Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 215/2001
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U 215/01 Gr

                        IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari;
Gerichtsschreiber Schmutz

                 Urteil vom 3. April 2002

                         in Sachen

O.________, 1951, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat
Dr. Claude Schnüriger, Aeschenvorstadt 77, 4010 Basel,

                           gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmatt-
strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,

                            und

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

     A.- Der 1951 geborene O.________ arbeitete seit dem
7. Juli 1997 bei der Firma I.________ AG als Maurer. Er war
obligatorisch bei der Schweizerischen Unfallversicherungs-
anstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtbe-
rufsunfall versichert. Am 21. Juli 1997 stürzte er bei der
Arbeit von einem Baugerüst. Bis zum 29. Juli 1997 war er im
Spital X.________ hospitalisiert, wo eine Prellung im

Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und ein Verdacht auf
eine nicht dislozierte Fraktur im Bereich des hinteren obe-
ren Darmbeinstachels diagnostiziert wurde. Mit Verfügung
vom 2. September 1998 lehnte die SUVA, die zunächst die
gesetzlichen Leistungen erbracht hatte, gestützt auf den
Austrittsbericht der Rehabilitationsklinik vom 24. August
1998 den Anspruch auf Versicherungsleistungen ab dem
1. Oktober 1998 ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid
vom 29. Dezember 1998 fest, weil keine auf den Unfall
zurückzuführenden somatischen Beschwerden mehr vorhanden
seien und die Adäquanz zwischen den psychischen Störungen
und dem Unfallereignis zu verneinen sei.

     B.- O.________ liess gegen die Verfügung der SUVA beim
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Beschwerde
erheben und beantragen, es seien ihm für die Folgen des
Unfalls die gesetzlichen Leistungen auszurichten, insbeson-
dere eine Invalidenrente auf der Basis eines unfallbeding-
ten Invaliditätsgrades von 80 %, eine Integritätsentschädi-
gung bei einer Integritätseinbusse von mindestens 50 % und
die Heilbehandlungskosten. Mit Entscheid vom 4. April 2001
wies das kantonale Gericht die Beschwerde ab.

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt O.________
das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern. Zudem
ersucht er um die unentgeltliche Prozessführung und Verbei-
ständung.
     Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Vorinstanz hat die gesetzliche Bestimmung über
den Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung (Art. 6
Abs. 1 UVG) sowie die Rechtsprechung zu dem für die Leis-
tungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natür-

lichen (vgl. auch BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b)
und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem versicherten
Unfall und der in der Folge eingetretenen psychischen Fehl-
entwicklung mit Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsfä-
higkeit (BGE 115 V 135 ff.; RKUV 1990 Nr. K 849 S. 319,
325; vgl. auch BGE 123 V 99 Erw. 2a, 125 V 461 Erw. 5a)
zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.

     2.- Streitig ist, ob die SUVA für die Folgen des
Unfalles vom 21. Juli 1997 über den 30. September 1998 hin-
aus Leistungen zu erbringen hat.

     3.- Die vorliegenden medizinischen Berichte reichen
aus, um die Frage nach dem Bestehen körperlicher Unfallfol-
gen beim Beschwerdeführer zu verneinen. Der Bericht von PD
Dr. med. N.________, Spezialarzt FMH für Radiologie und
Nuklearmedizin, vom 24. Februar 1998 ist diesbezüglich von
besonderer Bedeutung. Der Arzt stellte rund sieben Monate
nach dem Unfall auf Grund einer Computertomographie (CT)
der LWS fest, dass sich der erhobene Befund in Relation zu
einer bereits am 17. Juni 1996 vor dem Unfall durchgeführ-
ten CT der LWS des Beschwerdeführers nicht verändert habe.
Prof. Dr. med. R.________, Spezialarzt FMH für Neurochirur-
gie, in seinem Bericht vom 24. Februar 1998 und die Ärzte
der Neurologisch-Neurochirurgischen Klinik Y.________ in
ihrem Rapport vom 27. November 1997 haben nach dem Unfall
auch lediglich eine Schmerzzunahme konstatiert. Gemäss der
während eines stationären Aufenthalts des Beschwerdeführers
vom 22. Juli bis 5. August 1998 in der Rehabilitationskli-
nik interdisziplinär erhobenen Beurteilung standen die
aktuellen Beschwerden nicht mehr in einem Zusammenhang mit
dem Unfall und waren die Schmerzen rein somatisch nicht zu
erklären, sondern auch psychogen begründet. Dr. med.
K.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie
sowie Leitender Arzt der Psychosomatischen Abteilung der
Rehabilitationsklinik, diagnostizierte beim Beschwerdefüh-
rer am 28. Juli 1998 ein depressives Syndrom (Major Depres-
sion), mindestens mittelgradig, mit vegetativer Angstkompo-

nente (ICD-10 F32.1). Die in der Rehabilitationsklinik
getroffene Beurteilung ist schlüssig und lässt sich mit den
früheren Arztberichten gut vereinbaren.

     4.- Zu prüfen bleibt, ob zwischen dem Unfall vom
21. Juli 1997 und der psychisch bedingten Erwerbsunfähig-
keit ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Aus dem Rap-
port der Kantonspolizei vom 30. Juli 1997 und der Unfall-
meldung der Arbeitgeberin vom 6. August 1997 geht hervor,
dass der Beschwerdeführer auf einem Fenstersims stehend
ausrutschte und mit den Beinen voran zwischen einem Bauge-
rüst und der Hausmauer rund 3,5 Meter in die Tiefe fiel und
dabei mit dem Rücken auf dem Fenstersims oder dem Gerüst
aufschlug. Nach dem Bericht des Regionalspitals Laufenburg
vom 29. Juli 1997 stürzte er auf die Füsse. Bei seinem Auf-
enthalt im Spital Z.________ will der Beschwerdeführer sich
im September 1997 nicht mehr an den genauen Unfallhergang
erinnert haben. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt
er nun vorbringen, er sei mit dem Rücken auf den (Beton-)
Boden aufgeschlagen. Angesichts der früheren Berichte und
Aussagen zum Hergang des Unfalls, für den es keine Augen-
zeugen gibt, sowie der Art der diagnostizierten Verletzun-
gen ist fraglich, ob der Beschwerdeführer wirklich direkt
mit dem Rücken auf dem Boden aufgeschlagen ist; dies wäre
aber vorliegend bei der Beantwortung der Frage nach der
Adäquanz nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
     In dem in RKUV 1998 Nr. U 307 S. 448 veröffentlichten
Urteil K. vom 27. April 1998 hat das Eidgenössische Versi-
cherungsgericht die bisherige Rechtsprechung zur Einteilung
der Unfälle mit psychischen Folgeschäden, bei denen ein
Sturz aus einer gewissen Höhe als Ursache auftritt, in
leichte, mittelschwere und schwere Unfälle einlässlich dar-
gelegt. Im Lichte dieser Rechtsprechung ist der hier zu
beurteilende Unfall vom 21. Juli 1997 auf Grund des augen-
fälligen Geschehensablaufs und der dabei zugezogenen Ver-
letzungen dem mittleren Bereich zuzuordnen. Hier lässt sich
die Frage, ob zwischen dem Unfallgeschehen und der psy-
chisch bedingten Erwerbsunfähigkeit ein adäquater Kausalzu-

sammenhang besteht, nicht auf Grund des Unfalles allein
schlüssig beantworten, sondern es sind weitere, objektiv
fassbare Kriterien in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen
(BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa).
     Vorliegend gilt es zu berücksichtigen, dass der Unfall
keine besondere Eindrücklichkeit aufwies und die erlittenen
Verletzungen nicht von einer Schwere oder besonderen Art
waren, um erfahrungsgemäss geeignet zu sein, psychische
Fehlentwicklungen auszulösen. So wurde bereits ein halbes
Jahr nach dem Ereignis fachärztlich festgestellt, dass der

Befund der LWS sich im Vergleich zu dem rund ein Jahr vor
dem Sturz erhobenen Ergebnis nicht verändert habe. Damit
fällt auch das Merkmal einer ungewöhnlich langen Dauer der
ärztlichen Behandlung ausser Betracht. Da die Schmerzen
nicht somatisch bedingt sind, kommt entgegen der Vorinstanz
und dem Beschwerdeführer das Kriterium der körperlichen
Dauerschmerzen nicht in Frage. Anders als es der Beschwer-
deführer sieht, ist auf Grund der Berichte der Rehabilita-
tionsklinik das Vorliegen des Merkmals der physisch beding-
ten Arbeitsunfähigkeit spätestens nach einem Jahr ebenfalls
zu verneinen. Hingegen wurde bereits im September 1997
anlässlich einer Hospitalisation im Spital Z.________ eine
depressive Entwicklung rapportiert. Das Kriterium eines
schwierigen Heilungsverlaufes ist zwar zu bejahen, war doch
der Beschwerdeführer mehrmals hospitalisiert. Die Hospita-
lisierungen von September 1997 bis Januar 1998 erfolgten
indes vielfach hauptsächlich wegen der Herzoperation und
nicht wegen der Unfallfolgen. Somit ist dieses Kriterium
hier nicht in besonders ausgeprägter Weise erfüllt. Damit
ist der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfaller-
eignis vom 21. Juli 1997 und der psychisch bedingten
Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers zu
verneinen.

     5.- Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungs-
leistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskos-
ten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich

daher als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung
kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit
Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die
Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die
Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372
Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich
auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
     wird Rechtsanwalt Dr. iur. Claude Schnüriger für das
     Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
     aus der Gerichtskasse eine Entschädigung (einschliess-
     lich Mehrwertsteuer) von Fr. 2'500.- ausgerichtet.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht Basel-Stadt, der Öffentlichen Krankenkas-
     se, Basel, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
     zugestellt.

Luzern, 3. April 2002
                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                         Die Präsidentin der IV. Kammer:

                             Der Gerichtsschreiber: