Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 255/2001
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U 255/01

Urteil vom 28. Mai 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Hofer

Visana Versicherungen AG, Weltpoststrasse 19-21, 3000 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin,

betreffend S.________, geboren 1967, gestorben 1997

Eidgenössische Rekurskommission für die Unfallversicherung, Lausanne

(Entscheid vom 11. Juni 2001)

Sachverhalt:

A.
Der 1967 geborene S.________ war über seinen Arbeitgeber X.________ als
Landwirtschaftsmitarbeiter bei der Visana Versicherungen AG (nachfolgend:
Visana) gegen die Folgen von Unfall versichert. Von seinem Arbeitgeber wurde
der Versicherte für Bauarbeiten an die Y.________ AG, Aufbereitungstechnik,
ausgeliehen. Im Rahmen dieser Tätigkeit verunfallte er am 9. Oktober 1997 auf
einer Baustelle der Autobahn A 16 bei Z._________ tödlich. Die Visana,
welcher der Unfall am 10. Oktober 1997 gemeldet worden war, teilte der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) am 2. März 1998 mit, da die
Versicherungsunterstellung unklar sei, werde sie die sich aus dem Unfall
ergebenden Leistungen vorerst ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbringen,
behalte sich jedoch das Rückforderungsrecht gegenüber der SUVA vor. Mit
Verfügung vom 9. Juni 1998 lehnte die SUVA die Ausrichtung von Leistungen ab
mit der Begründung, der Verstorbene sei im Zeitpunkt des Unfalls nicht bei
ihr versichert gewesen. Die von der Witwe und dem Sohn des tödlich
Verunfallten sowie der Visana hiegegen erhobenen Einsprachen wies die SUVA
mit Entscheid vom 7. September 1999 ab. Die Visana erhob beim
Verwaltungsgericht des Kantons Bern Beschwerde und beantragte die Aufhebung
des Einspracheentscheids und die Verpflichtung der SUVA, die gesetzlichen
Leistungen zu erbringen. Da seiner Ansicht nach eine Frage der Zuständigkeit
der SUVA zur Versicherung der Arbeitnehmer eines Betriebes zur Beurteilung
anstand, trat das kantonale Gericht mit Entscheid vom 20. Dezember 2000 auf
die Beschwerde nicht ein und überwies die Sache zuständigkeitshalber an die
Eidgenössische Rekurskommission für die Unfallversicherung.

B.
Die Rekurskommission verneinte ihre Zuständigkeit, da dem Verfahren keine
Unterstellungsverfügung, sondern die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zugrunde liege, und trat mit Entscheid vom 11. Juni
2001 auf die Beschwerde der Visana nicht ein. Da das ihrer Ansicht nach
zuständige Verwaltungsgericht des Kantons Bern seine Zuständigkeit bereits
rechtskräftig verneint hatte, sah sie von einer Überweisung der Akten ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Visana, der Entscheid vom 11.
Juni 2001 sei aufzuheben und es sei die Sache an die zuständige Instanz zu
überweisen.

Die SUVA und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die als Mitinteressierte beigeladenen
Hinterlassenen des Verstorbenen lassen auf Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Erachtet sich ein Versicherer als unzuständig, so überweist er die Sache
unverzüglich an den zuständigen Versicherer (Art. 78 UVG in der bis 31.
Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung). Bei geldwerten Streitigkeiten
zwischen Versicherern erlässt das Bundesamt für Sozialversicherung eine
Verfügung (Art. 78a UVG). Diese ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Eidgenössischen Departement des Innern anfechtbar (RKUV 1998 Nr. U 312 S.
470). Dessen Entscheid ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Eidgenössische Versicherungsgericht weiterziehbar (Art. 98 lit. b OG in
Verbindung mit Art. 128 OG; vgl. RKUV 1998, a.a.O., S. 474 oben).

Nach der Rechtsprechung steht der durch Art. 78 und 78a UVG vorgezeichnete
Rechtsweg namentlich offen, wenn ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen
zwei Unfallversicherern über die Leistungspflicht bezüglich eines
Schadenereignisses gegeben ist oder wenn ein Versicherer von einem anderen
Versicherer Rückerstattung von gegenüber dem Versicherten erbrachten
Leistungen verlangt (BGE 127 V 182 Erw. 4d, 125 V 327 Erw. 1b).

1.2 In RKUV 2003 Nr. U 472 S. 38 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht
in Präzisierung von BGE 125 V 327 Erw. 1b bezüglich der in Art. 78a UVG
vorgesehenen Verfügungszuständigkeit des Bundesamtes für Sozialversicherung
bei Kompetenzstreitigkeiten zwischen Unfallversicherern ausgeführt, die
Rechtsprechung dürfe nicht dahingehend verstanden werden, ein
Unfallversicherer könne gegen die Verfügung eines anderen Unfallversicherers,
womit dieser seine Leistungspflicht mit der Begründung verneint, jener sei
zuständig, die gleichen Rechtsmittel wie die versicherte Person ergreifen.
Denn damit würde die fehlende Zuständigkeit als blosses Begründungselement
für die Ablehnung der Leistungspflicht gegenüber dem oder der Verunfallten
für den als zuständig erachteten Unfallversicherer zum verbindlich
feststellenden, anfechtbaren Inhalt einer Verfügung, d.h. eines hoheitlichen
Verwaltungsaktes, was unzulässig sei. Art. 129 UVV sei im Verhältnis zwischen
ihre Zuständigkeit bestreitenden Unfallversicherern nicht anwendbar (RKUV
2003 Nr. U 472 S. 44 Erw. 2.2). Weiter hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht erwogen, wenn in Bezug auf ein bestimmtes
Schadensereignis die Person des nach UVG leistungspflichtigen Versicherers
umstritten sei, nicht hingegen grundsätzlich Bestehen und Umfang der
Leistungspflicht, sei der negative Kompetenzkonflikt grundsätzlich auf dem
Rechtsweg gemäss Art. 78 und 78a UVG zu lösen. Das kantonale
Versicherungsgericht gemäss Art. 106 UVG komme nur zum Zuge, wenn ein in
Betracht fallender Unfallversicherer seine Leistungspflicht gegenüber der
verunfallten Person wegen der seiner Ansicht nach fehlenden Zuständigkeit mit
Verfügung und Einspracheentscheid verneint und der Betroffene dagegen
Beschwerde erhoben hat. Sofern ein Unfallversicherer Leistungen im
Zusammenhang mit einem Unfall schon erbracht habe und diese in einem späteren
Zeitpunkt mit der Begründung der fehlenden Zuständigkeit von einem anderen
Unfallversicherer zurückfordere, stehe im Bestreitungsfall einzig der
Rechtsweg nach Art. 78 und 78a UVG offen. Gemäss den "Empfehlungen zur
Anwendung von UVG und UVV" der AD HOC-Kommission Schaden UVG vom 2. Dezember
1996 erbringt zudem bei Kompetenzstreitigkeiten unter Unfallversicherern
derjenige Versicherer, bei dem der Schadenfall zuerst angemeldet wurde, unter
voller Wahrung seiner Rückforderungsrechte Vorleistungen und überweist die
Akten im Sinne von Art. 78 UVG dem zuständigen Versicherer (RKUV 2003,
a.a.O., S. 44 Erw. 2.3).
1.3 Da die Visana zur Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der SUVA vom
7. September 1999 nicht legitimiert war, ist die Vorinstanz (wie auch das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern) im Ergebnis zu Recht auf die Beschwerde
nicht eingetreten.

2.
2.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten.
Dessen Bestimmungen sind gemäss Art. 2 ATSG auf die bundesgerichtlich
geregelten Sozialversicherungen anwendbar, wenn und soweit die einzelnen
Sozialversicherungsgesetze es vorsehen. Nach Art. 1 Abs. 2 lit. c UVG (in der
ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung) findet das ATSG keine Anwendung auf
Verfahren über geldwerte Streitigkeiten zwischen Versicherern (Art. 78a UVG).
Diese Gesetzesbestimmung hat nach wie vor Gültigkeit. Mit dem Inkrafttreten
des ATSG aufgehoben wurde dagegen Art. 78 UVG. Ebenfalls aufgehoben wurde
Art. 104 lit. d UVG, welcher den Bundesrat ermächtigte, das Beschwerderecht
der Versicherer gegen Verfügungen aus dem Bereich einer anderen
Sozialversicherung zu regeln, wovon dieser in Art. 129 UVV Gebrauch gemacht
hatte. Art. 49 Abs. 4 ATSG hält neu fest, dass dort, wo eine Verfügung die
Leistungspflicht eines anderen Trägers berührt, dieser die gleichen
Rechtsmittel ergreifen kann wie die versicherte Person. Laut Bericht der
Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 26.
März 1999 wird die in Art. 104 UVG vorgesehene Mitteilung an die
mitinteressierten Versicherer durch Art. 49 Abs. 4 ATSG (vgl. Art. 56 Abs. 4
des Entwurfs) abgedeckt (BBl 1999 4608; vgl. auch Kieser, ATSG-Kommentar,
Art. 49 Rz 43).

2.2 Laut Art. 82 Abs. 1 Satz 1 ATSG sind materielle Bestimmungen auf die beim
In-Kraft-Treten laufenden Leistungen und festgesetzten Forderungen nicht
anwendbar. Wie es sich mit der intertemporalrechtlichen Anwendbarkeit der
formellen Bestimmungen verhält, lässt sich dem ATSG nicht ausdrücklich
entnehmen. Nach der Rechtsprechung sind neue Verfahrensvorschriften mangels
anders lautender Übergangsbestimmungen mit dem Tag des In-Kraft-Tretens
sofort und in vollem Umfang anwendbar (RKUV 1998 Nr. KV 37 S. 316 Erw. 3b mit
Hinweisen). Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des 4. Kapitels des ATSG
(Art. 27-62 ATSG) treten somit grundsätzlich sofort in Kraft. Soweit
allerdings eine Frist im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes noch
nicht abgelaufen ist, richten sich der Fristenlauf und die allfällige
Rechtsmittelinstanz nach dem bisherigen Recht (so auch Art. 117 MVG; Kieser,
a.a.O., Art. 82 Rz 8). Der intertemporalrechtliche Gundsatz der sofortigen
Anwendbarkeit kommt dort nicht zur Anwendung, wo hinsichtlich des
verfahrensrechtlichen Systems zwischen altem und neuem Recht keine
Kontinuität besteht und mit dem neuen Recht eine grundlegend neue
Verfahrensordnung geschaffen worden ist (BGE 112 V 360 Erw. 4a; RKUV 1998 Nr.
KV 37 S. 316 Erw. 3b; SVR 1995 MV Nr. 4 S. 12 Erw. 2b).

2.3 Ob die in Erwägung 1.2 wiedergegebene Rechtsprechung zum Rechtsweg bei
negativen Kompetenzkonflikten zwischen zwei Unfallversicherern auch nach dem
In-Kraft-Treten des ATSG weiterhin Gültigkeit hat oder ob dem
Unfallversicherer nunmehr auch ein Rechtsmittel gegen den Entscheid eines
anderen Unfallversicherers über die Zuständigkeit zusteht (unklar: Kieser,
a.a.O., Art. 59 Rz 12), braucht in diesem Verfahren nicht beurteilt zu
werden. Denn solche Rechtsänderungen kämen einer grundlegend neuen
Zuständigkeits- und Verfahrensordnung gleich, welche auf die hier zu
beurteilenden Rechtsansprüche nicht anwendbar wären. Vielmehr ist
festzustellen, dass der Nichteintretensentscheid der Rekurskommission vom 11.
Juni 2001 gestützt auf die bis Ende 2002 gültig gewesene Rechtsordnung im
Ergebnis nicht zu beanstanden ist (vgl. Erwägung 1.3 hievor).

3.
Von einer Überweisung der Sache an das Bundesamt für Sozialversicherung hat
die Rekurskommission unter Hinweis auf BGE 125 V 324 Erw. 1b und das nicht
veröffentlichte Urteil H. vom 24. August 1999 (U 81/97) abgesehen und den
Entscheid über die zuständige Instanz dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht überlassen. Zu Unrecht, wie sich aufgrund der in RKUV
2003 Nr. U 472 S. 38 präzisierten Rechtsprechung ergibt (vgl. oben Erw. 1.2).
Die Sache ist daher - unter Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - zum
Entscheid nach Art. 78a UVG an das Bundesamt für Sozialversicherung zu
überweisen.

4.
Das Verfahren ist grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Da
sich die Rekurskommission von der (präzisierungsbedürftigen) Rechtsprechung
in BGE 125 V 324 Erw. 1b (vgl. RKUV 2003 Nr. U 472 S. 38) und dem nicht
veröffentlichten Urteil H. vom 24. August 1999 irreleiten liess und das
vorliegende Verfahren aus diesem Grunde erforderlich wurde, rechtfertigt es
sich, dieses kostenfrei zu erledigen.

Nach Art. 159 Abs. 2 OG haben im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
obsiegende Behörden oder mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute
Organisationen, wozu auch die UVG-Versicherer gehören, grundsätzlich keinen
Anspruch auf Parteientschädigung (BGE 112 V 362 mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

2.
Die Akten werden zum Vorgehen im Sinne von Art. 78a UVG an das Bundesamt für
Sozialversicherung überwiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 3‘000.-- wird der Visana
zurückerstattet.

5.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission für die
Unfallversicherung, dem Bundesamt für Sozialversicherung sowie A.________ und
D.________ zugestellt.
Luzern, 28. Mai 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: