Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 167/2001
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U 167/01 Gr

                        II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
Ursprung; Gerichtsschreiberin Berger Götz

                Urteil vom 22. Februar 2002

                         in Sachen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Generaldirektion
Schweiz, Rechtsdienst, Alfred-Escher-Strasse 50,
8022 Zürich, Beschwerdeführerin,

                           gegen

S.________, 1944, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Für-
sprecher Rolf P. Steinegger, Laupenstrasse 19, 3008 Bern,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

     A.- Die 1944 geborene S.________ arbeitete seit dem
10. Juni 1991 im Personalrestaurant der Bank Z.________ und
war bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend:
Zürich) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und
Berufskrankheiten versichert. Am 25. Februar 1994 wurde sie
auf dem Fussgängerstreifen von einem Auto angefahren. Dabei

zog sie sich gemäss Bericht der Klinik und Poliklinik für
Orthopädische Chirurgie, Spital X.________, vom 14. März
1994 eine stark dislozierte Zweietagenfraktur des linken
Unterschenkels, eine Ober- und Unterkieferfraktur links,
eine Commotio cerebri, eine Riss-/Quetschwunde frontal
links und ein Monokelhämatom links zu. Am 14. März 1994
wurde sie mit reizlosen Wundverhältnissen und weitgehend
beschwerdefrei in die Höhenklinik B.________ verlegt, wo
sie bis 12. April 1994 blieb.
     Nachdem am 3. Mai 1994 eine Reosteosynthese durchge-
führt worden war, zeichnete sich in orthopädischer Hinsicht
ein komplikationsloser Verlauf ab. Am 5. September 1994
nahm die Versicherte ihre Arbeit im Umfang von 50 % eines
Vollpensums wieder auf, musste jedoch zufolge depressiver
Verstimmungszustände am 13. September 1994 notfallmässig in
die Sozialpsychiatrische Klinik C.________ eingewiesen wer-
den. Seit dem 3. Oktober 1994 hielt sie sich wiederholt und
jeweils für längere Zeit in der Psychiatrischen Klinik
C.________ und in der Privaten Nervenklinik Y.________ auf.

     Zur Abklärung ihrer weiteren Leistungspflicht holte
die Zürich unter anderem die Expertise des PD Dr. med.
R.________, Chefarzt-Stellvertreter, Psychiatrische Poli-
klinik des Spitals C.________, vom 7. Mai 1996 und den
Bericht der Frau Dr. med. H.________, Spezialärztin FMH für
Neurologie, vom 12. Oktober 1996 ein. Mit Verfügung vom
24. Oktober 1996  stellte sie die Heilkosten- und Taggeld-
leistungen rückwirkend auf den 1. Mai 1996 ein, verneinte
den Anspruch auf eine Rente der Unfallversicherung und
sprach der Versicherten eine Integritätsentschädigung von
Fr. 19'440.-, entsprechend einer Integritätseinbusse von
20 %, zu. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspra-
cheentscheid vom 12. Mai 1997).

     B.- S.________ liess dagegen beim Verwaltungsgericht
des Kantons Bern Beschwerde einreichen und beantragen, die
Zürich sei anzuweisen, die gesetzlichen Leistungen zu
erbringen; eventuell sei die Sache zur weiteren Abklärung
an die Zürich zurückzuweisen. In Gutheissung der Beschwerde

hob das kantonale Gericht den Einspracheentscheid vom
12. Mai 1997 auf und wies die Sache an die Zürich zurück,
damit sie im Sinne der Erwägungen vorgehe (Entscheid vom
21. März 2001).

     C.- Die Zürich führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Gerichtsentscheid
vom 21. März 2001 sei aufzuheben und es sei der Einsprache-
entscheid vom 12. Mai 1997 im Ergebnis zu bestätigen; even-
tuell sei die Sache zwecks Neubeurteilung an das kantonale
Gericht zurückzuweisen.
     S.________ lässt beantragen, die Verwaltungsgerichts-
beschwerde sei abzuweisen; eventuell sei die Sache zur neu-
en Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die als
Mitinteressierte beigeladene Hotela, Kranken- und Unfall-
kasse des Schweizerischen Hotelier-Vereins SHV, und das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Stel-
lungnahme.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das kantonale Gericht hat den Einspracheentscheid
vom 12. Mai 1997 aufgehoben und die Sache an die Zürich
zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen vorgehe.
In den Erwägungen, auf welche das Dispositiv verweist (zur
Anfechtbarkeit der Motive eines Rückweisungsentscheides:
BGE 120 V 237 Erw. 1a mit Hinweis), hat die Vorinstanz
festgestellt, die Versicherte leide an einem unfallkausalen
physischen Gesundheitsschaden, welcher in einem neuropsy-
chologischen Defizit in Form einer Beeinträchtigung der
kognitiven Leistungsfähigkeit infolge eines Schädel-Hirn-
traumas bestehe. Da sich bei organisch nachweisbaren
behandlungsbedürftigen Befunden die Beurteilung der natür-
lichen und adäquaten Kausalität weitgehend decke, sei vor-
liegend auch die Adäquanz zu bejahen. Unter diesen Umstän-
den erweise sich die Einstellung der Leistungspflicht per

1. Mai 1996 als unrichtig. Die Zürich habe folglich über
den Leistungsumfang für die Zeit nach dem 1. Mai 1996 neu
zu befinden.
     Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die physi-
schen Leiden das linke Bein und das Gesicht betreffend
seien spätestens im Verfügungszeitpunkt (24. Oktober 1996)
ausgeheilt gewesen und PD Dr. med. R.________ habe neben
den psychischen Beschwerden nur neuropsychologische Defizi-
te festgestellt. Deshalb hätte das kantonale Gericht eine
Adäquanzbeurteilung nach Massgabe der in BGE 115 V 133 auf-
gestellten Kriterien durchführen sollen.

     2.- a) Im angefochtenen Gerichtsentscheid wird die
Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfall-
versicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang
(BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen;
vgl. bei Schleudertraumen der HWS oder äquivalenten Ver-
letzungsmechanismen im Besonderen: BGE 119 V 340
Erw. 2b/aa; RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29) zutreffend darge-
legt. Entsprechendes gilt für die von der Judikatur entwi-
ckelten Grundsätze zum Erfordernis des adäquaten Kausalzu-
sammenhanges im Allgemeinen (BGE 125 V 461 Erw. 5a mit Hin-
weisen). Darauf wird verwiesen.

     b) Bei der Beurteilung der adäquaten Kausalität von
nicht auf organisch nachweisbare Funktionsausfälle zurück-
zuführenden Unfallfolgen nach erlittenem Schleudertrauma
der Halswirbelsäule, schleudertraumaähnlichen Einwirkungen
oder Schädel-Hirntraumata mit vergleichbaren Folgen
(BGE 117 V 366 ff. Erw. 6, 382 ff. Erw. 4; SVR 1995 UV
Nr. 23 S. 67 Erw. 2) ist analog zur in BGE 115 V 138 Erw. 6
für psychische Störungen entwickelten Methode vorzugehen
(für Schleudertraumata: BGE 117 V 365; RKUV 1997 Nr. U 272
S. 173; für schleudertraumaähnliche Einwirkungen: RKUV 2000
Nr. U 395 S. 317; für Schädel-Hirntraumata: BGE 117 V
382 f.; RKUV 2000 Nr. U 395 S. 317). Dabei ist im Rahmen
der Prüfung der massgebenden unfallbezogenen Kriterien im
Gegensatz zur Rechtslage bei psychischen Fehlentwicklungen

auf eine Differenzierung zwischen physischen und psychi-
schen Komponenten zu verzichten, weil nicht entscheidend
ist, ob die Beschwerden medizinisch eher als organischer
und/oder psychischer Natur bezeichnet werden (für Schleu-
dertraumata: BGE 117 V 367; RKUV 1997 Nr. U 272 S. 174; für
schleudertraumaähnliche Einwirkungen: RKUV 2000 Nr. U 395
S. 317; für Schädel-Hirntraumata: BGE 117 V 382 f.;
RKUV 2000 Nr. U 395 S. 317).

     3.- a) Wie das kantonale Gericht mit Blick auf die
medizinischen Akten festgestellt hat und letztinstanzlich
zu Recht nicht mehr bestritten wird, ist der natürliche
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 25. Februar 1994
und den im für die Beurteilung massgebenden Zeitpunkt des
Einspracheentscheides (vom 12. Mai 1997; BGE 116 V 248
Erw. 1a mit Hinweisen) noch vorhandenen Gesundheitsstörun-
gen der Versicherten zu bejahen, zumal es rechtsprechungs-
gemäss genügt, wenn das Unfallereignis eine Teilursache für
die Beschwerden darstellt (BGE 121 V 329 Erw. 2a mit Hin-
weisen; RKUV 2001 Nr. U 412 S. 79).

     b) PD Dr. med. R.________ stellte im Gutachten vom
7. Mai 1996 einen Status nach Verkehrsunfall vom 25. Feb-
ruar 1994 mit geschlossener, stark dislozierter Zweietagen-
fraktur des linken Unterschenkels, Ober- und Unterkiefer-
fraktur links, Schädel-Hirntrauma (gemessen an der angege-
benen posttraumatischen Amnesie von signifikanter Schwere),
Diabetes mellitus Typ II sowie rezidivierende depressive
Episoden und eine selbstunsichere Persönlichkeit fest;
nicht ganz auszuschliessen sei eine kognitive Beeinträch-
tigung als Folge der Hirntraumatisierung, welche am ehesten
die linke Hemisphäre betreffe. Entgegen der Ansicht der
Vorinstanz kann aus dieser Diagnose, welche sich auf die
neuropsychologischen Abklärungsergebnisse stützt, nicht auf
eine organische Hirnschädigung geschlossen werden. Auch
anhand der Angaben der Frau Dr. med. H.________ vom
12. Oktober 1996 und der übrigen medizinischen Akten lässt
sich eine organische Grundlage der festgestellten Störungen

und der geklagten Beschwerden nicht nachweisen. Die Sache
geht deshalb zur Durchführung der Adäquanzprüfung - weil
sich die Leiden der Versicherten nicht auf organisch nach-
weisbare Funktionsausfälle zurückführen lassen und mit
Blick darauf, dass PD Dr. med. R.________ schlüssig von
einem erlittenen Schädel-Hirntrauma ausgeht, ist dabei nach
den in BGE 117 V 369 ff. festgelegten Grundsätzen vorzuge-
hen (vgl. Erw. 2b hiervor) - und anschliessenden neuen Ent-
scheidung über die Versicherungsleistungen an das kantonale
Gericht zurück.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbe-
     schwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts
     des Kantons Bern vom 21. März 2001 aufgehoben und es
     wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit
     sie im Sinne der Erwägungen verfahre und über den
     Leistungsanspruch der Beschwerdegegnerin neu
     entscheide.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
     Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherung und
     der Hotela, Kranken- und Unfallversicherung des
     Schweizerischen Hotelier-Vereins SHV, Montreux, zuge-
     stellt.

Luzern, 22. Februar 2002
                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der II. Kammer:

                          i.V.

                             Die Gerichtsschreiberin: