Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 65/2001
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K 65/01 Vr

                        II. Kammer

Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
Gerichtsschreiber Signorell

               Urteil vom 28. Dezember 2001

                         in Sachen

C.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechts-
anwalt Dr. Ueli Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich,

                           gegen

Betriebskrankenkasse Heerbrugg, Heinrich-Wild-Strasse 206,
9435 Heerbrugg, Beschwerdegegnerin,

                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- C.________ reichte im Juli 2000 eine Rechnung des
Dr. med. V.________ über Fr. 120.- der Betriebskrankenkasse
Heerbrugg (nachfolgend: BKK) zur Bezahlung ein. Da die BKK
eine Leistungspflicht verneinte, verlangte Dr. V.________
am 1. November 2000 die Begleichung der Rechnung oder den
Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung. Am 13. Februar
2001 liess C.________ Rechtsverzögerungsbeschwerde führen.
Nachdem die BKK am 14. März 2001 die Begleichung der Rech-

nung in Aussicht gestellt hatte, schrieb das Sozialver-
sicherungsgericht des Kantons Zürich das Verfahren unter
Wettschlagung der Parteikosten als gegenstandslos geworden
ab (Beschluss vom 20. April 2001).

     B.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________
beantragen, es sei der vorinstanzliche Beschluss im Partei-
kostenpunkt aufzuheben und es sei die Sache zur Zusprechung
einer angemessenen Parteientschädigung an das kantonale
Gericht zurückzuweisen.
     Die BKK schliesst auf Abweisung der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
(BSV) hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Da es sich beim Streit um den Parteikostenersatz
nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versiche-
rungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versiche-
rungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche
Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen fest-
gestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104
lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

     2.- Die Beschwerdeführerin reichte eine Rechnung von
Dr. med. V.________, Arzt und dipl. Gesprächstherapeut
SGGT, für delegierte Psychotherapie der BKK zur Bezahlung
ein. Mit Schreiben vom 2. August 2000 verlangte die Kasse
vom behandelnden Arzt zur Feststellung der Leistungspflicht
Auskunft darüber, ob die delegierte Psychotherapie unter
seiner Aufsicht in seinen Praxisräumen durchgeführt wurde,
ob der beauftragte Therapeut vom ihm angestellt sei und
entlöhnt werde sowie ob dieser über eine entsprechende

Ausbildung verfüge. Dr. V.________ bestätigte am 10. August
2000, dass der Therapeut von ihm angestellt sei und ent-
löhnt werde und die Tätigkeit in seinen Praxisräumen aus-
übe. Er verfüge über die notwendige Ausbildung (Hochschul-
abschluss). Da nach der Rechtsprechung jedoch keine An-
forderungen an die berufliche Qualifikation des delegierten
Psychotherapeuten bestünden, würden keine Zeugnisse über-
reicht. Die Kasse bestätigte am 28. September 2000, dass
die beiden ersten Punkte erfüllt seien. Da aber das dritte
Kriterium bisher nicht gegeben sei, werde eine Leistung
abgelehnt. Dr. V.________ ersuchte die BKK am 1. November
2000 um nochmalige Überprüfung der Sachlage und, sofern am
ablehnenden Standpunkt festgehalten werde, innert 30 Tagen
eine anfechtbare Verfügung zu erlassen, ansonsten die Sache
dem Gericht unterbreitet werde. Am 11. Januar 2001 monierte
Rechtsanwalt Ueli Kieser die Bezahlung der Rechnung oder
den Erlass einer anfechtbaren Verfügung bis Ende Januar
2001, ansonsten das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich angerufen werde. Da die Kasse weder eine Leistung
zusagte, noch eine Verfügung erliess, reichte er am
13. Februar 2001 eine Rechtsverzögerungsbeschwerde ein. Mit
Schreiben vom 14. März 2001 stellte die BKK die Begleichung
der Rechnung in Aussicht. Bei dieser Aktenlage schrieb das
Gericht den Prozess ohne Kosten- und Entschädigungsfolgen
als gegenstandslos geworden ab (Beschluss vom 20. April
2001).

     3.- Von zentraler Bedeutung ist im vorliegenden Fall
die Würdigung der Prozessaussichten der Beschwerdeführerin
hinsichtlich der gerügten Rechtsverzögerung, also die Ein-
schätzung darüber, ob die Beschwerde, wäre sie nicht wegen
Gegenstandslosigkeit abgeschrieben worden, hätte gutgeheis-
sen werden müssen oder nicht.

     a) Eine Rechtsverzögerung und damit eine Verletzung
von Art. 29 Abs. 1 BV liegt nach der Rechtsprechung zu
Art. 4 aBV unter anderem dann vor, wenn eine Gerichts- oder

Verwaltungsbehörde sich zwar bereit zeigt, einen Entscheid
zu treffen, diesen aber nicht binnen der Frist fasst,
welche nach der Natur der Sache und nach der Gesamtheit der
übrigen Umstände als angemessen erscheint (BGE 117 Ia 197
Erw. 1c, 107 Ib 164 Erw. 3b mit Hinweisen). Ausnahmsweise
kann eine Rechtsverzögerung aber auch in Form einer positi-
ven Anordnung begangen werden, wobei hiefür namentlich Ver-
fahrensverlängerungen durch unnötige Beweismassnahmen oder
Einräumung ungehöriger langer Fristen in Betracht fallen.
Lehre und Rechtsprechung lassen in einem solchen Fall eine
Beschwerde bereits in diesem Zeitpunkt zu, sodass der Be-
troffene nicht zuwarten muss, bis die Rechtsverzögerung
tatsächlich eintritt, sondern sofort geltend machen kann,
die Verfügung habe eine ungerechtfertigte Verzögerung zur
Folge (BGE 126 V 248 Erw. 2d [Fall einer prozessleitenden
Verfügung]; Lorenz Meyer, Das Rechtsverzögerungsverbot nach
Art. 4 BV, Diss. Bern 1985, S. 71 f.).

     b) Die Vorinstanz erwog, vorliegend rechtfertige die
prozessuale Situation die Zusprechung einer Prozessentschä-
digung nicht. Denn die Kasse sei nur dann verpflichtet, in-
nert einer Frist von 30 Tagen eine anfechtbare Verfügung zu
erlassen (Art. 80 KVG), wenn sie am Entscheid, mit dem die
versicherte Person nicht einverstanden ist, festhalte.
Führten hingegen die Einwendungen der versicherten Person,
wie vorliegend, zu einer nochmaligen Überprüfung der Leis-
tungspflicht und schliesslich zu deren Anerkennung, so be-
stehe keine Bindung an eine 30tägige Frist (Erw. 3 des an-
gefochtenen Entscheides).

     aa) Damit hat das kantonale Gericht übersehen, dass
die Anerkennung der Leistungspflicht unpräjudizierlich und
erst unter dem Druck der erhobenen Rechtsverzögerungsbe-
schwerde lite pendente erfolgte (vgl. dazu insbesondere
Vernehmlassung der BKK an das Eidgenössische Versicherungs-
gericht vom 12. Juni 2001, Ziff. 3 und 6). Somit trifft

der vorinstanzlich festgehaltene Grund für die Aberkennung
einer Parteientschädigung nicht zu.

     bb) Das kantonale Gericht verkennt sodann, dass die
BKK das Verfahren durch unnötige Beweisvorkehrungen in un-
gehöriger Weise verlängert hat. Denn bereits nach der
Rechtsprechung zu dem bis Ende 1995 gültig gewesenen
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a KUVG gehörten die an un-
selbstständige nichtärztliche Psychologen oder Psycho-
therapeuten des behandelnden Arztes delegierten medizini-
schen Vorkehren zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen,
sofern die Massnahmen in den Praxisräumen des Arztes und
unter dessen Aufsicht und Verantwortlichkeit vorgenommen
wurden und es sich um eine Vorkehr handelte, die nach den
Geboten der ärztlichen Wissenschaft und Berufsethik sowie
nach den Umständen des konkreten Falles grundsätzlich dele-
gierbar war (BGE 114 V 270 Erw. 2a mit Hinweisen). Diese
Regeln gelten in gleicher Weise unter der Herrschaft des
neuen Rechts: Gestützt auf Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff. 1
und 3 KVG geht die ärztlich delegierte Psychotherapie zu
Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, so-
fern die gemäss Rechtsprechung zum KUVG erforderlichen Vo-
raussetzungen (Tätigkeit in den Praxisräumen des Arztes und
unter dessen Aufsicht und Verantwortlichkeit) erfüllt sind
(BGE 125 V 444 Erw. 2c und d). Aufgrund dieser konstanten
und seit langem bekannten Rechtsprechung stand die Leis-
tungspflicht der BKK nach Erhalt des Schreibens von Dr.
V.________ vom 10. August 2000 und den dort erwähnten
Beilagen fest.

     c) Da die Rechtsverzögerungsbeschwerde nach summari-
scher Würdigung hätte gutgeheissen werden müssen, hat die
Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
     Ziff. 3 des Beschlusses des Sozialversicherungsgerich-
     tes des Kantons Zürich vom 20. April 2001 aufgehoben,
     und es wird die Sache an dieses zurückgewiesen, damit
     es über den Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine
     Parteientschädigung neu beschliesse.

 II. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwer-
     degegnerin auferlegt.

III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der
     Beschwerdeführerin zurückerstattet.

 IV. Die Betriebskrankenkasse Heerbrugg hat der Beschwerde-
     führerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
     Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von
     Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu be-
     zahlen.

  V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
     Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 28. Dezember 2001

                    Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
             Der Präsident der II. Kammer:

                Der Gerichtsschreiber: