Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 147/2001
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U 147/01 Vr

                        III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Flückiger

                 Urteil vom 4. April 2002

                         in Sachen

H.________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts-
anwalt Andreas Clavadetscher, Niederlenzerstrasse 27,
5600 Lenzburg,
                           gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmatt-
strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,

                            und

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

     A.- Der 1963 geborene H.________ war seit August 1995
bei der Firma F.________ AG als Hilfsschreiner angestellt
und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfall und
Berufskrankheit versichert. Am 25. April 1997 war er als
Beifahrer in einem Personenwagen von einem Auffahrunfall
betroffen. Gemäss dem Bericht des Spitals Z.________, wo
der Versicherte gleichentags behandelt wurde, bestanden
eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbel-

säule (HWS) und Druckstellen im Bereich der Lendenwirbel-
säule (LWS), aber keine neurologischen Ausfälle. Dr. med.
S.________ welcher den Versicherten am Folgetag erstmals
untersuchte, diagnostizierte im Arztzeugnis UVG vom 6. Juni
1997 ein HWS-Schleudertrauma. Als Befunde gab er eine
schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der HWS und eine
Druckdolenz im Bereich der LWS an. In der Folge hielt sich
der Versicherte vom 28. Mai bis 11. Juni 1997 stationär in
der Rehabilitationsklinik X.________ auf. Die SUVA holte
einen Bericht von Frau Dr. med. O.________, Allgemeine
Medizin FMH, vom 14. Juni 1997 ein. Zudem liess sie den
Versicherten am 22. Juli 1997 durch den Kreisarzt-Stellver-
treter Dr. med. C.________ und am 2. September 1997 durch
den Kreisarzt Dr. med. C.________ untersuchen. Anschlies-
send teilte sie ihm mit, er werde ab 8. September 1997
wieder als voll arbeitsfähig erachtet und der Fall gelte
als abgeschlossen (Schreiben vom 4. September 1997). Im
Anschluss an eine Vorsprache vom 4. Dezember 1997 verord-
nete Frau Dr. med. O________ eine physikalische Therapie,
welche der Patient jedoch abbrach, worauf die Ärztin den
Fall wieder als abgeschlossen betrachtete (Schreiben an die
SUVA vom 2. März 1998; Schreiben des Medizinischen Zentrums
A.________ vom 29. Januar 1998).
     Am 23. Juli 1998 meldete Frau Dr. med. O.________ der
SUVA, der Versicherte habe sich wieder in ihrer Sprechstun-
de gemeldet und einen Rückfall geltend gemacht. Die SUVA
liess am 6. August 1998 eine Untersuchung durch den Kreis-
arzt Dr. med. U.________ vornehmen, der zum Ergebnis
gelangte, der Versicherte sei für alle Arbeiten ohne
Zwangshaltungen mit mittlerer Belastung weiterhin voll
arbeitsfähig. Dr. med. P.________, Allgemeine Medizin FMH,
diagnostizierte in einem Zwischenbericht vom 25. September
1998 ein Schleudertrauma der HWS nach dem Unfall vom
25. April 1997 sowie posttraumatische psychische Belas-
tungsstörungen (Depressio major). Der Patient leide an
chronifizierten Schmerzen der HWS und der LWS, an Schweiss-
ausbrüchen und an einer Depression. Eine Kernspintomogra-

phie der HWS ergab gemäss Bericht des Radiologie-Instituts
vom 23. Oktober 1998 abgesehen von einer Streckhaltung der
oberen HWS ein normales Ergebnis. Nach einem Zwischen-
bericht des Dr. med. P.________ vom 11. Dezember 1998 fand
am 6. Januar 1999 eine erneute kreisärztliche Untersuchung
durch Dr. med. C.________ statt, der eine Behandlungsnot-
wendigkeit sowohl für den somatischen als auch für den
psychologischen Bereich verneinte. Die SUVA schloss darauf-
hin am 19. Februar 1999 die ärztliche Behandlung per sofort
ab.
     Mit Arztzeugnis vom 8. Juli 1999 bescheinigte Dr. med.
B.________, Allgemeine Medizin FMH, dem Versicherten für
die Zeit ab 1. Mai 1999 (Behandlungsbeginn) eine Arbeits-
unfähigkeit von 100 %. In einem an die Invalidenversiche-
rung gerichteten Arztbericht vom 18. August 1999 diagnosti-
zierte Dr. med. B.________ ein panvertebrales Schmerz-
syndrom mit ausgeprägter muskulärer Disbalance und Decon-
ditioning Syndrom, einen Zustand nach Distorsionstrauma der
HWS und eine chronische Depression. Nachdem der Versicherte
gestützt darauf eine Neubeurteilung verlangt hatte, ver-
neinte die SUVA mit Verfügung vom 24. Januar 2000 ihre
Leistungspflicht für die Zeit ab 19. Februar 1999. Daran
hielt sie mit Einspracheentscheid vom 25. Juli 2000 fest.
Im Rahmen des Einspracheverfahrens waren Berichte der
Rheuma- und Rehabilitationsklinik Y.________ vom 15. Dezem-
ber 1999 und des Psychiatrischen Dienstes vom 10. Juli 2000
eingeholt worden.

     B.- Die gegen den Einspracheentscheid erhobene Be-
schwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
ab (Entscheid vom 21. März 2001).

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt H.________
das Rechtsbegehren stellen, es sei der kantonale Entscheid
aufzuheben und die Vorinstanz, eventuell die Beschwerde-
gegnerin, anzuweisen, den Beschwerdeführer umfassend
medizinisch begutachten zu lassen und gestützt darauf

Invalidenrente und Integritätsentschädigung festzusetzen.
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde eine Stellung-
nahme des Dr. med. B.________ vom 15. April 2001 einge-
reicht.
     Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung ver-
zichtet auf eine Vernehmlassung.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu dem für
die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten
natürlichen Kausalzusammenhang im Allgemeinen (BGE 119 V
337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und bei
Schleudertraumen der Halswirbelsäule (HWS) oder äquivalen-
ten Verletzungsmechanismen im Besonderen (BGE 119 V 337)
zutreffend dargelegt. Entsprechendes gilt für die von der
Judikatur entwickelten Grundsätze zum Erfordernis des adä-
quaten Kausalzusammenhanges im Allgemeinen (BGE 125 V 461
Erw. 5a mit Hinweisen) sowie insbesondere bei den Folgen
eines Unfalles mit Schleudertrauma der HWS oder äquivalen-
ten Verletzungen ohne organisch nachweisbare Funktionsaus-
fälle (BGE 117 V 359) und im Falle einer nach dem Unfall
einsetzenden psychischen Fehlentwicklung (BGE 115 V 133).
Richtig sind auch die Erwägungen des kantonalen Gerichts,
wonach sich die adäquate Kausalität bei Vorliegen eines
Schleudertraumas der HWS oder einer äquivalenten Verletzung
praxisgemäss nach der in BGE 115 V 133 formulierten Praxis
beurteilt, wenn die zum von der Rechtsprechung als typisch
bezeichneten Beschwerdebild gehörenden Beeinträchtigungen
(vgl. BGE 117 V S. 360 Erw. 4b) zwar teilweise gegeben
sind, aber im Vergleich zur ausgeprägten psychischen Prob-
lematik gänzlich in den Hintergrund treten (BGE 123 V 99
Erw. 2a), sowie zur Zulässigkeit einer antizipierten Be-
weiswürdigung unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Ge-

hörs (BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis;
SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b). Darauf wird verwiesen.

     2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die SUVA als obli-
gatorischer Unfallversicherer auf Grund des Ereignisses vom
25. April 1997 über den 19. Februar 1999 hinaus Leistungen
zu erbringen hat.

     3.- a) Das kantonale Gericht ist gestützt auf die me-
dizinischen Akten mit Recht davon ausgegangen, dass der Be-
schwerdeführer anlässlich des Unfalls vom 25. April 1997
eine HWS-Distorsion erlitt und damit von einem Verletzungs-
mechanismus betroffen war, welcher einem Schleudertrauma
der HWS äquivalent ist (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2).
Im Weiteren ist aktenkundig und unbestritten, dass die ver-
schiedenen mit bildgebenden Verfahren durchgeführten Unter-
suchungen keine Hinweise auf ossäre Läsionen oder andere
organisch nachweisbare Verletzungen oder Funktionsausfälle
ergaben (Berichte des Spitals Z.________ vom 25. April
1997, der Rehabilitationsklinik X.________ vom 12. Juni
1997 sowie des Radiologie-Instituts vom 23. Oktober 1998).
Das zunächst diagnostizierte zervikocephale Syndrom (Be-
richt der Rehabilitationsklinik X.________ vom 18. Juni
1997) wurde durch spätere ärztliche Stellungnahmen nicht
mehr bestätigt (Bericht des Dr. med. C.________ vom
22. Juli 1997; telefonische Auskunft von Frau Dr. med.
O.________ vom 21. August 1997; Berichte des Dr. med.
C.________ vom 2. September 1997, von Frau Dr. med.
O.________ vom 2. März 1998, des Dr. med. U.________ vom
6. August 1998 und des Dr. med. C.________ vom 6. Januar
1999), sodass davon auszugehen ist, die entsprechenden
Symptome seien in der Folge abgeheilt. Für die Zeit ab
8. September 1997 wurde der Versicherte durch Dr. med.
C.________ als voll arbeitsfähig bezeichnet, was durch die
folgenden Arztberichte - mit Einschluss derjenigen des Dr.
med. P.________ vom 25. September und 11. Dezember 1998 -
nicht in Frage gestellt wird. Erst Dr. med. B.________

attestierte mit Wirkung ab 1. Mai 1999 wieder eine voll-
ständige Arbeitsunfähigkeit, dies in Übereinstimmung mit
dem Psychiatrischen Dienst, welcher dem Versicherten für
die Zeit ab 23. Juni 1999 (Erstkonsultation) ebenfalls eine
Arbeitsunfähigkeit von 100 % bescheinigt.

     b) Entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde ist der vorinstanzlichen Feststellung zu-
zustimmen, das bei Schleudertraumen der HWS oder äquivalen-
ten Verletzungen vergleichsweise häufig beobachtete und
deshalb von der Rechtsprechung als typisch bezeichnete
"bunte" Beschwerdebild mit einer Häufung von Beschwerden
wie diffuse Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und
Gedächtnisstörungen, Übelkeit, rasche Ermüdbarkeit, Visus-
störungen, Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression, We-
sensveränderung usw. (BGE 117 V 360 Erw. 4b) liege nicht
vor. Während das Auftreten von Kopfschmerzen bereits kurze
Zeit nach dem Unfall dokumentiert ist, wurden die übrigen
Symptome zunächst nicht erwähnt. So bestanden gemäss dem
Bericht des Dr. med. C.________ vom 2. September 1997 keine
vegetativen Symptome. Dagegen ergaben die ärztlichen Unter-
suchungen bereits einige Monate nach dem Unfall Hinweise
auf eine psychische Problematik (Bericht des Dr. med.
C.________ vom 22. Juli 1997), was in der Folge verschie-
dentlich bestätigt wurde (Stellungnahmen des Dr. med.
P.________ vom 25. September und 11. Dezember 1998; Be-
richte des Dr. med. C.________ vom 6. Januar 1999, des Dr.
med. B.________ vom 18. August 1999 und des Psychiatrischen
Dienstes vom 10. Juli 2000). Soweit zum typischen Beschwer-
debild gehörende Symptome gegeben sind, stehen sie demnach
gegenüber der psychischen Problematik klar im Hintergrund,
sodass die Adäquanz des Kausalzusammenhangs nach der für
psychische Fehlentwicklungen nach Unfall geltenden Praxis
(BGE 115 V 133) und nicht nach der Praxis zu den Folgen
eines Schleudertraumas oder einer einem solchen äquivalen-
ten Verletzung (BGE 117 V 359) zu beurteilen ist (BGE 123 V
99 Erw. 2a). An diesem Ergebnis vermag auch die mit der

Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereichte Stellungnahme
des Dr. med. B.________ vom 15. April 2001 nichts zu
ändern. Wie dargelegt, ist das Vorliegen einer Reihe der
zum typischen Beschwerdebild gehörenden Symptome für einen
langen Zeitraum nach dem Unfallereignis vom 25. April 1997
nicht dokumentiert. Die bereits frühzeitig erkannte psy-
chische Problematik kann daher nicht mit dem massgebenden
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V
360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen) als Teil
dieses Beschwerdebildes angesehen werden. Angesichts der
vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen hat die Vorinstanz zu
Recht in antizipierter Beweiswürdigung von weiteren medizi-
nischen Abklärungen abgesehen.

     c) Der Unfall vom 25. April 1997 verlief gemäss den
Angaben des Beschwerdeführers wie folgt (ein Polizeirapport
wurde nicht veranlasst): Der Versicherte sass als Beifahrer
in einem Firmenauto (VW-Kleinbus). Dieses fuhr auf das da-
vor fahrende Auto auf und wurde anschliessend seinerseits
vom dahinter fahrenden Fahrzeug gerammt. Der Beschwerdefüh-
rer prallte zunächst mit dem Kopf an die Windschutzscheibe
und wurde anschliessend zurück in die Kopfstütze geworfen.
Im Rahmen der für die Adäquanzbeurteilung vorzunehmenden
Einteilung (BGE 115 V 138 f.) ist dieses Ereignis als mit-
telschwerer Unfall einzustufen. Die Adäquanz des Kausalzu-
sammenhangs ist demnach zu bejahen, falls ein einzelnes der
unfallbezogenen Kriterien (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa) in be-
sonders ausgeprägter Weise gegeben ist oder die zu berück-
sichtigenden Kriterien insgesamt in gehäufter oder auffal-
lender Weise erfüllt sind (BGE 115 V 140 f. Erw. 6c). Dies
ist, wie die Vorinstanz zu Recht erwogen hat, nicht der
Fall: Der Verkehrsunfall ereignete sich weder unter beson-
ders dramatischen oder eindrücklichen Umständen, noch er-
litt der Versicherte dabei schwere Verletzungen. Eine soma-
tisch bedingte Arbeitsunfähigkeit ist jedenfalls für die
Zeit ab 8. September 1997 nicht mit überwiegender Wahr-
scheinlichkeit dokumentiert, sodass nicht von einer langen

Dauer gesprochen werden kann. Ebenso wenig liegt eine ärzt-
liche Fehlbehandlung vor, und es sind - wiederum bezogen
auf die somatischen Beschwerden - weder ein schwieriger
Heilungsverlauf noch erhebliche Komplikationen ersichtlich.
Die rechtsprechungsgemäss erforderliche Häufung erfüllter
unfallbezogener Kriterien liegt nicht vor. Die Adäquanz des
Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis vom 25. Ap-
ril 1997 und den über den 19. Februar 1999 hinaus fortbe-
stehenden Beschwerden ist deshalb zu verneinen.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge-
     richt des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozial-
     versicherung zugestellt.

Luzern, 4. April 2002

                   Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
             Der Präsident der III. Kammer:

                Der Gerichtsschreiber: