Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 15/2001
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2001
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2001


K 15/01

Urteil vom 29. August 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Bucher

Dr. med. X.________, Beschwerdeführer,

gegen

1. SMUV Kranken- und Unfallversicherungen, Weltpoststrasse 20, 3015
Bern,
2. Helsana-advocare, Birmensdorferstrasse 94, 8003 Zürich,
3. SUPRA Krankenkasse, chemin de Primerose 35, 1000 Lausanne 3,
4. VISANA, Weltpoststrasse 19/21, 3000 Bern,
5. CONCORDIA, Regionalagentur, Unitas Schönenwerd, Rechtsdienst,
Weidengasse 3, 5012 Schönenwerd,
6. Innova Krankenversicherung, Bollstrasse 61, 3076 Worb,
7. Sumiswalder Kranken- und Unfallkasse, Spitalstrasse 47, 3454
Sumiswald,
8. Krankenkasse des mittleren Nikolaitales, 3924 St. Niklaus VS,
9. Die Eidgenössische Gesundheitskasse, Brislachstrasse 2, 4242 Laufen,
10. SWICA Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401
Winterthur,
11. Krankenkasse SBB, Direktion, Zieglerstrasse 29, 3000 Bern 65 SBB,
12. Krankenkasse Zurzach, Hauptstrasse 62, 5330 Zurzach,
13. Krankenkasse KPT, Tellstrasse 18, 3014 Bern,
14. Hermes caisse-maladie, Administration, rue du Nord 5, 1920 Martigny,
15. Öffentliche Krankenkasse Basel, Spiegelgasse 12, 4001 Basel,
16. Kolping Krankenkasse, Ringstrasse 16, 8600 Dübendorf,
17. Wincare Versicherungen, Rechtsdienst, Konradstrasse 14, 8400
Winterthur,
18. ÖKK Öffentliche Krankenkassen Schweiz, Bahnhofstrasse 5, 3186
Düdingen,
19. Mutuelle Valaisanne, Administration, rue du Nord 5, 1920 Martigny,
20. Krankenkasse Sanitas, Lagerstrasse 107, 8004 Zürich,
21. Krankenkasse KBV, Badgasse 3, 8400 Winterthur,
22. INTRAS Krankenkasse, rue Blavignac 10, 1227 Carouge GE,
23. ASSURA Kranken- und Unfallversicherung, C.-F. Ramuz 70, 1009 Pully,
24. Universa Krankenkasse, Verwaltung, rue du Nord 5, 1920 Martigny,
25. PANORAMA Gesundheitskasse, 8401 Winterthur,
26. Oerlikon Bührle AG Betriebskrankenkasse, Langwiesstrasse 4, 8050
Zürich,
27. CSS Versicherung, Rösslimattstrasse 40, 6005 Luzern,

Beschwerdegegnerinnen, alle vertreten durch die santésuisse Bern,
Könizstrasse 60, 3008 Bern

Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern, Bern

(Verfügung vom 23. Januar 2001)

Sachverhalt:

A.
Diverse durch den Kantonalverband bernischer Krankenversicherer (früher:
Kantonalverband bernischer Krankenkassen) (KVBK; heute santésuisse Bern)
vertretene Krankenkassen gelangten mit vier verschiedenen deutsch verfassten
Klagen ans Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons
Bern mit den Rechtsbegehren, Dr. med. X.________ sei zu verpflichten, wegen
Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu Unrecht erhaltene Vergütungen
zurückzuerstatten (vorinstanzliche Verfahren SchG 13/96, SchG 2/97 und SchG
3/99), und nicht mehr als Leistungserbringer zuzulassen (vorinstanzliches
Verfahren SchG 2/99). Das Schiedsgericht wandte sich in der Folge in Deutsch
an die Parteien, in welcher Sprache auch sämtliche Eingaben der
Rechtsvertreter des Beklagten, insbesondere die Klageantworten, erfolgten.
Nachdem sein letzter Anwalt vor Ablauf der ihm in allen vier Verfahren für
die Einreichung einer Duplik angesetzten Frist das Mandat niedergelegt hatte,
ersuchte der Beklagte das Schiedsgericht Mitte Januar 2001 in Bezug auf alle
vier Verfahren mit französischsprachigen Eingaben um Durchführung des
Verfahrens in seiner französischen Muttersprache und um Erstreckung der
Duplikfrist. Dieses Gesuch lehnte der Präsident des Schiedsgerichts,
P.________, gestützt auf einen Bericht des für die französischsprachigen
Geschäfte zuständigen Präsidenten vom 22. Januar 2001 mit in deutscher
Sprache ausgefertigter Verfügung vom 23. Januar 2001 ab. Dabei wurde der
Beklagte darauf hingewiesen, dass er ungeachtet der deutschen
Instruktionssprache berechtigt sei, seine Eingaben in französischer Sprache
zu verfassen.

B.
Mit französisch geschriebener Eingabe vom 26. Januar 2001 wandte sich
X.________ an die "Autorité de Surveillance Tribunal Arbitral LAMal". Der
erste Satz dieser Rechtsschrift lautet: "Par la présente, je vous demande de
prendre des mesures disciplinaires et de révoquer comme Juge du Tribunal
Arbitral LAMal dans mon cas le Juge P.________." In den weiteren Ausführungen
wird bemängelt, dass dieser sich geweigert habe, die Duplikfrist zu
verlängern und das Verfahren in französischer Sprache durchzuführen. Dieses
zunächst ans Obergericht des Kantons Bern gelangte, in der Folge dem
Schiedsgericht zugegangene Schreiben wurde von Letzterem mit prozessleitender
Verfügung vom 6. Februar 2001 ans Eidgenössische Versicherungsgericht
überwiesen zur Beurteilung der Frage, ob es sich um eine
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die prozessleitende Verfügung vom 23.
Januar 2001 handle. Der Aufforderung des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts, die ungebührliche Äusserungen enthaltende Eingabe vom
26. Januar 2001 zu verbessern, kam X.________ am 3. April 2001 nach. Überdies
beantragte er, das letztinstanzliche Verfahren sei in französischer Sprache
durchzuführen.

Die durch den KVBK vertretenen Krankenversicherer schliessen auf Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

C.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht holte bei X.________ eine Auskunft
ein in Bezug auf den Umstand, dass es in einem Bibliothekskatalog unter
dessen Namen eine deutsch redigierte Dissertation gefunden hatte. Ausserdem
gab es ihm nach Eingang der Stellungnahme der Krankenversicherer zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde Gelegenheit, eine Replik einzureichen, in
welcher er sich am 22. August 2001 insbesondere nochmals zur Sprachenfrage
äusserte.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts wird in einer
Amtssprache, in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheides,
verfasst; sprechen die Parteien eine andere Amtssprache, so kann die
Ausfertigung in dieser Sprache erfolgen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 37
Abs. 3 OG).

Der angefochtene Entscheid wurde deutsch abgefasst. Der Beschwerdeführer
bringt zwar vor, seine Deutschkenntnisse reichten nicht aus, um einem
deutschsprachigen Verfahren folgen und in deutscher Sprache verfasste
Entscheide verstehen zu können; er benötige für das Verständnis juristischer
Texte einen Übersetzer; auch sei er auf die Hilfe eines deutschsprachigen
Arztes angewiesen gewesen, um seine ursprünglich französisch redigierte
Dissertation auf Deutsch herausgeben zu können. In Anbetracht der gesamten
Umstände bestehen indessen keine Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer,
der als Arzt einen zweisprachigen Briefkopf verwendet, nicht über
hinreichende passive Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen würde, um dem
vorliegenden Verfahren zu folgen - für seine Eingaben kann er sich ohne
weiteres der französischen Sprache bedienen (Art. 135 in Verbindung mit Art.
30 Abs. 1 OG) - und ein deutsch redigiertes Urteil zu verstehen. Die
Begründung der letztinstanzlichen Eingaben, in welchen der Beschwerdeführer
unter anderem präzis auf die Argumente der Gegenpartei eingeht, erweckt nicht
den Eindruck, dieser habe die deutschsprachigen Prozessakten nicht
verstanden. Für ausreichende Sprachkenntnisse spricht auch, dass sich in den
Akten unter anderem eine durch ein offenbar vom Beschwerdeführer beigezogenes
Treuhandbüro in deutscher Sprache erstellte Tabelle über falsche und
unlesbare Rechnungen befindet. Unter diesen Umständen ist eine Abweichung vom
Grundsatz, dass das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in der
Sprache des angefochtenen Entscheides ergeht, nicht gerechtfertigt.

2.
In seinem von der Vorinstanz dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
überwiesenen Schreiben vom 26. Januar 2001 stellte der Beschwerdeführer
ausdrücklich und klar das Rechtsbegehren, es seien gegen den vorinstanzlichen
Präsidenten, dem er Begünstigung der Gegenpartei und damit Befangenheit
vorwirft, Disziplinarmassnahmen zu verhängen und dieser habe in den ihn
betreffenden Verfahren in den Ausstand zu treten. Die Ausführungen sowohl zur
Nichtverlängerung der Duplikfrist als auch zur Verfahrenssprache dienen
einzig der Begründung dieses Ansinnens. Ein Antrag auf Aufhebung der
prozessleitenden Verfügung vom 23. Januar 2001, Verlängerung der
vorinstanzlichen Duplikfrist und Durchführung des Verfahrens in französischer
Sprache ist der Rechtsschrift vom 26. Januar 2001 nicht zu entnehmen. Soweit
ein solches Rechtsbegehren erst in späteren Eingaben gestellt wurde, geschah
dies nach Ablauf der Beschwerdefrist (Art. 106 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
132 OG), sodass darauf jedenfalls aus diesem Grund - ohne dass geprüft werden
müsste, inwieweit es sich bei der vorinstanzlichen Gerichtsverfügung vom 23.
Januar 2001 um einen selbstständig anfechtbaren Zwischenentscheid handelt -
nicht eingetreten werden kann.

3.
Disziplinarmassnahmen gegen kantonale Gerichtspersonen fallen nicht in den
sachlichen Zuständigkeitsbereich des Eidgenössischen Versicherungsgerichts,
welches sich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerden auf dem Gebiet der
Sozialversicherung befasst (vgl. Art. 128 OG). In Bezug auf die verlangten
Disziplinarmassnahmen gegen den Präsidenten des Schiedsgerichts kann schon
aus diesem Grunde auf die Eingabe vom 26. Januar 2001 nicht eingetreten
werden. Eine Überweisung an die zuständige Behörde erübrigt sich von
vornherein, nachdem bereits die Vorinstanz dieses Schriftstück mit Verfügung
vom 6. Februar 2001 als aufsichtsrechtliche Anzeige an die Justizkommission
des Grossen Rates weitergeleitet hat.

4.
Über das Ausstandsbegehren mit dem Vorwurf der Befangenheit hat zunächst das
Schiedsgericht, das in den hier interessierenden Verfahren noch keine
Sachurteile gefällt hat, selbst zu verfügen (Art. 46 Abs. 2 des bernischen
Gesetzes vom 6. Juni 2000 betreffend die Einführung der Bundesgesetze über
die Kranken-, die Unfall- und die Militärversicherung, BSG 842.11, in
Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über
die Verwaltungsrechtspflege, BSG 155.21; Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar
zum bernischen VRPG, Bern 1997, N 24 zu Art. 9). Da hinsichtlich der gerügten
Frage der Befangenheit kein Entscheid der erstinstanzlich zuständigen Behörde
ergangen ist, fehlt es für das letztinstanzliche Verfahren an einem
Anfechtungsgegenstand (vgl. BGE 125 V 414 Erw. 1a) und das Eidgenössische
Versicherungsgericht kann auch diesbezüglich - mangels funktioneller
Zuständigkeit (Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege
des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz 404) - auf das Rechtsmittel nicht
eintreten.

Die Eingabe vom 26. Januar 2001 ist als Ablehnungsbegehren
zuständigkeitshalber an die Vorinstanz zu überweisen, die nun in Aufhebung
der diesbezüglich am 6. Februar 2001 für die Dauer des Verfahrens vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht verfügten Sistierung darüber befinden
wird.

5.
Da es nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
betrifft, ist das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Prozessausgang
sind die Gerichtskosten vom Beschwerdeführer zu tragen (Art. 135 in
Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Akten werden zur Behandlung des in der Eingabe vom 26. Januar 2001
enthaltenen Ausstandsbegehrens an das Schiedsgericht in
Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern überwiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt
unter Anrechnung des geleisteten Kostenvorschusses von Fr. 500.--.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht in
Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 29. August 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: