Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 262/2001
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U 262/01 Gi

                        II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
Ursprung; Gerichtsschreiberin Kopp Käch

                 Urteil vom 24. Juni 2002

                         in Sachen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstras-
se 1, 6004 Luzern, Beschwerdeführerin,

                           gegen

N.________, 1951, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat
Dr. Marco Biaggi, Picassoplatz 8, 4052 Basel,

                            und

Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal

     A.- Der 1951 geborene N.________ hatte gemäss Meldung
vom 4. Dezember 1992 am 25. Juni 1992 während der Arbeit
einen Unfall erlitten und sich an beiden Knien verletzt.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) hatte
am 28. Dezember 1992 grundsätzlich ihre Leistungspflicht
anerkannt und Heilkosten- sowie Taggeldleistungen erbracht.

     Wegen beidseitiger Kniebeschwerden liess der Versi-
cherte der SUVA am 30. Dezember 1994 einen Rückfall melden.
Nach einer kreisärztlichen Untersuchung vom 31. Januar
1995, arthroskopischen Eingriffen an beiden Kniegelenken im
März 1995 sowie einer Beurteilung durch ihren orthopädi-
schen Chirurgen Dr. med. M.________ vom 23. Mai 1995 lehnte
die SUVA die Leistungspflicht für den Rückfall mangels
rechtsgenüglichen Nachweises des natürlichen Kausalzusam-
menhangs am 9. Juni 1995 verfügungsweise ab. An ihrem
Standpunkt hielt sie mit Einspracheentscheid vom 22. No-
vember 1995 fest.
     Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versiche-
rungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom
12. Februar 1997 ab, dies ohne N.________ den in diesem
Verfahren von der SUVA aufgelegten Arztbericht des Dr. med.
X.________, vom 9. Februar 1996 zuzustellen. In Gutheissung
der dagegen eingereichten Verwaltungsgerichtsbeschwerde hob
das Eidgenössische Versicherungsgericht den vorinstanzli-
chen Entscheid mit Urteil vom 27. November 1997 auf und
wies die Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und zu
neuer Beurteilung an das kantonale Gericht zurück.

     B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Land-
schaft holte ein medizinisches Gutachten des PD Dr. med.
F.________, Chefarzt der Klinik für Orthopädische Chirurgie
und Traumatologie des Bewegungsapparates des Spitals
Y.________, ein. Aufgrund der im Gutachten vom 8. Februar
2000 enthaltenen Schlüsse zog N.________ die Beschwerde mit
Schreiben vom 10. Mai 2000 zurück und beantragte die Zu-
sprechung einer vollen, eventuell einer reduzierten Partei-
entschädigung zu Lasten der SUVA. Das kantonale Gericht
schrieb das Beschwerdeverfahren mit Entscheid vom 23. Mai
2001 ab und sprach N.________ zu Lasten der SUVA eine Par-
teientschädigung von Fr. 6000.- zu.

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die
SUVA die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, soweit
damit eine Parteientschädigung zugesprochen werde, eventua-
liter die Reduktion der Parteientschädigung nach richterli-
chem Ermessen.
     N.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversi-
cherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Streitig und zu prüfen ist die durch die Vorin-
stanz zugesprochene Parteientschädigung.
     Da es sich beim angefochtenen Entscheid nicht um die
Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu
prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt
hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Er-
messens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offen-
sichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist
(Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG).

     2.- Gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. g UVG hat der obsie-
gende Beschwerdeführer Anspruch auf den vom Gericht fest-
gesetzten Ersatz der Parteikosten, wobei diese ohne Rück-
sicht auf den Streitwert nach dem zu beurteilenden Sachver-
halt und der Schwierigkeit des Prozesses bemessen werden.
      Im Unterschied zu andern Sozialversicherungszweigen
mit bundesrechtlich garantiertem Anspruch auf Parteient-
schädigung (vgl. Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG, Art. 69 IVG,
Art. 7 Abs. 2 ELG, Art. 24 EOG, Art. 22 Abs. 3 FLG) enthält
das UVG weitergehende bundesrechtliche Vorschriften betref-

fend die Bemessung der Parteientschädigung. Daraus folgt,
dass das Eidgenössische Versicherungsgericht im Bereich der
Unfallversicherung als Frage des Bundesrechts frei prüft,
ob der vorinstanzliche Entscheid den durch Art. 108 Abs. 1
lit. g UVG eingeräumten grundsätzlichen Anspruch auf Par-
teientschädigung verletzt und ob der Entscheid hinsichtlich
der - andernorts allein dem kantonalen Recht überlassenen -
Bemessung der Parteientschädigung den bundesrechtlichen An-
forderungen gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. g UVG genügt. Darü-
ber hinaus hat das Eidgenössische Versicherungsgericht
praktisch lediglich zu prüfen, ob die Höhe der Parteient-
schädigung vor dem Willkürverbot standhält (BGE 117 V 405
Erw. 2a mit Hinweisen).

     3.- a) Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid
dargelegt, der Versicherte habe sein Rechtsmittel vorbe-
haltlos zurückgezogen, da die Beschwerde aufgrund des Er-
gebnisses des Gutachtens vom 8. Februar 2000 als aussichts-
los erscheine. Er sei somit grundsätzlich als unterliegende
Partei zu betrachten, die keine Parteientschädigung bean-
spruchen könne. Da er jedoch geltend mache, die Beschwerde
wäre gar nie erhoben worden, wenn die SUVA ihren Entscheid
auf ein solches Gutachten abgestützt hätte, sei entschei-
dend, ob das Verfahren effektiv aufgrund der (ungenügenden)
Sachverhaltsabklärungen der SUVA notwendig gewesen sei. Das
kantonale Gericht kam zum Schluss, die von ihm vorgenommene
Ergänzung der Sachverhaltsabklärung zeige - unabhängig von
ihrem Ergebnis - auf, dass der Sachverhalt durch die SUVA
in einem zentralen Punkt ungenügend eruiert worden sei. Dem
Versicherten sei demzufolge eine Parteientschädigung zuzu-
sprechen, die jedoch - um dem Unterliegerprinzip Rechnung
zu tragen - reduziert werde.

     b) Die SUVA wendet ein, der Beschwerderückzug werde
grundsätzlich einem Unterliegen im Prozess gleichgestellt.
Ein Ausnahmefall, in welchem die Prozessaussichten eine an-

dere Lösung rechtfertigen würden, liege nicht vor. Das ein-
geholte Gutachten sei zum Schluss gekommen, dass die SUVA
eine Leistungspflicht zu Recht abgelehnt habe. Ob nun die
Beschwerde gestützt darauf zurückgezogen oder aber der für
den Versicherten negative Entscheid abgewartet werde, spie-
le für die Zusprechung einer Parteientschädigung keine Rol-
le. Der Vorwurf einer Unterlassung sodann gehe fehl. Anhand
der Akten sei genügend belegt, dass die SUVA das Leistungs-
begehren detailliert medizinisch beurteilt und abgehandelt
habe.

     c) Der Versicherte macht demgegenüber im wesentlichen
geltend, die Anordnung einer gerichtlichen Expertise im
kantonalen Verfahren stelle für ihn ein Zwischen-Obsiegen
dar, welches die Zusprechung einer Parteientschädigung
rechtfertige.

     4.- Anspruch auf eine Parteientschädigung hat gemäss
Art. 108 Abs. 1 lit. g UVG - wie oben dargelegt - die ob-
siegende Partei. Obsiegen im Sinne dieser Gesetzesbestim-
mung liegt vor, wenn das Gericht die angefochtene Verfügung
oder den angefochtenen Entscheid aufhebt und einen für die
betroffene Person günstigeren Entscheid trifft oder die
Sache allenfalls zum Erlass einer neuen Verfügung zurück-
weist. Die auf Antrag einer Partei durchgeführte Abnahme
von Beweisen, deren Ergebnis zu keinem für sie günstigeren
Ergebnis führt, stellt kein Obsiegen im Sinne von Art. 108
Abs. 1 lit. g UVG bzw. Art. 159 Abs. 1 und 3 OG dar (nicht
veröffentlichtes Urteil J. vom 20. November 1997, U 87/97),
sodass der Beschwerdegegner auch nicht von einem "Zwischen-
Obsiegen" sprechen kann. Vielmehr kommt der Rückzug einer
Beschwerde im Ergebnis ihrer Abweisung gleich, weshalb all-
fällige Kosten diejenige Partei zu tragen hat, die den
Rückzug erklärt und demzufolge für sie ein Anspruch auf
Parteientschädigung entfällt (SVR 1996 UV Nr. 40 S. 123;
vgl. auch Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl.,

S. 204, 327). Unerheblich sind dabei - im Gegensatz zu Fäl-
len der Gegenstandslosigkeit des Verfahrens - die Prozess-
aussichten (SVR 1996 UV Nr. 40 S. 123).

     5.- Die Vorinstanz begründet die Zusprechung einer
Parteientschädigung trotz Rückzugs der Beschwerde mit Un-
terlassungen der SUVA in dem Sinne, dass das Verfahren und
der Beizug eines Rechtsvertreters aufgrund der Qualität der
Sachverhaltsabklärungen der SUVA notwendig gewesen seien.
Dem kantonalen Versicherungsgericht ist diesbezüglich inso-
weit zuzustimmen, als das Unterliegerprinzip gelegentlich
vom Verursacherprinzip durchbrochen wird. So entspricht es
einem allgemeinen, auch im Bereich der Unfallversicherung
anwendbaren Prozessrechtsgrundsatz, dass unnötige Kosten
bezahlen muss, wer sie in schuldhafter Weise verursacht hat
(Art. 159 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 6 OG; Mar-
tin Bernet, Die Parteientschädigung in der Schweizerischen
Verwaltungsrechtspflege, Diss. Zürich 1986, S. 137). Allein
aus dem Umstand, dass das mit der Beschwerde befasste Ge-
richt zusätzliche Beweise abgenommen hat, kann indessen
nicht abgeleitet werden, dass die SUVA die ihr obliegende
Pflicht zur rechtsgenüglichen Erstellung des Sachverhalts
verletzt hat. Parteikosten könnten ihr nur auferlegt wer-
den, wenn sie lediglich sehr rudimentäre Abklärungen vorge-
nommen hätte (nicht veröffentlichtes Urteil J. vom 20. No-
vember 1997, U 87/97). Davon kann vorliegend keine Rede
sein, verfügte die SUVA doch erst nach Durchführung einer
kreisärztlichen Untersuchung vom 31. Januar 1995, arthros-
kopischen Eingriffen an beiden Kniegelenken im März 1995
sowie einer Beurteilung durch ihren orthopädischen Chirur-
gen vom 23. Mai 1995. Zusätzlich legte sie im vorinstanzli-
chen Verfahren noch einen Arztbericht vom 9. Februar 1996
zu den Akten. Gestützt auf die durchgeführten Abklärungen
und vorhandenen Unterlagen - jedoch unter Verletzung des
rechtlichen Gehörs - erliess das Versicherungsgericht des
Kantons Basel-Landschaft seinen ersten Entscheid vom

12. Februar 1997. Wenn es nach der Rückweisung durch das
Eidgenössische Versicherungsgericht zur Gewährung des
rechtlichen Gehörs und zu neuer Beurteilung die Sachver-
haltsabklärungen ergänzt und ein weiteres medizinisches
Gutachten eingeholt hat, kann daraus nicht eine ordnungs-
widrige Unterlassung der SUVA in dem Sinne abgeleitet wer-
den, dass sie den Sachverhalt nur sehr rudimentär und damit
ungenügend abgeklärt hätte.

     6.- Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 e con-
trario). Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die
Gerichtskosten dem Beschwerdegegner zu überbinden (Art. 156
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
     Ziffer 3 des Dispositivs des Entscheids des Versiche-
     rungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 23. Mai
     2001 aufgehoben.

 II. Die Gerichtskosten von Fr. 900.- werden dem Beschwer-
     degegner auferlegt.

III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 900.- wird der
     SUVA zurückerstattet.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge-
     richt des Kantons Basel-Landschaft und dem Bundesamt
     für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 24. Juni 2002

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der II. Kammer:

                             Die Gerichtsschreiberin: