Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 128/2001
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U 128/01 Vr

                        III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Hadorn

                  Urteil vom 21. Mai 2002

                         in Sachen

N.________, 1962, Gesuchsteller, vertreten durch Advokat
Georg Wohl, Steinenvorstadt 79, 4051 Basel,

                           gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmatt-
strasse 1, 6004 Luzern, Gesuchsgegnerin

     Mit Urteil vom 4. Februar 2000 wies das Eidgenössische
Versicherungsgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde von
N.________ (geb. 1962) ab, worin er beantragt hatte, die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sei zu
verpflichten, weiterhin die gesetzlichen Leistungen für
einen am 14. August 1995 erlittenen Autounfall zu erbringen
und eine neue medizinische Begutachtung durchzuführen.
     N.________ lässt gegen dieses Urteil ein Revisions-
gesuch einreichen und beantragen, das genannte Urteil sei
aufzuheben und die SUVA sei zu den gesetzlichen Leistungen
zu verpflichten.

     Die SUVA schliesst auf Abweisung des Revisionsgesuchs,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Ver-
nehmlassung verzichtet.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Nach Art. 137 lit. b in Verbindung mit Art. 135 OG
ist die Revision eines Urteils des Eidgenössischen Ver-
sicherungsgerichts u.a. zulässig, wenn der Gesuchsteller
nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt oder ent-
scheidende Beweismittel auffindet, die er im früheren Ver-
fahren nicht beibringen konnte.
     Als "neu" gelten Tatsachen, welche sich bis zum Zeit-
punkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen
prozessual zulässig waren, verwirklicht haben, jedoch der
um Revision ersuchenden Person trotz hinreichender Sorgfalt
nicht bekannt waren. Die neuen Tatsachen müssen ferner
erheblich sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die tat-
beständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu ver-
ändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer
andern Entscheidung zu führen. Beweismittel haben entweder
dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen
Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar
im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil
der gesuchstellenden Person unbewiesen geblieben sind.
Sollen bereits vorgebrachte Tatsachen mit den neuen Mitteln
bewiesen werden, so hat die Person auch darzutun, dass sie
die Beweismittel im früheren Verfahren nicht beibringen
konnte. Entscheidend ist ein Beweismittel, wenn angenommen
werden muss, es hätte zu einem andern Urteil geführt, falls
das Gericht im Hauptverfahren hievon Kenntnis gehabt hätte.
Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der
Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsermittlung
dient. Es genügt daher beispielsweise nicht, dass ein neues
Gutachten den Sachverhalt anders bewertet; vielmehr bedarf
es neuer Elemente tatsächlicher Natur, welche die Entschei-

dungsgrundlagen als objektiv mangelhaft erscheinen lassen.
Für die Revision eines Entscheides genügt es nicht, dass
die Gutachterin oder der Gutachter aus den im Zeitpunkt des
Haupturteils bekannten Tatsachen nachträglich andere
Schlussfolgerungen zieht als das Gericht. Auch ist ein Re-
visionsgrund nicht schon gegeben, wenn das Gericht bereits
im Hauptverfahren bekannte Tatsachen möglicherweise unrich-
tig gewürdigt hat. Notwendig ist vielmehr, dass die unrich-
tige Würdigung erfolgte, weil für den Entscheid wesentliche
Tatsachen nicht bekannt waren oder unbewiesen blieben (BGE
110 V 141 Erw. 2, 293 Erw. 2a, 108 V 171 Erw. 1; vgl. auch
BGE 118 II 205).

     2.- a) Der Gesuchsteller legt neue ärztliche Berichte
von Dr. med. M.________, Spezialarzt FMH für Otorhinolaryn-
gologie, Hals und Gesichtschirurgie, vom 29. Dezember 2000,
Dr. med. G.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin,
vom 10. Februar 2001 und Dr. med. B.________, Spezialarzt
für Neurologie FMH, EEG, EMG, Dopplersonographie, Verhal-
tensneurologie, vom 15. Februar 2001 ins Recht. Gestützt
auf diese Unterlagen macht er geltend, es seien objekti-
vierbare organische Schäden festgestellt worden, welche als
Unfallfolgen zu qualifizieren seien. Dementsprechend sei
die Invalidenversicherung denn auch von der Beurteilung der
SUVA abgewichen und habe ihm auf Grund reiner Unfallfolgen
eine ganze Rente zugesprochen. Die IV-Stelle habe die vom
Eidgenössischen Versicherungsgericht im Urteil vom 4. Feb-
ruar 2000 geschützte, leistungsablehnende Haltung der SUVA
auf Grund der damaligen Aktenlage als vertretbar bezeich-
net; angesichts der heutigen Unterlagen erweise sich diese
Würdigung jedoch als Irrtum.
     Dem widerspricht SUVA-Arzt Dr. med. A.________,
Facharzt FMH für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, Hals-
und Gesichtschirurgie und Arbeitsmedizin in einem Bericht
vom 15. Mai 2001, in welchem er insbesondere verneint, dass
die gegenwärtigen Beschwerden Unfallfolgen seien.

     b) Soweit die neuen medizinischen Unterlagen die Un-
fallkausalität der heute geklagten Leiden bejahen, kann
sich dies nur auf den natürlichen Kausalzusammenhang bezie-
hen. Denn die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs
ist eine Rechtsfrage, welche nicht von den Ärzten zu ent-
scheiden ist (BGE 123 V 105 Erw. 3a in fine). Der Gesuch-
steller macht denn auch einzig organische Leiden geltend,
nicht jedoch solche psychischer Art. Die im Urteil vom
4. Februar 2000 verneinte adäquate Kausalität der psychi-
schen Leiden zum Unfall vom 14. August 1995 steht somit
vorliegend nicht zur Diskussion.

     c) Das Urteil vom 4. Februar 2000 stützte sich recht-
sprechungsgemäss (BGE 116 V 248 Erw. 1a) auf den Sachver-
halt, welcher sich bis zum Datum des Einspracheentscheids
der SUVA vom 11. März 1998 ergeben hatte. Demnach ist zu
prüfen, ob sich der Gesuchsteller vorliegend auf neue Tat-
sachen oder Beweismittel im dargelegten Sinn (Erw. 1 hie-
vor) stützen kann, welche den bis 11. März 1998 festge-
stellten Sachverhalt in prozessual revisionsrechtlich
relevanter Weise beschlagen.

     d) Gemäss Bericht der Abteilung für Audiologie und
Neurootologie am Spital X.________ vom 17. September 1996
habe der Gesuchsteller beidseits eine normale cochleovesti-
buläre Funktion aufgewiesen. Die Schwindelbeschwerden seien
nicht objektivierbar. Die Rehabilitationsklinik Y.________
gab im Austrittsbericht vom 12. Juni 1997 an, eine neuro-
psychologische Funktionsstörung habe ausgeschlossen werden
können. Ausser lokalen Sensibilitätsstörungen rechts infra-
orbital hätten sich keine verwertbaren neurologischen Aus-
fälle ergeben. Laut dem neurologischen Konsilium vom 9. Mai
1997, welches dem Austrittsbericht beilag, sei eine nochma-
lige neurootologische Abklärung sicher nicht indiziert.
Eine milde traumatische Hirnverletzung sei "möglich".

     e) Die neu eingereichten Berichte beschreiben wohl die
bei der jeweiligen Untersuchung (Ende 2000 bis Februar
2001) diagnostizierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Indessen enthalten sie keine neuen tatsächlichen Feststel-
lungen über Befunde, welche bereits am 11. März 1998 vor-
handen gewesen, aber damals unbewiesen geblieben wären.
Dass der Gesuchsteller an Schwindel litt, hatte bereits das
Spital X.________ erwähnt. Eine milde Hirnverletzung war
ebenfalls schon früher als möglich bezeichnet worden. Die
neuen Arztberichte gelangen zu anderen Schlussfolgerungen,
ohne jedoch prozessual revisionsrechtlich relevante neue
Elemente tatsächlicher Natur zu nennen, d.h. gesundheit-
liche Beeinträchtigungen, die schon in dem für die letzt-
instanzliche Beurteilung massgeblichen Zeitraum bis zum
Einspracheentscheid bewiesenermassen bestanden hätten. Dem-
nach liegen keine Tatsachen vor, welche dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht bei der Fällung des Urteils vom
4. Februar 2000 nicht bekannt gewesen wären. Daher ist das
Revisionsgesuch unbegründet.

     3.- Angesichts der neuen Unterlagen ist nicht ausge-
schlossen, dass sich der Unfall vom 14. August 1995 mit
Spätfolgen (Art. 11 UVV) in Bezug auf den Schwindel und
allenfalls weitere Befunde äussert. Hiefür bleibt dem Ge-
suchsteller das Recht auf eine Neuanmeldung gewahrt
(RKUV 1994 U 189 S. 138 f.).

     4.- Das Revisionsgesuch ist kostenpflichtig. Der un-
terliegende Gesuchsteller hat die Kosten zu tragen
(Art. 156 Abs. 1 OG).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

 II. Die Gerichtskosten von total Fr. 500.- werden dem
     Gesuchsteller auferlegt und mit dem geleisteten
     Kostenvorschuss verrechnet.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozial-
     versicherung zugestellt.

Luzern, 21. Mai 2002

                   Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
             Der Präsident der III. Kammer:

                Der Gerichtsschreiber: