Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 21/2001
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2001
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2001


U 21/01 Vr

                        IV. Kammer

Bundesrichter Borella, Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber
Flückiger

                Urteil vom 16. August 2001

                         in Sachen

Elvia Versicherungen, Bleicherweg 19, 8002 Zürich,
Beschwerdeführerin,
                           gegen

D.________, 1959, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Rechtsanwalt David Husmann, Untermüli 6, 6302 Zug,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz

     A.- Die 1959 geborene D.________ war ab 1. Dezember
1994 bei der N.________ AG angestellt und bei der "Elvia"
Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Elvia) obligato-
risch gegen die Folgen von Unfall und Berufskrankheit ver-
sichert. Am 14. April 1995 wurde sie in eine Auffahrkolli-
sion verwickelt, welche eine ärztliche Behandlung wegen
eines Zervikalsyndroms zur Folge hatte, jedoch nicht zu
einer Arbeitsunfähigkeit führte. Am 13. November 1996 war
sie erneut von einem Auffahrunfall betroffen, als sie am

Steuer eines vor einem Fussgängerstreifen still stehenden
Personenwagens sass, auf welchen ein anderes Fahrzeug von
hinten auffuhr. Gemäss dem Polizeirapport vom 19. November
1996 klagte die Versicherte bereits am Unfallort über Na-
cken- und Kopfschmerzen. Dr. med. H.________, Chiropraktor
SCG/ECU, den sie am Unfalltag aufsuchte, diagnostizierte
ein posttraumatisch aggraviertes Zervikalsyndrom mit
zervikocephaler Symptomatik nach Auffahrkollision (Bericht
vom 27. November 1996). Nach dem Unfall bestand gemäss Be-
scheinigungen von Frau Dr. med. V.________, Allgemeine Me-
dizin FMH (Unfallschein mit Eintragungen bis Ende Juli
1997), und des Dr. med. K.________, Innere Medizin FMH
(Unfallschein mit Eintragungen von August 1997 bis Januar
1998), eine Arbeitsunfähigkeit von 100 %.
     Die Elvia zog Berichte des Dr. med. H.________ vom
22. Januar, 30. Januar, 11. März und 3. Juli 1997, von Frau
Dr. med. V.________ vom 13. Februar, 1. März und 16. Sep-
tember 1997 (mit beigelegtem Bericht über die Physiothera-
pie vom 6. September 1997), des neuropsychologischen
Instituts X.________ vom 21. Mai 1997, des Chiropraktors
Dr. med. U.________ vom 27. Juni 1997 und des Dr. med.
K.________ vom 8. Oktober 1997 sowie zusätzliche Angaben
der Versicherten vom 9. Juli 1997 bei. Zudem holte sie bei
Dr. med. S.________, Orthopädische Chirurgie FMH, ein Gut-
achten ein, welches am 5. Dezember 1997 erstattet wurde.
Anschliessend stellte sie - nach vorgängiger Gewährung des
rechtlichen Gehörs - mit Verfügung vom 20. Februar 1998 die
Taggeldleistungen rückwirkend per 31. Januar 1998 ein, wäh-
rend die Kosten für die Physiotherapie noch bis 30. Juni
1998 übernommen wurden. Die Versicherte liess Einsprache
erheben und reichte in der Folge einen Bericht der Reha-
klinik Y.________ vom 7. August 1998 (mit Korrektur vom
30. September 1998) über einen vom 9. Juni bis 7. Juli 1998
dauernden stationären Aufenthalt ein. Die Elvia zog ausser-
dem einen der IV-Stelle Luzern erstatteten Bericht des Dr.
med. H.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom
18. Mai 1999 bei und holte ein Gutachten der Neurologisch-

neurochirurgischen Poliklinik des Spitals X.________ (Prof.
Dr. med. T.________) vom 13. August 1999 ein. Daraufhin
hielt sie mit Einspracheentscheid vom 10. Januar 2000 an
ihrer Beurteilung fest.

     B.- Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwal-
tungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 13. De-
zember 2000 im Sinne der Erwägungen insofern gut, als es
den Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die Elvia
zurückwies, damit sie über die der Beschwerdeführerin zu-
stehenden Leistungen nach dem 31. Januar 1998 neu verfüge
(Ziffer 1 Satz 1 des Dispositivs). Im Übrigen wies es die
Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Ziffer 1 Satz 2
des Dispositivs).

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die
Elvia die Aufhebung des kantonalen Entscheids, soweit damit
der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom
13. November 1996 und den anhaltenden Beschwerden und der
teilweisen Arbeitsunfähigkeit bejaht wurde.
     D.________ lässt das Rechtsbegehren stellen, die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen. Ferner lässt
sie um unentgeltliche Verbeiständung ersuchen. Die Vorin-
stanz schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbe-
schwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich
nicht vernehmen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu
dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers voraus-
gesetzten natürlichen Kausalzusammenhang im Allgemeinen
(BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen)
und bei Schleudertraumen der HWS oder äquivalenten Verlet-
zungsmechanismen im Besonderen (BGE 119 V 337; RKUV 2000
Nr. U 359 S. 29 ff.) zutreffend dargelegt. Entsprechendes

gilt für die von der Judikatur entwickelten Grundsätze zum
Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhanges im Allgemei-
nen (BGE 125 V 461 Erw. 5a mit Hinweisen) sowie insbesonde-
re bei den Folgen eines Unfalles mit Schleudertrauma der
HWS oder äquivalenten Verletzungen ohne organisch nachweis-
bare Funktionsausfälle (BGE 117 V 359 ff.), soweit nicht
eine ausgeprägte psychische Problematik vorliegt (BGE 123 V
99 Erw. 2a). Darauf wird verwiesen.

     2.- Streitig ist die Adäquanz des Kausalzusammenhangs
zwischen dem Unfallereignis vom 13. November 1996 einer-
seits sowie den fortdauernden Beschwerden der Versicherten
und der dadurch begründeten Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit
andererseits.

     3.- a) Die Vorinstanz hat gestützt auf die medizini-
schen Akten, welche ausführliche Stellungnahmen verschiede-
ner Fachärzte enthalten, mit Recht festgestellt, dass die
Beschwerdegegnerin anlässlich des Unfalls vom 13. November
1996 eine einem Schleudertrauma der HWS äquivalente Verlet-
zung (vgl. SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) in Form einer
HWS-Distorsion erlitten hat und eine Reihe typischer Symp-
tome eines Schleudertraumas der HWS bzw. einer äquivalenten
Verletzung ohne nachweisbare organische Folgen (vgl.
BGE 117 V 360 Erw. 4b) aufweist. Dies sowie das Bestehen
eines (teilweisen) natürlichen Kausalzusammenhangs wurde
denn auch bereits im Einspracheentscheid vom 10. Januar
2000 anerkannt.

     b) Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat Auf-
fahrkollisionen vor einem Fussgängerstreifen im Rahmen der
für die Beurteilung der Adäquanz des Kausalzusammenhangs
vorzunehmenden Einteilung (BGE 117 V 366 Erw. 6a) regelmäs-
sig als mittelschwer im Grenzbereich zu den leichten Unfäl-
len qualifiziert (nicht veröffentlichte Urteile E. vom
21. Juni 1999, U 128/98, K. vom 20. März 1998, U 262/97 und
D. vom 6. Juni 1997, U 187/95). Entgegen der in der Ver-

nehmlassung der Beschwerdegegnerin vom 6. März 2001 vertre-
tenen Auffassung führt eine Auffahrgeschwindigkeit von 30
bis 40 km/h nicht zu einer andern Beurteilung, während die
geltend gemachte Abdrehung des Kopfes nicht im Zusammenhang
mit der Qualifikation des Unfallereignisses als leicht,
mittelschwer oder schwer, sondern allenfalls für die Beur-
teilung des Kriteriums der besonderen Art der Verletzung
relevant ist (vgl. RKUV 1998 Nr. U 297 Erw. 3c S. 245). Die
Vorinstanz ist daher zu Recht von einem mittelschweren Un-
fall im Grenzbereich zu den leichten Unfällen ausgegangen.
Die Adäquanz des Kausalzusammenhangs ist demnach zu beja-
hen, falls ein einzelnes der unfallbezogenen Kriterien
(besonders dramatische Begleitumstände oder besondere Ein-
drücklichkeit des Unfalls; Schwere oder besondere Art der
erlittenen Verletzung; ungewöhnlich lange Dauer der ärztli-
chen Behandlung; Dauerbeschwerden; ärztliche Fehlbehand-
lung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert;
schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen;
erheblicher Grad und lange Dauer der Arbeitsunfähigkeit) in
besonders ausgeprägter Weise gegeben ist oder die zu be-
rücksichtigenden Kriterien insgesamt in gehäufter oder
auffallender Weise erfüllt sind (BGE 117 V 367 f.).

     c) Das kantonale Gericht hat die Adäquanz des Kausal-
zusammenhangs mit der Begründung bejaht, es seien mehrere
unfallbezogene Kriterien erfüllt, nämlich die besondere Art
der Verletzung, Dauerschmerzen sowie die lange Dauer der
Arbeitsunfähigkeit.

     d) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist das Vor-
liegen einer Verletzung besonderer Art nicht bereits des-
halb zu bejahen, weil eine vorgeschädigte Nackenregion vor-
liegt (Urteil B. vom 12. Oktober 2000, U 96/00). Die Recht-
sprechung gemäss RKUV 1998 Nr. U 297 S. 245 Erw. 3c, wonach
für die Beurteilung der Adäquanz des Kausalzusammenhangs
zwischen einem Unfallereignis und einer psychischen Gesund-
heitsschädigung auf eine weite Bandbreite von Versicherten

abzustellen ist, wozu auch diejenigen Personen gehören, die
auf Grund ihrer Veranlagung für psychische Störungen anfäl-
liger sind und einen Unfall seelisch weniger gut verkraften
als Gesunde, kann nicht unbesehen auf den körperlichen Vor-
zustand übertragen werden. Im konkreten Fall wurde die be-
sondere Art der Verletzung bejaht, weil die betroffene Per-
son - welche als Beifahrerin eines stehenden Personenwagens
in eine Auffahrkollision verwickelt wurde - im Zeitpunkt
des Heckaufpralls nach oben zum Schiebedach hinausschaute,
wobei sie, um die Bedienungsmöglichkeiten des Autos zu be-
obachten, den Oberkörper nach links neigte. Auf Grund die-
ser besonderen Körperhaltung führte das erlittene Schleu-
dertrauma zu Komplikationen. Vorliegend ist keine ver-
gleichbare Konstellation gegeben, hatte doch die Versicher-
te nach eigenen Angaben nur den Kopf, nicht aber den gesam-
ten Oberkörper abgedreht. Schliesslich entfällt im Rahmen
der Adäquanzprüfung bei Würdigung des Unfalles zusammen mit
den objektiven Kriterien gerade die Notwendigkeit, nach an-
dern Ursachen zu forschen, welche möglicherweise die nach
einem Schleudertrauma der HWS aufgetretenen Beschwerden
mitbegünstigt haben könnten (BGE 117 V 368 Erw. 6b in
fine). Der in der vorinstanzlichen Beschwerdeschrift postu-
lierte Grundsatz, wonach eine HWS-Distorsion, durch welche
das typische Beschwerdebild hervorgerufen wird, ohne weite-
res als Verletzung besonderer Art zu gelten hätte, findet
in der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungs-
gerichts keine Stütze und wurde auch von der Vorinstanz mit
Recht abgelehnt.

     e) Das Unfallereignis vom 13. November 1996 (Auffahr-
kollision vor einem Fussgängerstreifen) war weder mit dra-
matischen Begleitumständen verbunden noch besonders ein-
drücklich. Die ärztliche Behandlung dauerte nicht ungewöhn-
lich lange (vgl. die zutreffenden Ausführungen im Einspra-
cheentscheid vom 10. Januar 2000), und ein schwieriger Hei-
lungsverlauf oder erhebliche Komplikationen liegen ebenso
wenig vor wie eine Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen

erheblich verschlimmert hat. Da die Beschwerdegegnerin nach
dem Gesagten auch keine Verletzung besonderer Art erlitten
hat, sind höchstens zwei und damit nicht mehrere der für
die Adäquanzbeurteilung massgebenden unfallbezogenen Krite-
rien erfüllt, und dies nicht in auffallender Weise. Dem Un-
fallereignis vom 13. November 1996 kommt demnach keine
rechtlich massgebende Bedeutung für die über den 31. Januar
1998 hinaus bestehenden Beschwerden und die damit verbun-
dene Arbeitsunfähigkeit zu, weshalb der adäquate Kausalzu-
sammenhang zu verneinen ist, was zur Gutheissung der Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde führt.

     4.- Die unentgeltliche Verbeiständung kann der Be-
schwerdegegnerin gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit
Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist und die
Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372
Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich
auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die be-
günstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben
wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
     Ziffer 1 Satz 1 des Entscheides des Verwaltungsge-
     richts des Kantons Schwyz vom 13. Dezember 2000 aufge-
     hoben.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
     wird Rechtsanwalt David Husmann, Zug, für das Verfah-
     ren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus
     der Gerichtskasse eine Entschädigung (einschliesslich
     Mehrwertsteuer) von Fr. 2500.- ausgerichtet.

 IV. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wird über
     eine Neuverlegung der Parteikosten für das kantonale
     Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzli-
     chen Prozesses zu befinden haben.

  V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozial-
     versicherung zugestellt.

Luzern, 16. August 2001

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der IV. Kammer:

                             Der Gerichtsschreiber: