Sozialrechtliche Abteilungen U 198/2001
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U 198/01 + U 199/01 III. Kammer Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Arnold Urteil vom 7. März 2002 in Sachen P.________, 1964, Beschwerdeführer, vertreten durch Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten, gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstras- se 1, Beschwerdegegnerin, und Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau A.- In Wiedererwägung der Ablehnungsverfügung vom 16. November 1994 erklärte sich die Schweizerische Unfall- versicherungsanstalt (SUVA) auf Rückfallmeldung vom 25. Au- gust 1995 hin - gestützt u.a. auf eine spezialärztliche Un- tersuchung der Abteilung Arbeitsmedizin vom 17. Januar 1996, welche insbesondere signifikant positive nasale Pro- vokationstests mit Malereiprodukten sowie eine floride Rhinitis auch mit Nachweis von Histiozyten im mikroskopi- schen Befund der Nasenschleimhaut erbracht hatte - bereit, die Beschwerden rückwirkend als Berufskrankheit anzuerken- nen und dafür die gesetzlichen Leistungen zu erbringen (Schreiben der SUVA an den Versicherten vom 22. Februar 1996). Am 8. März 1996 erliess die SUVA eine Nichteignungs- verfügung für die Tätigkeit als Baumaler. Diese blieb unan- gefochten. Da P.________ Arbeitsunfähigkeit auch für jegliche von der Nichteignungsverfügung nicht erfasste Tätigkeiten gel- tend machte (Aktennotiz über die telefonische Mitteilung vom 22. März 1996), erfolgten auf Grund einer arbeitsärzt- lichen Beurteilung durch Dr. med. M.________ vom 4. Februar 1997 weitere Abklärungen in medizinischer und beruflicher Hinsicht. Bezüglich der beruflichen Eingliederung nahm die SUVA insbesondere von der eidgenössischen Invalidenversi- cherung (IV) die Berichte über die berufliche Abklärung vom 8. Januar 1997 (mit beigelegtem Bericht der V.________ Ein- gliederungsstätte für Behinderte vom 11. Dezember 1996) und vom 7. April 1997 zu den Akten. Laut diesen konnte trotz sechsmonatiger beruflicher Evaluationen im Verlaufe des Jahres 1996 kein geeigneter Arbeitsbereich ermittelt wer- den. Ferner zog die SUVA die der IV erstattete Expertise des Zentrums für Medizinische Begutachtung (ZMB), vom 18. November 1998 (nachfolgend: ZMB-Gutachten) bei. Auf Grund dieser Abklärung und einer arbeitsmedizinischen Beur- teilung vom 14. Januar 1999 verfügte die SUVA am 9. April 1999 die Ablehnung weiterer, über die bisher erbrachten Taggelder, Übergangstaggelder und Übergangsentschädigungen hinaus gehender Leistungen, da die einzig als Berufskrank- heit anerkannte Rhinitis keine Folgen zurücklasse, welche die Erwerbsfähigkeit oder die Integrität erheblich beein- trächtigen würden. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 2. September 1999). B.- Die von P.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Ent- scheid vom 25. April 2001 ab. C.- P.________ - selber und vertreten durch den Schweizerischen Invaliden-Verband (ab 1. Februar 2002: Pro- cap) - führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Rechts- begehren: "1. Es seien das Urteil der Vorinstanz vom 25. April 2001 sowie der Einspracheentscheid der Beschwer- degegnerin vom 02. September 1999 und deren Ver- fügung vom 09. April 1999 aufzuheben. 2. Es sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, dem Beschwerdeführer gestützt auf den Invalidi- tätsgrad von mindestens 90 % infolge Berufskrank- heit eine Invalidenrente auszurichten. 3. Eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärun- gen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin." und "a.) Eine 100% Invalidenrente nur auf der Basis einer Berufskrankheit (die vielfältigen allergisch- toxischen Reaktionen (Im Bericht vom ZMB vom 18. November 98 Seite 32) mit allen daraus resultierenden Krankheits-Symptome (vor allem die Herzbeschwerden) ohne die angeblichen Soma- tisierungsstörungen und schon gar nicht auf der Basis einer ängstlichen Persönlichkeit. b.) Die Übernahme aller Kosten von Gutachten und medizinische Rechnungen. c.) Die Übernahme aller Kosten von Therapien und Medikamenten die der Beschwerdeführer bis anhin und auch zukünftig von den Ärzten verordnet bekommt. d.) Alle Anwaltskosten von 1991 bis zum Entscheid dieser Gerichtsbeurteilung. e.) Ein angemessenes Schmerzensgeld als Entschädi- gung für all den erlittenen Schmach." Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsge- richtsbeschwerden schliesst, hat das Bundesamt für Sozi- alversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- Der Versicherte hat gegen den kantonalen Entscheid einerseits durch seinen ordentlich bevollmächtigten Vertre- ter, anderseits selber Verwaltungsgerichtsbeschwerde einge- reicht. Die Frage, ob eine solche zweifache Rechtsmittel- ergreifung in der gleichen Sache zulässig ist, kann offen bleiben, da keine Bindung an die Anträge besteht (Art. 132 lit. c OG) und weil die beiden Beschwerden den gleichen Streitgegenstand haben, zu vereinigen und in einem Urteil zu erledigen sind. 2.- Die vom Versicherten in der selbst eingereichten Beschwerde gestellten Anträge d.) und e.) betreffend An- waltskosten und Schmerzensgeld sind unzulässig. Sie bilden weder Gegenstand des angefochtenen kantonalen Gerichtsent- scheides noch mit diesem eine Tatbestandsgesamtheit, wes- halb das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren nicht auf diese Punkte zu erweitern ist. Ganz abgesehen davon be- steht für das anbegehrte Schmerzensgeld und die Übernahme aller aufgelaufenen Anwaltskosten keine bundessozialversi- cherungsrechtliche Grundlage (vgl. Art. 128 OG). 3.- In materiell- und beweisrechtlicher Hinsicht hat das kantonale Gericht die Haftungsgrundsätze im Zusammen- hang mit Berufskrankheiten zutreffend dargelegt. Danach ist der Unfallversicherer leistungspflichtig, wenn die (behand- lungsbedürftige oder zu Arbeitsunfähigkeit führende) Krank- heit a) ausschliesslich oder vorwiegend durch einen Listenstoff verursacht ist (Art. 9 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 14 UVV und Ziff. 1 des Anhangs 1 zur UVV) oder eine ar- beitsbedingte Erkrankung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 14 UVV und Ziff. 2 des Anhangs 1 zur UVV darstellt (vgl. BGE 117 V 354), oder b) ausschliesslich oder stark überwiegend durch berufliche Tätigkeit verursacht worden ist (Art. 9 Abs. 2 UVG; BGE 126 V 183), oder c) eine mit mindestens überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellte natürliche (und adäquatkausale) Folge einer nach lit. a oder b hievor anerkannten Berufskrankheit darstellt. 4.- Zunächst wird auf die in allen Teilen zutreffenden Erwägungen im kantonalen Entscheid verwiesen. a) Wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Über- einstimmung mit der Aktenlage richtigerweise eingeräumt wird, hat die SUVA lediglich die Rhinitis als Berufskrank- heit anerkannt. Ob dies in Anwendung von Art. 9 Abs. 1 oder Abs. 2 UVG geschehen ist, kann letztlich offen bleiben. Da die Rhinitis auf Grund der im ZMB-Gutachten erhobenen Be- funde für alle Tätigkeiten ausserhalb des von der Nicht- eignungsverfügung erfassten Bereichs offensichtlich keine erhebliche Arbeitsunfähigkeit begründet, fragt sich einzig, ob sonst Gesundheitsschädigungen vorliegen, welche entweder als solche gestützt auf Art. 9 Abs. 1 UVG (Erw. 3a) oder Art. 9 Abs. 2 UVG (Erw. 3b) als Berufskrankheit zu quali- fizieren oder die natürliche und adäquatkausale Folge der Rhinitis (Erw. 3c) sind. Seitens des Beschwerdeführers ist zu Recht unbestrit- ten geblieben, dass das ZMB-Gutachten - von der Frage der Genese der Gesundheitsschädigungen abgesehen - die medizi- nischen Verhältnisse umfassend und schlüssig ausweist. Die unter dem Titel Nebendiagnose festgehaltenen Leiden brau- chen nicht näher betrachtet zu werden, zumal sie ohne Ein- fluss auf die Arbeitsfähigkeit sind. Es bleiben die als Hauptdiagnosen genannten allergisch-toxischen Reaktionen auf Lösungsmittel und die Somatisierungsstörung bei ängst- licher Persönlichkeit. Soweit der Versicherte in der selbst eingereichten Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein psychisches Leiden in Abrede stellt, ist ihm nicht zu folgen, da der psychiatrische Status im Rahmen der ZMB-Begutachtung über- zeugend und insbesondere auch in Übereinstimmung mit den Vorakten aufgearbeitet worden ist. Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Rechtsvertreters vermögen ihrerseits nichts daran zu ändern, dass die Somatisierungs- störung bei ängstlicher Persönlichkeit nach allgemeiner und fachmedizinischer Erfahrung sowie dem gewöhnlichen Lauf der Dinge keine adäquate Folge der als Berufskrankheit aner- kannten Rhinitis im Sinne der Rechtsprechung (BGE 125 V 456) darstellt. b) Damit bleibt zu prüfen, ob die allergisch-toxischen Reaktionen auf Lösungsmittel eine Folge der Rhinitis oder aber ihrerseits eine Berufskrankheit nach Art. 9 Abs. 1 oder Abs. 2 UVG darstellen. Erstes - natürliche Folge der Rhinitis - kann nach Lage der medizinischen Akten ohne wei- teres ausgeschlossen werden. Die zweite Hypothese ist - in ihren beiden Varianten - ebenfalls zu verwerfen, weil die hiefür erforderlichen qua- lifizierten beweismässigen Voraussetzungen - überwiegender Kausalitätsanteil der versicherten Malerarbeit nach Art. 9 Abs. 1 UVG; stark überwiegende bis ausschliessliche Verur- sachung im Rahmen der Generalklausel nach Art. 9 Abs. 2 UVG - von vornherein nicht erstellt werden können. Die Berufung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Rechtsvertreters auf BGE 126 V 183 geht fehl, weil die Verhältnisse nicht vergleichbar sind. In jenem Urteil ging es um die Frage, ob ein empirisch gesichertes Wissen den Nachweis einer quali- fizierten Ursächlichkeit im Einzelfall ausschloss; im vor- liegenden Fall fehlt es demgegenüber gerade, durchaus unter Berücksichtigung sämtlicher Berichte des Arztes R.________, Privatpraxis Umweltmedizin, vom 13. Oktober, 12. und 16. November 1999 und 2. Mai 2000 sowie des Dr. C.________, ORL-Spezialist, Allergologe und Immunologe, vom 23. Septem- ber 1998 und 25. April 2000, an einem solchen auf Grund weltweit betriebener Forschung gesicherten Wissen. Der er- forderliche Beweis einer qualifizierten berufsbedingten Genese der von R.________ diagnostizierten multiplen Chemi- kaliensensibilität und chronischen Erschöpfungssyndrom (Be- richt vom 8. Januar 2001) ist in Anbetracht der Vielzahl und Vielgestaltigkeit der als Noxen angeschuldigten ubiqui- tären, d.h. in allen Lebensbereichen vorkommenden Substan- zen (laut Arzt R.________ Lebensmittel, Nahrungsmittelzu- satzstoffe, synthetische Farbstoffe, Umweltchemikalien) nicht zu erbringen. Das deckt sich mit den sorgfältigen arbeitsmedizinischen Untersuchungen und Beurteilungen vom 6. November 1997, 24. Juli und 19. Oktober 1998, 14. Januar 1999 und 1. März 2000. Den Darlegungen der arbeitsmedizini- schen Spezialisten der SUVA ist rechtsprechungsgemäss (BGE 122 V 161 f.) volle Beweiskraft zuzuerkennen, so lange kei- ne konkreten Indizien für fehlende Schlüssigkeit vorliegen, was hier nicht gesagt werden kann. Da auf Grund dieser Ak- tenlage - in voller Kognition (Art. 132 lit. a, b OG) - entschieden wird, trifft die Rüge der Gehörsverletzung im Zusammenhang mit dem vom kantonalen Gericht erwähnten In- ternet-Auszug "Die Chemie, die nicht stimmt" ins Leere. 5.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren U 198/01 und U 199/01 werden vereinigt. II. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. III. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs- gericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. Luzern, 7. März 2002 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: