Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 1/2001
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U 1/01

Urteil vom 18. September 2002

III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin
Hofer

N.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno
Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern,

gegen

Generali Allgemeine Versicherungen, rue de la Fontaine 1, 1211 Genf 3,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Stans

(Entscheid vom 26. Juni 2000)

Sachverhalt:

A.
Die geborene N.________ war seit 1. Dezember 1994 als Betreuerin für den
Verein K.________, tätig und bei der Generali Allgemeine Versicherungen
(nachstehend: Generali; früher Schweizer Union Versicherungen) gegen die
Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 22. Februar 1995
erlitt sie anlässlich einer Auffahrkollision ein Schleudertrauma der
Halswirbelsäule (HWS). Die Generali übernahm die Kosten der Heilbehandlung
und richtete Taggelder aus. Weiter klärte sie die medizinischen Verhältnisse
ab, indem sie unter anderem das Gutachten der Neurologischen Klinik des
Spital Z.________ vom 28. Mai 1996, beinhaltend den neuropsychologischen
Konsiliarbericht vom 23. Mai 1996,  und die Berichte der Klinik R.________
vom 19. August 1996, des Chirurgen Dr. B.________, vom 14. November 1996 und
des Neurologen Dr. H.________, vom 22. Januar 1997 beizog. Nachdem N.________
am 25. Januar 1998 nochmals einen Autounfall erlitten hatte, beauftragte die
Generali Rheumaklinik und Institut für Physikalische Medizin des Spital
Z.________ mit einem Gutachten, welches am 22. Mai 1998 erging und am 14.
August 1998 auf Ersuchen der Versicherung ergänzt wurde. Schliesslich nahm
sie auch das im Auftrag der IV-Stelle Nidwalden erstellte Gutachten des Dr.
P.________, Institut Z.________, vom 10. März 1999 zu den Akten. Mit
Verfügung vom 26. August 1998 sprach die Generali der Versicherten mit
Wirkung ab 1. Juni 1998 Taggelder auf der Basis einer Arbeitsunfähigkeit von
50 % zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 3. Juni 1999 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Nidwalden mit Entscheid vom 26. Juni 2000 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt N.________ die Zusprechung eines
ganzen Taggeldes ab 1. Juni 1998 beantragen.

Die Generali schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die gesetzliche Grundlage für die Taggeldberechtigung (Art. 16 Abs. 1 UVG)
wie auch die Rechtsprechung zum Begriff und zur Ermittlung des Grades der
Arbeitsunfähigkeit (BGE 115 V 133, 404, 114 V 283, 111 V 239; RKUV 1987 Nr. U
27 S. 394) wurden von der Vorinstanz zutreffend dargelegt. Darauf kann
verwiesen werden.

2.
2.1 Das kantonale Gericht kam in Würdigung der medizinischen Unterlagen,
insbesondere des Gutachtens von Rheumaklinik und Institut für Physikalische
Medizin des Spital Z.________ vom 22. Mai 1998, einschliesslich ergänzender
Stellungnahme vom 14. August 1998, zum Schluss, die Versicherte sei in ihrem
angestammten Beruf als Sozialarbeiterin zu 50 % arbeitsfähig. Die umfassende,
auf allseitigen Untersuchungen beruhende, die geklagten Beschwerden
berücksichtigende und in Kenntnis der Vorakten ergangene Expertise sei
schlüssig und überzeugend, weshalb darauf abgestellt werden könne. Das auf
einer neuropsychologischen Untersuchung beruhende Gutachten des Dr.
P.________ vom 10. März 1999 dagegen sei widersprüchlich und in seiner
Schlussfolgerung bezüglich der Arbeitsunfähigkeit nicht begründet.

Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Ärzte der Rheumatologischen Klinik
hätten bezüglich der neuropsychologischen Defizite auf veraltete
Abklärungsergebnisse aus dem Jahre 1996 abgestellt. Wenn sie selber keine
Hinweise auf Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen hätten finden können,
sei dies darauf zurückzuführen, dass sie keine fachspezifischen
Untersuchungen veranlasst hätten. Würden die von Dr. P.________
festgestellten neuropsychologischen Defizite in die Beurteilung
miteinbezogen, resultiere eine Arbeitsunfähigkeit von 100 %.

2.2 Im Rahmen der umfassenden neurologischen und neuropsychologischen
Untersuchung im Spital Z.________ vom Mai 1996 diagnostizierten die Ärzte ein
posttraumatisches zerviko-zephales Syndrom mit Spannungstyp-Kopfschmerz, ein
panvertebrales Muskelschmerz-Syndrom insbesondere im
Brustwirbelsäulenbereich, neuropsychologische Defizite mit
Konzentrationsschwäche und diskreter Gedächtnisschwäche, subjektive
Missempfindungen mit Schwindelgefühl, Dysästhesie/Hypästhesie im rechten
Trigeminusbereich sowie ein intermittierendes Reizsyndrom L5/S1 rechts. Mit
Bezug auf die damals ausgeübte Tätigkeit im Sozialdienst attestierten die
Gutachter eine Arbeitsfähigkeit von 50 %, sofern belastende Tätigkeiten wie
Heben schwerer Lasten oder längeres Bücken vermieden würden und auf
genügenden Wechsel der Körperposition geachtet werde. Durch geeignete
therapeutische Massnahmen sei eine Steigerung auf 70 % möglich, doch konnten
die Ärzte damals nicht sagen, ab welchem Zeitpunkt dies der Fall sein werde;
aus diesem Grund empfahlen sie eine abschliessende Beurteilung frühestens
zwei Jahre nach dem Unfall. Die neurologische Beurteilung des Dr. H.________
vom 22. Januar 1997 erbrachte keine grundsätzlich neuen Aspekte.

Die Gutachter von Rheumaklinik und Institut für Physikalische Medizin fanden
im Mai 1998 ein chronisches cervico-cephales und cervico-spondylogenes
Syndrom rechts. Nach einer gewissen Besserung der Beschwerden sei es
anlässlich des Unfalles vom Januar 1998 zu einer Symptomverschlechterung mit
bewegungsabhängigen Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Kopf und die
rechte Gesichtshälfte, bisweilen auch in den rechten Arm gekommen. Die
Leistungsfähigkeit sei wegen der deutlich verminderten Belastbarkeit der
Nacken-/Schulergürtelmuskulatur eingeschränkt; ungünstig wirke sich längeres
Sitzen oder Verbleiben in der gleichen Position aus. Die neurovegetativen
Symptome und neuropsychologischen Störungen seien deutlich abgeklungen. Aus
der Ueberlegung heraus, dass der angestammte Beruf als Sozialarbeiterin einer
leichten, einigermassen wechselbelastenden körperlichen Arbeit ent-spreche
und nicht ununterbrochen Schreibtischarbeit auszuführen sei, veran-schlagten
die Gutachter die Arbeitsfähigkeit für diese Tätigkeit auf 50 %, mit der
Möglichkeit einer schrittweisen Steigerung auf 70 % innerhalb von sechs bis
zwölf Monaten. In der ergänzenden Stellungnahme vom 14. August 1998
bestätigen sie, eine Gesamtbeurteilung vorgenommen und die
neurologisch-psychiatrischen Aspekte mitberücksichtigt zu haben. Da keine
peripher-neurologischen Ausfälle bestanden und die neuropsychologischen
Symptome sich gemäss den Angaben der Versicherten zurückgebildet hatten,
gingen sie davon aus, dass die neurologisch/neuropsychologische Beurteilung
aus dem Jahre 1996 nach wie vor Gültigkeit habe. Sie sahen daher keine
Veranlassung, von den damaligen Schlussfolgerungen abzuweichen.

Das Vorliegen neuropsychologischer Befunde wird durch das Gutachten des Dr.
P.________ vom 10. März 1999 bestätigt. Allerdings zeigte sich ein sehr
unausgeglichenes Resultateprofil, indem extrem tiefen überdurchschnittlich
hohe Werte gegenüberstanden. Defizite zeigten sich namentlich in den
Bereichen Aufmerksamkeit, Lernen, Gedächtnis und Wahrnehmung. Der
Befunderhebung lässt sich indessen keine Verschlechterung des Zustandsbildes
gegenüber der früheren Begutachtung entnehmen. Mit der Voruntersuchung vom
Mai 1996 im Spital Z.________ setzt sich der Neuropsychologe nicht
auseinander. Was die Schätzung der Arbeitsfähigkeit betrifft, sind seine
Aussagen nicht schlüssig nachvollziehbar. So geht er von einer Reduktion der
Arbeitsfähigkeit zur Zeit des Unfalls vom 22. Februar 1995 von 20 % aus.
Bezogen auf den Zeitpunkt der Beurteilung gibt er an, die Versicherte sei für
eine Tätigkeit, wie sie vor dem Unfall ausgeübt wurde, überhaupt nicht mehr
arbeitsfähig. Mittels beruflicher Eingliederungsmassnahmen könne allerdings
eine Arbeitsfähigkeit von ver-mutlich höchstens 50 % erreicht werden. Weshalb
die Arbeitsunfähigkeit rund vier Jahre nach dem Unfall erheblich höher
eingeschätzt wurde, wird nicht näher begründet. Ebensowenig ist ersichtlich,
weshalb eine Tätigkeit als Sozialarbeiterin, welche die Gutachter des Spital
Z.________ als geradezu ideal bezeichnet haben, nicht zumutbar sein soll.
Jedenfalls bleibt unklar, weshalb wegen der Gedächtnis- und
Konzentrationsprobleme und zeitlichen Leistungs-schwankungen die
Zusammenarbeit mit anderen Personen gemieden werden sollte. Als ideal
bezeichnet werden dagegen Tätigkeiten im Bürobereich, obwohl diese in der
Regel nicht durch einen Wechsel von sitzender und stehender Arbeit
gekennzeichnet sind, wie ihn im Übrigen auch Dr. P.________ empfiehlt. Auch
darin liegt ein Widerspruch zu den Gutachtern des Spital Z.________, welche
im Mai 1996 wie auch im Mai 1998 von einer 50 %-igen Arbeitsfähigkeit im
Bereich Sozialarbeit ausgehen. Gesamthaft betrachtet lässt es sich nicht
beanstanden, wenn Vorinstanz und Unfallversicherer den Gutachten des Spital
Z.________ mehr Gewicht  beigemessen haben als den davon abweichenden, nicht
schlüssig nachvollziehbaren Angaben des Dr. P.________.

Soweit die Beschwerdeführerin aus der von der Invalidenversicherung auf 100 %
bezifferten Erwerbsunfähigkeit gemäss Verfügung vom 7. Juli 1997 etwas zu
ihren Gunsten ableiten möchte, kann ihr nicht gefolgt werden. Die
Arbeitsunfähigkeit ist von der Erwerbsunfähigkeit zu unterscheiden (BGE 107 V
22 Erw. 2d), weshalb nicht von der 100 %-igen Erwerbsunfähigkeit auf eine 100
%-ige Arbeitsunfähigkeit geschlossen werden kann. Ebenfalls nicht stichhaltig
ist der Hinweis auf das unveröffentlichte Urteil G. des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 22. Dezember 1993 (U 45/93). Dort hatte das Gericht
lediglich klargestellt, dass erwerbliche Gesichtspunkte - im Rahmen der
Schadenminderungspflicht - in dem Sinne eine Rolle spielten, als der
Versicherte, der von seiner Arbeitsfähigkeit keinen Gebrauch macht, obwohl er
hiezu nach seinen persönlichen Verhältnissen und gegebenenfalls nach einer
gewissen Anpassungszeit in der Lage wäre, nach der Tätigkeit zu beurteilen
ist, die er bei gutem Willen ausüben könnte. Da der Beschwerdeführerin die
Ausübung einer Tätigkeit im Bereich Sozialarbeit nach ärztlicher Feststellung
im für die Beurteilung massgebenden Zeitraum (vgl. BGE 121 V 366 Erw. 1b mit
Hinweisen) zu 50 % zumutbar war, ist das Taggeld auf dieser Basis
festzusetzen, ohne dass weiter zu prüfen wäre, aus welchem Grund die in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erwähnten Arbeitsversuche nach kurzer Zeit
abgebrochen wurden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 18. September 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: