Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 202/2001
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U 202/01 Gb

                        II. Kammer

Präsident Lustenberger, Bundesrichter Ferrari und nebenamt-
licher Richter Weber; Gerichtsschreiber Ackermann

                Urteil vom 7. Dezember 2001

                         in Sachen

M.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechts-
anwalt André Largier, Strassburgstrasse 10, 8004 Zürich,

                           gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmatt-
strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,

                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- M.________, geboren 1948, arbeitete seit 1991 beim
Amt Z.________ der Stadt F.________ in der Reinigung und
war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) gegen Unfälle versichert. Am 13. Juli 1998 putzte
sie eine Duschanlage und wollte, auf einer Alu-Bockleiter
stehend, einen Duschfilter wechseln. Als sie mit dem linken

Fuss von der Leiter auf den Boden abstehen wollte, rutschte
sie im feuchten Duschraum aus und stürzte nach hinten,
direkt und ungebremst auf das Steissbein. Die gleichentags
notfallmässig aufgesuchte Chirurgische Klinik des Spitals
Y.________ diagnostizierte eine Steissbeinkontusion und
eine Beckenprellung links. Der damalige Hausarzt, Dr. med.
G.________, Allgemeine Medizin FMH, diagnostizierte am
23. August 1998 eine schwere Sacrum/Steissbeinkontusion
nach Sturz sowie "Kontusion re Hüfte/Trochanter" und sprach
unter anderem von sukzessiver Besserung; überdies fügte er
an, dass die vollständige Arbeitsaufnahme seit dem 22. Au-
gust 1998 möglich sei.
     Am 25. September 1998 suchte M.________ erneut die
Notfallstation des Spitals Y.________ auf, wo eine Lumbal-
gie bei Morbus Scheuermann diagnostiziert wurde; weiter
wurde festgehalten, dass M.________ seit zwei Jahren vor
allem nach den Ferien Rückenschmerzen habe und sich deswe-
gen physiotherapeutisch behandeln lasse. Die SUVA holte
anschliessend eine grosse Anzahl Arztberichte ein und
berücksichtigte mehrere Gutachten, die einerseits Dr. med.
E.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin, speziell
Rheumatologie, für die Versicherungskasse der Stadt
F.________ erstellt hatte und die andererseits bei PD Dr.
med. A.________, Spezialarzt FMH für Physikalische Medizin
und Rehabilitation, speziell Rheumaerkrankungen, von
M.________ in Auftrag gegeben worden waren. Die SUVA veran-
lasste vom 18. bis 29. Mai 1999 eine Hospitalisation in der
Rheumaklinik und im Institut für Physikalische Medizin des
Spitals X.________; im Weiteren hielt sich M.________ vom
28. Juni bis 16. Juli 1999 im Spital B.________ auf, wo sie
zur 24-Stunden-Blutdrucküberwachung eingewiesen worden war,
jedoch wegen starker Kopfschmerzen und Schwindel eine sta-
tionäre Aufnahme verlangte. Zudem liess sich M.________ am
3., 5. und 7. Januar sowie am 18. März 1999 notfallmässig
im Spital Y.________ behandeln.

     Da die geklagten Beschwerden nicht unfallkausal seien,
stellte die SUVA mit Verfügung vom 4. November 1999 ihre
Leistungen ab dem 4. März 1999 ein, was mit Einspracheent-
scheid vom 26. Januar 2000 bestätigt wurde.
     Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach mit Verfügung
vom 17. März 2000 M.________ mit Wirkung ab 1. Juli 1999
eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu.

     B.- Die gegen den Einspracheentscheid der SUVA erhobe-
ne Beschwerde der M.________ wurde mit Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 24. Ap-
ril 2001 abgewiesen.

     C.- Unter Beilage eines Berichtes des PD Dr. med.
A.________ vom 30. Mai 2001 lässt M.________ Verwaltungsge-
richtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides
seien ihr die gesetzlichen Leistungen zu erbringen.
     Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversiche-
rung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das kantonale Gericht hat die massgebliche Grund-
lage des natürlichen Kausalzusammenhangs als Anspruchsvo-
raussetzung für die Leistungspflicht der Unfallversicherung
nach Art. 6 Abs. 1 UVG in materiell- und beweisrechtlicher
Sicht zutreffend dargelegt (BGE 126 V 322 Erw. 5a). Darauf
kann verwiesen werden.

     2.- a) Die Beschwerdeführerin beruft sich auf RKUV
1994 Nr. U 206 S. 328 f. Erw. 3b und ist der Ansicht, dass
die SUVA  - nachdem sie anfänglich ihre Leistungspflicht
bejaht hatte - das Dahinfallen jeder Bedeutung von unfall-

bedingten Ursachen der geklagten Beschwerden mit überwie-
gender Wahrscheinlichkeit beweisen müsse; dies sei ihr
jedoch nicht gelungen.

     b) aa) Die SUVA erbrachte ihre Leistungen infolge des
Sturzes vom 13. Juli 1998, der eine Steissbeinkontusion zur
Folge hatte. Die Versicherte stützt ihren Leistungsanspruch
aber auf Beschwerden, die aus einer Diskushernie abgeleitet
werden. Diese wurde erstmals vom Institut für Röntgendiag-
nostik des Spitals Y.________ am 30. April 1999 anlässlich
einer Computertomographie der Lendenwirbelsäule (LWS) und
des Sacrums nachgewiesen. Es stellt sich nun die Frage, ob
die Diskushernie eine adäquat kausale Unfallfolge des Stur-
zes vom 13. Juli 1998 ist und die geklagten Beschwerden
somit dem Unfall als mittelbare Folge zuzurechnen sind.
Dabei ist in beweismässiger Hinsicht zu berücksichtigen,
dass der Sozialversicherungsprozess zwar vom Untersuchungs-
grundsatz beherrscht wird, jedoch im Falle der Beweislosig-
keit der Entscheid zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus-
fallen muss, da sie aus diesem Sachverhalt Rechte ableiten
wollte (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 327 Erw. 1).

     bb) Es entspricht im Bereich des Unfallversicherungs-
rechts einer medizinischen Erfahrungstatsache, dass prak-
tisch alle Diskushernien bei Vorliegen degenerativer Band-
scheibenveränderungen entstehen und ein Unfallereignis nur
ausnahmsweise und unter besonderen Voraussetzungen als
eigentliche Ursache in Betracht fällt, was dann der Fall
ist, wenn das Unfallereignis von besonderer Schwere und
geeignet war, eine Schädigung der Bandscheibe herbeizufüh-
ren und die Symptome der Diskushernie (vertebrales oder
radikuläres Syndrom) unverzüglich und mit sofortiger
Arbeitsunfähigkeit auftreten (Urteil B. vom 7. Januar 2000,
U 131/99; Urteil S. vom 5. Januar 2000, U 103/99).
     In vorliegender Sache kann beim Sturz auf das Steiss-
bein infolge Abrutschens von der untersten Stufe einer

Bockleiter nicht von einem Unfallereignis von besonderer
Schwere ausgegangen werden. Die Symptome der Diskushernie
sind nicht sofort aufgetreten, die Arbeitsunfähigkeit ergab
sich aus der Steissbeinkontusion und dauerte bis am 21. Au-
gust 1998; während und nach ihrer Ferien in C.________ war
die Versicherte  praktisch beschwerdefrei, ein Schmerzrezi-
div erfolgte erst am 23. September 1998 anlässlich einer
Drehbewegung beim Duschen. Überdies fällt auf, dass die Be-
schwerdeführerin schon im September 1996 wegen eines Miss-
trittes bzw. forcierter LWS-Flexion akute Kreuzschmerzen
und Ausstrahlungen im linken Gesäss und im linken Ober-
schenkel hatte; seit dieser Zeit ist sie immer wieder in
physiotherapeutischer Behandlung. Da bereits damals Schmer-
zen in einem ähnlichen Bereich wie heute beklagt wurden,
ohne dass ein Unfallereignis vorlag, kann nicht von einem
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Sturz auf das
Sacrum und den durch die Diskushernie hervorgerufenen ge-
sundheitlichen Beschwerden ausgegangen werden. Daran ändert
auch die Auffassung des PD Dr. med. A.________ nichts, der
einen Kausalzusammenhang zwischen dem seinerzeitigen Sturz
im Duschraum und der Diskushernie annimmt, denn entgegen
der Aussage in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde begründet
der Privatgutachter seine Meinung nicht: im Bericht vom
13. Oktober 1999 fehlt eine Begründung vollständig, während
im Bericht vom 10. April 2000 das Vorliegen einer Diskus-
hernie bejaht und primär aus dem zeitlichen Zusammenhang
mit dem Unfall vom 13. Juli 1998 auf einen Kausalzusammen-
hang geschlossen wird, ohne dass auf den Vorzustand der
Beschwerdeführerin eingegangen wird, was auch für den
Bericht vom 30. Mai 2001 gilt. Im Weiteren ist zu berück-
sichtigen, dass die Versicherte diesen Arzt "für die wei-
tere, fachärztliche Behandlung" aufgesucht hatte; damit hat
PD Dr. med. A.________ als behandelnder Arzt für die Be-
schwerdeführerin eine einem Hausarzt zumindest gleichwerti-
ge Stellung erlangt; in diesem Rahmen ist der Erfahrungs-
tatsache Rechnung zu tragen, dass Hausärzte im Hinblick auf

ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfäl-
len eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 125 V 353
Erw. 3b/cc mit Hinweisen).
     Damit ist davon auszugehen, dass die behauptete Dis-
kushernie in keinem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem
Unfall vom 13. Juli 1998 steht.

     3.- Es stellt sich weiter die Frage, ob die geklagten
Beschwerden - auch ohne Berücksichtigung einer möglichen
Diskushernie - adäquat kausale Folgen des Unfalles vom
13. Juli 1998 sind.

     a) Die Beschwerdeführerin bejaht diesen Zusammenhang
und beruft sich auf Berichte und Beurteilungen des PD Dr.
med. A.________. Dieser schliesst aber primär wegen des
Vorliegens einer Diskushernie auf den Kausalzusammenhang,
was - wie in Erw. 2b/bb hievor erläutert - nicht zutrifft.
Demgegenüber kommen alle anderen die Beschwerdeführerin
behandelnden und begutachtenden Ärzte zum Schluss, dass die
geklagten Beschwerden in keinem natürlichen Kausalzusammen-
hang mit dem Unfallereignis vom 13. Juli 1998 stehen.

     b) aa) Was die von Dr. med. E.________ zuhanden der
Versicherungskasse der Stadt F.________ erstellten Gutach-
ten betrifft, ist festzuhalten, dass den im Rahmen des Ver-
waltungsverfahrens durch SUVA und Privatversicherer einge-
holten Gutachten von externen Spezialärzten, welche auf
Grund eingehender Beobachtungen und Untersuchungen sowie
nach Einsicht in die Akten Bericht erstatten und bei der
Erörterung der Befunde zu schlüssigen Ergebnissen gelangen,
im Rahmen der Beweiswürdigung volle Beweiskraft zuzuerken-
nen ist, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuver-
lässigkeit der Expertise sprechen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb
mit Hinweisen); die Gutachten des Dr. med. E.________ sind
dabei von ihrem Stellenwert her dem von einem Privatversi-
cherer der Unfallversicherung eingeholten Gutachten gleich-

zustellen. Dem Experten standen die gesamten Akten zur Ver-
fügung, er hatte die Beschwerdeführerin jeweils selber
untersucht und kam zu schlüssigen Ergebnissen.
     Gemäss dem letzten Gutachten des Dr. med. E.________
vom 21. September 1999 liegt bei der Beschwerdeführerin ein
Konversionssyndrom vor, während die ursprünglichen Unfall-
folgen sicherlich abgeheilt seien. Damit wird die Einschät-
zung des Dr. med. G.________ (der die Beschwerdeführerin
vor dem Beizug des PD Dr. med. A.________ als Hausarzt
behandelt hatte) vom 22. Juli 1999 bestätigt, dass die psy-
chische Komponente mittlerweile im Vordergrund stehe; wei-
ter stellte Dr. med. G.________ fest, dass die Beschwerde-
führerin die bereits vor dem 13. Juli 1998 aufgetretenen
Rückenschmerzen völlig ausblende. Auch die Rheumaklinik und
das Institut für Physikalische Medizin des Spitals
X.________ erachteten im Bericht vom 1. Juni 1999 die Dis-
kushernie nicht als ursächlich für die Symptomatik; 30 %
der Bevölkerung im Alter der Beschwerdeführerin würden ähn-
liche asymptomatische Befunde aufweisen. Die gegenteilige
Meinung des PD Dr. med. A.________ basiert dagegen auf der
unzutreffenden Annahme, dass der Unfall vom 13. Juli 1998
eine Diskushernie verursacht habe (vgl. Erw. 2b/bb hievor)
und vermag die Auffassung des Dr. med. E.________ nicht zu
erschüttern.

     bb) Die Beschwerdeführerin bringt vor, in ihrem recht-
lichen Gehör verletzt worden zu sein, da sie sich weder zur
Person des Experten Dr. med. E.________ noch zur Fragestel-
lung hätte äussern können; ebenso wenig sei es ihr möglich
gewesen, Ergänzungsfragen zu stellen.
     Diese Rügen gehen fehl, denn die Gutachten des Dr.
med. E.________ sind nicht von der SUVA, sondern vom Versi-
cherer der beruflichen Vorsorge veranlasst worden, sodass
die SUVA gar keine Möglichkeit hatte, der Beschwerdeführe-
rin das rechtliche Gehör im Voraus zu gewähren. Jedoch hat
sich die Versicherte im Verwaltungsverfahren, vor dem kan-

tonalen Gericht und im laufenden Verfahren zu diesen Gut-
achten äussern können; weiter wäre es ihr unbenommen gewe-
sen, sich mit der Versicherungskasse der Stadt F.________
in Verbindung zu setzen und bei dieser eine vorgängige Mit-
wirkungsmöglichkeit zu verlangen.

     c) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird geltend
gemacht, dass die psychische Seite der geklagten Beschwer-
den gar nie abgeklärt worden sei. Dies ist nicht korrekt:
die SUVA hat das von Dr. med. D.________, Spezialarzt FMH
für Psychiatrie und Psychotherapie, am 3. September 1999
zuhanden der Versicherungskasse der Stadt F.________ er-
stellte Gutachten zu den Akten genommen. Der Experte kommt
darin klar zum Ergebnis, dass keine psychischen Leiden vor-
liegen, die die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit einschränken
würden.

     d) Damit ist erstellt, dass die geklagten Beschwerden
in keinem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom
13. Juli 1998 stehen (vgl. RKUV 1994 Nr. U 206 S. 329
oben), womit die SUVA ihre Leistungen zu Recht eingestellt
hat.

     4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem
Prozessausgang entsprechend steht der Beschwerdeführerin
keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung
mit Art. 135 OG), was auch für die Gutachterkosten gilt
(RKUV 2000 Nr. U 362 S. 44 Erw. 3b e contrario).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
     Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 7. Dezember 2001

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der II. Kammer:

                              Der Gerichtsschreiber: