Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 22/2001
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U 22/01

Urteil vom 29. Oktober 2002
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und nebenamtlicher Richter Brunner;
Gerichtsschreiber Grünvogel

Winterthur-Versicherungen, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher René W. Schleifer,
Stampfenbachstrasse 42, 8006 Zürich,

gegen

S.________, 1955, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt David
Husmann, c/o Sidler & Partner, Untermüli 6, 6300 Zug

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 22. November 2000)

Sachverhalt:

A.
Die 1955 geborene S.________ war bei der Bank als Hauswartin angestellt und
in dieser Eigenschaft bei der Winterthur Versicherungen (Winterthur) gegen
Unfall und Berufskrankheit versichert. Am 1. Oktober 1993 erlitt S.________
einen Auffahrunfall. Im Anschluss dazu traten in den Hinterkopf ausstrahlende
Nackenbeschwerden auf, weshalb sich die Versicherte erstmals am 5. Oktober
1993 zu Dr. K.________ in Behandlung begab. Dieser diagnostizierte nach
Erhalt des Berichts von Dr. R.________ vom 4. November 1993 über die
radiologische Untersuchung ein Whip-lash-Trauma der Halswirbelsäule (HWS)
ohne ossäre Läsion der HWS und verordnete neben einem Halskragen
Physiotherapie und Antiphlogistika. Die Winterthur anerkannte ihre
Leistungspflicht. Nachdem S.________ im Anschluss an den Unfall ihrer
Tätigkeit im bisherigen Umfang nachgehen konnte, reduzierte sie diese wegen
verstärkter Ermüdbarkeit und Schmerzhaftigkeit vorübergehend vom 10. November
1993 bis 23. Januar 1994 um die Hälfte. Aus denselben Gründen waren später
zwei weitere Arbeitsunterbrüche vom 17. bis 22. August sowie 30. Oktober bis
18. November 1994 notwendig, wobei während letzterem in der Klinik X.________
eine stationäre Rehabilitation und intensive Physiotherapie durchgeführt
wurden. Schliesslich konnte der Hausarzt Dr. K.________ nach eingetretener
Beschwerdefreiheit am 25. April 1995 über den (vorläufigen)
Behandlungsabschluss im Februar 1995 berichten.

Im Dezember 1995 traten erneut heftige Nackenschmerzen, begleitet von einer
Schwächung im rechten Schulterbereich und der rechten Hand sowie Parästhesien
in mehreren Fingern, auf. Die Arbeitsfähigkeit war davon aber zunächst nicht
berührt. Nachdem häufige Kopfschmerzen, wiederholtes Erbrechen sowie
gelegentlicher Schwindel hinzugetreten waren, erfolgte in der Neurologischen
Klinik des Spital Y.________ zunächst am 29. April 1996 und nochmals am 5.
November 1996 eine Untersuchung. Diese brachten ein weichteilrheumatisches
Schmerzsyndrom bei mittelgrosser mediolateraler Diskushernie C5/6 zu Tage,
wobei die Ärzte einen Zusammenhang zwischen dem Beschwerdebild und dem Unfall
noch als möglich bezeichneten (Berichte vom 2. Mai, 29. Mai, 8. November 1996
und 26. Februar 1997). Der Grad der Arbeitsfähigkeit reduzierte sich am 19.
Juni 1996 auf 50 %, ehe er am 12. August 1996 dank intensiver Physiotherapie
auf 75 % angehoben werden konnte. Die physiotherapeutische Betreuung wurde
fortgeführt und ist seit Mai 1997 zeitweilig durch die Abgabe von
Schmerzmitteln ergänzt. Nachdem die Winterthur ein unfallanalytisches
Gutachten vom 28. April 1997 erstellt und S.________ der Klinik X.________
einer Begutachtung (Bericht vom 2. Oktober 1998) zugeführt hatte, stellte sie
ihre Leistungen mit Verfügung vom 12. März 1999 rückwirkend auf den 3. Juli
1998 ein. Dabei berücksichtigte sie auch den Bericht des sie beratenden
Arztes Dr. H.________ vom 2. Dezember 1998, wonach die bestehenden
Beschwerden mit dem Unfall nicht mehr in einem kausalen Zusammenhang stünden.
Mit Einspracheentscheid vom 27. Dezember 1999 hielt der Versicherer an seiner
Auffassung fest.

B.
Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 22. November 2000 gut und bejahte eine über den 3.
Juli 1998 hinausgehende Leistungspflicht der Winterthur.

C.
Der Unfallversicherer führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der
vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.

Während S.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen
lässt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf Vernehmlassung.

D.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat am 29. Oktober 2002 eine
parteiöffentliche Beratung durchgeführt, welcher nach entsprechender Anzeige
ein Antrag von S.________ auf mündlichen Parteivortrag vorausgegangen ist.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Vorab ist der Antrag auf mündlichen Parteivortrag zu prüfen.

1.1 Nach Art. 112 in Verbindung mit Art. 132 OG und Art. 9 Abs. 2 Reglement
für das Eidgenössische Versicherungsgericht (im Folgenden: Reglement) können
die Vorsitzenden auf Gesuch einer Partei hin oder von Amtes wegen eine
mündliche Schlussverhandlung anordnen, anlässlich welcher die Rechtsvertreter
Parteivorträge halten und die beschwerdeführende Person selbst zu Wort kommen
können. Eine Schlussverhandlung mit Parteivortrag fällt namentlich in
Betracht, um die gemäss Art. 6 Abs. 1 EMRK gebotene Verfahrensöffentlichkeit
sicherzustellen. Nach der Rechtsprechung ist diese jedoch primär im
erstinstanzlichen Rechtsmittelverfahren zu gewährleisten (BGE 122 V 54 Erw. 3
mit Hinweisen). Sodann gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben, den
entsprechenden Antrag so früh wie möglich zu stellen. Ein ausserhalb des
ordentlichen Schriftenwechsels erfolgtes Begehren ist verspätet (a.a.O.,
insbesondere Erw. 3b/bb mit Hinweisen). Davon abzugrenzen ist die dem
Schriftenwechsel oder dem Parteivortrag folgende Urteilsberatung, welche in
Prozessen, die nicht im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG oder im
Zirkulationsverfahren gemäss Art. 36b OG erledigt werden, zumindest für die
Parteien öffentlich sind (Art. 17 in Verbindung mit Art. 125 OG sowie Art. 9
Abs. 1 Reglement).

1.2 Nachdem die Beschwerdegegnerin erst im letztinstanzlichen Verfahren und
nach durchgeführtem Schriftenwechsel den mündlichen Parteivortrag anbegehrt
hat, ist darauf praxisgemäss zu verzichten.

2.
2.1 In formell-rechtlicher Hinsicht hat die Vorinstanz die Verletzung des
verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die
Beschwerdeführerin bejaht, weil diese im Administrativerfahren vor dem
Einholen des Gutachtens der Klinik X.________ vom 2. Oktober 1998 der
Versicherten in Missachtung von Art. 57 Abs. 2 und Art. 58 Abs. 2 BZP in
Verbindung mit Art. 19 VwVG weder die Gelegenheit eingeräumt hat, vor der
Ernennung der Sachverständigen Einwendungen gegen die in Aussicht Genommenen
vorzubringen noch sich zu den an diese gerichteten Fragen zu äussern und
Abänderungs- oder Ergänzungsanträge zu stellen (BGE 122 V 159 Erw. 1b, 120 V
361 Erw. 1c; RKUV 1996 Nr. U 265 S. 291 Erw. 2b). Die Frage, ob die
Verletzung dieser Mitwirkungsrechte einen derart schwerwiegenden
Verfahrensmangel darstellt, der eine Heilung im nachträglichen
verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren verbietet (BGE 127 V 437 Erw.
3d/aa, 126 I 72, 126 V 132 Erw. 2b, je mit Hinweisen), liess das kantonale
Gericht, das den angefochtenen Einspracheentscheid aus anderen Gründen
aufhob, unbeantwortet. Dies ist nachzuholen, wenngleich die
Beschwerdegegnerin die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
letztinstanzlich nicht mehr bemängelt.

2.2 Tatsächlich ist das Gutachten vom 2. Oktober 1998 in einem mangelhaften
Verfahren zu Stande gekommen. Indessen wurden der Versicherten nicht
sämtliche in Art. 57 ff. BZP umschriebenen Mitwirkungsrechte vorenthalten:
Vor Erlass der Verfügung erhielt sie - in einem Zeitpunkt, in dem sie bereits
rechtskundig vertreten war - Gelegenheit, sich zur Sache zu äussern und
begründete Einwände zu erheben (Art. 60 Abs. 1 BZP). Ihr Rechtsvertreter
nutzte diese Möglichkeit denn auch, ohne das Gutachten formell-rechtlich zu
beanstanden.

2.3 Weil der Beschwerdegegnerin nicht sämtliche Mitwirkungsrechte nach Art.
57 ff. BZP vorenthalten wurden, liegt keine solche Häufung von
Rechtsverletzungen vor, die eine Heilung im kantonalen Beschwerdeverfahren
verunmöglicht (vgl. RKUV 1993 Nr. U 167 S. 95; nicht veröffentlichtes Urteil
in Sachen M. vom 8. November 1999, U 81/99). Die von der Beschwerdeführerin
begangene Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist damit als
geheilt zu betrachten.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat die gesetzliche Bestimmung über den Anspruch auf
Leistungen der Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) sowie die
Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b mit
Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 121 V 49 Erw. 3a, 117 V 365
Erw. 5b/bb, je mit Hinweisen) zutreffend wiedergegeben. Richtig sind auch die
Erwägungen zum Beweis des Wegfalls des natürlichen Kausalzusammenhangs bei
zunächst anerkannter Leistungspflicht durch die Unfallversicherung (RKUV 1994
Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b). Darauf ist zu verweisen.

3.2 Ergänzend ist zu erwähnen, dass die Regel, wonach die Beweislast bei
anspruchsaufhebenden Tatfragen bei der Partei liegt, welche sich auf das
Dahinfallen des Anspruches beruft, erst Platz greift, wenn es sich als
unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer
Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die
überwiegende Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wahrheit zu entsprechen
(BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen). Sodann muss der Beweis des Wegfalls
des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht durch den Nachweis unfallfremder
Ursachen erbracht werden. Ebenso wenig geht es darum, vom Unfallversicherer
den negativen Beweis zu verlangen, dass kein Gesundheitsschaden mehr vorliege
oder dass die versicherte Person nun bei voller Gesundheit sei. Entscheidend
ist allein, ob unfallbedingte Ursachen eines Gesundheitsschadens ihre kausale
Bedeutung verloren haben, also dahingefallen sind (Urteil B. vom 31. August
2001, U 285/00, Erw. 5a).

4.
Die Vorinstanz begründet eine über den 3. Juli 1998 hinausgehende
Leistungspflicht des Unfallversicherers mit dem Vorliegen organischer
Unfallfolgen. Dabei stützt sie sich massgebend auf das Gutachten der Klinik
X.________ vom 2. Oktober 1998. Darin stellen die Experten einen Status nach
HWS-Distorsionstrauma am 1. Oktober 1993 fest mit persistierendem
zervikozephalem und zervikobrachialem Schmerzsyndrom bei vorbestehenden
degenerativen Veränderungen der HWS sowie mediolateraler Diskushernie C5/6
rechts ohne sichere Komprimierung der Nervenstrukturen und wahrscheinlich
nicht cerebralbedingten minimalen kognitiven Teilleistungsstörungen.

5.
5.1 Es entspricht einer medizinischen Erfahrungstatsache im Bereich des
Unfallversicherungsrechts, dass praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen
degenerativer Bandscheibenveränderungen entstehen und ein Unfallereignis nur
ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in
Betracht fällt. Als weitgehend unfallbedingt kann ein Bandscheibenvorfall
betrachtet werden, wenn das Unfallereignis von besonderer Schwere und
geeignet war, eine Schädigung der Bandscheibe herbeizuführen, und die
Symptome der Diskushernie (vertebrales oder radikuläres Syndrom) unverzüglich
und mit sofortiger Arbeitsunfähigkeit aufgetreten sind. Wird die Diskushernie
durch den Unfall lediglich ausgelöst, nicht aber (weitgehend) verursacht,
übernimmt die Unfallversicherung den durch das Unfallereignis ausgelösten
Beschwerdeschub, spätere Rezidive dagegen nur, wenn eindeutige
Brückensymptome gegeben sind (statt vieler Urteil B. vom 26. Februar 2002, U
486/00, Erw. 2b). Insbesondere mit dem letztgenannten Kriterium werden auch
jene Fälle aufgefangen, bei denen der Unfall neben weiteren Faktoren
lediglich eine Teilursache für die im Anschluss an das Ereignis aufgetretenen
Rückenbeschwerden darstellt. Vorausgesetzt ist indessen auch dort, dass die
Symptome einer Diskushernie (vertebragenes oder radikuläres Syndrom)
unmittelbar nach dem Unfall auftreten (RKUV 2000 Nr. U 379 S. 193 Erw. 2a;
vgl. auch Debrunner/Ramseier, Die Begutachtung von Rückenschäden, Bern 1990,
S. 55 oben; Urteil B. vom 26. Februar 2002, U 486/00, Erw. 2b).

5.2 Anhaltspunkte, dass der Unfall vom 1. Oktober 1993 den rund einen Monat
später mittels Computertomographie vom 4. November 1993 von Dr. R.________
erstmals festgestellten und im Gutachten der Klinik X.________ vom 2. Oktober
1998 als mediolaterale Diskushernie C5/6 rechts ohne sichere Komprimierung
der Nervenstrukturen bezeichneten Bandscheibenvorfall verursacht haben
könnte, finden sich keine. Sodann traten unmittelbar nach dem Unfall keine
typischen Symptome einer Diskushernie auf, womit sich die Frage nach
möglichen unfallkausalen Rezidiven erübrigt. Der Bandscheibenvorfall lässt
sich demnach mit dem Unfall nicht in Verbindung bringen.

5.3 Auch sonst liegen keine klar organisch fassbare unfallbedingte Ursachen
vor. Zwar haben die Experten der Klinik X.________ ein persistierendes
zervikozephales und zervikobrachiales Schmerzsyndrom diagnostiziert.
Indessen, sie haben damit lediglich das Beschwerdebild fassbar gemacht, ohne
es dabei eindeutig einem organischen Korrelat zuzuordnen. Einerseits wird
ausgeführt, es würden weder bedeutende neurologische noch rheumatologische
Befunde vorliegen. An anderer Stelle werden die Beschwerden als Folgen
degenerativer Veränderungen der HWS bezeichnet, ehe von einer zunehmenden
psychogenen Fixierung und Chronifizierung des gesamten Beschwerdekomplexes
die Rede ist. Eine organische Grundlage der festgestellten Störungen ist
damit nicht eindeutig nachgewiesen.

6.
Fehlt es an einem klaren organischen Substrat, so beurteilt sich der
Kausalzusammenhang nach der zu Schleudertraumen ohne nachweisbare organische
Befunde begründeten Rechtsprechung (BGE 119 V 335, 117 V 359).

6.1 Die Versicherte litt im massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des
Einspracheentscheides vom 27. Dezember 1999 (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit
Hinweisen) an einem nach einem Schleudertrauma nicht selten auftretenden und
insofern typischen Beschwerdebild, als Nacken- und Kopfschmerzen, Schwindel,
Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit und rasche Ermüdbarkeit
vorhanden sind. Für die Leistungspflicht des Unfallversicherers ist indessen
auch in solchen Fällen vorausgesetzt, dass die geklagten Beschwerden
medizinisch einer fassbaren gesundheitlichen Beeinträchtigung zugeschrieben
werden können und diese Gesundheitsschädigung mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten
Unfall steht (BGE 119 V 340 Erw. 2b/aa).

6.2 Im Anschluss an den Auffahrunfall vom 1. Oktober 1993 sind zunächst
einzig Nackenbeschwerden mit Ausstrahlung in den Hinterkopf aufgetreten.
Wenngleich die Versicherte deswegen erst vier Tage später einen Arzt
aufgesucht hat, ist angesichts des Unfallablaufs (Auffahrunfall) und der vom
erstbehandelnden Arzt Dr. K.________ gestellten Diagnose eines
Whip-lash-Traumas der HWS von einem Schleudertrauma der HWS oder einer
äquivalenten Verletzung auszugehen. Die für eine derartige Verletzung
typischen Beschwerdesymptome (BGE 119 V 338 Erw. 1 mit Hinweis) sind indessen
im Anschluss an den Unfall weder in gehäufter noch nachhaltiger Form
aufgetreten. Zwar nannte der Hausarzt Dr. K.________ im Bericht vom 9.
November 1993 neben der Schmerzhaftigkeit eine zunehmende Ermüdbarkeit als
Grund für die Reduktion des Arbeitspensums am 10. November 1993. Alsdann wird
im Bericht des Versicherungsmitarbeiters über den Verletztenbesuch vom 3.
Januar 1994 ausgeführt, die Versicherte leide seit dem Unfall unter
plötzlichen Migräneanfällen, die bis zu Übelkeit und Erbrechen führen würden.
Dies wird aber in keinem der nachfolgenden Arztberichte aufgegriffen.
Vielmehr standen als Ursache der gesundheitlich bedingten Arbeitsreduktionen
bis zum erstmaligen Behandlungsabschluss im Februar 1995 praktisch
ausschliesslich die Nacken- und Kopfbeschwerden im Vordergrund, anfangs noch
von verstärkter Ermüdbarkeit begleitet. Auch beschränkte sich die notwendige
ärztliche Behandlung im Wesentlichen auf physikalische Therapie und die
zeitweilige Abgabe von Arzneimitteln. Erst frühestens rund 2 1/3 Jahre nach
dem Unfallereignis traten ab Dezember 1995 neben den Nacken- und
Kopfbeschwerden allmählich weitere für ein Schleudertrauma der HWS typische
Symptome akzentuiert in Form von rascher Ermüdbarkeit, Übelkeit, Schwindel
sowie Konzentrations- und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten auf, was deren
Kausalzusammenhang zum Unfall zumindest als zweifelhaft erscheinen lässt.

Angesichts dieser Umstände erstaunt nicht, dass das Spital Y.________ den
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen den aktuellen Beschwerden und dem
Unfall vom 1. Oktober 1993 in den Berichten vom 2. Mai 1996 und 26. Februar
1997 lediglich als noch möglich bezeichnet hat, obwohl es die bei der
Auffahrkollision auf die HWS wirkenden Kräfte als erheblich stärker
einstufte, als die unfallanalytische Expertise vom 28. April 1997 mit einer
kollisionsbedingten Geschwindigkeitsveränderung von 6 bis 9 km/h später
ergab. Umgekehrt bejahte es zu diesem Zeitpunkt den Wegfall jeglicher
kausalen Bedeutung des Unfalls für den Gesundheitsschaden (noch) nicht,
sondern empfahl der Beschwerdeführerin, die Behandlungen weiterhin bis Herbst
1997 als unfallbedingt zu übernehmen. Die Experten der Klinik X.________
haben im rund 1 1/2 Jahre später erstellten Bericht vom 2. Oktober 1998 den
Kausalzusammenhang in Kenntnis der Ergebnisse des unfallanalytischen
Gutachtens als wahrscheinlich bezeichnet. Isoliert betrachtet, wäre diese
Äusserung der Bejahung des kausalen Zusammenhangs gleichzustellen. Nachdem
aber die Fragestellung der Beschwerdeführerin ausdrücklich zwischen "sicher,
überwiegend wahrscheinlich, wahrscheinlich und möglich" unterschieden hatte,
ist dies nicht ohne weiteres ausgewiesen. Die dabei angeführte Begründung,
wonach die vorbestehenden degenerativen Veränderungen der HWS nach dem Unfall
im Verlauf der Jahre über das altersentsprechende Mass zugenommenen hätten
und die Versicherte vor dem Unfall schmerzfrei gewesen sei, deutet denn auch
viel eher darauf hin, dass die Ärzte eigentlich mit Dr. H.________ von einem
Verlust jeglicher kausalen Bedeutung des Unfalls für den Gesundheitsschaden
ausgehen. Nach der Formel "post hoc ergo propter hoc" verfahren zu wollen,
wonach eine gesundheitliche Schädigung schon deshalb als durch den Unfall
verursacht gilt, weil nach diesem aufgetreten, ist beweisrechtlich
unzulässig.

6.3 Gestützt auf die zur Verfügung stehenden medizinischen Akten kann die
Frage, ob es sich bei den heute bestehenden Gesundheitsstörungen um eine
natürliche (Teil-)Folge des versicherten Unfalles handelt, nicht mit dem im
Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 119 V 9 Erw. 3c/aa mit Hinweisen) beantwortet werden.
Eine Rückweisung der Sache zwecks weiterer Abklärungen in diese Richtung
erübrigt sich aber; selbst wenn auf Grund dieser der natürliche
Kausalzusammenhang zu bejahen wäre, fehlt es - wie die nachstehenden
Erwägungen zeigen - an der Adäquanz des Kausalzusammenhangs, die sich im
vorliegenden Fall nach Massgabe der in BGE 117 V 366 Erw. 6 entwickelten
Kriterien beurteilt. Wobei auf eine Differenzierung zwischen psychischen und
physischen Komponenten zu verzichten ist, fehlt es doch an einer
beherrschenden Dominanz psychischer Probleme (vgl. BGE 123 V 99 Erw. 2a).

7.
7.1 Angesichts der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsveränderung von
lediglich 6 bis 9 km/h und der unmittelbar im Anschluss an den Unfall
aufgetretenen geringen Beschwerden (lediglich Nackenschmerzen ohne direkte
Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit mit fehlender Notwendigkeit,
unmittelbar nach dem Ereignis den Arzt aufzusuchen) ist von einem leichten
Unfall auszugehen. Bei leichten Unfällen ist der adäquate Kausalzusammenhang
zwischen Ereignis und nachfolgenden Gesundheitsstörungen in der Regel ohne
weiteres zu verneinen (BGE 117 V 366 Erw. 6a). Nur wenn die unmittelbaren
Unfallfolgen das zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung vorhandene
Beschwerdebild nicht als offensichtlich unfallunabhängig erscheinen lassen,
ist die Adäquanzfrage als Ausnahme von der Regel auch bei leichten Unfällen
zu prüfen; dabei sind die Kriterien, die für Unfälle im mittleren Bereich
gelten, heranzuziehen (RKUV 1998 Nr. U 297 S. 243). Ob angesichts der
aufgezeigten unmittelbaren Folgen eine derartige Adäquanzbeurteilung Platz zu
greifen hat, erscheint fraglich, braucht indessen nicht abschliessend
beantwortet zu werden. Denn selbst wenn die Kriterien für Unfälle im
mittleren Bereich heranzuziehen wären, müsste die Adäquanzfrage verneint
werden, wie sich aus dem Folgenden ergibt.

7.2 Von besonders dramatischen Begleitumständen oder einer besonderen
Eindrücklichkeit des Unfalls kann nicht gesprochen werden. Im Anschluss an
den Unfall sind sodann die für das HWS-Schleudertrauma charakteristischen
Beschwerden nur vereinzelt aufgetreten und haben sich auch nicht besonders
schwerwiegend ausgewirkt, weshalb das erlittene Trauma nicht als Verletzung
besonderer Art gelten kann. Das Ausmass und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit
fallen ebenso wenig ins Gewicht, war die Beschwerdegegnerin doch im Anschluss
an den Unfall voll arbeitsfähig und blieb dies, abgesehen von drei relativ
kurz andauernden Perioden, dann auch über mehrere Jahre hindurch bis am 19.
Juni 1996. Erst seit diesem Zeitpunkt ist sie in der Leistungsfähigkeit
dauerhaft beeinträchtigt, wobei diese seit dem 12. August 1996 immerhin noch
75 % beträgt. Umgekehrt musste sich die Versicherte bis zum erstmaligen
Behandlungsabschluss im Februar 1995 regelmässig ein bis zwei Mal monatlich
in ärztliche Beratung begeben, begleitet von einer physiotherapeutischen und
anfangs auch medikamentösen Behandlung. Nach Exazerbation der Nackenschmerzen
im Dezember 1995 und anschliessendem Auftreten weiterer für ein
Schleudertrauma der HWS typischer Symptome wurde die medizinische Betreuung
alsdann wieder im ursprünglichen Umfang aufgenommen, ehe die
Beschwerdegegnerin seit Februar 1997 zwecks Verminderung der Rückfälligkeit,
aber auch schmerzbedingt, öfters Ruhepausen einlegt und physiotherapeutische
wie auch medikamentöse Massnahmen von begrenzter Dauer primär im Anschluss an
akute Schmerzverstärkungen vorgenommen werden. Dergestalt ist die ärztliche
Behandlung trotz gewisser Unterbrüche ungewöhnlich lange und der
Heilungsverlauf schwierig, ohne dass indessen eines dieser Kriterien in
ausgeprägter Weise erfüllt wäre. Ebenfalls sind Dauerschmerzen ausgewiesen,
wenngleich nicht immer von relevanter Intensität.
Auf Grund dieser Gesamtwürdigung kommt dem leichten Unfall vom 1. Oktober
1993 keine massgebende Bedeutung für die Entstehung der festgestellten
teilweisen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit zu, weshalb die Adäquanz des
Kausalzusammenhangs zu verneinen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 22. November 2000 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 29. Oktober 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: