Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 186/2001
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2001
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2001


U 186/01 Gi

                        IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari;
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold

                Urteil vom 20. Februar 2002

                         in Sachen

K.________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-
anwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8001 Zürich,

                           gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstras-
se 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,

                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- Auf Grund seiner Arbeitslosigkeit war K.________
(geboren 1963) bei der Schweizerischen Unfallversicherungs-
anstalt (nachfolgend: SUVA) gegen die Folgen von Unfällen
versichert. In der Nacht vom 28. auf den 29. September 1997
geriet er auf der zweiten Überholspur der Autobahn A1 in
Richtung Winterthur fahrend auf den die Fahrbahnen trennen-
den Grünstreifen, verlor die Kontrolle über seinen Wagen,

prallte gegen die rechte Leitplanke, wurde auf die Fahrbahn
zurückgeworfen und kam schliesslich zum Stillstand. Die
nachfolgende Lenkerin fuhr trotz Vollbremsung in das ste-
hende Auto. K.________ zog sich dabei eine Beckenfraktur
vom lateralen Kompressionstyp mit Querfraktur im hinteren
Acetabularpfeiler tangential ins Acetabulum auslaufend,
Stückfraktur der rechten Beckenschaufel mit Luxation des
Iliosakralgelenkes, ausgedehntem Décollement lumbal und
gluteal rechts sowie triangelförmiger Weichteilwunde über
der rechten dorsalen Beckenschaufel zu; zusätzlich erlitt
er eine Kontusion des Colons und Traktionsschäden an der
Leber (Operationsbericht vom 29. September 1997 der Klinik
für Unfallchirurgie, Spital X.________). Im Unfallzeitpunkt
stand er unter Kokaineinfluss, und seine Blutalkoholkonzen-
tration betrug 1.28 Gewichtspromille.
     Mit Schreiben vom 8. Dezember 1997 teilte die SUVA ihm
mit, dass sie bis zum Abschluss der amtlichen Untersuchung
vorerst ein Taggeld von 70 % ausrichte. Diese Kürzung des
Taggeldes um 30 % infolge Verursachung des Unfalles anläss-
lich der Begehung eines Vergehens bestätigte die SUVA ge-
stützt auf den Strafentscheid des Bezirksgerichts Pfäffi-
kon/ZH vom 16. April 1998 mit Verfügung vom 31. März 1999.
Mit Einspracheentscheid vom 15. Juli 1999 reduzierte die
SUVA die Kürzung auf 20 %.

     B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozial-
versicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom
30. März 2001 ab.

     C.- K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen mit dem Antrag, die verfügte Taggeldkürzung sei auf-
zuheben und ihm die zustehenden Versicherungsleistungen
nebst 5 % Verzugszins ab dem Unfallereignis nachzuzahlen.
     Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung ver-
zichtet auf eine Vernehmlassung.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze
über die Kürzung von Geldleistungen durch den Unfallversi-
cherer infolge eines anlässlich der Begehung eines Verbre-
chens oder Vergehens sich ereignenden Unfalls (Art. 37 Abs.
3 UVG; BGE 120 V 224 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

     2.- Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Begehung
eines Vergehens. Er macht jedoch geltend, das Strafgericht
habe festgestellt, dass das Delikt im Zeitpunkt des zwei-
ten, die Verletzungen verursachenden Unfalles, für welchen
ihn keine Schuld treffe, bereits beendet gewesen sei; dies
sei auch für das Sozialversicherungsgericht verbindlich.
Die Kürzung sei somit zu Unrecht erfolgt. Auf Grund des
trölerischen und rechtswidrigen Verhaltens der SUVA stünden
ihm zudem Verzugszinsen von 5 % zu.

     3.- Nach ständiger Praxis ist das Sozialversicherungs-
gericht weder hinsichtlich der Angabe der verletzten Vor-
schriften noch hinsichtlich der Beurteilung des Verschul-
dens an die Feststellung und Würdigung des Strafgerichts
gebunden. Es weicht aber von den tatbeständlichen Feststel-
lungen des Strafgerichts nur ab, wenn der im Strafverfahren
ermittelte Tatbestand und dessen rechtliche Subsumtion
nicht zu überzeugen vermögen oder auf Grundsätzen beruhen,
die zwar im Strafrecht gelten, im Sozialversicherungsrecht
jedoch unerheblich sind (BGE 125 V 242 Erw. 6a, 111 V 177
Erw. 5a, je mit Hinweisen).
     Das Bezirksgericht Pfäffikon/ZH kommt im Zusammenhang
mit der Frage, ob Art. 66bis StGB (Verzicht auf Weiterver-
folgung und Strafbefreiung, wenn der Täter durch die unmit-
telbaren Folgen seiner Tat so schwer betroffen wurde, dass
eine Strafe unangemessen wäre) zur Anwendung gelangt, zum

Schluss, dass die erlittenen Verletzungen keine unmittelba-
ren Folgen des begangenen Vergehens seien. Da im Zusammen-
hang mit Art. 37 Abs. 3 UVG jedoch andere Überlegungen
massgebend sind (Erw. 4a), ist die diesbezügliche rechtli-
che Würdigung des Bezirksgerichts Pfäffikon/ZH weder für
die Vorinstanz noch das Eidgenössische Versicherungsgericht
verbindlich.

     4.- Zu prüfen ist die Kürzung des Taggeldes durch die
SUVA.

     a) Für die Kürzung einer Geldleistung infolge eines
Verbrechens oder Vergehens (Art. 37 Abs. 3 UVG) ist es not-
wendig, dass zwischen dem Unfall und der strafbaren Hand-
lung ein Kausalzusammenhang besteht. Dabei wird im Gegen-
satz zu Art. 37 Abs. 2 UVG kein schuldhaftes Verhalten vor-
ausgesetzt. Auch muss der Unfall nicht durch die strafbare
Handlung selbst herbeigeführt worden sein, sondern es ge-
nügt, wenn sich der Unfall anlässlich der Ausübung eines
Verbrechens oder Vergehens ereignet. Der Gefahrenbereich,
welcher von Art. 37 Abs. 3 UVG erfasst wird, ist umfassen-
der als die strafbare Handlung und schliesst auch sämtliche
unmittelbar damit zusammenhängende Geschehensabläufe mit
ein, so etwa die Flucht nach Verzicht oder Abbruch des de-
liktischen Verhaltens. Massgebend ist demnach ein sachli-
cher und zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und
dem Verbrechen oder Vergehen (Rumo-Jungo, Die Leistungskür-
zung oder -verweigerung gemäss Art. 37-39 UVG, Diss., Frei-
burg i.Ue. 1993, S. 190 ff.; vgl. auch Maurer, Schweizeri-
sches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 481 f.). Das
(Mit-)Verschulden eines Dritten hebt den Kausalzusammenhang
nicht auf, sofern das Verhalten des Versicherten eine unter
mehreren adäquaten Ursachen ist (Rumo-Jungo, a.a.O., S. 200
ff.; vgl. auch SZS 1986 S. 251 Erw. 3c).

     b) Vorliegend ereignete sich der zweite Unfall unmit-
telbar zu jenem Zeitpunkt, in welchem der Wagen des Versi-
cherten nach dem vorangegangenen Selbstunfall zum Still-
stand gekommen war. Ein zeitlicher Zusammenhang ist gege-
ben. Der sachliche Zusammenhang ist ebenfalls zu bejahen;
denn ohne den Alkohol- und Kokainkonsum hätte der Beschwer-
deführer nicht die Herrschaft über seinen Wagen verloren
und einen Selbstunfall verursacht, auf Grund dessen er mit-
ten auf der Autobahn stehen blieb und dadurch die erhebli-
che Gefährdung selbst schuf. Auch der Umstand, dass die
Lenkerin des kollidierenden Fahrzeugs wegen fahrlässiger
Körperverletzung (Art. 125 StGB) verurteilt wurde, vermag
den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Versi-
cherten und seinen Verletzungen nicht zu unterbrechen, da
ihr kein derart schweres Verschulden vorgeworfen werden
kann, neben welchem das Verhalten des Beschwerdeführers
bedeutungslos erschiene.

     c) Die Vorinstanz hat demnach zu Recht die Kürzung der
Geldleistungen bestätigt. Auch masslich lässt sich diese
nicht beanstanden, zumal mit der Reduktion auf 20 % dem Um-
stand der Versorgerpflichten des Versicherten gebührend
Rechnung getragen wurde. Nachdem keine Nachzahlung ge-
schuldet ist, erübrigt sich die Frage des Verzugszinses.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
     Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 20. Februar 2002

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Die Präsidentin der IV. Kammer:

                             Die Gerichtsschreiberin: