Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 256/2001
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U 256/01 Go

                        III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen;
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold

                  Urteil vom 14. Mai 2002

                         in Sachen

S.________, 1955, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Advokat Daniel Dietrich, Steinenschanze 6, 4051 Basel,

                           gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstras-
se 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,

                            und

Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal

     A.- S.________ (geboren 1955) war seit 1. Mai 1998
beim W.________ als Betriebsassistentin angestellt und in
dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallver-
sicherungsanstalt (nachfolgend: SUVA) gegen die Folgen von
Unfällen versichert. Am 16. Oktober 1998 rutschte sie aus
und stürzte auf den Kopf und den Rücken. Die erstbe-
handelnden Ärzte diagnostizierten eine commotio cerebri
sowie den Verdacht auf eine commotio spinalis mit
Hypästhesie des rechten Beins ohne obere Dermatombegrenzung
(Bericht der Neurochirurgischen Klinik Y.________, vom
30. Oktober 1998). S.________ nahm am 25. Januar 1999 ihre
Arbeit zu 50 % und ab 22. Februar 1999 zu 75 % wieder auf.
Mit Verfügung vom 17. Januar 2000, bestätigt mit Ein-
spracheentscheid vom 16. Juni 2000, stellte die SUVA ihre
Leistungen ab 1. Januar 2000 ein.

     B.- Die sowohl von S.________ sowie von ihrem
Krankenversicherer, der Öffentlichen Krankenkasse Basel
(nachfolgend: ÖKK), hiegegen erhobenen Beschwerden wies das
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Ent-
scheid vom 8. Juni 2001 ab.

     C.- S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen mit dem Rechtsbegehren, es seien der vorinstanzliche
Entscheid aufzuheben und die SUVA anzuweisen, die gesetz-
lichen Leistungen über den 31. Dezember 1999 hinaus zu
erbringen.
     Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichts-
beschwerde, während sich die ÖKK den Ausführungen und Be-
gehren von S.________ anschliesst. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Vorinstanz hat die Bestimmung sowie Grundsätze
über den natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw.
1b, je mit Hinweis) und den adäquaten Kausalzusammenhang
(BGE 121 V 49 Erw. 3a, 117 V 361 Erw. 5a, je mit Hinweisen)
als Voraussetzungen der Leistungspflicht eines Unfallversi-
cherers (Art. 6 Abs. 1 UVG), insbesondere die Beurteilung
der Adäquanz bei Unfällen mit psychischen Folgeschäden (BGE
115 V 138 Erw. 6 mit Hinweisen), zutreffend dargelegt. Das-
selbe gilt für die Anforderungen an einen ärztlichen Be-
richt (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis), den im Sozial-
versicherungsrecht geltenden Untersuchungsgrundsatz (BGE
125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen) und
den Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE
126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen).
Darauf wird verwiesen.

     2.- Streitig ist, ob die SUVA auch nach dem 31. Dezem-
ber 1999 noch Leistungen in Zusammenhang mit dem Unfall vom
16. Oktober 1998 zu erbringen hat.

     3.- Die erstbehandelnden Ärzte stellten eine commotio
cerebri fest und äusserten den Verdacht auf commotio spina-
lis mit Hypästhesie des rechten Beins ohne obere Dermatom-
begrenzung (Bericht der Neurochirurgischen Klinik
Y.________, vom 30. Oktober 1998).
     Die Rheumaklinik des Spitals B._________, hielt in
ihrem Bericht vom 29. Dezember 1998 einen Status nach Sturz
mit commotio cerebri, commotio spinalis mit Hypästhesie
rechtes Bein, SIG-Dysfunktion rechts und Verdacht auf Soma-
tisierungstendenz mit depressiver Komponente sowie eine
vorbestehende mediolaterale Diskushernie L5/S1, Adipositas,
rezidivierende Migränekopfschmerzen und rezidivierende
unklare Übelkeit fest. Nebst den eigenen Untersuchungen
stützte sie sich auf das psychologische Konsilium von Frau
lic. phil. L.________ vom 9./15. Dezember 1998 ab, welches
auf Grund "der sehr demonstrativen Schmerzpräsentation ohne
entsprechendes radiologisches oder klinisches Korrelat"
eingeholt wurde.
     Im Zwischenbericht vom 16. Februar 1999 gab Dr. med.
P.________, Facharzt für Innere Medizin, eine Soma-
tisierungstendenz mit depressiver Komponente als unfall-
fremden Faktor an und attestierte eine Arbeitsunfähigkeit
von 50 % seit 25. Januar 1999. Am 27. Januar und 15. Sep-
tember 2000 hielt er eine nach wie vor erhebliche Schwel-
lung des rechten Beins fest, die eine volle Erwerbsfähig-
keit verhindere.
     Im Austrittsbericht der Klinik Z.________ vom 23. Juli
1999 wurden deutlich regrediente, ätiologisch unklare Ruhe-
und Nachtschmerzen des rechten Beins bei Status nach Sturz
mit anamnestisch milder traumatischer Hirnverletzung und
commotio spinalis, Sacroiliacalgelenkdysfunktion rechts und
leichter venöser Insuffizienz sowie eine Anpassungsstörung
mit bipolarem affektivem Mischzustand sowie ein Deper-
sonalisations- und Derealisationssyndrom diagnostiziert.
Der klinische Befund erkläre das Beschwerdebild nicht; der
einzige pathologische Befund sei eine segmentale Dysfunk-
tion des rechten Sacroiliacalgelenkes. Optisch falle eine
leichte Schwellung des ganzen rechten Beins mit objekti-
vierbarer Umfangdifferenz auf; eine tiefe Beinvenenthrom-
bose habe durch das Institut für Röntgendiagnostik und
Nuklearmedizin, Spital R.________, ausgeschlossen werden
können. Gemäss dem neurologischen Konsilium der Klinik
B.________ nichts zu ändern; denn diese enthalten keinerlei
Begrüng vom 1. Juli 1999 habe sich nebst der commotio
spinalis nichts Objektivierbares ergeben. Aus dem
psychosomatischen Konsilium der Klinik T.________ vom
19. Juli 1999 ergebe sich, dass die Patientin bereits
früher wiederholt mit psychovegetativen Reaktionen und
Dissoziationsstörungen auf Unfallerlebnisse reagiert habe.
Aus psychiatrischer Sicht bestehe eine Arbeitsfähigkeit von
50 %, welche in den nächsten Wochen gesteigert werden
sollte. Aus rheumatologischer Sicht sei die Versicherte bei
Austritt voll arbeitsfähig.
     Das Institut für Radiologie, Spital M.________, hielt
anlässlich des MRI vom 2. September 1999 einen unauffäl-
ligen Befund des Beckens und der Leiste fest.
     Die kreisärztliche Untersuchung vom 24. November 1999
bei Dr. med. W.________ ergab eine somatoforme Schmerz-
störung ohne orthopädisches oder neurales Substrat. Die
wechselbelastende Arbeit im angestammten Betrieb sei ohne
Einschränkung zumutbar.
     PD Dr. med. F.________, Facharzt für Neurologie,
Spital B.________, hielt im Bericht vom 11. April 2000
fest, dass sich klinisch und elektrophysiologisch keine
fassbaren Befunde feststellen liessen, wobei auch vorgängig
durch die bildgebenden Untersuchungen ein pathologischer
Prozess im Bereich von Wirbelsäule und Becken nicht nachge-
wiesen werden konnte. Weitere Abklärungen seien nicht ange-
zeigt.

     4.- Aus den ärztlichen Berichten ergeben sich keine
auf den Unfall vom 16. Oktober 1998 zurückzuführende soma-
tische Leiden. Insbesondere ist nicht mit dem erforderli-
chen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit er-
stellt, dass die Schwellung des rechten Beins Folge des
Unfallereignisses ist. Denn es genügt nicht, dass es hiefür
keine anderen Erklärungen gibt; vielmehr ist aus beweis-
rechtlicher Sicht verlangt, dass mit überwiegender Wahr-
scheinlichkeit zwischen der konkreten Verletzung und dem
Unfallereignis ein Zusammenhang besteht. Nachdem jedoch in
all den verschiedenen Untersuchungen keinerlei Hinweis auf
ein somatisches Substrat festgestellt werden konnte und be-
reits kurze Zeit nach dem Unfall die Beschwerden psychisch
überlagert waren (vgl. Bericht des Spitals B.________ vom
29. Dezember 1998), sind Vorinstanz und Verwaltung zu Recht
von einem fehlenden somatischen Leiden ausgegangen und
haben von weiteren medizinischen Abklärungen abgesehen.
Daran vermögen auch die Atteste des Dr. med. P.________
nichts zu ändern; denn diese enthalten keinerlei Begründung
für seine Einschätzung, weshalb sie den Anforderungen an
einen Arztbericht nicht genügen (BGE 125 V 352 Erw. 3a).

     5.- a) Zu prüfen bleibt, ob die SUVA für psychische
Leiden als Folge des Unfalles vom 16. Oktober 1998 aufzu-
kommen hat.

     b) Bei der Einteilung in leichte, mittelschwere und
schwere Unfälle ist nicht das Unfallerlebnis der Betroffe-
nen massgebend, sondern das objektiv erfassbare Unfaller-
eignis. Ein gewöhnlicher Sturz oder ein Ausrutschen sind
als leichte Unfälle anzusehen (BGE 115 V 139 Erw. 6a). Bei
Stürzen von Leitern u.ä. kommt nebst den erlittenen Verlet-
zungen der Fallhöhe ein grosses Gewicht zu (vgl. RKUV 1998
Nr. 307 S. 449 Erw. 3a mit Hinweisen). Angesichts des vom
Geschehensablauf her einfachen Ausrutschens mit nachfolgen-
dem Hinfallen ist das Ereignis vom 16. Oktober 1998 mit der
Vorinstanz und unter Berücksichtigung des angeführten und
durchaus vergleichbaren Falles (BGE 115 V 144 Erw. 11) als
mittelschwer im Grenzbereich zu den leichten Unfällen ein-
zuordnen. Demnach müssen für das Vorliegen des adäquaten
Kausalzusammenhangs die weiteren Kriterien gehäuft oder
eines in auffallender Weise erfüllt sein.

     c) Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat das
Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände oder
einer besonderen Eindrücklichkeit etwa bejaht bei einer
Raumpflegerin, welche bei der Arbeit von zwei scharfen
Wach- und Schutzhunden angefallen wurde (Urteil J. vom
16. Juli 2001, U 146/01), bei einer Frau, die unversehens
vom Sohn ihres Partners zu Boden geworfen, gewürgt, mit dem
Kopf mehrfach auf den Boden geschlagen sowie in den Rücken
und die Nieren getreten wurde (RKUV 2001 Nr. U 440 S. 350)
oder bei einer Frau, welche an einem Verkehrsunfall in
einem Tunnel mit drei involvierten Autos, einer getöteten
und mehreren verletzten Personen beteiligt war (RKUV 1999
Nr. U 335 S. 207). Hingegen wurde es verneint bei einem
Rechtshänder, dessen linke Hand im Druckwerk einer Tief-
druckmaschine eingeklemmt war und dessen Verletzungen rasch
abheilten (Urteil V. vom 9. Juli 2001, U 111/01) oder bei
einem Bauarbeiter, dessen Kopf von einem mit 22 km/h vor-
beifahrenden Tram erfasst wurde und der sich eine leichte
commotio cerebri oder contusio capitis sowie eine Stauchung
der Halswirbelsäule und eine Distorsion dieses Wirbelsäu-
lenabschnitts zuzog (unveröffentlichtes Urteil Z. vom
17. März 1995, U 196/93). In den in RKUV 1998 Nr. U 307
S. 449 Erw. 3a genannten Fällen mit geringer Sturzhöhe (2.5
bis 3 m und 1.2 m) wurde es ebenfalls verneint. Entgegen
der Ansicht der Beschwerdeführerin ist dieses Kriterium
demnach nicht erfüllt, ungeachtet davon, welcher der
Schilderungen gefolgt wird. Des Weiteren erlitt die Ver-
sicherte keine schweren Verletzungen oder solche besonderer
Art. Ebensowenig kann von einem schwierigen Heilungsverlauf
oder einer ärztlichen Fehlbehandlung die Rede sein. Auch
ist die ärztliche Behandlung nicht als aussergewöhnlich
lang zu bezeichnen. Nachdem die Vorinstanz zu Recht fest-
gehalten hat, dass die Beschwerden schon kurz nach dem
Unfall psychisch überlagert waren (vgl. Bericht des Spitals
B.________ vom 29. Dezember 1998), und spätestens im Sommer
1999 aus somatischen Gründen keine Arbeitsunfähigkeit mehr
bestand (vgl. Austrittsbericht der Klinik Z.________ vom
23. Juli 1999), sind auch Grad und Dauer der physisch
bedingten Arbeitsunfähigkeit nicht im erforderlichen Aus-
mass gegeben. Selbst wenn körperliche Dauerschmerzen zu be-
jahen wären, was angesichts der psychischen Überlagerung
zumindest fraglich erscheint, ist weder eine Häufung noch
das ausgeprägte Vorliegen eines einzelnen Kriteriums gege-
ben, womit es an der Adäquanz fehlt. Bei diesem Ergebnis
kann die Frage des natürlichen Kausalzusammenhangs offen
gelassen werden, da es bereits am adäquaten fehlt.

     6.- Nach Art. 134 OG darf das Eidgenössische Versiche-
rungsgericht im Beschwerdeverfahren über die Bewilligung
oder Verweigerung von Versicherungsleistungen den Parteien
in der Regel keine Verfahrenskosten auferlegen. Diese Be-
stimmung wurde vom Gesetzgeber vor allem im Interesse der
Versicherten geschaffen, die mit einem Sozialversicherer im
Streit stehen. Der Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Ver-
fahrens vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht gilt
nicht für den Fall, dass sich zwei Versicherer über die
Leistungen aus Unfallfolgen für einen gemeinsamen Versi-
cherten streiten (BGE 120 V 494 Erw. 3, 119 V 220 Erw. 4).
Diese Sichtweise hat ihre Gültigkeit auch dort, wo ein
Krankenversicherer auf Grund seiner aktiven Verfahrensbe-
teiligung in einer Streitigkeit zwischen einem Unfallversi-
cherer und der versicherten Person Parteistellung erlangt
(BGE 127 V 110 Erw. 6).
     Das vorliegende Verfahren ist grundsätzlich kostenlos.
Nachdem sich die ÖKK aktiv am Prozess beteiligte und Ver-
fahrensanträge stellte, kommt ihr Parteistellung zu. Sie
hat demnach als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu
tragen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Öffent-
     lichen Krankenkasse Basel auferlegt.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge-
     richt des Kantons Basel-Landschaft, der Öffentlichen
     Krankenkasse Basel und dem Bundesamt für Sozialversi-
     cherung zugestellt.

Luzern, 14. Mai 2002
                                 Im Namen des
                     Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                        Der Präsident der III. Kammer:

                           Die Gerichtsschreiberin: