Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 154/2001
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U 154/01 Vr

                        II. Kammer

Bundesrichter Lustenberger, Meyer und Ferrari; Gerichts-
schreiber Schmutz

                 Urteil vom 9. Januar 2002

                         in Sachen

Versicherungskasse der Stadt Zürich, Unfallabteilung,
Strassburgstrasse 9, 8004 Zürich, Beschwerdeführerin,

                           gegen

1. SWICA Gesundheitsorganisation, Rechtsdienst, Römer-
   strasse 38, 8401 Winterthur,
2. R.________, 1953,
Beschwerdegegnerinnen, Beschwerdegegnerin 2 vertreten durch
Rechtsanwalt Hubert Cesna, Albert Zwyssig-Strasse 83,
5430 Wettingen,
                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- Die 1953 geborene R.________ war vom 1. September
1995 bis 29. Februar 1996 beim Amt A.________ angestellt
und bei der Versicherungskasse der Stadt Zürich (nach-
folgend: Versicherungskasse) obligatorisch gegen die Folgen
von Berufs- und Nichtberufsunfall versichert. Am 9. Novem-
ber 1995 prallte sie im Rahmen eines Theaterimprovisations-

kurses mit dem Kopf an die Wand. In der Notfallstation des
Spitals X.________ diagnostizierte man eine Kontusion der
Nase. Nach den Angaben des Hausarztes Dr. med. S.________,
prakt. Arzt, vom 1. April 1997 begab sich R.________ vier
Tage nach dem Ereignis wegen anhaltender Kopfschmerzen,
Müdigkeit und Unruhe in seine Behandlung. Auf Grund des
Verlaufs und der Angaben der Versicherten schloss der Arzt
auf eine Commotio cerebri und eine Distorsion der Hals-
wirbelsäule (HWS). R.________ war zunächst vollständig und
danach teilweise arbeitsunfähig. Nach Beizug verschiedener
Arztberichte lehnte die Versicherungskasse mit Verfügung
vom 17. Juli 1997 jegliche Leistungspflicht ab Mitte 1996
ab und verwies R.________ an die Krankenkasse und gegebe-
nenfalls die Invalidenversicherung. R.________ und die
SWICA Gesundheitsorganisation (nachfolgend: SWICA) erhoben
Einsprachen, welche die Versicherungskasse mit Entscheiden
vom 18. August 1999 abwies.

     B.- R.________ und die SWICA führten hiegegen beim
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde.
Mit Entscheid vom 28. Februar 2001 hiess das kantonale
Gericht die Beschwerden in dem Sinne gut, dass es die
Einspracheentscheide aufhob und die Sache zu zusätzlichen
Abklärungen und neuer Verfügung über die Leistungspflicht
ab 1. Juli 1996 an die Versicherungskasse zurückwies.

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die
Versicherungskasse die Aufhebung des vorinstanzlichen Ent-
scheids.
     Während die Versicherte auf Abweisung der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde und Verpflichtung der Versicherungskasse
zur Erbringung der gesetzlich vorgesehenen Leistungen
schliessen lässt, verzichten die SWICA und das Bundesamt
für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Streitig ist einzig, ob das kantonale Gericht die
Sache zu Recht zwecks Aktenergänzung an die Beschwerde
führende Versicherungskasse zurückgewiesen hat.
     Die im Kausalitätsprozess nach Art. 6 Abs. 1 UVG mass-
geblichen Grundlagen zum natürlichen (BGE 119 V 338 Erw. 1,
118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und adäquaten Kausal-
zusammenhang (BGE 125 V 461 Erw. 5a mit Hinweisen) hat das
kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid in materiell-
und beweisrechtlicher Hinsicht in allen Teilen zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

     2.- a) Auf Grund der gesamten verfügbaren medizini-
schen Akten, namentlich der Berichte von Dr. med.
S.________ vom 27. November 1995 und 11. März 1996, Dr.
med. U.________, Spezialarzt FMH für Orthopädische Chirur-
gie, vom 22. März 1996, Dr. med. I.________, Spezialarzt
FMH für Neurologie, vom 10. Juli 1996 und Dr. med.
Z.________, Leitender Arzt der Neurochirurgischen Abteilung
des Spitals Y.________, vom 18. November 1998 ist davon
auszugehen, dass die Versicherte bei ihrem Aufprall an die
Wand - im Rahmen des Theaterimprovisationskurses - sich
eine Distorsionsverletzung der HWS zugezogen hat, und zwar
- entgegen dem Vermerk im Bericht des Spitals X.________
vom 20. Dezember 1996 - verbunden mit einer leichten Commo-
tio cerebri, wofür der kurzzeitige Bewusstseinsverlust und
die kurzzeitige Erinnerungslücke sprechen. Es haben sich
auch sogleich nach dem Unfall die für eine Distorsions-
verletzung der HWS typischen Beschwerden eingestellt, wo-
gegen nicht eingewendet werden kann, die Nackenschmerzen
seien erst etwa einen Monat später aufgetreten. Vielmehr
leuchtet ein, dass in der ersten Zeit nach dem Unfall die
frisch erlittene Verletzung selber Schmerzen verursachte
(Bericht von Dr. med. S.________ vom 1. April 1997). Der
nachfolgende Verlauf ist medizinisch gut dokumentiert und
weist stets Brückensymptome auf. Die Ergebnisse der vor-

genommenen neuropsychologischen Untersuchung vom 5. Sep-
tember 1996 (Bericht von Frau Dr. phil. W.________ vom
21. September 1996) fügen sich schlüssig in diese medizi-
nische Aktenlage ein.
     In Anbetracht dieser medizinischen Entwicklung seit
dem Unfall vermag die Schlussfolgerung des beigezogenen
Administrativexperten Dr. med. Z.________ vom 18. November
1998, welcher wegen des Fehlens objektiver, die Beschwerden
erklärender Befunde auf eine sekundäre psychogene Symptom-
ausweitung schloss, nicht zu überzeugen. Es bestehen auf
Grund der vorliegenden Akten keine hinreichenden Anhalts-
punkte für die Annahme einer erheblichen und frühzeitigen
psychischen Überlagerung. Aus dem Umstand, dass sich die
Beschwerdegegnerin entschlossen hat, in lockerer Folge -
nebst anderen therapeutischen Bemühungen - sich psychiat-
risch behandeln zu lassen, was insofern nützlich ist, als
es ihr den Umgang mit ihren Schmerzen erleichtert, ist
nicht auf eine psychische Überlagerung eines distorsio-
nellen Beschwerdebildes im Sinne der Rechtsprechung (BGE
127 V 103 Erw. 5b/bb, 123 V 99 Erw. 2a, je mit Hinweisen)
zu schliessen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die
Vorinstanz die Sache zur Durchführung einer psychiatrischen
Abklärung zwecks Ausschlusses einer psychischen Überlage-
rung an die Beschwerdeführerin zurückgewiesen hat. Deren
Vorbringen vermögen an diesem entscheidenden Punkt nichts
zu ändern. Wenn sich auch das kantonale Gericht im Zusam-
menhang mit den weiter angeordneten Abklärungen bezüglich
des Vorzustandes insofern unglücklich ausgedrückt hat, als
ja, wie die Versicherungskasse an sich zu Recht geltend
macht, keine wesentlichen prätraumatischen Befunde krank-
hafter Natur ausgewiesen sind, ändert dies im Kern nichts
daran, dass der Beweis für diejenigen Tatsachen, welche das
Dahinfallen des ursprünglich angenommenen Kausalzusammen-
hanges begründen, bisher nicht geleistet ist, weshalb beim
jetzigen Aktenstand noch nicht gesagt werden kann, der
Status quo ante vel sine sei wieder erreicht (RKUV 1994

Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 75 Erw. 4b, je
mit Hinweisen).

     b) Beim gegenwärtigen Aktenstand ist es auch nicht
möglich, gestützt auf den adäquaten Kausalzusammenhang eine
abschliessende Beurteilung der weiteren Leistungspflicht
der Versicherungskasse vorzunehmen. Zwar kann der Vor-
instanz darin nicht beigepflichtet werden, dass die Unfall-
versicherung die Leistungen unter dem Gesichtswinkel des
adäquaten Kausalzusammenhanges verfrüht eingestellt habe,
weil mehrere der für die Adäquanzprüfung massgeblichen
Kriterien einen gewissen Zeitablauf voraussetzen würden.
Dieser Auffassung ist mit BGE 127 V 105 Erw. 5e eine klare
Absage erteilt worden. Dennoch lässt sich die Adäquanz
nicht von vornherein verneinen: Einerseits könnte der Un-
fall vom 9. November 1995 nicht ohne weiteres als leichter
Unfall qualifiziert werden (was zur vermutungsweisen Aus-
schliessung des adäquaten Kausalzusammenhanges führte; vgl.
BGE 115 V 138 ff. Erw. 6, bestätigt u.a. in SVR 1999 UV
Nr. 10 S. 31), weil die Beschwerdegegnerin nicht einfach
den Kopf angeschlagen hat, sondern ungebremst in die Wand
gerannt ist. Dabei hat sie laut Bericht von Dr. med.
U.________ vom 22. März 1996 "vorne links frontal aufge-
schlagen". Es ist daher nicht entscheidend, wie die Ver-
sicherungskasse einwendet, dass sich die Beschwerdegegnerin
keinen Bruch der Nase zugezogen hat. Anderseits lassen sich
die zu berücksichtigenden Kriterien zur Beurteilung der
Adäquanz des Kausalzusammenhanges im Falle der Annahme
eines mittelschweren Unfalles beim gegenwärtigen Aktenstand
nicht verneinen, dies zumindest dann nicht, wenn die psy-
chiatrische Abklärung keine erheblichen psychischen Befunde
zu Tage fördert. Denn diesfalls würde eine nicht zwischen
physischen und psychischen Einwirkungen unterscheidende
Beurteilungsweise Platz greifen (BGE 117 V 364 Erw. 5d/aa),
was im vorliegenden Fall u.a. hinsichtlich der Kriterien
der langdauernden Arbeitsunfähigkeit und der Dauerschmerzen
entscheidend sein könnte. Im Übrigen ist selbst bei leich-

ten Umfällen die Adäquanz nicht schlechthin ausgeschlossen
(RKUV 1998 Nr. U 297 S. 243).

     3.- Nach Art. 134 OG darf das Eidgenössische Versiche-
rungsgericht im Beschwerdeverfahren über die Bewilligung
oder Verweigerung von Versicherungsleistungen den Parteien
in der Regel keine Verfahrenskosten auferlegen. Dieser
Grundsatz gilt u.a. dort nicht, wo Krankenkasse und Unfall-
versicherung im Streit über die Leistungspflicht für einen
gemeinsamen Versicherten liegen (BGE 127 V 107 Erw. 6; zur
Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil
S. vom 10. Dezember 2001, U 20/00).
     In einer solchen Streitigkeit sind die Gerichtskosten
dem unterliegenden Sozialversicherer aufzuerlegen, auch
wenn das Verfahren zusammen mit einer kostenfreien Strei-
tigkeit zwischen der versicherten Person und ihrem Unfall-
versicherer im selben Urteil erledigt wird (BGE 127 V 107
Erw. 6).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Versiche-
     rungskasse der Stadt Zürich auferlegt und mit dem
     geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

III. Die Versicherungskasse der Stadt Zürich hat der Be-
     schwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Eidgenössi-
     schen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung
     von Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
     bezahlen.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
     Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 9. Januar 2002

                    Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
            Der Vorsitzende der II. Kammer:

                Der Gerichtsschreiber: