Sozialrechtliche Abteilungen U 12/2001
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U 12/01 Gb III. Kammer Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Fleischanderl Urteil vom 4. April 2002 in Sachen W.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Andreas Gafner, Nidaugasse 24, 2500 Biel 3, gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmatt- strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin, und Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern A.- W.________, geb. 1935, war seit 1978 als Offset- Drucker bei der Firma X.________ SA tätig und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherung (SUVA) obligatorisch ge- gen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versi- chert. Am 1. Februar 1996 stürzte er während des Skifahrens und erlitt dadurch eine Ruptur der Supraspinatussehne rechts, woraufhin am 13. August 1996 eine Reinsertion er- folgte (Operationsbericht des Dr. med. N.________, Spezial- arzt FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 14. August 1996). Während des Tragens einer schweren Blumenkiste rutschte der Versicherte am 23. April 1996 in kniender Position aus, wo- bei er einen einschiessenden Schmerz in den Rücken verspür- te. Anlässlich der am 8. Mai 1996 durchgeführten Seques- trektomie nach Williams wurde eine linksseitige Diskusher- nie der Bandscheibe L3/4 mit kaudaler Sequestrierung mit Neurokompression und konkomitierendem radikulärem Schmerz- und Ausfallsyndrom L5/S1 links nachgewiesen (Operationsbe- richt des PD Dr. med. M.________, Spezialarzt FMH für Neu- rochirurgie, vom 8. Mai 1996). Am 19. Dezember 1996 glitt er auf einer Treppe aus und verletzte sich dabei an der linken Schulter (Ruptur der Supraspinatus- und Subscapula- rissehnen links, Luxation der Bicepssehne mit Impingement acromioclavikulär). Dr. med. N.________ nahm am 28. Januar 1997 eine Reinsertion der Sehnen, eine Fixation der Biceps- sehne und eine Acromioplastik vor (Operationsbericht vom 29. Januar 1997). Nach einem Aufenthalt des Versicherten vom 8. Oktober bis 5. November 1997 in der Bäderklinik Y.________ holte die SUVA u.a. einen Austrittsbericht des Dr. med. H.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin, spez. Rheu- matologie, vom 5. November 1997 sowie einen Bericht des Dr. med. G.________, Spezialarzt FMH für Neurologie, vom 20. August 1997 ein, woraufhin der Kreisarzt Dr. med. K.________ am 14. November 1997 seine Abschlussuntersuchung vornahm (Bericht vom 14. November 1997). Die SUVA zog in der Folge ergänzend das zuhanden der Invalidenversicherung erstellte Gutachten des Dr. med. U.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 10. September 1998 bei und verfügte am 17. November 1998 die Zusprechung einer auf einer Erwerbsunfähigkeit von 40 % basierenden In- validenrente ab 1. Januar 1999 sowie einer Integritätsent- schädigung von Fr. 38'880.- bei einer Integritätseinbusse von 40 %. Auf Einsprache hin erliess sie am 26. Januar 1999 in Bestätigung eines Schreibens vom 9. Oktober 1998 eine zweite Verfügung, mit welcher sie die auf einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit beruhenden Taggeldleistungen per Ende November 1998 und die auf Grund eines Leistungsunvermögens von 50 % ausgerichteten Taggelder per Ende Dezember 1998 einstellte. Gleichenorts hielt sie fest, die psychischen Schwierigkeiten des Versicherten stünden in keinem mindes- tens wahrscheinlichen Zusammenhang mit den Unfällen aus dem Jahre 1996, weshalb die diesbezüglichen Behandlungskosten nicht zu übernehmen seien. Auch dagegen erhob W.________ Einsprache. Die SUVA vereinigte beide Verfahren und hielt mit Einspracheentscheid vom 15. Juni 1999 an ihren Verfü- gungen fest. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwal- tungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 13. Dezem- ber 2000). C.- W.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es seien der kantonale Entscheid aufzuheben und ihm rückwirkend ab 1. Januar 1999 eine In- validenrente gestützt auf eine Invalidität von 100 % sowie eine "angemessene, die verfügten 40 % übersteigende Integ- ritätsentschädigung" zuzusprechen. Ergänzend wird ein Arzt- bericht (samt Beiblatt) des Dr. med. U.________ vom 19. Au- gust 1999 zu den Akten gereicht. Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsge- richtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Taggeld (Art. 16 UVG), Invalidenrente (Art. 18 UVG) und Integritätsentschädigung (Art. 24 UVG) sowie die Leistungspflicht des Unfallversicherers für die Folgen von Unfällen (Art. 6 UVG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 UVV) richtig wiedergegeben. Zutreffend dargelegt hat es auch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bezüglich des für die Leistungspflicht des Unfallversiche- rers zunächst vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammen- hangs zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 119 V 337 Erw. 1 mit Hin- weis; vgl. auch BGE 123 V 45 Erw. 2a) sowie der namentlich auch bei psychischen Unfallfolgen im Weiteren erforderli- chen Adäquanz des Kausalzusammenhangs (BGE 115 V 133). 2.- Streitig und zu prüfen ist letztinstanzlich ein- zig, ob die geklagten psychischen Beschwerden in einem na- türlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zu den Unfällen vom 1. Februar, 23. April und 19. Dezember 1996 stehen. 3.- a) Dr. med. G.________ führte in seinem Bericht vom 20. August 1997 aus, der Versicherte leide an einer Schmerzfehlverarbeitung, wobei insbesondere auf Grund des Kopfweh-Medikamentenabusus eine Desintoxikation vorgenommen werden sollte. Auch Dr. med. H.________ diagnostizierte im Austrittsbericht vom 5. November 1997 nebst den körperli- chen Beschwerden eine somatoforme Schmerzstörung mit Medi- kamentenabusus bei positivem Waddell- und Kummelzeichen so- wie einer psychosozialen Belastungssituation. Dem Gutachten des Dr. med. U.________ vom 10. September 1998 ist sodann zu entnehmen, dass das schwere depressive Zustandsbild und das Schmerzsyndrom ein psychisches und psychosomatisches Leidensbild mit Krankheitswert darstelle, welches die Ar- beitsfähigkeit des Beschwerdeführers in nennenswerter Weise beeinträchtige. b) Hieraus erhellt, dass der Versicherte an einer de- pressiven Störung leidet. Die Frage, ob diese psychische Beeinträchtigung eine natürliche Folge der Unfallereignisse aus dem Jahre 1996 ist, kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gestützt auf die vorhandenen medizini- schen Unterlagen, welche keine entsprechenden Angaben ent- halten, nicht mit dem im Sozialversicherungsrecht allgemein erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlich- keit (BGE 119 V 338 Erw. 1 mit Hinweis) beantwortet werden. Eine Rückweisung der Sache zur weiteren Abklärung ist indes nicht nötig; denn selbst wenn auf Grund einer ergänzenden Spezialbegutachtung der natürliche Kausalzusammenhang zu bejahen wäre, fehlt es - wie die nachstehenden Erwägungen zeigen - an der adäquaten Kausalität (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 68 Erw. 3c). 4.- a) Die Vorinstanz hat die Adäquanzbeurteilung zu Recht nach der für psychische Unfallfolgen in BGE 115 V 133 entwickelten und seither ständig angewandten Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vorgenommen (be- stätigt u.a. in BGE 124 V 44 Erw. 5c/bb und 213 f. Erw. 4b; SVR 1999 UV Nr. 10 S. 31 Erw. 2). Tritt im Anschluss an zwei oder mehrere Unfälle eine psychische Fehlentwicklung ein, ist die Adäquanz des Kausalzusammenhanges - entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auf- fassung - grundsätzlich für jeden Unfall gesondert zu beur- teilen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Unfälle - wie hier - verschiedene Körperteile betreffen und zu unter- schiedlichen Verletzungen geführt haben (nicht veröffent- lichtes Urteil B. vom 2. Mai 1997, U 126/97). b) Ausgehend vom augenfälligen Geschehensablauf und den erlittenen Verletzungen hat das kantonale Gericht die Ereignisse vom 1. Februar, 23. April und 19. Dezember 1996 im Rahmen der Einteilung, wie sie für die Belange der Adä- quanzbeurteilung Anwendung findet (BGE 115 V 138 ff. Erw. 6), den mittelschweren, im Grenzbereich zu den leich- ten Unfällen anzusiedelnden Ereignissen zugeordnet. Dies ist im Lichte der Judikatur (dargestellt u.a. in RKUV 1999 Nr. U 330 S. 122 ff. Erw. 4b/bb sowie 1995 Nr. U 215 S. 91 Erw. b) nicht zu beanstanden. Die Adäquanz könnte daher nur bejaht werden, wenn ein einzelnes der einschlägigen Beur- teilungskriterien in besonders ausgeprägter Form vorläge oder diese in gehäufter oder auffallender Weise gegeben wären (BGE 115 V 140 f. Erw. 6c/bb). c) Im angefochtenen Entscheid wird mit eingehender Be- gründung, auf welche vollumfänglich zu verweisen ist, dar- gelegt, dass das Kriterium der langen Dauer der organisch bedingten Arbeitsunfähigkeit und allenfalls dasjenige der körperlichen Dauerschmerzen - wenn auch beide nicht in be- sonders ausgeprägter Form - zu bejahen sind. Was indes die erlittenen Verletzungen anbelangt, sind diese entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde weder von besonderer Art noch derart schwer, dass sie sich erfah- rungsgemäss eigneten, psychische Fehlentwicklungen auszulö- sen. Der erstmals im letztinstanzlichen Verfahren erhobene Einwand des Beschwerdeführers, er sei nach dem Unfallereig- nis vom 19. Dezember 1996 während zweier Minuten bewusstlos gewesen, erscheint angesichts des Umstands, dass eine der- artige Aussage erst acht Monate nach dem Geschehnis und einzig gegenüber Dr. med. G.________ erfolgt war, wenig glaubhaft, zumal der Arzt in seinem Bericht vom 20. August 1997 denn auch lediglich vage ausführte, bei "diesem Sturz soll er ungefähr zwei Minuten bewusstlos gewesen sein". Die Kriterien der besonders dramatischen Begleitumstände oder der besonderen Eindrücklichkeit der Unfälle, der die Un- fallfolgen erheblich verschlimmernden ärztlichen Fehlbe- handlung sowie des - hinsichtlich der vorliegend massgeben- den physischen Unfallfolgen (vgl. RKUV 1993 Nr. U 166 S. 94 Erw. 2c mit Hinweisen; Urteil I. vom 26. September 2000, U 446/99) - schwierigen Heilungsverlaufs und erheblicher Komplikationen sind sodann - unbestrittenermassen - eben- falls zu verneinen. Hinsichtlich der ungewöhnlich langen Dauer der somatisch indizierten ärztlichen Behandlung ist des Weitern auf die diesbezüglich schlüssigen, das Krite- rium mit überzeugender Begründung abschlägig beurteilenden Erwägungen der Vorinstanz zu verweisen. Zu ergänzen ist einzig, dass - wie in Erw. 4a hievor dargelegt - auch die- ses Kriterium für jeden Unfall gesondert zu prüfen ist. Soweit der Beschwerdeführer unter Auflegung eines Arztbe- richtes des Dr. med. U.________ vom 19. August 1999, wonach auch im Jahre 1999 noch Akupunkturbehandlungen durchgeführt wurden, ein anderes Ergebnis herbeizuführen versucht, ist ihm entgegenzuhalten, dass der betreffende Arzt als wesent- liche Diagnose ein bisher therapieresistentes, schweres psychoreaktives depressives Zustandsbild mit Schmerzverar- beitungsproblematik nennt und die Akupunktur in erster Linie im Zusammenhang mit diesem Leiden steht bzw. primär dessen Linderung dient. Die Unfälle sind somit weder für sich allein noch im Zusammenhang mit den anderen geeignet, eine psychische Fehlentwicklung zu bewirken. Soweit einer der ersten Vor- fälle den Beschwerdeführer nachhaltig geprägt haben sollte und ihn für psychische Störungen anfälliger werden liess, ist diese Prädisposition bereits erfasst, indem bei der Adäquanzbeurteilung auf eine weite Bandbreite von Versi- cherten abgestellt wird (Urteil T. vom 3. April 2001, U 49/00; Rumo-Jungo, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Unfallver- sicherung, 2. Auflage, Zürich 1995, S. 47). Nach dem Gesagten erweisen sich der erstinstanzliche Entscheid sowie der Einspracheentscheid der SUVA vom 15. Juni 1999 als rechtens. Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. Luzern, 4. April 2002 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: