Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 340/2001
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U 340/01 Gr

                        II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und nebenamtlicher
Richter Maeschi; Gerichtsschreiber Schmutz

                 Urteil vom 18. März 2002

                         in Sachen

"Zürich" Versicherungs-Gesellschaft, Generaldirektion
Schweiz, Talackerstrasse 1, 8152 Opfikon, Beschwerde-
führerin,
                           gegen

H.________, 1966, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Schwanenplatz 4,
6004 Luzern,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

     A.- H.________, geboren 1966, ist als Krankenschwester
im Alters- und Pflegeheim Z.________ angestellt und bei der
Zürich Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden Zürich)
obligatorisch für die Folgen von Unfällen und Berufskrank-
heiten versichert. Am 20. Mai 1997 erlitt sie einen Ver-
kehrsunfall, als ein entgegenkommender Personenwagen ins
Schleudern geriet und mit ihrem Fahrzeug zusammenstiess.

Sie zog sich dabei ein Distorsionstrauma der Halswirbel-
säule (HWS) sowie eine Thoraxkontusion zu. Im Spital
X.________, wo sich die Versicherte bis zum 22. Mai 1997
aufhielt, wurden keine neurologischen Ausfälle festge-
stellt. Die weiterbestehenden Nackenschmerzen und Verspan-
nungen im Bereich der HWS besserten sich nach ambulanter
Physiotherapie, sodass die Arbeit ab 21. Juli 1997 zu 50 %
und ab 29. September 1997 wieder voll im Rahmen der bishe-
rigen Tätigkeit von 80 % aufgenommen werden konnte. Anläss-
lich einer ärztlichen Konsultation vom 13. August 1998 gab
die Versicherte an, ohne Therapie wieder vermehrt an
Nacken- und Schulterbeschwerden zu leiden. Der behandelnde
Arzt Dr. med. S.________ fand keine wesentlichen objektiven
Befunde und schlug eine vertrauensärztliche Untersuchung
vor. Nach einer Untersuchung der Versicherten durch Prof.
Dr. med. V.________, erliess die Zürich am 10. Februar 2000
eine Verfügung, mit welcher sie die Übernahme der Heilbe-
handlungskosten auf den 15. Februar 2000 einstellte, eine
Integritätsentschädigung von 8 % zusprach und den Rentenan-
spruch mangels einer Invalidität verneinte. Nachdem die
Versicherte einspracheweise eine Verletzung der Mitwir-
kungsrechte in Zusammenhang mit der Beurteilung durch Prof.
Dr. med. V.________ gerügt hatte, teilte ihr die Zürich
mit, dass eine rheumatologische Begutachtung durch Dr. med.
C.________, Spital Y.________, vorgesehen sei. Vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. iur. Häfliger, Luzern, lehnte die
Versicherte die Begutachtung sinngemäss mit der Begründung
ab, dass ein neurologisches und nicht ein rheumatologisches
Gutachten einzuholen sei. Mit Schreiben vom 11. April 2000
hielt die Zürich an der vorgesehenen rheumatologischen
Begutachtung durch Dr. med. C.________ fest und wies darauf
hin, dass bei einer Weigerung auf Grund der Akten entschie-
den und die Einsprache abgewiesen werde. Am 12. April 2000
liess sich die Versicherte dahin vernehmen, dass an der
Ablehnung von Dr. med. C.________ festgehalten werde. Mit
Entscheid vom 30. August 2000 wies die Zürich die Einspra-
che mit der Begründung ab, dass keine Ablehnungsgründe vor-
gebracht würden, die Versicherte ihrer Mitwirkungspflicht

nicht nachgekommen sei und auf Grund der Akten zu entschei-
den sei, wobei die Folgen der Beweislosigkeit von der Ver-
sicherten zu tragen seien.

     B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher die
Versicherte geltend machen liess, es bestehe Anspruch auf
eine neurologische anstelle einer rheumatologischen Abklä-
rung und es hätte über das Ablehnungsbegehren verfügungs-
weise entschieden werden müssen, wurde vom Verwaltungsge-
richt des Kantons Luzern mit Entscheid vom 12. September
2001 in dem Sinne gutgeheissen, dass der Einspracheent-
scheid vom 30. August 2000 aufgehoben und die Sache an die
Zürich zurückgewiesen wurde, damit sie die Versicherte
unter Androhung der Rechtsfolgen nochmals auffordere, sich
der (zu Recht angeordneten) rheumatologischen Begutachtung
durch Dr. med. C.________ zu unterziehen, und alsdann über
die Einsprache neu entscheide.

     C.- Die Zürich führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuhe-
ben und es sei der Einspracheentscheid vom 30. August 2000
zu bestätigen. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorge-
bracht, die Androhung der Rechtsfolgen sei ordnungsgemäss
erfolgt und es seien die Voraussetzungen zu einem Aktenent-
scheid erfüllt gewesen.
     H.________ lässt sich mit dem Antrag auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und der Feststellung verneh-
men, dass sie nunmehr bereit sei, sich dem von der Zürich
verlangten rheumatologischen Gutachten zu unterziehen. Die
zur Vernehmlassung beigeladene CSS Versicherung verzichtet
auf eine Stellungnahme. Das Bundesamt für Sozialversiche-
rung lässt sich nicht vernehmen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Ausstands- und Ablehnungsgründe im Sinne von
Art. 19 VwVG in Verbindung mit Art. 58 BZP richten sich
gegen die Person des Gutachters, indem dessen Unbefangen-
heit, Unparteilichkeit oder Fachkenntnisse in Frage
gestellt werden (vgl. BGE 120 V 364 Erw. 3a; RKUV 1999
S. 193). Solche Gründe hat die Beschwerdegegnerin nicht
vorgebracht, sondern lediglich geltend gemacht, es sei ein
rheumatologisches anstelle eines neurologischen Gutachtens
in Auftrag zu geben. Soweit die Beschwerdegegnerin formell
ein Ablehnungsbegehren stellte, hat die Vorinstanz dieses
zu Recht abgewiesen.

     b) Rechtsprechungsgemäss hat der Unfallversicherer den
Beschluss, mit welchem er von der versicherten Person gel-
tend gemachte Ablehnungsgründe gegenüber einer mit einem
Gutachten beauftragten sachverständigen Person verneint, in
Form einer anfechtbaren Verfügung zu erlassen, da damit
direkt in die Rechtsstellung der versicherten Person einge-
griffen wird (RKUV 1997 Nr. U 284 S. 333). Ob an dieser
Rechtsprechung vor dem Hintergrund der im Bereich der Inva-
lidenversicherung vorgenommenen Praxisänderung (BGE 125 V
406 f. Erw. 4c und d), wonach die von der IV-Stelle
beschlossene Anordnung einer Begutachtung keinen Verfü-
gungscharakter aufweist und damit nicht selbstständig
anfechtbar ist, noch festgehalten werden kann, braucht vor-
liegend nicht entschieden zu werden. Denn es geht hier
nicht um Ausstands- oder Ablehnungsgründe, sondern um die
Frage, aus welcher medizinischen Fachrichtung ein Gutachten
eingeholt werden sollte. Darüber hat der Unfallversicherer
im Rahmen der Sachverhaltsabklärung zu entscheiden (Art. 47
UVG; vgl. hiezu RKUV 1998 Nr. U 313 S. 476 Erw. 2b) und
über allfällige Einwendungen im Beweisverfahren zu befin-
den; eines Entscheids in Verfügungsform bedarf es diesbe-
züglich nicht (Urteil Sch. vom 30. November 2001, U 338/99,
Erw. 3b).

     2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Zürich befugt
war, auf Grund der vorhandenen Akten zu entscheiden, nach-
dem die Versicherte die in Aussicht genommene rheumatologi-
sche Untersuchung verweigert hatte.

     a) Nach Art. 47 Abs. 3 UVG haben der Versicherte oder
seine Hinterlassenen sowie sein Arbeitgeber bei den Abklä-
rungen mitzuwirken und alle erforderlichen Auskünfte wahr-
heitsgetreu und unentgeltlich zu geben. Wenn der Versicher-
te oder seine Hinterlassenen die Aufklärung des Sachverhal-
tes erheblich erschweren, so kann der Versicherer von wei-
teren Erhebungen absehen und auf Grund der Akten entschei-
den. Art. 59 UVV schreibt vor, dass der Versicherer, wel-
cher von weiteren Erhebungen absieht, weil der Versicherte
oder seine Hinterlassenen die Klärung des Unfallsachverhal-
tes oder der Unfallfolgen oder die Ermittlung des Invalidi-
tätsgrades oder der Versicherungsleistungen erheblich
erschweren, dies dem Betroffenen zuvor androhen und eine
angemessene Frist zur Mitwirkung anzusetzen hat. Nach der
Rechtsprechung hat die schriftliche Mahnung nicht Verfü-
gungscharakter (RKUV 1997 Nr. U 284 S. 331).

     b) Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz ist die
Zürich den Anforderungen von Art. 59 UVV nachgekommen,
indem sie dem Rechtsvertreter der Versicherten nach deren
Weigerung, sich rheumatologisch untersuchen zu lassen, mit
Schreiben vom 11. April 2000 mitgeteilt hatte, dass an der
Begutachtung durch Dr. med. C.________ festgehalten werde
und er bis zum 11. Mai 2000 mitzuteilen habe, ob sich die
Versicherte der vorgesehenen Begutachtung unterziehe. Die
Aufforderung enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass bei
einer Weigerung auf Grund der Akten entschieden und die
Einsprache abgewiesen werde. Die Zürich hat damit den
Anforderungen von Art. 59 UVV Rechnung getragen. Zu einer
verfügungsweisen Androhung der Rechtsfolgen war sie nach
dem Gesagten nicht verpflichtet. Die vorinstanzliche Rück-
weisung der Sache wegen Verletzung von Art. 59 UVV erweist
sich damit als unzutreffend, weshalb der angefochtene Ent-
scheid aufzuheben ist.

     3.- Zu prüfen bleibt, ob die Verweigerung der Leistun-
gen gemäss Einspracheentscheid vom 30. August 2000 zu Recht
besteht.

     a) Der Zürich ist darin beizupflichten, dass sich der
Leistungsanspruch auf Grund der vorhandenen medizinischen
Akten nicht zuverlässig beurteilen lässt und es entgegen
der Auffassung der Versicherten keines neurologischen, son-
dern eines rheumatologischen Gutachtens bedurfte. Nachdem
schon die Ärzte des Spitals X.________ keine neurologischen
Ausfälle festgestellt hatten, fand auch der vom behandeln-
den Arzt Dr. med. M.________ beigezogene Neurologe Dr. med.
W.________, Klinik Z.________, keine relevanten neurologi-
schen Befunde und zog eine muskuläre Ursache (Myogelose)
der bestehenden Beschwerden in Betracht (Bericht vom 27.
August 1999). Die Zürich hat bei dieser Sachlage zu Recht
von einer neurologischen Begutachtung abgesehen und ein
rheumatologisches Gutachten angeordnet. Es ist ihr auch
darin zu folgen, dass ohne diese Abklärung über den Leis-
tungsanspruch nicht entschieden werden kann und die Versi-
cherte die Folgen der Beweislosigkeit hinsichtlich der
Unfallkausalität der Beschwerden zu tragen hat (BGE 107 V
163 Erw. 3a mit Hinweisen; RKUV 1997 Nr. U 284 S. 331).

     b) Zu weiteren Abklärungen war die Vorinstanz nicht
gehalten. Zwar darf das kantonale Sozialversicherungsge-
richt nicht ohne weiteres auf die (unvollständigen) Akten
abstellen, wenn der Unfallversicherer über den Leistungs-
anspruch nach Art. 47 Abs. 3 Satz 2 UVG und Art. 59 UVV
entschieden hat. Denn diese Bestimmungen schränken die
Pflicht des Gerichts gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. c UVG, die
erheblichen Tatsachen festzustellen und notwendigen Beweise
zu erheben, nicht ein. Das Sozialversicherungsgericht hat
den Sachverhalt daher von Amtes wegen abzuklären und gege-
benenfalls eine ärztliche Expertise zu veranlassen, wobei
es ein Gerichtsgutachten in Auftrag geben oder die Sache
zur Anordnung einer Begutachtung an den Versicherer zurück-

weisen kann (RKUV 2001 Nr. U 414 S. 90 Erw. 4b mit Hinweis;
vgl. auch Maurer, Schweiz. Unfallversicherungsrecht, S. 225
f.). Zur Anordnung eines Gutachtens oder zur Rückweisung
der Sache an den Unfallversicherer ist das Gericht jedoch
nur verpflichtet, wenn der Versicherte im Beschwerdeverfah-
ren zu erkennen gibt, dass er nunmehr bereit ist, sich der
angeordneten Abklärung zu unterziehen, oder wenn sich der
rechtserhebliche Sachverhalt ohne besondern Aufwand anders-
wie feststellen lässt (vgl. zum Verwaltungsverfahren BGE
108 V 231 f.). Dies war hier jedoch nicht der Fall.

     c) In der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbe-
schwerde erklärt sich die Beschwerdegegnerin nunmehr aus-
drücklich bereit, sich der verlangten rheumatologischen
Untersuchung zu unterziehen. Es rechtfertigt sich daher,
die Sache unter Aufhebung des Einspracheentscheids an die
Zürich zurückzuweisen, damit sie die erforderliche Abklä-
rung nachhole und über den Leistungsanspruch neu ent-
scheide.

     4.- Da der Entschädigungsanspruch der obsiegenden
Partei der gesetzlichen Einschränkung des Art. 156 Abs. 6
OG unterliegt, wonach unnötige Kosten zu bezahlen hat, wer
sie verursacht, steht der Versicherten vor der Vorinstanz
keine Parteikostenentschädigung zu, obwohl die Sache zu-
rückgewiesen wird (vgl. BGE 125 V 373).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
     der vorinstanzliche Entscheid vom 12. September 2001
     aufgehoben.

 II. Der Einspracheentscheid vom 30. August 2000 wird auf-
     gehoben und es wird die Sache an die Zürich Versiche-
     rungs-Gesellschaft zurückgewiesen, damit sie im Sinne
     der Erwägungen vorgehe.

III. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrecht-
     liche Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherung
     und der CSS Versicherung zugestellt.

Luzern, 18. März 2002
                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                           Der Präsident der II. Kammer:

                               Der Gerichtsschreiber: