Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 244/2001
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U 244/01 Gr

                        IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari;
Gerichtsschreiber Grunder

                 Urteil vom 18. März 2002

                         in Sachen

G.________, 1941, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Joachim Lerf, Rue de Romont 35, 1700 Freiburg,

                           gegen

Winterthur-Versicherungen, General Guisan-Strasse 40,
8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Rechtsanwältin Marianne I. Sieger-Giger, c/o Giger & Part-
ner, Kuttelgasse 8, 8001 Zürich,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, Givisiez

      A.- Die 1941 geborene G.________ verletzte sich am
18. Januar 1997 bei einem Sturz an der rechten Schulter. Im
März 1997 prallte sie mit der rechten Schulter an eine Säu-
le im Restaurant, wo sie als Serviceangestellte arbeitete.

Sie konsultierte am 20. Januar 1997 Dr. med. R.________ und
im Juni 1997 sowie ab dem 27. Oktober 1997 regelmässig Dr.
med. Z.________, der eine Rotatorenmanschettenruptur (Peri-
arthropathia humeroscapularis) diagnostizierte und das
Schultergelenk am 15. Dezember 1997 durch einen chirurgi-
schen Eingriff sanierte (Acromioplastik, AC-Arthroplastik
und Reinsertion der Supraspinatussehne). Bis am 14. Dezem-
ber 1997 hatte G.________ ohne Unterbrechung gearbeitet, ab
jenem Zeitpunkt musste sie wegen der persistierenden und
sich chronifizierenden Beschwerden der Arbeit fernbleiben.
     G.________ war über den Betrieb des Arbeitsgebers bei
den Winterthur Versicherungen (im Folgenden: Winterthur)
obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen sowie kollektiv
für das Taggeld bei Krankheit versichert, bei der CSS Ver-
sicherung für die obligatorische Krankenpflegeversicherung.
Die Winterthur holte Berichte ein von Dr. med. R.________
(vom 27. Juni 1998 und vom 28. Januar 1999), Dr. med.
Z.________ (vom 30. Dezember 1997, 6. April 1998, 16. Juni
1998 und 22. Juli 1998), Dr. med. U.________ (vom 2. Sep-
tember 1998 und 4. Februar 1999) sowie von ihrem Vertrau-
ensarzt Dr. med. H.________ (vom 10. Februar 2000) und
erbrachte Leistungen aus der kollektiven Krankentaggeldver-
sicherung. Nachdem G.________ sie aufgefordert hatte, die
Leistungen aus der Unfallversicherung zu erbringen, lehnte
die Winterthur mit Verfügung vom 1. März 1999 einen
Anspruch ab mit der Begründung, die Periarthropathia hume-
roscapularis habe sich aus einem krankhaften Vorzustand
entwickelt. Auf Einsprache hin bestätigte sie mit Entscheid
vom 10. Februar 2000 einen Kausalzusammenhang zwischen den
beiden Unfällen vom 18. Januar und März 1997 und der Rota-
torenmanschettenruptur für die Zeit bis am 30. September
1997 und anerkannte ihre Leistungspflicht bis zu diesem
Datum.

     B.- Dagegen liess G.________ Beschwerde führen mit dem
Antrag, unter Aufhebung des Einspracheentscheids sei die
Winterthur zur Erbringung der Leistungen aus der obliga-
torischen Unfallversicherung zu verpflichten, eventualiter
sei die Sache zur weiteren Sachverhaltsabklärung an die
Unfallversicherung zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht
des Kantons Freiburg wies die Beschwerde mit Entscheid vom
23. Mai 2001 ab.

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt G.________
die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern.
Gleichzeitig lässt sie einen Bericht des Dr. med.
W.________ vom 29. Juni 2001 auflegen.
     Die Winterthur lässt Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde beantragen, die als Mitbeteiligte beigela-
dene CSS Versicherung und das Bundesamt für Sozialversiche-
rung verzichten auf eine Vernehmlassung.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Beschwerdeführerin rügt in formeller Hinsicht
eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, soweit sich die
Winterthur und das kantonale Gericht auf die ärztliche
Beurteilung des Dr. med. H.________ stützen. Ihr sei keine
Gelegenheit gegeben worden, sich zu den Fragen zu äussern
oder Einwendungen gegen die Person des Gutachters zu erhe-
ben. Dr. med. H.________ stehe als Angestellter der
Beschwerdegegnerin in einem besonderen Abhängigkeitsver-
hältnis, weshalb seine Beurteilung nicht als unparteilich
gelten könne und eine Begutachtung durch einen neutralen
Sachverständigen sich aufdränge.
     Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat in BGE 123
V 132 Erw. 1 ausführlich dargelegt, dass Personen, die
- wie die Verwaltungsärzte - aufgrund ihrer besonderen
Fachkenntnisse an der Vorbereitung von Verfügungen mitwir-
ken, nicht als Sachverständige im Sinne von Art. 57ff. BZP
zu qualifizieren sind. Damit sind weder die Ausschlies-

sungs- und Ablehnungsgründe von Art. 22 und 23 OG auf sie
anwendbar, noch unterliegen ihre Meinungsäusserungen den
nach Art. 19 VwVG in Verbindung mit Art. 57ff. BZP für
Sachverständigengutachten geltenden Regeln. Die Beschwerde-
führerin kann sich mithin nicht auf die Mitwirkungsrechte
von Art. 19 VwVG in Verbindung mit Art. 57ff. BZP berufen,
womit sich die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs
als unbegründet erweist.

     2.- a)  Die Vorinstanz hat die Rechtssprechung zu dem
für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausge-
setzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall
und den eingetretenen gesundheitlichen Folgen (BGE 121 V
329 Erw. 2a, 119 V 337 Erw. 1 je mit Hinweisen) zutreffend
dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
     Wird durch einen Unfall ein krankhafter Vorzustand
verschlimmert oder überhaupt erst manifest, entfällt die
Leistungspflicht des Unfallversicherers erst, wenn der
Unfall nicht mehr die natürliche und adäquate Ursache des
Gesundheitsschadens darstellt, wenn also letzterer nur noch
und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Dies
trifft dann zu, wenn entweder der (krankhafte) Gesundheits-
zustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat
(status quo ante) oder aber derjenige Zustand, wie er sich
nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vor-
zustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt
hätte (status quo sine), erreicht ist. Ebenso wie der leis-
tungsbegründende natürliche Kausalzusammenhang muss das
Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten
Ursachen eines Gesundheitsschadens mit dem im Sozialversi-
cherungsrecht allgemein üblichen Beweisgrad der überwiegen-
den Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Die blosse Mög-
lichkeit nunmehr gänzlich fehlender ursächlicher Auswirkun-
gen des Unfalles genügt nicht. Da es sich hiebei um eine
anspruchsaufhebende Tatfrage handelt, liegt aber die ent-
sprechende Beweislast - anders als bei der Frage, ob ein
leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gege-

ben ist - nicht beim Versicherten, sondern beim Unfallver-
sicherer (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2, 1994 Nr. U 206
S. 328 f. Erw. 3b).

     b) Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichts
ist entscheidend, ob er für die streitigen Belange umfas-
send ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die
geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vor-
akten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung
der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der
medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfol-
gerungen des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für
den Beweiswert ist grundsätzlich weder die Herkunft des
Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten oder
in Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht oder Gut-
achten (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweisen). Den Berichten
und Gutachten versicherungsinterner Aerzte kommt Beweiswert
zu, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar
begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine
Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen. Die Tatsache
allein, dass der befragte Arzt in einem Anstellungsverhält-
nis zum Versicherungsträger steht, lässt nicht schon auf
mangelnde Objektivität und auf Befangenheit schliessen. Es
bedarf vielmehr besonderer Umstände, welche das Misstrauen
in die Unparteilichkeit der Beurteilung objektiv als
begründet erscheinen lassen. Im Hinblick auf die erhebliche
Bedeutung, welche den Artzberichten im Sozialversicherungs-
recht zukommt, ist an die Unparteilichkeit des Gutachters
allerdings ein strenger Massstab anzulegen (BGE 125 V 353
f. Erw. 3b ee).

     3.- In ihrem Einspracheentscheid stellte die Winter-
thur fest, die Unfälle vom  18. Januar und März 1997 hätten
zu einer temporären Verschlimmerung eines krankhaften Vor-
zustandes und damit zur Begründung ihrer Leistungspflicht
aus der obligatorischen Unfallversicherung geführt, wobei
der status quo sine am 30. September 1997 erreicht worden
sei. Dagegen wendet die Beschwerdeführerin ein, die beiden

Unfälle seien die massgebliche Ursache ihrer Gesundheits-
schädigung. Damit ist streitig und zu prüfen, ob die
Beschwerdeführerin über den 30. September 1997 hinaus
Anspruch auf Leistungen aus der obligatorischen Unfallver-
sicherung hat.

     a) In umfassender und sorgfältiger Würdigung der medi-
zinischen Aktenlage hat die Vorinstanz zu Recht erkannt,
dass durch die beiden Unfallereignisse die Periarthropathia
humeroscapularis als krankhafter Vorzustand manifest und
verschlimmert wurde. Die beschwerdeweise vorgebrachten
Zweifel an der Objektivität und inhaltlichen Glaubhaftig-
keit des Berichts des Dr. med. H.________ sind unbegründet.
Gestützt auf die Akten der Beschwerdegegnerin zog er den
Schluss, dass die gesundheitlichen Beschwerden Folge der
durch degenerative Veränderungen hervorgerufenen Periar-
thropathia humeroscapularis sind. Es sei möglich, dass eine
degenerative Situation über lange Zeit symptomlos bleibe
und nach relativ geringer Traumatisierung erstmals manifest
werde. Der status quo sine sei spätestens drei bis sechs
Monate nach dem zweiten Unfall erreicht worden. Die Ein-
schätzung von Dr. med. H.________ widerspricht entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin derjenigen des Dr. med.
U.________ nicht, welcher ausführte, der erhobene Befund
und der Verlauf stünden nur in einem möglichen Zusammenhang
mit dem Anschlagen der Schulter. Dr. med. Z.________, der
den chirurgischen Eingriff am 15. Dezember 1998 vorgenommen
hatte, und ebenso Dr. med. R.________, den die Beschwerde-
führerin am 20. Januar 1998 konsultierte, schlossen einen
Zusammenhang aus.
     Gestützt auf die ärztlichen Berichte ist anzunehmen,
dass der status quo sine mit überwiegender Wahrscheinlich-
keit im Zeitpunkt der Leistungseinstellung am 30. September
1997 erreicht war. Daran vermag der Bericht des Dr. med.
W.________ nichts zu ändern, da seine von den anderen
Aerzten abweichende Beurteilung der Unfallkausalität nicht
hinreichend begründet ist und daher nicht zu überzeugen
vermag.

     b) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die
Rotatorenmanschettenruptur sei als unfallähnliche Körper-
schädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV zu qualifizieren,
weshalb die Leistungspflicht des Unfallversicherers auch
ohne ungewöhnliche äussere Einwirkung auf den Körper
begründet sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Vorin-
stanz hat zutreffend ausgeführt, dass der Unfallversicherer
auch für den einer unfallähnlichen Körperschädigung zugrun-
de liegenden Vorzustand in zeitlicher Hinsicht nur bis zum
Erreichen des status quo sine haftet.

     c) aa) Die Beschwerdeführerin bringt schliesslich vor,
die Periarthropathia humeroscapularis sei als Berufskrank-
heit im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVG zu qualifizieren. Dr.
med. Z.________ habe in seinem Bericht vom 6. April 1998
darauf hingewiesen, dass "il ne soit pas exclu que le pro-
blème au niveau de son épaule ait également une composante
d'aspect professionel", ausserdem sei es offensichtlich,
dass nach mehr als dreissig Jahren die berufliche Tätigkeit
im Gastgewerbe als Serviceangestellte Ursache des heutigen
Leidens sei.

     bb) Gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG gelten als Berufskrank-
heiten auch andere Krankheiten, von denen nachgewiesen
wird, dass sie ausschliesslich oder stark überwiegend durch
berufliche Tätigkeit verursacht worden sind. Diese General-
klausel bezweckt, allfällige Lücken zu schliessen, die
dadurch entstehen könnten, dass die bundesrätliche Liste
gemäss Anhang I zur UVV entweder einen schädigenden Stoff,
der eine Krankheit verursachte, oder eine Krankheit nicht
aufführt, die durch die Arbeit verursacht wurde (BGE 119 V
201 Erw. 2b mit Hinweis).
     Nach der Rechtsprechung ist die Voraussetzung des
"ausschliesslichen oder stark überwiegenden" Zusammenhangs
gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG erfüllt, wenn die Berufskrankheit
mindestens zu 75 % durch die berufliche Tätigkeit verur-
sacht worden ist (BGE 126 V 186 Erw. 2b, 119 V 201 Erw. 2b,
je mit Hinweis).

     cc) Der Argumentation der Beschwerdeführerin kann
nicht gefolgt werden. Die Ausübung des Berufs als Service-
angestellte ist nicht in besonderem Masse geeignet, eine
Periarthropathia humeroscapularis zu verursachen, und es
bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen durch diese
Tätigkeit verursachten Gesundheitsschaden. Ferner weist
entgegen ihrer Auffassung Dr. med. Z.________ im zitierten
Bericht nicht auf eine mögliche Berufskrankheit hin, son-
dern darauf, dass neben dem Leiden an der Schulter glei-
chermassen ("également") eine Komponente in beruflicher
Hinsicht vorliege. Zur Verdeutlichung führt er im selben
Bericht an anderer Stelle aus, es sei nochmals festzuhal-
ten, dass sich im Arbeitsverhältnis Spannungen ergeben hät-
ten, obwohl die Beschwerdeführerin eine langjährige Mitar-
beiterin gewesen sei.

     4.- Nach Art. 159 Abs. 2 OG darf im Verfahren der Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit
öffentlichrechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in
der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen werden. In
Anwendung dieser Bestimmung hat das Eidgenössische Versi-
cherungsgericht der SUVA und den privaten UVG-Versicherern
sowie - von Sonderfällen abgesehen - den Krankenkassen kei-
ne Parteientschädigungen zugesprochen, weil sie als Organi-
sationen mit öffentlichrechtlichen Aufgaben zu qualifizie-
ren sind (BGE 126 V 150 Erw. 4a mit Hinweisen).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Freiburg, Sozialversicherungsge-
     richtshof, dem Bundesamt für Sozialversicherung und
     der CSS Versicherung zugestellt.

Luzern, 18. März 2002
                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                         Die Präsidentin der IV. Kammer:

                             Der Gerichtsschreiber: