Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 18/2001
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K 18/01

Urteil vom 6. Februar 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Nussbaumer

SWICA Gesundheitsorganisation, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401
Winterthur, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Daniel
Staffelbach, c/o Walder Wyss & Partner, Münstergasse 2, 8001 Zürich,

gegen

Gemeinsame Einrichtung KVG, Gibelinstrasse 25, 4500 Solothurn,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprech Konrad Jeker, Bielstrasse 9,
4502 Solothurn

Eidgenössisches Departement des Innern, Bern

(Entscheid vom 22. Januar 2001)

Sachverhalt:

A.
Die Gemeinsame Einrichtung KVG forderte mit Schreiben vom 28. Januar 2000
alle Krankenversicherer auf, bis zum 30. April 2000 die zur Berechnung des
definitiven Risikoausgleichs für das Jahr 1999 und des provisorischen
Risikoausgleichs für das Jahr 2000 notwendigen Daten einzureichen. Die SWICA
Gesundheitsorganisation (nachfolgend SWICA) kam dieser Aufforderung zwar
nach, unterliess jedoch Angaben zu Grenzgängerinnen und Grenzgängern sowie
deren Familienangehörigen, als auch zu den ins Ausland entsandten
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die sie begleitenden
Familienangehörigen. Nach erfolgter Mahnung reichte sie mit Schreiben vom 24.
Mai 2000 die verlangten Daten ein und beantragte gleichzeitig den Erlass
einer beschwerdefähigen Verfügung mit dem Begehren, dass für die Berechnung
des Risikoausgleichs die nachgelieferten Daten nicht zu berücksichtigen
seien. Mit Verfügung vom 31. Mai 2000 hielt die Gemeinsame Einrichtung KVG am
Einbezug der Grenzgängerinnen und Grenzgänger (samt Familienangehörigen) und
der entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Risikoausgleich
fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Eidgenössische Departement des
Innern (EDI) mit Entscheid vom 22. Januar 2001 ab.

C.
Die SWICA Gesundheitsorganisation lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen
mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache
an die Gemeinsame Einrichtung KVG zurückzuweisen mit dem Auftrag, den
Risikoausgleich 1999 für die Beschwerdeführerin unter Ausschluss der
Grenzgängerinnen und Grenzgänger samt Familienangehörigen sowie von
Entsandten samt Familienangehörigen neu zu kalkulieren.

EDI und Gemeinsame Einrichtung KVG schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es beim Streit im Zusammenhang mit dem Risikoausgleich nicht um
Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG geht, ist die
Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts auf die Rüge
der Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch
des Ermessens eingeschränkt (Art. 104 lit. a in Verbindung mit lit. c Ziff. 3
OG). Weil das EDI keine richterliche Behörde im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG
ist, besteht in tatsächlicher Hinsicht keine Bindung an die vorinstanzliche
Feststellung des Sachverhalts (BGE 125 V 85 Erw. 3b; vgl. auch BGE 108 V 133
Erw. 1 in fine).

2.
Zu prüfen ist als Eintretensvoraussetzung von Amtes wegen, ob die
Beschwerdeführung als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist und die SWICA
mit ihrer Rüge, der Einbezug der Grenzgänger und entsandten Arbeitnehmer in
den Risikoausgleich verstosse gegen das KVG, überhaupt zu hören ist.
Die Darstellung in der vorinstanzlichen Beschwerdeantwort der Gemeinsamen
Einrichtung, wonach die SWICA (wie im Übrigen auch alle anderen
Krankenkassen) "den Einbezug der Grenzgänger und Entsandten seit der
Einführung des Risikoausgleiches im Jahre 1993 stets stillschweigend
akzeptiert hat", wirft die Frage nach der Missbräuchlichkeit des
beschwerdeweisen Vorgehens der SWICA auf. Zwar kann die Verfassungs- oder
Gesetzeswidrigkeit einer Rechtsverordnung grundsätzlich bei jeder
Gelegenheit, wenn gestützt auf sie eine Verfügung erlassen wird, gerügt
werden. Hierin liegt gleichsam das Wesen der inzidenten, vorfrageweisen oder
konkreten Normenkontrolle, zumal das Eidgeössische Versicherungsgericht
befugt ist, die Frage der Rechtskonformität einer Verordnungsbestimmung mit
übergeordnetem Recht, selbst bei Fehlen einer entsprechenden Rüge der
Partei(en), jederzeit von Amtes wegen zu prüfen (vgl. BGE 122 V 36 f. Erw. 2b
und c mit Hinweisen). Dazu sah das Eidgenössische Versicherungsgericht in
seiner bisherigen Rechtsprechung zum Risikoausgleich bezüglich des Einbezuges
der Grenzgänger und entsandten Personen jedoch keinen Anlass (BGE 120 V 455,
122 V 405; RKUV 1997 Nr. K 981 S. 81). Was die durch die SWICA für das
siebente Jahr des durchgeführten Risikoausgleichs erhobene Rüge anbelangt,
der von Anbeginn weg erfolgte Einbezug der Grenzgänger und Entsandten sei
gesetzwidrig, ist darauf hinzuweisen, dass die SWICA im Rahmen des
Risikoausgleichs gegenüber ihren Konkurrentinnen einerseits und der als Organ
des gesetzlichen Risikoausgleichs handelnden Durchführungsstelle anderseits
in einem besonderen Rechtsverhältnis steht. Dieses besteht in einem System
des - je nach Risikoverteilung - gegenseitigen Gebens und Nehmens. Im Kern
geht es um ein von Jahr zu Jahr saldiertes Abrechnungsverhältnis, welches es
nicht verträgt, dass seine gesetzlichen Grundlagen, seit Jahr und Tag in
Kraft, im Nachhinein in Frage gestellt werden. Das Eidgenössische
Versicherungsgericht hatte bei Einführung des Risikoausgleichs Gelegenheit,
die Frage der Gesetzeskonformität des mit der Verordnung IX und anschliessend
mit der VORA eingerichteten Systems zu prüfen und dabei festgestellt, dass
das vom Verordnungsgeber gewählte Modell - mit der einzigen Ausnahme der
Verzugszinspflicht (RKUV 1997 Nr. KV 13 S. 303) - den gesetzlichen Vorgaben
genügt (vgl. nebst den schon erwähnten Urteilen RKUV 2001 Nr. KV 145 S. 28,
wo das Eidgenössische Versicherungsgericht den Grundsatz der vollen
Ausgleichspflicht bestätigt hat).

3.
Soweit auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde überhaupt einzutreten ist, ist
sie  unbegründet:

Nach Art. 3 Abs. 1 KVG besteht die Krankenpflegeversicherungspflicht für jede
Person mit Wohnsitz in der Schweiz. Der Bundesrat kann Ausnahmen von der
Versicherungspflicht vorsehen (Art. 3 Abs. 2 KVG). Er ist auch befugt, die
Versicherungspflicht auf Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz auszudehnen,
insbesondere auf solche, die in der Schweiz tätig sind (Art. 3 Abs. 3 lit. a
am Anfang KVG) und auf solche, die im Ausland von einem Arbeitgeber mit einem
Sitz in der Schweiz beschäftigt werden (Art. 3 Abs. 3 lit. b KVG). Von dieser
Befugnis hat er für die entsandten Arbeitnehmer (Art. 4 KVV) Gebrauch
gemacht. Hinsichtlich der Grenzgänger (Art. 3 KVV) besteht eine
Versicherungsmöglichkeit. Gleichgültig, ob die Angehörigen dieser Kategorien
freiwillig oder obligatorisch für Krankenpflege nach KVG versichert sind,
zählen sie so oder anders unfraglich zum Versichertenbestand einer
Krankenkasse. An diese Eigenschaft als versicherte Person, und nicht als in
der Schweiz (und damit in einem bestimmten Kanton) wohnhafte obligatorisch zu
versichernde Person, knüpft Art. 105 Abs. 1 KVG an, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht doch in RKUV 1997 Nr. K 981 S. 81 unter einlässlicher
Prüfung der Auslegungselemente, insbesondere den schlüssigen Materialien,
entschieden, dass eine Kasse mit ihrem gesamten Versichertenbestand am
Risikoausgleich teilnehmen muss (S. 92 ff. Erw. 4d/bb). Der auf
Verordnungsstufe angeordnete Einbezug aller Versicherten einer Kasse, welche
die obligatorische Krankenpflegeversicherung durchführt, unter Einschluss der
Grenzgänger und entsandten Arbeitnehmer (Art. 4 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VORA),
hat daher in Art. 5 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 KVG eine hinreichende
gesetzliche Grundlage. Dass Art. 105 Abs. 2 KVG als für den Vergleich
massgebend die Strukturen der Bestände innerhalb eines Kantons und jedes
Versicherers erklärt und Art. 105 Abs. 3 KVG von der Durchführung des
Risikoausgleichs unter den Versicherern innerhalb der einzelnen Kantone
ausgeht, betrifft die Modalitäten, aber nicht den Grundsatz des
Risikoausgleichs, wonach sämtliche Versicherten zu berücksichtigen sind. Die
Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit sie denn, wie das EDI
in seiner Stellungnahme zu Recht bemerkt, nicht eher sozialpolitischer Natur
sind, vermögen an diesem entscheidenden Punkt nichts zu ändern.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 156 OG). Ausgangsgemäss hat die
Beschwerdeführerin die Kosten zu tragen. Die Beschwerdegegnerin hat als mit
öffentlichrechtlichen Aufgaben betraute Organisation keinen Anspruch auf
Parteientschädigung (im SVR 2002 KV Nr. 6 S. 17 veröffentlichte Erw. 7 vom
BGE 127 V 156 mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.

Luzern, 6. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: