Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 63/2001
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K 63/01 Gb

                        III. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichter Spira und Ursprung;
Gerichtsschreiber Flückiger

                Urteil vom 10. Oktober 2001

                         in Sachen

Assura Kranken- und Unfallversicherung, Mettlenwaldweg 17,
3037 Herrenschwanden, Beschwerdeführerin,

                           gegen

F.________, Beschwerdegegnerin,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

     A.- Mit Verfügung vom 30. Oktober 1998 setzte die
Assura Kranken- und Unfallversicherung (nachfolgend:
Assura) neun Monatsprämien (total Fr. 1748.-) des Jahres
1996 für die obligatorische Krankenpflegeversicherung der
1969 geborenen F.________ fest und beseitigte den in der
entsprechenden Betreibung erhobenen Rechtsvorschlag. Dage-
gen erhob F.________ am 3. November 1998 Einsprache.

     Am 30. März 2000 (Zustellung des Zahlungsbefehls)
setzte die Assura dieselben neun Monatsprämien des Jahres
1996 wiederum in Betreibung. Den erneuten Rechtsvorschlag
hob sie mit Verfügung vom 20. April 2000 auf. Daran hielt
sie mit Einspracheentscheid vom 9. Oktober 2000 fest.

     B.- Auf die dagegen erhobene Beschwerde trat das Ver-
waltungsgericht des Kantons Bern nicht ein und stellte
gleichzeitig die Nichtigkeit der Verfügung vom 20. April
2000 respektive des Einspracheentscheides vom 9. Oktober
2000 fest (Einzelrichterentscheid vom 17. April 2001).

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt die
Assura das Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid
aufzuheben, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen und
festzustellen, "dass die Verfügung vom 20.04.2000 respekti-
ve der Einspracheentscheid vom 09.10.2000 gültig ist". Zur
Stützung dieses Standpunktes reicht sie neu ein Schreiben
an die Beschwerdegegnerin vom 15. Dezember 1998 ein.
     F.________ und das Bundesamt für Sozialversicherung
haben sich nicht vernehmen lassen.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht
um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleis-
tungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht
nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht
verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Miss-
brauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachver-
halt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter
Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt
worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und
b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

     2.- a) Das kantonale Gericht stützte seine Auffassung,
die Verfügung vom 20. April 2000 respektive der an ihre
Stelle tretende (BGE 123 V 130 Erw. 3a in Verbindung mit
BGE 119 V 350) Einspracheentscheid vom 9. Oktober 2000 sei
nichtig, auf die Überlegung, die Assura habe über dieselben
Prämienbetreffnisse bereits mit der Verfügung vom 30. Okto-
ber 1998 entschieden. Diese Verfügung sei Gegenstand eines
nach wie vor hängigen Einspracheverfahrens und hindere den
Erlass einer erneuten Verfügung über dieselben Prämienbe-
treffnisse. Wenn über einen Streitgegenstand rechtskräftig
entschieden sei, könne die Verwaltung ohne Vorliegen eines
Wiedererwägungsgesuchs über denselben Streitgegenstand
nicht nochmals materiell in gleicher Weise mit neuer
Rechtsmittelbelehrung verfügen. Die entsprechende zweite
Verfügung sei nichtig. Die Assura macht demgegenüber gel-
tend, sie habe das seinerzeitige Einspracheverfahren durch
das Schreiben vom 15. Dezember 1998 als gegenstandslos ab-
geschrieben und die Verfügung vom 30. Oktober 1998 zurück-
gezogen. Diese hindere deshalb die Gültigkeit der neuen
Verfügung nicht.

     b) Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglich-
keit, im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsge-
richt neue tatsächliche Behauptungen aufzustellen oder neue
Beweismittel geltend zu machen, weitgehend eingeschränkt.
Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Beweismittel
zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erhe-
ben müssen und deren Nichterheben eine Verletzung wesentli-
cher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 99
Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinweisen).

     c) Das kantonale Gericht ging davon aus, dass das die
Verfügung vom 30. Oktober 1998 betreffende Einsprachever-
fahren nicht abgeschlossen sei und die Assura den entspre-
chenden Einspracheentscheid werde fällen müssen. Um diese
Feststellung treffen zu können, wäre die Vorinstanz auf

Grund des auch im Bereich der Krankenversicherung geltenden
Untersuchungsgrundsatzes (Art. 87 lit. c KVG) gehalten ge-
wesen, abzuklären, ob und gegebenenfalls auf welche Weise
das Einspracheverfahren abgeschlossen worden war. Da es
bereits durch die Vorinstanz von Amtes wegen hätte beigezo-
gen werden müssen, ist das letztinstanzlich neu eingereich-
te Schreiben vom 15. Dezember 1998 zu berücksichtigen.

     d) Mit Schreiben vom 15. Dezember 1998 teilte die
Assura der Beschwerdegegnerin mit, sie werde die eingelei-
tete Betreibung zurückziehen und das Einspracheverfahren
als gegenstandslos abschreiben. Damit wurde sinngemäss auch
die Verfügung vom 30. Oktober 1998, welche Gegenstand des
Einspracheverfahrens bildete, zurückgezogen. Gleichzeitig
kündigte die Beschwerdeführerin an, sie werde demnächst
eine neue Betreibung für den noch ausstehenden Betrag ein-
leiten. Das damalige Einspracheverfahren wurde somit abge-
schlossen und die erneute Einforderung der fraglichen Prä-
mienbetreffnisse in Aussicht gestellt. Eine rechtskräftige
Verfügung, welche den Erlass einer neuen Verfügung über
denselben Gegenstand hindern würde (BGE 125 V 398 Erw. 1
mit Hinweis), liegt unter diesen Umständen ebenso wenig vor
wie ein noch hängiges Einspracheverfahren (vgl. allgemein
zum Erlass einer Verfügung über einen Gegenstand, zu dem
bereits eine frühere, durch Einsprache angefochtene Verfü-
gung ergangen ist, BGE 125 V 118). Die Verfügung vom
20. April 2000 und der sie ersetzende Einspracheentscheid
vom 9. Oktober 2000 sind daher nicht als nichtig zu quali-
fizieren.

     3.- Das Verfahren ist grundsätzlich kostenpflichtig,
weil es nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versi-
cherungsleistungen zum Gegenstand hat (Art. 134 OG e con-
trario). Nach Art. 156 Abs. 1 OG (in Verbindung mit
Art. 135 OG) werden die letztinstanzlichen Gerichtskosten
in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Dabei

sind sie grundsätzlich auf Grund der Anträge der Beschwerde
führenden Partei, gemessen am Ergebnis der Anfechtung des
vorinstanzlichen Entscheides - und somit ohne Rücksicht auf
die Anträge der Gegenpartei - zu verlegen, auch wenn Letz-
tere den vorinstanzlichen Entscheid nicht zu vertreten hat
(BGE 123 V 156, 159 Erw. 4b). Die formell unterliegende
Beschwerdegegnerin hätte daher grundsätzlich die Gerichts-
kosten zu tragen. Angesichts der konkreten Umstände lässt
es sich indes rechtfertigen, vorliegend ausnahmsweise keine
Kosten zu erheben.
     Der obsiegenden Beschwerdeführerin ist nach ständiger
Praxis keine Parteientschädigung zuzusprechen (BGE 123 V
309 Erw. 10 mit Hinweisen).

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
     der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
     vom 17. April 2001 aufgehoben, und es wird die Sache
     an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie über die
     Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 9. Okto-
     ber 2000 materiell entscheide.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.- wird der
     Beschwerdeführerin zurückerstattet.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
     Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
     zugestellt.

Luzern, 10. Oktober 2001

                                  Im Namen des
                      Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                          Der Präsident der III. Kammer:

                              Der Gerichtsschreiber: