Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 229/2001
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U 229/01

Urteil vom 21. Februar 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Arnold

Visana, Weltpoststrasse 19/21, 3000 Bern, Beschwerdeführerin,

gegen

S.________, 1937, Höhenstrasse 9, 4433 Ramlinsburg, Beschwerdegegnerin

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 19. April 2001)

Sachverhalt:

A.
Mit Unfallmeldung vom 1. Dezember 1999 zeigte S.________, geb. 1937, der
Visana an, dass sie am 21. November 1999 beim Essen eines
"Bio-5-Korn-Flocken-Müeslis" durch einen "harten, nicht ins Müesli gehörenden
kleinen Gegenstand einen Teil eines nicht defekten Zahns ausgebrochen" habe.
Nach Abklärung der Verhältnisse, worunter der Bericht des behandelnden
Zahnarztes Dr. med. dent. G.________ vom 6. Dezember 1999 sowie der von der
Versicherten ausgefüllte Fragebogen vom 29. Dezember 1999, lehnte die Visana
ihre Leistungspflicht ab, da ein Unfall nicht nachgewiesen sei (Verfügung vom
21. Juni 2000). Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 26.
Oktober 2000).

B.
In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde wies das
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft (ab 1. April 2002:
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht) die
Visana an, die gesetzlichen Leistungen für den am 21. November 1999
erlittenen Zahnschaden zu erbringen (Präsidialentscheid vom 19. April 2001).

C.
Die Visana führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der
vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.

S. ________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen der Leistungspflicht der
sozialen Krankenversicherung bei Unfall, soweit dafür keine
Unfallversicherung aufkommt (Art. 1 Abs. 2 KVG), zutreffend dargelegt. Es
betrifft dies namentlich den kranken- wie unfallversicherungsrechtlich
identischen Unfallbegriff (Art. 2 Abs. 2 KVG; Art. 9 Abs. 1 UVV; BGE 122 V
233 Erw. 1), insbesondere die Rechtsprechung zum Begriffsmerkmal der
Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors (BGE 122 V 233 Erw. 1, 121 V 38 Erw.
1a, je mit Hinweisen), und die bei der Anspruchsprüfung zu beachtenden
beweisrechtlichen Grundsätze (vgl. auch BGE 126 V 360 Erw. 5b und 117 V 264
Erw. 3b, je mit Hinweisen). Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in
Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des
strittigen Einspracheentscheides (hier: vom 26. Oktober 2000) eingetretene
Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht
berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

2.
2.1 Zu beurteilen ist, ob es sich beim Ereignis vom 21. November 1999 um einen
Unfall im Rechtssinne handelt. Nach Lage der Akten zu Recht allseits
unbestritten ist, dass die Begriffsmerkmale der plötzlichen, nicht
beabsichtigten schädigenden Einwirkung erfüllt sind. Strittig ist, ob ein
ungewöhnlicher äusserer Faktor rechtsgenüglich nachgewiesen ist.

2.2 Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, dass die blosse
Vermutung, wonach der Zahnschaden durch einen Biss auf "einen harten, nicht
ins Müesli gehörenden Gegenstand" (Unfallmeldung vom 1. Dezember 1999) oder
"ein dunkles Etwas, ähnlich einem Stück Nussschale" (Fragebogen der Visana
vom 29. Dezember 1999) eingetreten sei, für den Nachweis eines ungewöhnlichen
Faktors nicht genügt. Derart unbestimmte Aussagen, ohne dass die betroffene
Person den fraglichen Gegenstand (das so genannte corpus delicti) genauer und
detaillierter zu beschreiben wüsste, lassen rechtsprechungsgemäss keine
zuverlässige Beurteilung darüber zu, um was für einen Faktor es sich denn
überhaupt gehandelt habe, geschweige denn über dessen Ungewöhnlichkeit (statt
vieler: Urteile D. vom 8. Oktober 2002, U 153/02, und M. vom 27. Juni 2000, U
148/01, je mit Hinweisen auf u.a. Turtè Baer, Die Zahnschädigung als Unfall
in der Sozialversicherung, SJZ 1992 S. 324 mit Hinweisen). Daran ändert
nichts, wenn man, mit der Vorinstanz, der Beschwerdegegnerin zugesteht, dass
sie während des gesamten Verfahrens zumindest bei ihrer Aussage blieb, auf
einen harten Gegenstand gebissen zu haben. Die Einschätzung des behandelnden
Zahnarztes Dr. med. G.________ (vom 6. Dezember 1999), wonach es sich um
einen Unfall im Rechtssinne handle, vermag ihrerseits den - seltenen - Beweis
für das Vorliegen einer ungewöhnlichen, äusseren Einwirkung gestützt auf
medizinische Feststellungen nicht zu erbringen (RKUV 1990 Nr. U 86 S. 46 ff.
mit Hinweisen). Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob bei einem
"Bio-5-Korn-Flocken-Müesli" ein rohes, d.h. nicht geschrottetes und
gepresstes Korn als ungewöhnlicher Nahrungsbestandteil im Sinne der
Rechtsprechung zu qualifizieren wäre. Im nicht veröffentlichten Urteil E. vom
16. Januar 1992, U 63/91, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht den
Biss auf ein nicht aufgegangenes hartes Maiskorn beim Verzehr von Popcorn
nicht als ungewöhnlich qualifiziert.

2.3 In Würdigung der gesamten Umstände erscheint es zwar als möglich, ist
aber weder bewiesen noch beweisbar, dass die Zahnschädigung Folge eines
Unfalles im Rechtssinne ist. Die Folgen der Beweislosigkeit hat die
Beschwerdegegnerin zu tragen, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt
Rechte ableiten wollte (BGE 117 V 264 Erw. 3b).

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der obsiegenden Beschwerdeführerin
ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 126 V 150
Erw. 4a mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 19. April 2001
aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 21. Februar 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: