Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 218/2001
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U 218/01 Gr

                        II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
Ursprung; Gerichtsschreiber Flückiger

                 Urteil vom 24. April 2002

                         in Sachen

G.________, 1972, Italien, Beschwerdeführer, vertreten
durch die Gewerkschaft SYNA, Zentralverwaltung, Josef-
strasse 59, 8031 Zürich,
                           gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmatt-
strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur

     A.- Der 1972 geborene G.________, italienischer
Staatsangehöriger, war ab 9. Mai 1996 im Rahmen einer Sai-
sontätigkeit als Hilfsmaschinist bei der Baufirma
C.________ AG angestellt und bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die
Folgen von Unfall und Berufskrankheit versichert. Am
21. Mai 1996 erlitt er einen Arbeitsunfall, bei dem der
linke Unterschenkel und Fuss unter einer Baggerschaufel

eingeklemmt wurden. Laut Bericht des Spitals X.________ vom
31. Mai 1996 zog sich der Versicherte dabei eine distale
intraartikuläre Unterschenkelfraktur links sowie Luxatio-
nsfrakturen von Metatarsale I, II, III und IV links zu. Es
wurden mehrere operative Eingriffe vorgenommen (zuletzt am
27. November 1998) und kreisärztliche Untersuchungen durch-
geführt. Vom 12. April bis 19. Mai 1999 hielt sich der Ver-
sicherte in der Rehabilitationsklinik auf (Austrittsbericht
vom 26. Mai 1999; Kurzbericht über berufliche Abklärung vom
27. Mai 1999; Bericht über Ergonomie-Trainingsprogramm vom
31. Mai 1999). Am 24. Juni 1999 wurde er durch den SUVA-
Kreisarzt Dr. med. S.________ untersucht. In der Folge
holte die SUVA unter anderem Auskünfte und Stellungnahmen
der C.________ + AG vom 1. September und 4. November 1999,
des Prof. Dr. med. Z.________, Orthopädische Chirurgie FMH,
der die Operation vom 27. November 1998 durchgeführt hatte,
vom 13. August 1999 und des Kreisarztes Dr. med. M.________
vom 9. November 1999 ein. Anschliessend sprach sie dem Ver-
sicherten mit Verfügung vom 23. Dezember 1999 für die Zeit
ab 1. Oktober 1999 eine Invalidenrente auf der Basis eines
Invaliditätsgrades von 20 % sowie eine Integritätsentschä-
digung von Fr. 19'440.-, entsprechend einer Integritätsein-
busse von 20 %, zu. Daran hielt die Anstalt mit Einsprache-
entscheid vom 12. Juli 2000 fest.

     B.- Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf
Erhöhung der Invalidenrente auf 100 % und der Integritäts-
entschädigung auf 35 % wies das Verwaltungsgericht des Kan-
tons Graubünden ab (Entscheid vom 30. März 2001).

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt G.________
das Rechtsbegehren stellen, es sei ihm eine Invalidenrente
auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 100 % zuzuspre-
chen; eventuell sei die Angelegenheit zum neuen Entscheid
an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
     Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung ver-
zichtet auf eine Vernehmlassung.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Da die Vernehmlassung der SUVA keine neuen Argu-
mente enthält, ist dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gestellten Begehren um Anordnung eines zweiten Schriften-
wechsels nicht stattzugeben (vgl. BGE 119 V 323 Erw. 1 mit
Hinweisen).

     2.- a) Im Einspracheentscheid vom 12. Juli 2000 werden
die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Inva-
lidität (Art. 18 Abs. 1 UVG), die Ermittlung des Invalidi-
tätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 18
Abs. 2 UVG; BGE 114 V 313 Erw. 3a und 104 V 136 Erw. 2a und
b) sowie die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen
der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134
Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

     b) Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes
ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange
umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, in
Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in
der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und der
medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfol-
gerungen des Experten oder der Expertin begründet sind
(BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis).

     3.- Auf Grund der Rechtsbegehren in der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerde-
führers auf eine Invalidenrente der Beschwerdegegnerin und
in diesem Rahmen der Invaliditätsgrad.

     4.- Den medizinischen Akten ist zu entnehmen, dass die
anlässlich des Unfalls vom 21. Mai 1996 erlittene Unter-
schenkelfraktur inzwischen folgenlos ausgeheilt ist, wäh-
rend die Mittelfussluxationsfraktur trotz mehrmaliger ope-
rativer Behandlung nach wie vor zu erheblichen Beschwerden
und Beeinträchtigungen führt. Zu Gesundheitszustand und

Arbeitsfähigkeit nach dem letzten operativen Eingriff vom
27. November 1998 und dem Rehabilitationsaufenthalt vom
12. April bis 19. Mai 1999 enthalten die Akten die folgen-
den ärztlichen Beurteilungen und Stellungnahmen: Gemäss dem
Bericht des Kreisarztes Dr. med. S.________ vom 24. Juni
1999 liegt eine leichte Abduktionsstellung des Vorfusses
und eine Absenkung des Fussgewölbes quer und längs vor. Der
Mittelfuss sei immer noch etwas empfindlich und vermindert
belastbar. Mit einer wesentlichen Verbesserung sei nicht zu
rechnen. Als zumutbare Arbeit komme keine Tätigkeit mit
längerem Stehen (mehr als zwei Stunden) oder Gehen auf
unebenem Gelände, sondern nur eine häufig im Sitzen zu ver-
richtende Arbeit in Frage. In diesem Sinn äussert sich auch
Prof. Dr. med. Z.________ in seinem Bericht vom 13. August
1999. Die während des Aufenthalts in der Rehabilitations-
klinik vorgenommenen Untersuchungen führten ebenfalls zu
Ergebnissen, die mit der Beurteilung des Dr. med.
S.________ vereinbar sind. Gemäss dem Bericht vom 31. Mai
1999 über das Ergonomie-Trainingsprogramm ist mittelschwere
Arbeit mit Wechselbelastung (Sitzen, Stehen, Gehen) und
Vermeidung von längerem Gehen und Gehen in unebenem Gelände
ganztags zumutbar. Der Kreisarzt Dr. med. M.________ führt
auf Grund der Untersuchung vom 9. November 1999 aus, es
gehe jetzt um den weiteren adäquaten Arbeitseinsatz bei
einer ganztägigen leichten Beschäftigung, zum Beispiel in
einem Fabrikationsbetrieb oder in der Industrie. Diese
inhaltlich übereinstimmenden Beurteilungen verschiedener
Ärzte, die auf eigenen Untersuchungen und Kenntnis der
Akten beruhen und schlüssig begründet werden, erfüllen die
von der Rechtsprechung (BGE 125 V 352 Erw. 3) entwickelten
Anforderungen an beweiskräftige medizinische Berichte.
Abweichende Stellungnahmen, welche geeignet wären, Zweifel
an der Verlässlichkeit des Ergebnisses zu wecken, liegen
nicht vor. Auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde enthält
keine entsprechenden Hinweise. Unter diesen Umständen
besteht kein Anlass zur Anordnung ergänzender Abklärungen.

Es ist mit der Vorinstanz von einer Arbeitsfähigkeit von
100 % in Bezug auf eine den Beschwerden angepasste Tä-
tigkeit auszugehen.

     5.- Umstritten sind weiter die der Invaliditätsbemes-
sung zu Grunde zu legenden Vergleichseinkommen.

     a) aa) Bei der Ermittlung des Einkommens, welches die
versicherte Person ohne Invalidität erzielen könnte, ist
entscheidend, was sie im massgebenden Zeitpunkt mit über-
wiegender Wahrscheinlichkeit ohne Behinderung tatsächlich
verdienen würde (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw. 3b mit
Hinweis). Die Einkommensermittlung hat möglichst konkret zu
erfolgen. Es ist daher in der Regel vom letzten Lohn auszu-
gehen, welchen die versicherte Person vor Eintritt der
Gesundheitsschädigung erzielt hat (ZAK 1980 S. 593 mit Hin-
weisen). Zukünftige Veränderungen des Valideneinkommens
müssen mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlich-
keit erstellt sein (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 f. Erw. 3b
mit Hinweisen; vgl. auch SVR 2000 UV Nr. 5 Erw. 4b mit Hin-
weisen).

     bb) SUVA und Vorinstanz setzten das Valideneinkommen
auf Fr. 52'509.- fest. Sie stützten sich dabei auf die
Angaben der Arbeitgeberin vom 1. September und 4. November
1999. Danach hätte sich der Lohn von Fr. 22.50 pro Stunde
im Jahr 1996 bis auf Fr. 22.95 im Jahr 1999 erhöht. Bei
2112 Jahresstunden sowie unter Berücksichtigung der Grati-
fikation von 8,33 % ergab sich für das Jahr 1999 ein hypo-
thetischer Jahresverdienst von Fr. 52'508.-. Da die Ver-
hältnisse im Zeitpunkt des Einspracheentscheides vom
12. Juli 2000 massgebend sind (BGE 116 V 248 Erw. 1a mit
Hinweisen), ist dieser Betrag der Lohnentwicklung von 1999
auf 2000 (+ 0,8 %, Die Volkswirtschaft 3/2001, S. 101
Tabelle B10.2) anzupassen. Damit resultiert ein Validenein-
kommen von Fr. 52'928.-. Der Einwand des Beschwerdeführers,
er habe anlässlich zweier Arbeitsversuche nach dem Unfall
höhere Löhne (bezogen auf eine volle Arbeitsfähigkeit)

erzielt, vermag nicht zur Annahme eines höheren Validenein-
kommens zu führen. Es bestehen keine hinreichenden Anhalts-
punkte dafür, dass er, wenn sich der Unfall nicht ereignet
hätte, nicht erneut für die bisherige Arbeitgeberin tätig
gewesen wäre, sondern eine besser bezahlte Stelle gesucht
und gefunden hätte. Die ausserdem geltend gemachte künftige
Verbesserung der Verdienstmöglichkeiten durch das Inkraft-
treten der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und
der Europäischen Union betrifft die Zeit nach dem Erlass
des Einspracheentscheids. Dass der Beschwerdeführer bereits
bis zu diesem Zeitpunkt eine Aufenthaltsbewilligung B
erhalten und aus diesem Grund einen höheren Lohn erzielt
hätte, ist nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dar-
getan.

     b) Das Einkommen, welches der Beschwerdeführer mit der
unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigung bei aus-
geglichenem Arbeitsmarkt durch eine ihm zumutbare Erwerbs-
tätigkeit erzielen könnte (Invalideneinkommen), setzte die
Vorinstanz auf Fr. 43'400.- fest. Sie stützte sich dabei
auf das dargestellte Zumutbarkeitsprofil (Erw. 4 hievor)
sowie die durch die SUVA beigezogenen Erfassungsblätter der
Dokumentation über Arbeitsplätze (DAP), wobei sie deren
Ergebnisse anhand der vom Bundesamt für Statistik herausge-
gebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 1996
überprüfte und bestätigt fand. Wird von der LSE 1998 ausge-
gangen, gemäss welcher der Zentralwert des standardisierten
Monatslohns der im privaten Sektor mit einfachen und repe-
titiven Aufgaben beschäftigten Männer Fr. 4268.- betrug,
ergibt sich nach Aufrechnung dieses auf 40 Wochenstunden
basierenden Betrags auf die durchschnittliche betriebsübli-
che Arbeitszeit im Jahr 1999 (für das Jahr 2000 liegen noch
keine Angaben vor) von 41,8 Stunden (Die Volkswirtschaft
12/2001, S. 80 Tabelle B9.2) ein Wert von Fr. 4461.- pro
Monat oder Fr. 53'521.- pro Jahr, unter zusätzlicher
Berücksichtigung der allgemeinen Lohnerhöhung von 1998 bis
2000 (1999: + 0,3 %; 2000: + 0,8 %; Die Volkswirtschaft
3/2001, S. 101 Tabelle B10.2) ein solcher von Fr. 54'111.-.

Der als Folge der Behinderung zu erwartenden Lohneinbusse
sowie allfälligen weiteren lohnmindernden Faktoren kann
durch einen prozentualen Abzug vom Tabellenlohn Rechnung
getragen werden (BGE 126 V 78 Erw. 5), welchen die Vorin-
stanz in angesichts der konkreten Umstände nicht zu bean-
standender Ermessensausübung (vgl. dazu BGE 126 V 81 Erw. 6
mit Hinweis) auf 20 % festgesetzt hat. In Anbetracht des
auf diese Weise resultierenden Invalideneinkommens von
Fr. 43'288.- und des Valideneinkommens von Fr. 52'928.- ist
die Zusprechung einer Invalidenrente auf Grund eines Inva-
liditätsgrades von 20 % nicht zu beanstanden.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für So-
     zialversicherung zugestellt.

Luzern, 24. April 2002
                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der II. Kammer:

                              Der Gerichtsschreiber: