Sozialrechtliche Abteilungen K 44/2001
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K 44/01 Ge IV. Kammer Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiber Scartazzini Urteil vom 6. Juli 2001 in Sachen E.________, Beschwerdeführerin, gegen Kontrollstelle der Krankenversicherung des Kantons Tessin, Via Ghiringhelli 15a, 6501 Bellinzona, Beschwerdegegnerin, und Versicherungsgericht des Kantons Tessin, Lugano A.- Die 1915 geborene E.________ und ihr 1964 verstorbener Ehemann waren 1957 als holländische Staatsangehörige in die Schweiz eingereist und im Besitz der Niederlassungsbewilligung in Basel wohnhaft. Im Jahre 1992 zog E.________ nach X.________. Seit beinahe 50 Jahren ist sie bei der privaten holländischen Kolle- ktivversicherung der niederländischen Eisenbahnen AXA gegen alle Krankheitskosten ohne Franchise versichert und bezieht bei dieser Versicherungseinrichtung seit Hinschied ihres Ehegatten auch eine Witwenpension. Nach Feststellung, dass E.________ in der Schweiz für Krankenpflege nicht versichert war, lehnte die Kontrollstelle für Krankenversicherung des Kantons Tessin mit Verfügung vom 31. August 2000 die Befreiung vom schweizerischen Krankenversicherungsobligatorium ab. B.- Hiegegen erhob E.________ Beschwerde mit dem Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Das Versicherungsgericht des Kantons Tessin wies die Beschwerde mit Entscheid vom 14. März 2001 ab. C.- Mit Eingabe an die Vorinstanz vom 25. März 2001, welche an das Eidgenössische Versicherungsgericht weiter- geleitet wurde, beantragt E.________ die Aufhebung des kantonalen Entscheids und die Befreiung vom Versicherungsobligatorium. Nachträglich reichte sie zwei Briefe ein, die ihr am 23. Oktober 2000 von der Vorsteherin des Eidgenössischen Departements des Innern und am 11. De- zember 2000 vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) zu- gestellt worden waren. Auf Anfrage des Eidgenössischen Ver- sicherungsgerichts, ob ihre Eingabe als Verwaltungsge- richtsbeschwerde zu behandeln sei, berichtete E.________ mit Schreiben vom 8. April 2001, sie wolle, auch in Anbetracht der ihr in Aussicht gestellten Kostenvorschuss- pflicht, die Beschwerde vorläufig zurücknehmen und ihre Entscheidung später bekannt geben. Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1.- Mit Schreiben vom 8. April 2001 hat E.________ dem Eidgenössischen Versicherungsgericht mitgeteilt, auch in Anbetracht der ihr in Aussicht gestellten Kostenvorschusspflicht würde sie die Beschwerde vorläufig zurücknehmen und ihre Entscheidung später bekannt geben. Davon ausgehend, dass sie damit sinngemäss die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten beantragt hat, ist mit Bezug auf die nachfolgende Erwägung 6 auf die Eingabe vom 25. März 2001, die als Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu betrachten ist, ohne weiteres einzutreten. 2.- Da nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern die Befreiung vom Ver- sicherungsobligatorium streitig ist, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob die Vorinstanz Bun- desrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen fest- gestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 3.- Nach Art. 3 Abs. 1 KVG muss sich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz innert drei Monaten nach der Wohn- sitznahme oder der Geburt in der Schweiz für Krankenpflege versichern oder von ihrem gesetzlichen Vertreter/ihrer ge- setzlichen Vertreterin versichern lassen. Der Bundesrat kann laut Art. 3 Abs. 2 KVG Ausnahmen von der Versicherungspflicht vorsehen, namentlich für Ar- beitnehmer und Arbeitnehmerinnen internationaler Organisa- tionen und ausländischer Staaten. Nach Art. 2 Abs. 2 KVV sind auf Gesuch hin von der Versicherungspflicht ausgenom- men Personen, die nach ausländischem Recht obligatorisch krankenversichert sind, sofern der Einbezug in die schwei- zerische Versicherung für sie eine Doppelbelastung bedeuten würde und sie für Behandlungen in der Schweiz über einen gleichwertigen Versicherungsschutz verfügen; dem Gesuch ist eine schriftliche Bestätigung der zuständigen ausländischen Stelle mit allen erforderlichen Angaben beizulegen. 4.- a) Dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich dem schweizerischen Krankenversicherungsobligatorium unter- steht, wird zu Recht weder von den Parteien noch von der Vorinstanz in Frage gestellt. Diese stellt im angefochtenen Entscheid sodann fest, dass die Beschwerdeführerin unbe- strittenermassen bei der privaten holländischen Kollektiv- versicherung der niederländischen Eisenbahnen AXA freiwil- lig (vertraglich) krankenversichert ist. Die Befreiungs- voraussetzung des Art. 2 Abs. 2 KVV, wonach eine obligato- rische Krankenversicherung nach ausländischem Recht beste- hen muss, ist somit nicht erfüllt. b) Nach der Rechtsprechung ist Art. 2 Abs. 2 KVV mit Verfassung und Gesetz vereinbar (RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 16, 1999 Nr. KV 81 S. 337). Diese Bestimmung sieht keine Befreiung jener Personen vom Obligatorium vor, die im Aus- land über eine nicht-obligatorische Krankenversicherung verfügen. Dies kann zwar, wie auch der vorliegende Fall zeigt, durchaus zu Problemen für die Betroffenen führen; dies namentlich für ältere Personen, die eine freiwillige ausländische Krankenversicherung besitzen. Diesen Personen steht der Abschluss einer tragbaren Zusatzversicherung nicht ohne weiteres offen; auch können sich bei einer all- fälligen Rückkehr ins Herkunftsland Schwierigkeiten erge- ben, wenn die frühere freiwillige Krankenversicherung im Hinblick auf das schweizerische Obligatorium gekündigt wor- den ist. Diese Probleme dürften sich indessen in manchen Fällen lösen lassen, etwa auf dem Wege der Sistierung des ausländischen Versicherungsvertrags oder der temporären Umwandlung der ausländischen Versicherung in eine Ergän- zungsversicherung zur schweizerischen obligatorischen Kran- kenversicherung. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich möglicherweise auch neue Regelungen im (nationalen oder zwischenstaatlichen) schweizerischen Recht aufdrängen (RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 16). c) Auf Grund der durchgeführten und in einem Brief vom 11. Dezember 2000 festgehaltenen Ergebnisse einer Abklärung stellte das BSV fest, mit Inkrafttreten des Freizügigkeits- abkommens zwischen der Schweiz und der EU würde die Be- schwerdeführerin, sofern sie lediglich eine holländische Rente beziehe, dem holländischen Recht zugewiesen werden und daher von der Krankenversicherungspflicht in der Schweiz freigestellt sein. Mit Blick auf diese Neuerungen erachtete es das BSV als wenig sinnvoll, wenn die Beschwer- deführerin noch für eine voraussichtlich kurze Zeitspanne eine Versicherung in der Schweiz abschliessen müsste. Diese Betrachtungsweise wird von der Kontrollstelle nicht ge- teilt, wobei sie in ihrer Vernehmlassung zum vorinstanzli- chen Verfahren insbesondere erwogen hat, dass das Freizü- gigkeitsabkommen zur Zeit noch nicht in Kraft ist. In Be- achtung des Gesetzmässigkeitsgrundsatzes und des Gleichbe- handlungsgebots gegenüber ausländischen Staatsangehörigen, denen die Befreiung vom Versicherungsobligatorium ebenfalls nicht gewährt wurde, sei das Gesuch der Beschwerdeführerin abzuweisen. 5.- Nachdem feststeht, dass die Beschwerdeführerin nach ausländischem Recht nicht obligatorisch krankenversi- chert ist, muss der Vorinstanz und der Kontrollstelle darin beigepflichtet werden, dass sie eine der für die Befreiung von der Versicherungspflicht erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Daraus folgt, dass die Beschwerdeführerin vom schweizerischen Krankenversicherungsobligatorium nicht befreit werden kann. 6.- Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario) und die Gerichtskosten sind grundsätzlich der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Es ist indessen davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Schreiben vom 8. April 2001 sinngemäss die Gewäh- rung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne der Befrei- ung von den Gerichtskosten beantragt hat. Diesem Gesuch kann im vorliegenden Fall entsprochen werden. Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs- gericht des Kantons Tessin und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. Luzern, 6. Juli 2001 Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: