Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 33/2001
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K 33/01 Vr

                        III. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
Ursprung; Gerichtsschreiber Fessler

               Urteil vom 19. Dezember 2001

                         in Sachen

H.________, 1923, Beschwerdeführer, vertreten durch seinen
Sohn,
                           gegen

Krankenkasse SBB, Direktion, Zieglerstrasse 29, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Franz
Müller, Casinoplatz 8, 3011 Bern,

                            und

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

     A.- Am 27. August 1998 meldete H.________ der Kranken-
kasse SBB, bei welcher er im Rahmen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung freiwillig taggeldversichert war,
einen am 7. April 1998 erlittenen Unfall (Sturz auf einer
Treppe), bei welchem er sich u.a. Verletzungen im Nasen-
bereich zugezogen hatte. Gemäss behandelndem Arzt Dr. med.
A.________, Innere Medizin FMH, bestanden seit dem Vorfall
Kopfschmerzen sowie ein Halswirbelsäulensyndrom mit links-

seitigen Schulterschmerzen bei deutlich reduziertem und
sich verschlechterndem Allgemeinzustand. Am 26. April 1999
wurde H.________ wegen einer Coxarthrose links ein künst-
liches Hüftgelenk implantiert. Für die in diesem Zusammen-
hang vom operierenden Orthopäden Dr. med. B.________
attestierte Arbeitsunfähigkeit richtete die Krankenkasse
für die Zeit vom 25. April bis 29. Juli 1999 Taggelder aus.
     Am 9. August 1999 reichte H.________ der Krankenkasse
ein ärztliches Zeugnis («Taggeldschein») vom 6. August 1999
ein, worin Dr. med. A.________ für die Zeit vom 5. (recte:
7.) April 1998 bis 24. April 1999 Arbeitsunfähigkeit als
Folge der unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigung
bescheinigte. Der Versicherer lehnte in der Folge die Aus-
richtung von Taggeldern für den fraglichen Zeitraum wegen
verspäteter Anmeldung des Anspruchs ab, was er schliesslich
mit Verfügung vom 25. Januar 2000 sowie mit Einspracheent-
scheid vom 22. Februar 2000 bestätigte.

     B.- Die von H.________ hiegegen erhobene Beschwerde
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern nach zwei-
fachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 9. Februar 2001
ab, soweit es darauf eintrat.

     C.- H.________, vertreten durch seinen Sohn, führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Rechtsbegehren,
Gerichtsentscheid und Einspracheentscheid seien aufzuheben,
und die Krankenkasse SBB sei zu verpflichten, «für die
Periode vom 7.4.98 bis 24.4.1999 und für die Zeit ab
30.7.1999 bis heute die Taggeldleistungen (...) nach Mass-
gabe der vom Arzt zu bestätigenden Arbeitsunfähigkeit, mit
Zins, zu vergüten». Im Weitern ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege.
     Die Krankenkasse SBB beantragt die Abweisung der Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist.
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat auf eine Vernehm-
lassung verzichtet.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdefüh-
rer Anspruch auf Leistungen aus der freiwilligen Taggeld-
versicherung für die Zeit vom 7. April 1998 bis 24. April
1999 hat. In diesem Verfahren nicht zu beurteilen ist die
Leistungspflicht der Krankenkasse für die Zeit ab 30. Juli
1999, da es diesbezüglich an einem Anfechtungsgegenstand
fehlt und die Voraussetzungen für eine Ausdehnung des Pro-
zesses auf diese Frage nicht gegeben sind (BGE 125 V 414
Erw. 1a in Verbindung mit BGE 122 V 36 Erw. 2a). Entgegen
den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist mit
der Feststellung unter Ziff. 4 der Erwägungen des Einspra-
cheentscheides vom 22. Februar 2000, dass für die Taggeld-
ausrichtung ab 29. Juli 1999 keine ärztliche Bestätigung
der Arbeitsunfähigkeit eingegangen sei, nicht über die An-
spruchsberechtigung ab diesem Zeitpunkt befunden worden.
Das in diesem Verfahren eingereichte Arztzeugnis des Dr.
med. A.________ vom 21. März 2001 wird die Krankenkasse al-
lenfalls bei der Prüfung ihrer Leistungspflicht ab diesem
Zeitpunkt zu berücksichtigen haben.

     2.- a) Auf Grund der Akten steht fest, dass die erste
ärztliche Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit für die Zeit
vom 7. April 1998 bis 24. April 1999 vom 6. August 1999 da-
tiert und am 9. August 1999 bei der Krankenkasse einging.
Nach Art. 30 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingun-
gen (AVB [Ausgabe 1.1.1998] für die Versicherungen nach
Krankenversicherungsgesetz [KVG]) der Kasse besteht frühes-
tens ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf das versicherte Tag-
geld. Diese Regelung wird zu Recht nicht als gesetzwidrig
bezeichnet. Nach der Rechtsprechung können denn auch die
Versicherer in ihren Statuten und Reglementen unter densel-
ben Voraussetzungen wie unter dem alten Recht für den Fall
einer verspäteten Anzeige einer Arbeitsunfähigkeit eine
Leistungskürzung  oder -verweigerung vorsehen (BGE 127 V
154 f. Erw. 4a und b; vgl. Art. 72 KVG). Die Sanktion muss

im Einzelfall verhältnismässig sein. Erscheint die verspä-
tete Meldung nach den Umständen als entschuldbar, so darf
damit in der Regel keine Leistungseinschränkung verbunden
werden (BGE 127 V 155 Erw. 4b in fine).

     b) Die Vorinstanz hat im Falle des Beschwerdeführers
solche Entschuldigungsgründe verneint. Insbesondere könne
ihm nicht die Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Meldung
der Arbeitsunfähigkeit abgesprochen werden. Dazu genüge
nicht, dass im Bericht des Dr. med. A.________ vom 27. No-
vember 1998 von Schlafstörungen und tagsüber vermehrter
Müdigkeit die Rede sei und ein deutlich reduzierter All-
gemeinzustand sowie eine massive Beeinträchtigung des Be-
findens in seelischer und somatischer Hinsicht festgestellt
werde.
     Dieses Ergebnis der tatsächlichen und rechtlichen Wür-
digung der Akten ist nicht zu beanstanden. In der Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde wird nichts vorgebracht, was in
grundsätzlicher Hinsicht zu einer anderen Betrachtungsweise
Anlass geben könnte. Es kann sich einzig fragen, ob die
Verweigerung von Taggeldleistungen für den gesamten Zeit-
raum vom 7. April 1998 bis 24. April 1999 verhältnismässig
ist, was die Vorinstanz implizit bejaht hat. Unter diesem
Gesichtspunkt ist zu beachten, dass dem Beschwerdeführer
für die Zeit vom 25. April bis 29. Juli 1999, somit vor
Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. med.
A.________ bei der Krankenkasse am 9. August 1999, Tag-
gelder ausgerichtet worden sind. Dass die diese Leistungen
auslösende Arbeitsunfähigkeit mit der Teilprothesen-Implan-
tation links vom 26. April 1999 und nicht (direkt) mit dem
Unfall vom 7. April 1998 zusammenhing, ist insofern nicht
von Belang, als die betreffende Meldung ebenfalls verspätet
erst am 5. August 1999 erfolgte. Gegen eine blosse Leis-
tungskürzung spricht im Übrigen, dass der Beschwerdeführer
die gemäss Dr. med. A.________ seit 7. April 1998 beste-
hende und bis 24. April 1999 attestierte Arbeitsunfähigkeit
erst mehr als ein Jahr nach dem Unfall der Krankenkasse

gemeldet hatte, was er sich auch unter Berücksichtigung der
gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter dem Verschuldens-
aspekt entgegenhalten lassen muss. Soweit schliesslich eine
Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes durch die Kranken-
kasse gerügt und das Verhalten ihrer Mitarbeiter kritisiert
wird, welche sich nicht darum bemüht hätten, dem Versicher-
ten zu glauben, kann auf die auch in dieser Hinsicht zu-
treffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen
werden. In diesem Zusammenhang wird im Übrigen nicht gel-
tend gemacht, der Beschwerdeführer habe gegenüber den mit
seinem Fall betrauten Sachbearbeitern eine Arbeitsunfähig-
keit oder allenfalls einen gesundheitlich bedingten Ver-
dienstausfall erwähnt, was eine entsprechende Nachfrage-
und Abklärungspflicht des Kasse ausgelöst hätte. Entspre-
chende Hinweise finden sich auch nicht in der Unfallmeldung
vom 27. August 1998. Vielmehr wird dort die Frage, ob «die
verletzte Person Arbeitnehmer» ist, mit dem Vermerk «pens.
SBB» verneint, ebenso diejenige nach einer selbstständigen
Erwerbstätigkeit, indem keines der zur Auswahl gestellten
Statute («Schüler, Student, Lehrling, Arbeitnehmer,
selbständig, nichterwerbstätig») unterstrichen ist.

     c) Nach dem Gesagten ist der kantonale Entscheid rech-
tens.

     3.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne
der Befreiung von den Gerichtskosten ist auf Grund der Kos-
tenlosigkeit des Verfahrens (Art. 134 OG) gegenstandslos.
Soweit damit unter dem Titel unentgeltliche Verbeiständung
der Ersatz von Vertretungskosten beantragt wird, ist dem
Begehren nach der hier sinngemäss anwendbaren Gerichtspra-
xis zum Anspruch auf Parteientschädigung (vgl. BGE 110 V
81 f. Erw. 7) nicht stattzugeben, ohne dass die Prozessaus-
sichten gemäss Art. 152 Abs. 1 OG (vgl. dazu BGE 125 II 275
Erw. 4b mit Hinweisen) zu prüfen wären.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird ab-
     gewiesen.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
     richt des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrecht-
     liche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversi-
     cherung zugestellt.

Luzern, 19. Dezember 2001

                   Im Namen des
         Eidgenössischen Versicherungsgerichts
             Der Präsident der III. Kammer:

                Der Gerichtsschreiber: