Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 296/2001
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U 296/01

Urteil vom 16. September 2002
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Ackermann

L.________, 1952, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-anwalt Dr.
Domenico Acocella, Herrengasse 3, 6430 Schwyz,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstras-  se 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Trogen

(Entscheid vom 20. Juni 2001)

Sachverhalt:

A.
L. ________, geboren 1952, arbeitete von Dezember 1979 bis Ende April 1994
als Maschinist für die Firma H.________ AG, und war bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unfallversichert. Die auf Meldung von
Dezember 1993 hin vorgenommenen medizinischen Abklärungen ergaben ein Asthma
bronchiale, Extrinsic-Typ, einen funktionellen exspiratorischen
Laryngospasmus, eine primäre Hyperventilation sowie ein chronisches
Lumbovertebral- und Cervicovertebral-Syndrom (Gutachten der Klinik D.________
vom 23. März 1994), worauf die SUVA am 25. Juli 1994 eine
Nichteignungsverfügung für alle Arbeiten mit Exposition zu Gummilösungen und
Lösungsmitteln erliess. Nachdem vom 22. November 1994 bis zum 21. März 1995
Übergangstaggelder ausgerichtet worden waren, sprach die SUVA L.________ von
April 1995 bis März 1999 jährlich eine Übergangsentschädigung zu. Das Gesuch
um Zusprechung einer Invalidenrente und einer Integritätsentschädigung wurde
- nach Vornahme medizinischer Abklärungen (u.a. Gutachten der Klinik
D.________ vom 30. März 2000) - mit Verfügung vom 17. April 2000 abgewiesen,
da kein Kausalzusammenhang zwischen der Berufskrankheit und den geklagten
Beschwerden bestehe, was durch Einspracheentscheid vom 25. Juli 2000
bestätigt wurde.

B.
Die von L.________ - unter Beilage zweier Arztberichte - gegen den
Einspracheentscheid der SUVA erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 20. Juni 2001 ab.

C.
L.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides
seien ihm eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung von je
mindestens 50 % zu gewähren.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat den Begriff der Berufskrankheit (Art. 9 UVG), die
Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b) und
adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 125 V 461 Erw. 5a mit Hinweisen) zwischen
dem Gesundheitsschaden und einem versicherten Ereignis zutreffend dargelegt.
Die Vorinstanz hat ebenfalls richtig erwogen, dass die Rechtsprechung zur
Adäquanz von psychischen Fehlentwicklungen nach Unfällen (BGE 115 V 133) bei
psychischen Störungen im Zusammenhang mit Berufskrankheiten nicht analog
anwendbar ist, sondern dass die Adäquanz danach zu beurteilen ist, ob die
Berufskrankheit oder Geschehnisse in deren Zusammenhang nach dem gewöhnlichen
Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind,
psychische Störungen der aufgetretenen Art zu verursachen (BGE 125 V 464 Erw.
5d und e). Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig ist, ob die geklagten Beschwerden (Asthma und psychisch indizierte
Hyperventilation) auf die 1994 diagnostizierte Berufskrankheit zurückzuführen
sind.

2.1 Die Vorinstanz geht davon aus, dass die aktuellen asthmatischen
Beschwerden auf die (von der Klinik D.________ im März 1994 und März 2000
diagnostizierte) Hausstauballergie zurückzuführen seien, während der
Beschwerdeführer der Auffassung ist, dass das Berufsasthma mindestens
teilweise eine Ursache der geklagten Gesundheitsprobleme darstelle.

Erstellt und unbestritten ist, dass die berufliche Exposition zu
Gummilösungen und Lösungsmitteln 1993/94 ein Asthma bronchiale ausgelöst hat,
welches als Berufskrankheit im Rechtssinn zu gelten und zu einer
Nichteignungsverfügung der SUVA geführt hat. Die Klinik D.________ erachtet
nun einerseits im Gutachten vom 30. März 2000 einen Einfluss des
Berufsasthmas auf das aktuelle Asthmageschehen "als höchstens möglich", womit
der im Sozialversicherungsrecht massgebende Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b) für das Vorliegen einer
Teilkausalität nicht erreicht wäre, so dass kein Kausalzusammenhang zwischen
der Berufskrankheit und dem aktuellen Asthmaleiden nachgewiesen ist.
Andererseits wird in der gleichen Expertise unter dem Titel "Beurteilung"
festgehalten, dass der "Anteil der beruflichen Asthmakomponente, 5 1/2 Jahre
nach Expositionsstopp, an der aktuellen pulmonalen Problematik als gering"
eingestuft wird. Träfe diese Einschätzung tatsächlich zu, stellte die
Berufskrankheit (entgegen den vorher erwähnten Schlussfolgerungen) eine -
wenn auch geringe, aber rechtsprechungsgemäss genügende - Teilursache des
heute geklagten Asthmaleidens dar und würde (bei Vorliegen der weiteren
Voraussetzungen) grundsätzlich einen Anspruch auf - allenfalls gekürzte (Art.
36 UVG) - Versicherungsleistungen verleihen. Das Verhältnis der beiden
wiedergegebenen Gutachteräusserungen lässt sich im Rahmen der Beweiswürdigung
nicht klären. Daher kann nicht abschliessend auf die Beurteilung der Klinik
D.________ abgestellt werden (vgl. BGE 125 V 352 Erw. 3a). Die SUVA wird
deshalb bei der Klinik D.________ rückfragend abzuklären haben, ob ein
Widerspruch oder bloss ein Missverständnis im Gutachten vorliegt. Erst auf
einer solchen ergänzenden Beweisgrundlage lässt sich die entscheidende Frage
beantworten, ob der als gering eingestufte Kausalanteil der Berufskrankheit
am Beschwerdebild wahrscheinlich oder bloss möglich ist.

2.2 Im Weiteren leidet der Beschwerdeführer an psychischen Problemen, welche
sich in hypofunktioneller Dysphonie (F44.4 nach ICD-10) und einer
funktionellen Überlagerung in Form einer chronischen Hyperventilation
äussern. Gemäss Gutachten der Klinik D.________ vom 30. März 2000 hat die
Berufskrankheit die chronische Hyperventilation höchstens möglicherweise
ausgelöst, während das vorinstanzlich eingereichte und zu Handen der
Invalidenversicherung erstellte Gutachten der Psychiatrischen Klinik
X.________ vom 10. August 2000 davon ausgeht, dass sich nicht schlüssig
nachweisen lasse, welche Ursache letztlich ausschlaggebend sei.

Die Frage, ob das Berufsasthma Auslöser und damit Teilursache der geklagten
psychischen Beschwerden ist, d.h. ob die natürliche Kausalität vorliegt, kann
jedoch offen bleiben, weil diesbezüglich bereits die - ebenfalls
erforderliche - Adäquanz verneint werden muss (SVR 1995 Nr. UV 23 S. 68 Erw.
3c). Diese bestimmt sich bei Berufskrankheiten nach der allgemeinen
Adäquanzformel und nicht nach der Rechtsprechung zur Adäquanz von psychischen
Fehlentwicklungen nach Unfällen gemäss BGE 115 V 133 (BGE 125 V 456). Somit
gilt ein Ereignis dann als adäquate Ursache eines Erfolges, wenn es nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich
geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der
Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt
erscheint (BGE 125 V 461 Erw. 5a mit Hinweisen), wobei auf eine weite
Bandbreite von Versicherten abzustellen ist (BGE 125 V 463 Erw. 5c).

Gemäss Bericht der Klinik D.________ vom 23. März 1994 lag beim Versicherten
"keine pulmonal bedingte medizinisch-theoretische Invalidität vor" und es
bestand - für Tätigkeiten ohne Inhalationsnoxen - eine Arbeitsfähigkeit im
bisherigen Rahmen. Der SUVA-Arzt Dr. med. Y.________ berichtete, dass neun
Monate nach Ende der Exposition zu Gummilösungen und Lösungsmitteln normale
Lungenfunktionswerte vorlagen, so dass im Rahmen der Nichteignungsverfügung
von einer vollen Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden konnte (Bericht vom 1.
Dezember 1994); im Weiteren lagen diverse weitere Faktoren vor, die Einfluss
auf die Nichtwiederaufnahme der Arbeit hatten (insb. Rücken- und
Nackenschmerzen, soziale und persönliche Situation und schliesslich auch die
Weigerung des Versicherten, eine angebotene Stellung in der bisherigen Firma
zu übernehmen, da sie mit Nachtarbeit verbunden war). In Anbetracht dieser
Umstände tritt das Berufsasthma für die geklagten psychischen Beschwerden
wertungsmässig in den Hintergrund. Der adäquate Kausalzusammenhang setzt
stets voraus, dass der Unfall (oder die Berufskrankheit) eine wesentliche
Teil-ursache des psychischen Gesundheitsschadens darstellt. Dies bedeutet,
dass dem versicherten Ereignis für die Entstehung einer psychisch bedingten
Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit eine massgebende Bedeutung zukommen muss, was
dann zutrifft, wenn es objektiv eine gewisse Schwere aufweist oder mit andern
Worten ernsthaft ins Gewicht fällt (BGE 115 V 141 Erw. 7 mit Hinweisen; RKUV
1996 Nr. U 264 S. 288 Erw. 3b). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Somit ist
die vorliegende Berufskrankheit nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der
allgemeinen Lebenserfahrung an sich nicht geeignet, die geklagten
Beschwer-den herbeizuführen und die letzteren erscheinen durch die
Berufskrankheit auch nicht als begünstigt. Für die psychischen Leiden
entfallen Unfallversicherungs-leistungen.

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Angesichts des Verfahrensausgangs
hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung
(Art. 159 Abs. 3 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen,
dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden vom 20.
Juni 2001 und der Einspracheentscheid der SUVA vom 25. Juli 2000, soweit die
asthmatischen Beschwerden betreffend, aufgehoben werden, und es wird die
Sache an die SUVA zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Aktenergänzung im
Sinne der Erwägungen, über die Leistungsberechtigung neu verfüge. Im Übrigen
wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die SUVA hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung in Höhe von Fr.
1'000.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden wird über eine
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letzt-instanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 16. September 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: