Eingang in die Berechnung des Gesamtkosten- risikosatzes. aa) Dem Beschwerdeführer ist insoweit beizupflichten, dass bei der Ermittlung des Taggeld- und des Gesamtkosten- Risikosatzes grundsätzlich nur Versicherungsleistungen be- rücksichtigt werden dürfen, auf die das Gesetz Anspruch gibt, die also zu Recht ausgerichtet worden sind. Mit deren förmlichen oder auch formlosen Zusprechung durch den Un- fallversicherer oder im Beschwerdefall das kantonale Ver- sicherungsgericht (Art. 106 UVG) oder das Eidgenössische Versicherungsgericht (Art. 110 UVG) ist diese Frage indes- sen rechtskräftig entschieden. Daran ist das Gericht im Streit betreffend die Einreihung in den Prämientarif gebun- den. Der allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsatz, wonach der Entscheid der zuständigen Behörde über Vorfragen aus einem anderen Rechtsgebiet für das mit einer Streitsache befasste Gericht verbindlich ist (vgl. BGE 115 V 7 oben so- wie RKUV 1991 Nr. U 119 S. 48 Erw. 7b; Gygi, Bundesverwal- tungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 97 oben), gilt auch hier. Dabei sind Ausnahmen aus Gründen der Rechtssicherheit, ins- besondere Vermeidung widersprüchlicher Erkenntnisse, ledig- lich im Falle der Nichtigkeit des fraglichen Entscheides, welche jederzeit festgestellt werden kann und muss (BGE 121 III 144 Erw. 2, 115 Ia 4 Erw. 3 mit Hinweisen), zugelassen (Moor, Droit administratif I, 2. Aufl., S. 279 sowie Rhi- now/Koller/Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizver- fassungsrecht des Bundes, S. 177 Rz 919 f. mit Hinweisen). Dass dem Arbeitgeber in Leistungsstreitigkeiten im Rahmen seiner Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324b OR ein Beschwerderecht zusteht, wenn der Versicherer seine Leis- tungspflicht verneint (vgl. RKUV 1989 Nr. U 73 S. 239 mit Hinweis), ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. bb) Dieser Rechtsauffassung ist auch die Vorinstanz, welche die Einwendungen gegen die Berücksichtigung der 1998 an resp. für M.________ ausgerichteten Taggelder bei Be- rechnung der betrieblichen Risikoprämien gemäss Bonus-Ma- lus-System verworfen hat, dies u.a. mit der Begründung, die Frage der Rechtmässigkeit dieser Leistungen im Rahmen der Einreihung des Betriebes in den Prämientarif aufwerfen zu können, bedeute, den Inhalt einer bereits ergangenen Verfügung erneut zum Verfahrensgegenstand zu machen. Zudem hätte, so die Rekurskommission weiter, im Bestreitungsfalle die Überprüfung durch eine Instanz zu erfolgen, der im Leistungsbereich keine Rechtsprechungsbefugnis zukomme (vgl. Art. 109 UVG). Mit der Vorinstanz ist zwar nicht zu verkennen, dass einzelne Unfälle von Betriebsangehörigen direkt die Prämie beeinflussen können und daher der Arbeitgeber ein Interesse daran hat, sich zu den dadurch ausgelösten Leistungen zu äussern. Über die rechtliche Ausgewiesenheit wird indessen mit deren Zusprechung durch den Unfallversicherer (oder im Beschwerdefall das Gericht) entschieden. Es kommt dazu, wie die Rekurskommission richtig erkannt hat, dass Unfallversicherer und Arbeitgeber sowohl in Bezug auf die medizinisch korrekte Beurteilung und die zügige Führung und Erledigung eines Falles, als auch und insbesondere, was die Wiederaufnahme einer Ar- beitstätigkeit betrifft, die gleichen Interessen haben. cc) Gegen die Überprüfung der materiellen Richtigkeit der für die Prämienbemessung bedeutsamen Versicherungsleis- tungen im Rahmen eines Streites betreffend die Einreihung eines Betriebes in den Prämientarif spricht schliesslich, dass eine solche in der Regel den Beizug des medizinischen Dossiers des Arbeitnehmers erforderte, in welches auch der Arbeitgeber Einsicht nehmen könnte. Angesprochen ist das in Art. 98 UVG geordnete verfahrensrechtliche Akteneinsichts- recht (unveröffentlichtes Urteil M. vom 16. September 1999 [C 418/98] mit Hinweis auf BGE 123 II 534; vgl. auch BBl 2000 264). Das Geheimhaltungsinteresse des Arbeitnehmers ist nun aber höher zu bewerten als das Interesse des Ar- beitgebers an der Überprüfung der Rechtmässigkeit der Leis- tungszusprechung und -ausrichtung im Verfahren der Einrei- hung in den Prämientarif, zumal der Unfallversicherer, wie in Erw. 4b/bb dargelegt, nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften leisten darf und mit grundsätzlich demselben Interesse die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen vor- genommen hat. dd) Soweit im Entscheid über die Versicherungsleistun- gen nicht dispositivmässig Feststellungen getroffen werden, dürfte eine Bindungswirkung entfallen. Ob die Rekurskommis- sion etwa die Qualifikation als Berufsunfall oder die Zu- ordnung der Kosten zu einem bestimmten Arbeitgeber überprü- fen könnte, wie sie dafür hält, kann vorliegend aber offen gelassen werden. c) Nach dem Gesagten ist der angefochtene Entscheid rechtens, insbesondere auch soweit er feststellt, dass in Streitigkeiten betreffend die Einreihung eines Betriebes in den Prämientarif für die Berufsunfallversicherung die Rechtmässigkeit von für die Prämienbemessung bedeutsamen Versicherungsleistungen einer gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich nicht zugänglich ist. 5.- Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Ge- richtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. II. Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden dem Beschwer- deführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvor- schuss verrechnet. III. Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission für die Unfallversicherung und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. Luzern, 28. Mai 2002 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: