Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 158/2001
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U 158/01

Urteil vom 31. Juli 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber Fessler

Z.________, 1955, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kreso
Glavas, Markusstrasse 10, 8006 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 21. März 2001)

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborene Z.________ wurde am 28. Mai 1993 bei der Arbeit durch
seinen eigenen rückwärts fahrenden Stapler gegen ein Lagergestell gedrückt.
Dabei zog er sich Verletzungen im Beckenbereich zu (Diagnose: «Obere
Schambeinastfraktur rechts, Kontusion rechte Hüfte»). Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher er obligatorisch
unfallversichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung,
Taggeld). Mit Verfügung vom 8. Dezember 1994 lehnte die Anstalt eine weitere
Leistungspflicht über den 12. September 1994 hinaus ab, was sie mit
Einspracheentscheid vom 12. Mai 1995 bestätigte. Die hiegegen erhobene
Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom
23. Mai 1996 ab. Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin hob das Eidgenössische
Versicherungsgericht mit Urteil vom 25. April 1997 (U 129/96) Gerichts- und
Einspracheentscheid auf und wies die Sache an die SUVA zurück, damit sie im
Sinne der Erwägungen verfahre (Einholung eines psychiatrischen Gutachtens)
und über den streitigen Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung aus
dem Unfall vom 28. Mai 1993 neu befinde.

Am 6. November 1997 wurde Z.________ vom Neurologen und Psychiater Dr. med.
S.________ untersucht. Gestützt auf dessen Gutachten vom 31. Januar 1998
lehnte die SUVA mit Verfügung vom 22. April 1998 eine Leistungspflicht aus
dem Unfall vom 28. Mai 1993 über den 12. September 1994 hinaus erneut ab.
Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 15. Dezember 1998 fest.

B.
Die von Z.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau nach Einholung eines Zusatzgutachtens vom 1. Februar 2001
des Dr. med. S.________ mit Entscheid vom 21. März 2001 ab.

C.
Z.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem hauptsächlichen
Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und ihm «die
UVG-Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld, Rente und Integritätsentschädigung)
im Umfang von mindestens 50 % zu gewähren».

Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Streitgegenstand bildende Leistungspflicht der
SUVA aus dem Unfall vom 28. Mai 1993 über die bisher erbrachten Leistungen
hinaus unter dem einzig noch interessierenden psychiatrischen Gesichtspunkt
mangels Kausalzusammenhang zwischen jenem Ereignis und den gemäss Dr. med.
S.________ bestehenden Beeinträchtigungen (u.a. Anpassungsstörungen mit Angst
und Depression sowie anhaltende Schmerzstörungen) verneint. Aufgrund des
Gutachtens dieses Facharztes vom 31. Januar 1998 sei zwar die natürliche
Kausalität zwischen Unfall und psychischen Beschwerden mindestens im Sinne
einer Teilursache zu bejahen. Indessen fehle es am adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 28. Mai 1993, bei welchem der
Versicherte durch seinen eigenen rückwärts fahrenden Stapler gegen ein
Lagergestell gedrückt worden sei und sich Verletzungen im Beckenbereich
zugezogen habe, und den diagnostizierten Störungen mit Angst und Depression,
indem keines der hiefür massgebenden Beurteilungskriterien gemäss BGE 115 V
140 Erw. 6c/aa gegeben sei.

2.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorab geltend gemacht, die
vorinstanzliche Argumentation lasse in willkürlicher Weise das Urteil vom 25.
April 1997 ausser Acht.

2.1
2.1.1In Erw. 5b/bb und cc seines Rückweisungsentscheides (U 29/96) hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht festgestellt, aufgrund der Akten könnten
weder Art und Schwere der psychischen Störungen noch deren Ursachen
hinreichend klar erfasst werden. Abgesehen davon, dass eine eigentliche
Diagnose aufgrund objektiver Befunde nicht gestellt werde, fehlten
insbesondere Aussagen zur chronifizierten Schmerzsymptomatik und zur
unfallbedingten psychischen Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit.
Diese Fragen könnten nur im Rahmen einer eingehenden psychiatrischen
Begutachtung geklärt werden. Erst wenn der rechtserhebliche Sachverhalt in
psychischer Hinsicht feststehe, könne die Rechtsfrage des adäquaten
Kausalzusammenhangs zwischen Unfall und psychischem Gesundheitsschaden
zuverlässig beantwortet werden. Zu diesem Punkt im Besonderen hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht erwogen, habe die Vorinstanz einerseits
zu Recht den Unfall vom 28. Mai 1993 aufgrund des Herganges und der dabei
erlittenen Verletzungen den schwereren Fällen im mittleren Bereich
zugeordnet, könne anderseits aufgrund der bestehenden Aktenlage nicht ohne
weiteres gesagt werden, dass keines der für die Prüfung der Adäquanzfrage
massgebenden Zusatzkriterien erfüllt sei.

2.1.2  Die Rückweisung der Sache an die SUVA erfolgte in erster Linie zur
Abklärung der Frage, ob es sich bei den bestehenden psychischen Störungen um
natürlich kausale Unfallfolgen handelt. Das ist mit dem kantonalen Gericht
aufgrund des von der Anstalt eingeholten psychiatrischen Gutachtens des Dr.
med. S.________ vom 31. Januar 1998 und dessen ergänzenden Ausführungen im
Bericht vom 2. Februar 2001 zu bejahen.

2.2 Die Vorinstanz hat die Frage der Adäquanz der psychischen Beschwerden
geprüft und mit überzeugender Begründung, auf welche verwiesen wird,
verneint. Was hiegegen vorgebracht wird, gibt zu keiner anderen
Betrachtungsweise Anlass, und zwar selbst dann nicht, wenn dem
Unfallgeschehen eine gewisse Eindrücklichkeit zuerkannt wird (vgl. in diesem
Zusammenhang den auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erwähnten BGE 107
V 173). Die hier im Vordergrund stehenden Kriterien der besonderen
Eindrücklichkeit des Unfalles vom 28. Mai 1993 sowie der ärztlichen
Fehlbehandlung sind nicht gegeben. Im Weitern trifft zwar zu, dass Dr. med.
S.________ die Frage, ob die langdauernde ärztliche Behandlung geeignet war,
bei entsprechender Prädisposition eine psychische Fehlentwicklung zu
begünstigen und deren Chronifizierung zu fördern, namentlich beim
Beschwerdeführer mit einer ausgeprägten Fixierung auf die geklagten
Schmerzen, grundsätzlich bejaht hat. Dieser Aussage kommt indessen über
natürlich kausalrechtliche Gesichtspunkte hinaus, mithin also für die
Adäquanzbeurteilung keine unmittelbare Bedeutung zu. Im Übrigen hat der
Gutachter seine Antwort dahingehend präzisiert, dass die ausgeprägte
Fixierung auf die geklagten Beschwerden, die sich später als psychogene
Fehlentwicklung entpuppten, langwierige Abklärungen und Begutachtungen zum
Ausschluss organischer Unfallfolgen nach sich gezogen habe. In diesem Sinne
habe der Beschwerdeführer «unbewusst selber dazu beigetragen (...), dass der
Verlauf sich in die Länge zog».

2.3  Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 31. Juli 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: