Sozialrechtliche Abteilungen U 179/2001
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U 179/01 Vr III. Kammer Bundesrichter Schön, Spira und Ursprung; Gerichtsschreiber Jancar Urteil vom 3. August 2001 in Sachen S.________, 1953, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Guido Ehrler, Rebgasse 1, 4058 Basel, gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmatt- strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin, und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal A.- Mit Verfügung vom 5. Juli 1999 sprach die Schwei- zerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) S.________ ab 1. Juli 1999 eine Invalidenrente auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 20 % sowie eine Integritätsent- schädigung von 7,5 % zu. Die gegen diese Verfügung erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 19. Oktober 1999 ab. B.- Auf die dagegen erhobene Beschwerde trat das Ver- sicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Ent- scheid vom 28. Februar 2001 nicht ein, da sie verspätet erhoben worden sei. Ein gleichzeitig gestelltes Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbei- ständung wurde abgewiesen. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Versi- cherte beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei auf- zuheben; eventuell sei die Sache dem Bundesgericht als staatsrechtliche Beschwerde zu überweisen; die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen und diese sei anzuweisen, auf die Beschwerde einzutreten; eventuell sei die Vorinstanz anzuweisen, ihm die unentgeltliche Prozessführung mit einem Selbstbehalt von Fr. 1000.- zu gewähren. Im Weiteren stellt er für das letztinstanzliche Verfahren ein Begehren um un- entgeltliche Prozessführung und Verbeiständung. Die Vorinstanz verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- In BGE 126 V 143 hat das Eidgenössische Versiche- rungsgericht in Änderung der bisherigen Rechtsprechung erkannt, dass die weitreichenden bundesverwaltungsrechtli- chen Normen über die prozessuale Ausgestaltung des kantona- len Sozialversicherungsprozesses zusammen mit den Grundsät- zen des Sachzusammenhangs und der Einheit des Prozesses für die sachliche Zuständigkeit des Eidgenössischen Versiche- rungsgerichts zur Überprüfung kantonalen Verfahrensrechts sprechen und zwar auch dann, wenn es - im Unterschied zur Rechtsprechung des Bundesgerichts - allein um die Anfech- tung eines reinen kantonalrechtlichen Prozess(zwischen)ent- scheides geht und unabhängig davon, ob das Rechtsmittel in der Sache selbst ergriffen wird. Für die Annahme einer bun- desrechtlichen Verfügungsgrundlage genügt es daher, wenn der dem Verfahren zugrunde liegende materiellrechtliche Streitgegenstand dem Bundessozialversicherungsrecht ange- hört. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, weshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten ist. 2.- Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Frage, ob die Vorinstanz auf die am 20. Januar 2000 beim Polizeistützpunkt X.________ eingereichte Beschwerde hätte eintreten müssen. a) Gemäss § 4 des Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft vom 16. Dezember 1993 (VPO) gelten Rechtsschriften, die innert der vorgeschriebenen Frist bei einer kantonalen Amtsstelle eingehen, als rechtzeitig eingereicht und sind von Amtes wegen an das zuständige Gericht zu überweisen. Diese Be- stimmung entspricht den Verfahrensgesetzen des Bundes, insbesondere Art. 21 Abs. 2 VwVG sowie Art. 32 Abs. 4 und Art. 107 Abs. 1 OG. Dabei handelt es sich um einen allge- meinen Rechtsgrundsatz, der sich auf die gesamte Rechts- ordnung bezieht (vgl. Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., S. 24, Rz 64; Häfelin/Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungs- rechts, 3. Aufl. 1998, Rz 153). b) Das Bundesgericht hat diesen Grundsatz auch für die Einreichung von staatsrechtlichen Beschwerden anerkannt (BGE 121 I 95). Er gilt auch im Verfahren vor Eidgenös- sischem Versicherungsgericht (BGE 120 V 415 Erw. 3a, 111 V 406, 102 V 75 Erw. 1). c) Was unter einer unzuständigen Behörde zu verstehen ist, ist im Gesetz nicht definiert. Gemäss bundesgericht- licher Rechtsprechung muss es sich um eine Behörde von Bund, Kanton oder Gemeinde handeln. Nicht wesentlich ist, ob diese im Einzelfall in einer gewissen Beziehung zum konkreten Streitfall steht. Vorbehalten bleiben rechts- missbräuchliche Fehladressierungen (BGE 111 V 408). d) Die Vorinstanz hat dem Versicherten Rechtsmiss- brauch vorgeworfen, indem er sich bewusst an eine unzu- ständige Behörde gewandt habe. Letzteres trifft zu. Indes- sen kann dem Beschwerdeführer dennoch kein rechtsmiss- bräuchliches Verhalten vorgeworfen werden. Ausweislich der Akten hat er die Beschwerde am 20. Januar 2000, 22.25 Uhr, und damit fristgemäss persönlich auf dem Polizeistützpunkt X.________ zur Weiterleitung übergeben. Der Polizeistütz- punkt X.________ hat seine Eingabe demzufolge zur Weiterleitung entgegengenommen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben konnte daher der Versicherte (Vertreter) davon ausgehen, seine Eingabe bei einer - wenn auch unzuständi- gen - Behörde im Sinne von § 4 VPO deponiert zu haben. Der Fall ist insofern nicht mit dem in BGE 111 V 408 aufgeführ- ten Sachverhalt (vorsätzlich falsch adressierte Eingabe) zu vergleichen, als es dem Polizeistützpunkt X.________ offen gestanden hätte, die Annahme der Eingabe zu verweigern und den Rechtsvertreter des Versicherten an das zuständige Ver- waltungsgericht zu verweisen. Dies hat indessen der Poli- zeistützpunkt X.________ nicht getan. Die Befürchtung der Vorinstanz, durch das Eintreten auf die Beschwerde werde jede erdenkliche Behörde zur Post- stelle umfunktioniert, ist unbegründet: Einmal ist davon auszugehen, dass Recht Suchende in der Regel die zuständige Behörde anschreiben werden. Ein anderes Vorgehen werden sie nur in absoluten Ausnahmefällen wählen. Ein derartiger Sachverhalt lag dem vorliegenden Fall zu Grunde: Der Rechtsvertreter ging davon aus, die Post habe ihre Schalter bis 22.00 Uhr geöffnet. Infolge einer Änderung der Öff- nungszeiten wandte er sich hierauf an den Polizeistützpunkt X.________. Der angefochtene Nichteintretensentscheid ist demnach aufzuheben und die Sache ist an die Vorinstanz zurückzu- weisen, damit diese über die Beschwerde materiell ent- scheide, sofern auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind. 3.- a) Das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versiche- rungsgericht ist kostenpflichtig, weil nicht die Bewilli- gung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern ausschliesslich eine prozessrechtliche Frage zu beurteilen war (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wird die SUVA kosten- und entschädigungspflich- tig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). Damit erweist sich das Gesuch um Gewährung der unent- geltlichen Prozessführung und Verbeiständung als gegen- standslos. b) Die Vorinstanz hat den Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung abgewiesen, da der Vertreter des Beschwerdeführers im Auftrag des Basler Gewerkschafts- bundes tätig sei. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, da gemäss Rechtsprechung auch die durch eine Ge- werkschaft qualifiziert vertretene Partei Anspruch auf Parteientschädigung hat und zwar nach denselben Ansätzen, wie sie für freiberuflich tätige Anwälte gelten (BGE 122 V 278; SVR 1997 IV Nr. 110 S. 341). Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 28. Februar 2001 aufgehoben und die Sache an dieses zurückgewiesen, damit es im Sinne der Erwägungen verfahre und über die Beschwerde gegen den Entscheid der SUVA vom 19. Oktober 1999 neu ent- scheide. II. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der SUVA auf- erlegt. III. Die SUVA hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge- richt des Kantons Basel-Landschaft, dem Bundesamt für Sozialversicherung und dem Schweizerischen Bundesge- richt zugestellt. Luzern, 3. August 2001 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: