Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 69/2001
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K 69/01

Urteil vom 9. Mai 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Fessler

Helsana Versicherungen AG, Recht Deutsche Schweiz, Birmensdorferstrasse 94,
8003 Zürich, Beschwerdeführerin,

gegen

W.________, 1950, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 21. März 2001)

Sachverhalt:

A.
Mit Einspracheentscheid vom 11. Oktober 1999 lehnte die Helsana
Versicherungen AG (nachfolgend: Helsana) in Bestätigung ihrer Verfügung vom
21. Oktober 1998 die Übernahme der Kosten der am 3. Februar 1997 in der
Klinik X.________ bei W.________ vorgenommenen Mammareduktionsplastik
beidseits im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ab.

B.
In Gutheissung der von W.________ hiegegen erhobenen Beschwerde verpflichtete
das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 21. März
2001 die Helsana, für die im Februar 1997 durchgeführte
Mammareduktionsplastik die aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
geschuldeten Leistungen zu erbringen.

C.
Die Helsana führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der
kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben.

W. ________ enthält sich einer Stellungnahme und eines Antrages zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung
geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen
Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen
führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner
nach dem massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheides (hier: 11. Oktober
1999) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen unberücksichtigt zu
bleiben haben, sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002
geltenden Bestimmungen anwendbar (BGE 121 V 366 Erw. 1b, 116 V 248 Erw. 1a).

2.
Das kantonale Gericht hat die vorliegend streitige Leistungspflicht der
Helsana für die Mammareduktionsplastik vom 3. Februar 1997 im Rahmen der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Lichte der unter dem alten
Krankenversicherungsgesetz (KUVG) ergangenen Rechtsprechung (vgl. BGE 121 V
213 f. Erw. 4 und 5) geprüft. Dies ist richtig, wie das Eidgenössische
Versicherungsgericht im Fall K 85/99, entschieden mit Urteil vom 25.
September 2000 (RKUV 2000 Nr. KV 138 S. 357), erkannt hat.

3.
Unter dem alten Recht hat sich die vom Eidgenössischen Versicherungsgericht
in ständiger Rechtsprechung angewendete Praxis herausgebildet, wonach eine
Mammareduktionsplastik medizinisch indiziert ist und dem Erfordernis der
Zweckmässigkeit genügt, sofern eine Gewebereduktion von gegen 500 g oder mehr
beidseits vorgesehen ist bzw. durchgeführt wurde und wenn gleichzeitig
Beschwerden geltend gemacht werden, 'die auf die Hypertrophie zurückgeführt
werden können (könnten) und keine Adipositas vorliegt'. Dabei gilt eine
Person als übergewichtig (adipös), wenn der Body Mass Index (BMI), also der
Quotient von Körpergewicht (kg) und Körperlänge im Quadrat (m2) grösser als
25 ist (RKUV 1996 Nr. K 972 S. 3 ff. Erw. 5a-c mit Hinweisen).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass im Zeitpunkt des Eingriffs am 3.
Februar 1997 das Körpergewicht 59,5 kg betrug. Das entspricht bei einer
Körpergrösse von 1,48 m einem BMI von rund 27,2. Im Weitern wurden bei der
Operation beidseitig 620g resp. 650 g (Fett- und Drüsen-)Gewebe reseziert.

4.
4.1 Das kantonale Gericht ist aufgrund der Akten, insbesondere der Angaben der
behandelnden Ärztin Frau Dr. med. B.________ zum Schluss gelangt, die
Mammahypertrophie sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kausal zu den
geklagten Rückenbeschwerden gewesen. Dass im Operationszeitpunkt leichtes
Übergewicht bestanden habe, schliesse den Kausalzusammenhang nicht aus. Nach
der Rechtsprechung komme dem BMI von 25 lediglich Richtwertcharakter zu.
Abgesehen davon habe die Versicherte im Zeitpunkt ihres
Rehabilitationsaufenthaltes im Medizinischen Zentrum Y.________ im Januar
1991 erst 55 kg gewogen, was einem BMI von leicht unter 25 entspreche. Schon
damals habe sie aber über Rückenbeschwerden geklagt. Schliesslich spreche
auch die entnommene Gewebemenge von 620 g resp. 650 g pro Seite für einen
Kausalzusammenhang zwischen den geklagten Rückenbeschwerden und der
Mammahypertrophie.

4.2 Die vorinstanzliche Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion wird in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit guten Gründen in Frage gestellt.

4.2.1 Im Bericht vom 23. Januar 1991 über den Rehabilitationsaufenthalt der
Versicherten im Kurhotel Y._________ vom 8. bis 26. Januar 1991 wird ein
rezidivierendes lumbo-vertebrales bis linksseitiges, lumbo-spondylogenes
Syndrom bei einer Beeinträchtigung der Wirbelsäulenstatik zufolge
skoliotischer Fehlhaltung bis Fehlform diagnostiziert. Als wichtig für die
Entstehung des Beschwerdebildes wird eine nicht optimal angepasste
ergonomische Situation bei der Tätigkeit als Sekretärin genannt.

Dass auch die Mammahypertrophie bzw. die überschweren Mammae im Sinne einer
Teilursache für die Schmerzen verantwortlich waren, wird nicht gesagt, wie
die Helsana zu Recht geltend macht.

4.2.2 Im Weitern wird im Bericht vom 23. Januar 1991 festgehalten, die
Therapien, u.a. Ultraschall, Packungen und Rückengymnastik, hätten zu einer
deutlichen Schmerzlinderung geführt und könnten nach Entlassung bei
weitgehender Beschwerdefreiheit abgebrochen werden. Die Patientin werde das
erlernte Gymnastikprogramm in eigener Regie weiterführen.

Ausweislich der Akten suchte die Versicherte erstmals im November 1995 wegen
Rückenschmerzen wieder einen Arzt auf. Inwiefern sie im Zeitraum von Januar
1991 bis November 1995 ohne Beschwerden gewesen war, ist unklar. Immerhin
wird nicht geltend gemacht und es fehlen entsprechende Hinweise in den Akten,
dass sie physiotherapeutisch oder medikamentös behandelt werden musste.
Ebenfalls war die Beschwerdegegnerin offenbar nicht gezwungen, wegen
Rückenschmerzen die Arbeit mehr und längere Zeit auszusetzen als gewöhnlich.
In diesem Zusammenhang ist es unter dem Gesichtspunkt der
Schadenminderungspflicht (Eugster, Krankenversicherungsrecht, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR]/Soziale Sicherheit, S. 110 Rz
219) grundsätzlich Sache der Versicherten, für möglichst optimale
ergonomische Bedingungen am Arbeitsplatz besorgt zu sein.

4.2.3 Schliesslich ist ein BMI von rund 27,2 im Operationszeitpunkt zwar
nicht anspruchsausschliessend, zumindest jedoch als Indiz gegen den
Kausalzusammenhang zwischen Rückenbeschwerden und Mammahypertrophie zu
werten, wie der Krankenversicherer sinngemäss unter Hinweis auf RKUV 1996 Nr.
K 972 S. 7 Erw. 6b festhält.

4.3 In Würdigung aller Umstände kann vorliegend entgegen dem kantonalen
Gericht der natürliche Kausalzusammenhang zwischen geklagten
Rückenbeschwerden und Mammahypertrophie auch nicht im Sinne von
Teilursächlichkeit als überwiegend wahrscheinlich erstellt gelten. Damit
entfällt eine Kostenübernahmepflicht für die am 3. Februar 1997 durchgeführte
Mammareduktionsplastik beidseits im Rahmen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. März 2001 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 9. Mai 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: